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Sechstes Kapitel
Von einigen besonderen Braten

Zum eigentlichen Ochsenbraten ist eine große Masse um den Hüftknochen ausgelösten Fleisches erforderlich. Je größer die Masse des Fleisches, je mehr konzentriert und verkocht sich im Innern derselben der tierische Leimstoff, je mehr erhalten sich die dem Fleisch eigentümlichen Säfte und Salze. Man lasse das Fleisch bei kühlem Wetter acht bis vierzehn Tage, bei warmem weniger, immer jedoch an einem kalten Orte hängen, damit es in sich selbst mürbe werde. Erst nach dieser Vorbereitung stecke man es an den Spieß, gebe ihm ein schnelles Feuer, pflege die Oberfläche, noch obiger allgemeiner Vorschrift, bis es gar ist. Wenn eine solche Masse gebratenen Rindfleisches gehörig bereitet worden, so bleibt sie zwar sehr saftreich, gibt aber unter dem Schnitt, indem sich der rötliche Saft bei der ersten Berührung des Messers von der Fiber trennt, ein weißes, zartes Ansehen, fast wie ein wohlgemästetes Kalbfleisch. Es ist aber auch hierzu erforderlich, den Rinderbraten nach Art der Engländer in sehr dünne Streifen aufzuschneiden.

Dieses Nationalgericht hat die Engländer in den Ruf gebracht, daß sie das Rohe lieben. Denn viele Völker des Kontinents bilden sich ein, daß ein saftreiches Fleisch durchaus roh sein müsse, und halten das Fleisch nicht eher für hinlänglich gar, als nachdem es so dürre geworden ist wie ein Wespennest. Allein sie sind im Irrtum; ein guter Roastbeef ist nur darum so saftig, weil der Überzug, den ihm die erste schnelle Kohlenhitze gegeben, die Verdunstung der Säfte verhindert hatte.

In der Notwendigkeit, mich auf wenige Personen einzurichten, habe ich häufig kleinere, aus dem Rücken gehauene Stücke Rindfleisch am Spieße gebraten; die Fettdecke, die diese Stücke zu haben pflegen, auch der anliegende Knochen, verhinderte die Ausdorrung, und es war ein erträgliches Surrogat des kolossaleren Roastbeef.

Bei Nationen, welche eine größere Verschiedenheit von Speisen aufzutragen lieben als die Engländer, kann man ohnehin nur an Wirtstafeln oder in größeren Vereinigungen sich darauf einlassen, jene unermeßlichen Fleischmassen aufzutragen. Wir verdanken diesem Beweggrund ein anderes, sehr artiges Surrogat des englischen Rinderbratens, welches, wenn mich nicht alles betrügt, eine Erfindung der Franzosen ist: nämlich das Filet de bœuf (auf deutsch: der Mürbebraten, Lungen- oder Lenden-Braten). Man kann die Zartheit dieses ausgesuchten Stückes noch durch eine Beize von Essig, Gewürz und allerlei feinen Kräutern erhöhen; wem aber dieser umständliche Geschmack nicht behagt, tut besser, das Fleisch einige Tage hängen zu lassen und alsdann recht mürbe zu klöpfeln und so kurz als möglich zu richten (zusammenzudrängen). Alsdann wird dies Stück recht säuberlich gespickt und zuerst bei raschem, dann bei stillem Feuer so lange gedreht, bis es so gar gebraten ist, als einem beliebt. Indes ziehe ich vor, den Lungenbraten nach obiger allgemeiner Vorschrift, ohne ihn zu spicken, noch zu klöpfeln oder zu beizen, ganz einfach am Spieße zuzurichten. Allerlei mehlige Gemüse, als Kartoffeln, graue oder preußische Erbsen, auch wohl frische, halbgereifte weiße Bohnen, diese mit Öl und Zitronensaft, geben hierzu eine willkommene Beilage; allein auch Möhren, Rüben, gedämpfte Gurken und Blättergemüse, als Lattich, Endivien usw., worüber im zweiten Buch an seiner Stelle.

Junge Lämmer, Spanferkel, gemästetes Federvieh und andere Tiere, die eine starke Fettdecke haben, wird man jederzeit mit Vorteil an einem schnellen Feuer braten und ihnen dann später, bis zum Auftragen, nur eine mäßige Hitze lassen, welche hinreicht, sie warm zu halten, ohne ihnen durch Ausdünstung zu viele Säfte zu entziehen.

Fasanen, Schnepfen und anderes Geflügel, welches gerade mehr fleischig als fett ist, wird man mit einer Decke von feinen Scheiben frischen oder gesalzenen Speckes bekleiden müssen, welche sich entweder wie ein Hemdchen zusammennähen oder sonst befestigen läßt. Die Franzosen pflegen über dem Hemdchen auch wohl ein in Olivenöl getränktes Papier anzubringen, welches allerdings noch bei weitem mehr gegen die Austrocknung schützt. Das genannte leckere Geflügel erhält sich in einem solchen Habit ungemein saftreich und frisch; um ihm entschiedener den Geschmack eines Bratens zu geben, kann man das Hemdlein einige Minuten vor dem Anrichten halb auftrennen und die Hitze an die Haut dringen lassen. Ich brauche nicht daran zu erinnern, daß man den gewürzhaften Schnepfendreck während des Bratens auf geröstete Semmelschnitte träufeln läßt. In Italien nimmt man die Eingeweide halbgebraten aus dem Leibe der Schnepfen, hackt sie mit einigen Sardellen und feinen Kräutern, legt das Gehäcksel auf Semmelscheiben und läßt es dann in der Bratenschüssel vollends gar werden.

