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Dreizehntes Kapitel
Von der Verwendung der Fleischbrühe zu Tunken, gemeinhin: Soßen

Tunken Tunke, vom Eintunken. In vielen deutschen Kochbüchern nennt man die Tunke fälschlich: Brühe; Brühe aber kommt von brühen, absieden; es ist die Bouillon, und nicht die Sauce. oder Soßen Soße kommt aus dem französischen Sauce; dieses aus dem italienischen salza, oder geradezu aus dem lateinischen salsum, salsa, Gesalzenes. Salsugo und Salsilago für Salzlake, bei Plinius; in salso, bei Apicius (lib. IX.), wo die Auslegung schwieriger ist, als daß die Erklärer sich damit hätten abgeben mögen. Die Sauce, nach unsern Begriffen, hieß bei den Römern: jus. Diese jura hatten sich im Mittelalter höchst wahrscheinlich zu einer Salzlake vereinfacht, vielleicht mit Öl und Essig vereinigt, woher unser neueuropäisches Wort: Salat, und Salza, Sauce und Soße entstanden sein mag. nennt man die flüssigen Zugaben zu festen, nicht auflösbaren Nahrungsmitteln. Es haben diese Zugaben mehr als einen Zweck. Zuerst sollen sie dem Festen das Flüssige zugesellen, oder die Speisen schlüpfriger machen, damit sie um so bequemer die Kehle hinabgehen. Dann dienen sie auch, den Geschmack einer festen Speise zu verfeinern, oder durch Gegensätze zu heben. Endlich sollen sie bisweilen die Zuträglichkeit und Verdaulichkeit einer bestimmten Speise befördern.

Bei den Tunken jeglicher Art muß man darauf Bedacht nehmen, sie möglichst mit dem Gegenstande zu verbinden, dessen Geschmack sie gerade beifälliger machen sollen. Dieses geschieht zunächst, indem man die Tunken aus der Brühe des Fleisches, der Fische und der Gemüse, zu denen sie jedesmal gegeben werden sollen, bereitet oder mischt; dann aber, wenn die feste Speise, zu der man eine Tunke bereiten will, keine eigene Brühe hat, indem man sie wenigstens aus den gleichartigsten Bestandteilen zusammensetzt. Wenn z. B. trockene oder halbfeste Mehlspeisen mit einer Tunke begleitet werden sollen, so wird man im allgemeinen wohltun, diese aus Milch, Eiern, Butter und Mehl zusammenzusetzen; obgleich auch die Obstsäure zu den meisten Mehlspeisen paßt; teils wegen des entschiedenen, den Geschmacksnerven wohltätigen Gegensatzes, teils aber, weil die linde Säure eben jene Art von Speisen erweicht und verdaulicher macht.

Hier betrifft uns aber nur der Fall, da man durchaus nicht umgehen kann, zur Verdünnung einer Tunke der Fleischbrühe des Suppennapfes sich zu bedienen. Hierbei berücksichtige man jedesmal, ob der Geschmack einer Tunke gelinde oder kräftig ausfallen soll. Für gelinde, z. B. für weiße Tunken, schöpfe man ein wenig Brühe ab, ehe dieselbe einen zu sehr vorsprechenden Kräutergeschmack angenommen hat. Zum Aufguß, oder zur Verdünnung kräftig schmeckender Tunken darf man hingegen eine jede, sogar die oben anempfohlene zweite, oder Sparbrühe, verwenden, wie sehr sie nun auch nach verkochtem Wurzelwerk und aufgelöstem Gallertstoffe der Knochen schmecken möge. In den Haushaltungen großer Herren, ja selbst in besuchten Gasthäusern, macht man zu diesem Behufe braune und weiße Fleischbrühe (coulis) in Vorrat. Dies kann jedoch in beschränkten Haushaltungen nicht befolgt werden.

