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Vierzehntes Kapitel
Vom Gallerte, vorzüglich insofern er vielmehr als eine verdichtete Fleischbrühe zu betrachten ist

Der Gallert ist eine innige Verbindung tierischen Leimstoffes mit beliebigen Flüssigkeiten. Da jeder Gallert bei einem mehr und minder hohen Grade der Wärme flüssig wird, und dahingegen bei wenigem Leimgehalte nicht selten muß mit Beihilfe des Eises zum Erstarren gebracht werden, so heißt er bei den Franzosen Gelée, bei den Italienern Gelatina, oder ein Erkaltetes. Unser deutsches Wort: Gallert, scheint von jenen Benennungen abzustammen.

Der Gallert wird häufig zu allerlei kalten Fleisch- und Fischspeisen gegeben, und ist in dieser Beziehung den kalten Speisen, was die Tunke den warmen. Übrigens dient der Gallert auch als eine sehr nahrhafte, dabei leicht verdauliche Erfrischung, um weitläufige Mahlzeiten angenehm zu verlängern. Er gehört in dieser Beziehung zu den Zier- und Geschmacksspeisen (plats de goût), von denen wir zu Ende reden wollen. Ja, ein solcher Gallert, wenn er sonst mit Vorsicht bereitet ist, eignet sich sogar zu einer schicklichen Erquickung kranker und schwächlicher Personen.

Der Gallert, als Zugabe zu kalten Fleisch- und Fischspeisen betrachtet, muß voraussetzlich immer einen säuerlichen und kräftigen Geschmack haben. Neben kaltem Fleische, Pasteten oder Fischen würde ein süßlicher Gallert sehr widrig und fade herauskommen. Um nun einem Gallert einen kräftigen Geschmack zu geben, pflegt man die Kalbsfüße, oder, nach italienischer Art, die Füße der Zicklein und Hühner, mit Schinkenschnitten und gewürzhaften Vegetabilien anzubräteln, oder bei gelindem Braten etwas braun werden zu lassen. Die Franzosen jedoch lieben, den Gallertstoff durch Sieden in reinem Wasser aus den Füßen oder andern leimigen Teilen auszuziehen, und ehe sie irgendeinen Geschmack hinzusetzen, die Dichtigkeit ihres Gallertes durch Erkaltung besonders zu erproben. Mir scheint ein solches Verfahren nur bei süßen und süßlichen Gallerten notwendig zu sein, weil süße und liebliche Würzen überhaupt nichts zum Erstarren beitragen, und zudem durch ein langes Kochen und Klären an ihrer Güte und Menge ganz unnötigerweise einbüßen würden. Bei kräftigen Fleischgallerten aber entwickelt sich gerade der beste und nachhaltendste Geschmack aus dem mit den Füßen zugleich angebrätelten und verkochten Fleisch und Wurzelwerk; und eben daher möchte ich hier das deutsche Verfahren vorziehen, indem ich voraussetze, daß man die Säure von Zitronen, Wein und Essig, den Geschmack von Spezereien und feinen Kräutern jedesmal erst dann zu einem so vorbereiteten Gallerte hinzusetzen wird, wenn er bereits zum ersten Male geklärt und erprobt worden ist. Denn die letztgenannten flüchtigen Würzen würden unfehlbar ganz verlorengehen, wenn man sie von Anfang an zum Feuer bringen wollte.

Gallerte zu Fischen müssen aus der Brühe der Fische selbst bereitet werden, welche durch Hirschhorn, oder durch etwas Hausenblase, oder durch die Floßfedern und Schwänze verwandter Fischarten zum Erstarren gebracht werden kann. Fischgallerte bedürfen, um nicht widrig zu sein, einen stärkeren Zusatz von Wein und Zitronensäure, und viel Gewürz an Spezereien und feinen Kräutern.

Über die Bereitung des Gallertes geben selbst die gewöhnlichsten Kochbücher brauchbare Vorschriften, weshalb ich hier nicht sehr ins Einzelne gegangen bin. Nur erinnere ich meine Leser, daß sie ja nicht glauben mögen, daß alle die Mischungen und Beisätze, welche solche Bücher anzugeben pflegen, durchaus erforderlich seien, um einen guten Gallert zustande zu bringen. Die Dinge, worauf es hierbei vorzüglich ankommt, sind folgende:

Daß die Flüssigkeit den Leimstoff hinlänglich in sich aufgenommen habe, um auch bei mäßiger Kälte erstarren zu können; dann, daß nicht zuviel Leimstoff darin sei, weil ein allzu zäher Gallert undurchsichtig und dem Auge mißfällig wird, auch ohne Ausnahme einen widrigen Leimgeschmack zu geben pflegt; endlich, daß man die gewürzhaften Zusätze und Säuren richtig wähle, sie unter sich wohl verbinde, damit sie zu der Speise, welche sie heben sollen, vollkommen passen mögen. Feine Kräuter und andere flüchtige Geschmacksarten darf man hier, wie überhaupt, nur kurze Zeit vor der letzten Bereitung hinzusetzen.


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