Kalbfleisch, Hasen und Rebhühner, Kalbsleber und ähnliches wird man mit besserem Erfolge spicken oder auf der ganzen Oberfläche mit kleinen Speckschnittchen durchziehen. Es ist besser, hierzu gesalzenen Speck zu nehmen, um jenen süßen Fleischarten einen angenehmen Gegensatz zu geben. Doch hängt dergleichen jederzeit von der Subjektivität des Tischherrn ab, welche jeder denkende Mundkoch nie aus den Augen verlieren wird.

Es kann aber auch der Fall eintreten, daß ein Bratenstück mehr Fett enthält, als angenehm oder zuträglich ist. Dieser Art ist der Aal. Am Trasimenischen See lernte ich eine sehr vorteilhafte Behandlung dieses Fisches kennen, die mehr und weniger glücklich auf alle fetten Fleischarten angewendet werden kann. Nachdem er von der Haut befreit und in Stücke geschnitten worden war, reihte man diese an einem Vogelspieß auf und legte den Spieß neben und über mäßigem Kohlenfeuer an. Sobald die genannten Stücke des Aales, die man nicht allzu enge zusammenreiht, ihr Fett auszuschwitzen anfangen, beginnt man auch, sie mit einer Mischung von fein gestoßenem Salz und fein geriebenen Brosamen (Semmelbrösel) zu bestreuen, und fährt damit so lange fort, als das Ausschwitzen des Fettes stattfindet. Wenn diese Handlung mit vieler Aufmerksamkeit und nicht, wie in den meisten Küchen geschieht, mit gedankenloser Fertigkeit vorgenommen wird, so inkrustiert sich jedes einzelne Stück ganz ebenmäßig mit einem Überzuge, den man einige Minuten vor dem Anrichten durch Verstärkung des Kohlenfeuers etwas sperre (krokantkroß) machen und nach Belieben mit etwas gestoßenem Pfeffer schärfen (pikanter machen) kann. Die Süßigkeit und Milde des Aales bekommt durch die Kruste, zu der ich eben die Anweisung gegeben habe, einen sehr angenehmen Gegensatz, und sein schwer verdauliches Fett verliert sich teils in den trockenen Teilchen der geriebenen Semmelrinde, teils verschwitzt es sonst. Es muß auffallen, wieviel Vorzüge diese Art der Bereitung besitzt, und ich wünsche von Herzen, daß sie in Deutschland allgemein werde und vorzüglich die Barbarei eines in Butter gebratenen oder geschmorten Aales gänzlich verdränge. Aal am Spieße gebraten wird freilich auch in deutschen Kochbüchern anempfohlen, aber mit allerlei künstlichen Vorbereitungen, welche dem guten Geschmack entgegenstehen und dem Fische seine erforderliche Frische nehmen.

Auf dieselbe Weise behandle man in kleine, derbe Stücke geschnittenes Lämmer-, Hammel- und Schweine-Fleisch, welches dem schmackhaften Kjebab der Türken nicht unähnlich sein wird, vorzüglich wenn man Schnitte von spanischen oder levantischen Zwiebeln zwischen den Fleischstücken aufreiht. Man kann auch, wenn man anders den Geschmack nicht zu stark findet, frische Lorbeerzweiglein, Salbei, Rosmarin oder andere bittere und aromatische Kräuter abwechselnd mit den Fleischstücken aufreihen, damit sie nicht zu nahe aneinander stehen. Unter die Brosamen muß man etwas mehr Salz als bei dem Aal und nach Belieben ein wenig Gewürz nehmen, von der Art, welche der Herrschaft gerade am meisten gefällt.

Ich kann nicht umhin, auf diese Veranlassung der Art zu erwähnen, auf welche in Italien frische Schweinelebern am Spieße gebraten werden. Man zerschneidet dieselben in derbe Stücke, umwickelt diese, nachdem sie gesalzt, gewürzt, auch wohl mit etwas Kümmel bestreut worden, mit der fetten Netzhaut des Schweins, und reiht diese Stücke, mit frischen Blättern von wildem Lorbeer abwechselnd, an einen Vogelspieß. Dann dreht man sie bei raschem Feuer lustig herum und trägt sie auf, wenn sie wohl gebraten sind. Dieses Gericht paßt ungemein zu einem herbstlich-ländlichen Jagdleben; Städtern möchte ich es, als unverdaulich, widerraten.

Brüste von großem Geflügel, als Indianischen Hühnern (Kalekuten, Kuhnen oder Piepstückeln), rasch abgerissen, nachdem man das Schultergelenk abgelöst und die Haut rings um den Brustmuskel aufgetrennt hat, geraten vorzüglich am Baumelspieß und auf dem Roste. Diese Art von Braten gibt zu einigen feinen Gemüsen eine paßliche, kräftig schmeckende Beilage. Die übrigen Teile des also geminderten Geflügels lassen sich in wohlgeordneten Haushaltungen mannigfaltig verwenden.


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