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Viertes Kapitel
Vom rechten Gebrauche häuslicher Mahlzeiten

Ich nehme nicht Anstand, zu behaupten, daß es ungleich mehr darauf ankomme, alle Tage des Jahres ein hinreichendes wohlanständiges, reinliches, einladendes Mahl zu haben, als von Zeit zu Zeit ein prachtvolles und reiches Gastgebot. Denn, mag es gleich ergötzlich und dienlich sein, abwechselnd reichliche Schmause zu geben, seine Freunde um sich her zu versammeln und der Freude über das gewöhnliche Maß hinaus sich hinzugeben, so ist es doch nur der Umlauf der täglichen Mahle, welcher wahrhaft ernährt und belebt, die Kräfte ersetzt und aufrichtet.

Eben daher war ich in den vorangehenden Büchern standhaft darauf bedacht, die wohlfeilsten und zuträglichsten Nahrungsmittel in ihrer einfachsten Bereitung zu beschreiben, und überging, wo die Wahl offen war, lieber eine Leckerei oder Seltenheit, als eine gewöhnliche Haus- und Landesspeise.

Wer nun meinen Geist recht gefaßt hat, dem wird es im ganzen Laufe des Jahres nicht an mancherlei Speisen fehlen, welche auch da, wo dem Überfluß entsagt werden muß, den Tisch hinreichend und ergötzlich besetzen. Nach einer kräftigen Suppe, sie möge nun aus der Brühe von Fleisch oder Fischen oder nur aus Wasser mit allerlei durchgetriebenen Mehlfrüchten verfertigt werden, wird es nunmehr einer vorsorgenden Hausmutter »Alles, was ihr die Jahrszeit gibt, das bringt sie bei Zeiten / Dir auf den Tisch und weiß mit jeglichem Tage die Speisen / Klug zu wechseln.« Goethe. nicht fehlen an allerlei Gesalzenem oder säuerlich Eingemachtem, an frischer Butter, Radieschen und ähnlichem. Diese Sächlein nämlich werden ihr zum zierlich in kleinen Tellern aufgetragenen Imbiß dienen. Gesalzene Heringe und gesäuerte Gurken; Radieschen und frische Butter; einige Schnitte guter Wurst oder hartgeräucherten Schinkens; oder Überreste von gekochtem Gesalzenem aller Art werden ihr auch ohne großen Aufwand die Mittel an die Hand geben, zwei oder vier Tellerchen zum Imbiß aufzusetzen. Dann folgt das Gesottene; dann das Gemüse, mit Beilagen von gebackenem oder auf dem Rost gebratenem Fleisch, und Fische, wenn etwa dem beschränkten Hausstande nicht täglich den Braten zu geben gestattet ist. Endlich beschließen das Mahl leichte Mehlspeisen, geronnene Milch, oder Käse und Früchte, welche die Jahreszeit gibt oder die Kunst aufbewahrte.

Beispiele

Häusliches Mahl an einem Fasttage Suppe von aufgeriebenen Kartoffeln, mit Fischbrühe bereitet (siehe Zwölftes Kapitel), oder von Krebsen mit durchgetriebenen Erbsen, oder von Grünigkeiten, die man in heißer Butter leicht übergangen hat, oder andere.

Imbiß: Frische Heringe oder Sardinen, geräucherter Lachs, Kaviar, auch andere geräucherte Fische, welche, wie der Aal, oder wie die schwarze Forelle von Berchtesgaden, des Erwärmens auf dem Roste bedürfen; endlich auch marinierte Fische. In Seegegenden dafür Austern, Muscheln oder Strandkrebse. Gegenüber gesäuerte Gurken oder kleine Gurken, Veitsbohnen, Blumenkohl und andere mit Spezereien in Essig eingesottene Vegetabilien. Anders: ein Tellerchen mit frischer Butter und gegenüber Radieschen, schwarzer Rettich, oder wenn die Jahreszeit sie nicht gibt, etwas härtlich abgesottener Sellerie in Scheiben geschnitten und mit Salz, Pfeffer und Essig.

Eingang: Ein gesottener Fisch, auf trockengesottene Kartoffeln gelegt, welche erst auf der Platte selbst die Fischbrühe eingesogen haben. Ist der Fisch mager, so belegt man die Schüssel mit etwas frischer Butter (siehe 1. Buch, Kap. 10).