Jegliche Bereitung einer Tunke erfordert eine vorangehende strenge Prüfung der Geschmacksarten, welche mit dem Gegenstande sich binden können, den man durch eine Tunke beifälliger und zuträglicher zu machen gedenkt. Sobald man über diese höchst wesentliche Sache ins reine gekommen ist, schreitet man zur Bereitung, indem man die Tunke sorgfältig verarbeitet, damit sie auch in sich selbst ein Ganzes werde. Diese Verarbeitung erfordert ein Bindemittel, welches die Alten aus feinem Mehl im voraus bereiteten, und Cato de re rustica c. 87. gibt uns seine Art der Bereitung des Amylon ausführlich an. Apicius gibt sein amylum an die Speisen, ohne uns zu sagen, wie er es bereitete. Amylum benannten. Wir Neuern verarbeiten feines Weizen- oder Spelten-Mehl auf zweierlei Weise. Zu weißen Tunken nämlich rührt man das Mehl in guter Butter und über leichtem Feuer ganz weiß, sowohl des Ansehens willen, als vorzüglich um den Zuckerstoff und jene Lindigkeit und Süße, welche den weißen Tunken einen gewissen allgemeinen Charakter gibt, aus dem Mehle vollständiger zu entwickeln. Eben diese Lieblichkeit der weißen Soßen muß man niemals durch bittere Würzen, durch Muskatnuß, Zitronenschale oder Ähnliches, aus dem Gleichgewichte bringen. Im Gegenteil, es passen hier nur gelinde Würzen, als Trüffeln, Schwämme feinerer Art, Zitronensäure, Krebse aus süßem oder gesalzenem Wasser, Austern u. dgl. mehr. In vielen Fällen kann man auch ein oder mehr Eidotter, vorher mit Brühe verdünnt, oder zugleich mit dem Mehl in der Butter abgetrieben, mit der weißen Tunke verbinden. Doch prüfe man jedesmal, ob diese Abänderung auch wohl zu dem festen Gegenstande passe, dem man die Tunke gerade beigeben will. Unter den Gemüsen und Kräutern binden sich mit der weißen Tunke der Spargel, alle Gattungen gewürzhafter Wurzeln, nur nicht die Möhren und Beten, endlich der Sauerampfer und Portulak. Kerbel, Peterlein, Dragon oder Schlangenkraut, Basilikum und ähnliche Kräuter von starkem Geschmacke verbinden sich besser mit den braunen Tunken.

Diese bindet man durch ein in Butter abgebräuntes Mehl; wo man dazu gelangen kann, wird man jedoch besser tun, statt des gebräunten Mehles eine stark eingekochte und schleimige braune Brühe zu nehmen. Bei dem Bräunen des Mehles muß man sehr vorsichtig zu Werke gehen, damit nicht durch Übereilung des Bräunens einzelne Teile anbrennen, welche alsdann statt des erforderlichen kräftigen Bratengeschmackes einen bitteren und herben abgeben möchten. Nicht zu gedenken, daß durch das Verbrennen des Mehles, eben wie durch das hier und da bei den Bierbrauern übliche Anbrennen des Malzes, die Nahrhaftigkeit des Grundstoffes zerstört wird. Ein wohlgebräuntes Mehl wirkt übrigens auch sehr wohltätig auf den Magen, wie die eingebrannte Suppe beweist, deren man sich bei geschwächter Verdauung zum Frühstück mit Nutzen bedienen wird.

Braune Tunken können mit allen bitteren Gewürzen, scharfen Säuren und kräftig schmeckenden Wurzeln, Schwämmen und Kräutern, ohne alle Schonung versehen werden.

Gebräuntes, eben wie weiß abgerührtes Mehl wird, sobald es in der Butter gar geworden, ganz allgemach, bei fortgesetztem Rühren, durch Fleischbrühe verdünnt. Man bewirkt durch ein fleißiges, langsames Rühren in einer Richtung, daß die Flüssigkeit allmählich in alle Mehlteilchen eindringt, sie auflöst, und mit ihnen sich innig verbindet. Wollte man hingegen die Flüssigkeit auf einmal hinzugießen, so würde daraus vielmehr eine Trennung des Festen und Flüssigen hervorgehen, die den Geschmack und das Auge schlecht genug befriedigen dürfte.

Es ist hier überhaupt nicht der Ort, von allen denkbaren Tunken zu reden; einzelne Beispiele werde ich in der Folge anführen. Im ganzen lasse ich gerade in diesen meist willkürlichen Beisätzen gar gern dem Urteil und der Erfindungsgabe meiner Leser ein freies Spiel.


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