Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neunzehntes Kapitel
Von allerlei Arten, das Fleisch und die Fische längere Zeit in einem eßbaren Zustande zu erhalten

Ich machte meine Vorschule als Küchenjunge auf dem Hof eines begüterten Landedelmannes. Damals waren wohl andere Zeiten, Garten und Treibhaus wurden sorgfältig verwaltet, der Hühnerhof war wohl besetzt, und an Mastvieh aller Art war Überfluß. Den Sommer hindurch wurden vegetabilische Vorräte eingesammelt, und gegen den Winter tötete man eine so große Menge wohlgemästeter Tiere, daß ich es nur etwa mit der Hochzeit des Camatscho im Domquichote, oder besser mit den homerischen Schlachtfesten vergleichen könnte. Dahingegen gab es Gastfreiheit für Arme und Reiche, und Herr und Gesinde litten an nichts Mangel, ohne daß man gerade genötigt gewesen wäre, alltäglich den Säckel zu öffnen, der bekanntlich leichter sich leert als füllt.

Da wurden herbstlich eingesammelt: Würste ohne Zahl, in tausendfältigen Abänderungen; Gesalzenes und Geräuchertes; Fleisch unter säuerlichem Gallert und anderes. Endlich ward alles an seinen Ort gestellt, einiges für den nächsten Verbrauch des Winters, anderes, z. B. Schinken und Speck, auf Jahre im voraus. Die edle Herrin selbst leitete eine Woche hindurch die allgemeine Regsamkeit durch Vorschrift und Beispiel, obgleich sie in vielen anderen Künsten wohlerfahren war, und obgleich sie meines Bedünkens den feinsten Damen unserer Tage an edlem Betragen nicht nachstand.

Auch in Italien war es vor alters selbst in den größten Städten gebräuchlich, ein oder mehrere Schweine für den Wintervorrat einzuschlachten, wodurch gar viele der schönsten Novellen des Boccaz, des Sacchetti u. a. herbeigeführt worden. Indes ist diese Gewohnheit schon seit längerer Zeit alldort jener feinen Bildung des weiblichen Geschlechtes gewichen, welche im alten Griechenland nicht gerade so sehr in den Gattinnen aufgesucht wurde, als in jenen ätherischen Wesen, welche unser Wieland so unübertrefflich geschildert hat. Es scheint, daß auch die deutschen Frauen bei vorrückender Im Hamburgischen Korrespondenten 1822, Junius 15., Beilage, befindet sich folgende Anzeige:
»Louise Meynier mythologische Unterhaltungen für Deutschlands gebildete Töchter. 2 Theile. 8. 1 Rthlr.
Die Mythen der Griechen und Römer werden in diesem Werkchen auf die angenehmste Weise vorgetragen, und die jungen Leserinnen erhalten die ihnen in jedem gebildeten Zirkel so nötigen Kenntnisse derselben, ohne daß im mindesten ihre Moralität gefährdet werde. Leipzig, im April 1822. A. Wienbrack.«
Mit andern Worten: Die jungen Leserinnen erlangen durch dies Buch eine unvollständige Kunde von einer unvollständigen Wissenschaft, und erwerben eben dadurch Gelegenheit, in jedem gebildeten Zirkel Blößen zu geben und dem Spotte mutwilliger Herrchen sich auszusetzen.
Bildung täglich unfähiger werden, mit der gemeinen Notdurft des Lebens sich zu befassen, ihre Vorräte auf Jahre im voraus zu sammeln, festzuhalten und auszuteilen. Denn gewiß hat die Gewohnheit des häuslichen Einschlachtens seit einigen Jahrzehnten sehr abgenommen, wobei die Fetthändler sich besser befinden mögen, als die bürgerlichen Haushaltungen.