Leicht verdauliche Gemüse, als Spinat, Sauerampfer, Gemengsel von Kräutern u. dgl. mit gebackenem Fisch, oder in Ermangelung mit Eiern oder gebackenem Weißbrote.

Endlich ein Fisch am Spieß oder auf dem Roste gebraten, mit Salat; oder auch eine Mehlspeise, die mit Obst oder Zucker versüßt ist.

 

Häusliches Mahl an einem Fleischtage Fleischbrühe mit Brot, Gemüse oder allerlei Bereitungen aus Mehl.

Imbiß: Einige Schnitte Schinken oder geräucherter Wurst; gegenüber ein Tellerchen mit kaltem Braten oder Fleisch unter Gallert. Die Vegetabilien wie gegenüber. Eine geschickte Köchin gibt hier von Zeit zu Zeit auch einige in Schmalz abgebackene Kleinigkeiten.

Eingang: Gesottenes Fleisch mit oder ohne vegetabilische Beilage.

Gemüse mit gebackenem oder auf dem Roste gebratenem Fleische. Wenn man einen Braten hat, so gebe man Salat dazu und setze das Gemüse in zwei kleineren Schüsseln neben dem Gesottenen auf. Der Nachtisch bestehe aus Obst, Käse und kalten Milchspeisen.

Bei dieser Art, die Mahlzeit mit einem Imbiß zu beginnen, welche in Italien mehr als in Deutschland üblich ist, kann man mit leckeren und mithin häufig kostbaren Sachen sparsam umgehen; diese fallen auch zu Anfang der Mahlzeit mehr in die Sinne und dienen zugleich, die Tätigkeiten des Magens anzuregen und den jähen Hunger abzustumpfen, welcher zu dem nachteiligen Schnellessen oder Verschlingen geneigt macht. Im Hildesheimischen pflegt man die kalten Fleischreste nach der Suppe aufzutragen; eine löbliche Gewohnheit, wenn sie von Sinn für Schönheit und Ordnung begleitet wäre.

Reinlichkeit der Tisch- und Mundtücher ist den Essenden sehr anzuempfehlen. Die meisten Menschen sind dem Eindrucke des Ekels ausgesetzt; zudem gehört die Reinlichkeit und Glätte des Weißzeuges zu den Veranlassungen ästhetischer Empfindungen, die man während der Mahlzeit auf alle Weise anzuregen bemüht sein muß. Ich rate daher nicht minder, auch bei häuslichen Mahlzeiten den Tisch mit einem hübschen Gefäß voll Blumen zu schmücken, wenigstens solange, als die Jahreszeit gestattet, sie ohne große Unkosten herbeizuschaffen.

Den oben verzeichneten Gemütsbewegungen muß man auch bei häuslichen Mahlzeiten auszuweichen suchen. Der Ehemann sollte niemals seine Geschäftsverdrießlichkeiten oder gar seine Verstimmungen gegen die Gattin mit an den Tisch bringen. Es ist schon dies ein Übel, daß die Kinder, wenn solche vorhanden sind, dem Unfrieden ihrer Eltern bisweilen als Zeugen dienen. Nun gar die nachteiligen Folgen des Zornes und des Ärgers, dem man während der Mahlzeit Raum gegeben! Häusliche Mißhelligkeiten eignen sich daher vielmehr für die sogenannten Gardinenpredigten, obgleich auch diese dem Tadel unterliegen.

Auf diese Veranlassung will ich bemerken, daß auch den besten Hausfrauen, Köchen und Köchinnen von Zeit zu Zeit eine Schüssel mißglücken kann. Dies hat seinen Grund: subjektiv in Unpäßlichkeit der Kochenden, objektiv in der Witterung, z. B. bei Speisen, welche aufgehen sollen, oder in der zufällig schlechten Beschaffenheit eines bestimmten Naturstoffes. In solchen Fällen müssen Eheleute und Hausherrn sich zu mäßigen wissen, denn sie werden durch das Auffahren weder die Mahlzeit des Tages verbessern noch für die Zukunft durch eine Ungerechtigkeit gewinnen können.


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