Nun ist demungeachtet in der Kunst des Einsalzens noch keineswegs alle Überlieferung unterbrochen worden, weshalb ich mich enthalte, weitläufig davon zu handeln. Vornehmlich im nördlichen und westlichen Deutschland versteht man noch sehr gut zu salzen und zu räuchern. Im südlichen hat man darin zu keiner Zeit eine rechte Methode besessen, teils, weil man in dem volkreicheren Lande mehr frische Vorräte zur Hand hatte; teils wohl auch, weil die Entfernung vom Seeleben das Bedürfnis guter Einsalzungen weniger fühlbar machte. Indes hängt die Güte des Eingesalzenen großenteils auch von örtlichen Ursachen ab. Gewandertes und dann auf fetten Weiden schnell gemästetes Rindvieh, wie die Ochsen Was auch Sismondi und die Menschlichkeit dagegen einwenden möge, so macht es dennoch dem Geschmacke der Engländer Ehre, daß sie eine unfreudige Bevölkerung aus dem schottischen Hochlande verdrängt und durch eine blühende Viehzucht ersetzt haben. Denn so allein konnte den englischen Tafeln eine hinreichende Kopfzahl gewanderten Schlachtviehs gesichert werden. aus Schottland und Nord-England auf dem Markte zu London, oder wie die jütländischen auf dem Markte zu Hamburg; oder Schweine, die in Kastanien- und Eichenwäldern sich gesättigt haben, können durch keine künstliche Mästung ersetzt werden. Deshalb bleiben geräuchertes und lufttrockenes Rindfleisch von Hamburg, westfälischer, bayonner oder italienischer Schinken, Salzburger Zungen, pommersche Gänsebrüste, holländische Heringe, geräucherte Lachse aus dem Rhein und etwa noch aus der Elbe, geräucherte Aale aus dem Plöner See u. a. durchaus unvergleichliche, unerreichbare und einzige Dinge. Die Natur ist nicht allenthalben und nirgendwo in allen Gegenständen der Kochkunst gleichmäßig günstig.

Das dichteste, gesundeste, mit Fett durchwachsenste Fleisch ist jederzeit auch für Einsalzungen am meisten geeignet. Das Fett erhält die Fiber geschmeidig und trägt selbst zu deren Erhaltung bei. Mageres Fleisch nimmt zu viel Salz in sich auf, dorrt im Rauche leicht aus und geht geschwinder in Fäulnis über, als das fette, oder mit Fett durchwachsene. In Sachsen ist der Mißbrauch im Gange, die Schenkel magerer Kälber zu räuchern, und in der Mark Brandenburg salzt man alte Mutterschafe ein. Es ist nicht möglich, sich etwas Widrigeres auszusinnen.

In dem bayerischen Kochbuche, welches überhaupt eine gute, aber keineswegs eine durchgeführte Richtung hat, befinden sich brauchbare Anweisungen zum Einsalzen und Räuchern. Wer indessen sie benutzen will, wird wohltun, das Allgemeine, wie die Vorbereitung des Fleisches, oder die Verhältnisse des Salzes und Salpeters (Nitrum) von allerlei Phantasien abzusondern, welche ihrer Natur nach nur denen gefallen können, welche daran von Jugend auf gewöhnt sind. Diese betreffen die Anwendung von Gewürzen, wohlriechenden Kräutern und Samen, welche den arthaften Geschmack des Fleisches leicht stören und, äußerlich angewendet, in kurzer Zeit verdunsten, und nichts als jene Bitterkeit zurücklassen, welche allen Aromen zugrunde liegt.

Zu allerlei Fleischwürsten schabe man das Fleisch mit einem scharfen Messer, damit die Fiber von allem Häutigen und von allen Sehnen und Nerven getrennt werde. Bratwürste muß man nicht zu fest anstopfen, auch wird man wohltun, sie etwas körnig zu machen, indem man das Fleisch besonders hackt, salzt und würzt, und erst in der Folge das geschnittene oder grobgewiegte Fett lose darein mengt. Geräucherte Fleischwürste aber muß man recht fest in die Gedärme einschlagen; denn je dichter sie sich im Rauche zusammenbilden, je dauerhafter werden sie auch, je feiner lassen sie sich aufschneiden. Bei diesen Würsten würde ich lieber Fleisch und Fett, wie in den italienischen Salami, grob mengen, als beides auf deutsche Art zusammen hacken und innig vereinigen. Übrigens scheint mir der Knoblauchgeschmack der bolognesischen Würste überflüssig und sogar etwas widrig.

Die Gedärme müssen voraussetzlich wohlgereinigt sein und einige Tage in Salzwasser gelegen haben, ehe man daran denken kann, Würste zu stopfen.

Der Lenden- oder Mürbebraten des Schweines mit einem Dritteil des anliegenden Fettes, beides von allen Häuten und Nerven gereinigt, wird frisch angesalzen, stark gewürzt, sowohl mit Spezereien, als mit trockenen Kräutern; dann in den Mastdarm oder in die Blase gewickelt, und noch einmal, dieser Häute willen, etwa einen Tag lang in die Salzlake gelegt. Dieses Stück hängt man sodann in den Rauch, wie die Fleischwürste, und bewahrt und gebraucht es wie diese. Das Fleisch des Lendenbratens kann aber auch grob ausgeschabt und mit grob zerschnittenem Fette vermengt, gleich einer Wurst, bereitet werden. Auf beide Arten aß ich diese beifällige Speise in den Gebirgen von Rom, wo man sie polpette nennt, und ohne andern Grund, als den der Gewöhnung, mit Knoblauch und Koriander vermengt, welche ich daraus wegzulassen anrate.

Der Zampone di Modena ist eine andere, einer bestimmten Gegend von Italien vorzüglich eigene Einsalzung. Man ziehe die Haut vom Bug oder von dem Vorderfuße des Schweines herab, ohne sie aufzutrennen oder sonst zu verletzen; löse alsdann das Fleisch und das Knorplige von den Knochen; zerhacke es grob, und vermische es mit feingehacktem, zarterem Fleisch und etwas Nierenfett; würze und salze zur Genüge und nach seinem Geschmacke. Stopfe das Gemengsel in die inwendig fette Haut des Vorderbeines, doch nicht allzu fest; binde diese Haut zu beiden Enden so stark als möglich zusammen; lege es in Salz, so lange, als die Haut bedarf, um dauerhaft zu werden, hänge es in den Rauch, und später bis zum Verbrauch an einen trockenen Ort. Diese Speise muß geweicht und gewässert werden, ehe man sie siedet; doch nur etwa halb so lange, als ein Schinken. Man kann sie sowohl warm, als abgekühlt, als Eingang oder als Beilage zu Gemüsen genießen. Freilich liegt sehr viel an der eigentümlichen Güte der modenesischen Schweine, die auch zu andern Einsalzungen ausnehmend wohl geeignet sind.

In den Würsten, eben wie in den Pasteten, ist der Erfindung ein weiter Spielraum gelassen. Denn es ist nicht nötig, daß man die Würste gerade nach den in Umlauf stehenden Vorschriften mache, im Gegenteil ist die Mischung der Fleischgattungen, der Gewürze oder anderer Pflanzenstoffe durchaus der Willkür überlassen. In jedem Bezirke von Deutschland, ja von Europa, sind andere, meist ganz löbliche Verknüpfungen üblich. Man folge dem einen und dem andern Beispiel, oder den Eingebungen seiner eigenen Einbildungskraft, wenn man diese anders nach den ewigen Grundsätzen der Kunst zu regeln weiß.

In niederrheinischen Haushaltungen aß ich mehr als einmal eine hartgeräucherte, sehr schmackhafte Leberwurst und erhielt folgende Vorschrift, sie zu bereiten, die ich selbst bis jetzt nicht habe in Anwendung setzen können:

Nimm frische Kalbsleber, Schweineleber, geriebenes in Fleischbrühe aufgeweichtes Weißbrot; von jedem ein Dritteil. Wenn die Lebern gereinigt und fein gehackt worden, so mische alles wohl zusammen, salze und würze es gut, sowohl mit Spezereien als feinen Kräutern; tue alsdann zu dieser Masse etwa die Hälfte frischen, in feine Würfel geschnittenen Speckes, und menge alles wohl ineinander. Diese Masse fülle in wohlgereinigte Därme, binde dieselben wohl zu, und lege sie zum Anziehen in heißes Wasser; endlich nehme man sie heraus, lasse sie abkühlen und hänge sie in den Rauch, bis sie recht hart werden.

Geriebenes Weizenbrot ist auch denjenigen Würsten beizusetzen, welche man an manchen Orten vom Gehirne der Schweine bereitet. Im ganzen Norden macht man auch aus dem in der Brühe des Schlachtfleisches aufgesottenen Hafergries – auch aus Reismehl – ganz schmackhafte Bratwürste, indem man sie mit Fett, Blut und Spezereien vermengt. Diese Mischungen von Blut, Fett, Fleischbrühe, Mehlstoffen, welche wir in dem Miliatscho der Italiener wiederfinden, ertragen eine leichte Hinneigung zum Süßlichen. Ihr gemeinschaftliches Vorbild findet sich in den mit Blut und Fett gefüllten Ziegenmägen des Homer S. Odyssee Buch 18. V. 43 und 118 ff., und diesen gleicht allem Anscheine nach der gefüllte Hirschmagen der nordamerikanischen Wilden, von dem verschiedene Reisende mit Lob geschrieben haben. Speisen dieser Art sind sehr haushälterisch, weil sie dazu dienen, die Reste des eingeschlachteten Fleisches, der Brühen oder des Fettes nützlich zu verwenden. Durch kunstreiche Mischung können solche Würste, welche vor dem Verbrauche meist auf dem Roste gebraten werden, einen hohen Grad von Wohlgeschmack erlangen.

Blutwürste mit eingeschnittenem Zungen- und Nierenfleische werden gleich anfangs gesotten, dann recht hart geräuchert und kalt genossen.

Großen, vorzüglich ländlichen Haushaltungen ist es zu empfehlen, daß sie von Zeit zu Zeit junge nur halbgemästete Schweine bei kühlem Wetter einschlachten, damit sie immer leicht eingesalzenes Fleisch, petit salé, zur Hand haben. Aus den Eingeweiden und aus anderem Nebenfleische mache man allerlei nicht zu einer längeren Aufbewahrung bestimmte Würste. Der Rücken kann zu einem frischen Schweinebraten dienen; die Schenkel wird man besser in Salz legen und entweder aus der bloßen Salzlake, oder nach einer kurzen Räucherung gesotten auftragen können.

Gänse, auch Enten und halbmageres Schweinefleisch, jegliches für sich und in mäßig große Stücke gehauen, mit Säure und Gewürzen und mit etwas Gallertstoff an Hirschhorn oder anderem wohl eingesotten, dann abgekühlt und mit Fett überschmolzen, erhalten sich eine längere Zeit in ihrem säuerlichen Gallerte. Man kann auch Wildschwein, z. B. den Kopf, aus dem man die Knochen herausgenommen, und ihn mit gehacktem und zerschnittenem Fleisch und Fett gefüllt hat, auf eine ähnliche Weise einsieden und in seinem Gallert erhalten. Ebenso verschiedene Fische von starkem Fleisch, als den Stör, den Lachs, den Hausen und andere. Den Fischgallert bereite man, wie schon bemerkt worden, mit Hirschhorn oder Hausenblase.

Die Alten S. Apicius de arte coq. Lib. I. c. VIII. bewahrten das Fleisch vor Fäulnis, indem sie es durch Bestreichen mit Honig von der äußeren Luft absonderten. Allgemeiner verdiente eine neue Erfindung, das Donkinsche Patentfleisch, beachtet zu werden, deren der Lieutenant von Kotzebue von Kotzebue. Entdeckungsreise in die Südsee usw. 1. Bd. Weimar 1821. 4. auf seiner Reise um die Welt sich mit Nutzen bediente. Krusenstern Das. S. 10 und 11. behauptet in der Einleitung zu gedachter Reise, das Fleisch werde sogar besser, weil es die verdichtete Fleischbrühe, in der es eingelegt wird, mit der Zeit in sich aufnehme. Es scheint, daß die Haltbarkeit dieser Aufbewahrung großenteils von der Dichtigkeit der Gefäße abhänge, in denen es rationenweise verschlossen wird. Apicius bewahrt sogar die Auster, indem er sie aus den Schalen genommen in ein aus Essig gewaschenes Gefäß legt, dieses wohl zubindet und von der Luft absondert.


 << zurück weiter >>