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Fünftes Kapitel
Vom Braten im allgemeinen

Ich habe bereits angedeutet, daß der Braten höchstwahrscheinlich, unter dem Gekochten, die Urspeise der Menschheit ist, und stelle denselben deshalb allen anderen Zurichtungen voran.

Der Braten im strengeren Sinne ist ein Stück Fleisch oder Fett von warmblütigen Tieren oder Fischen, welches unmittelbar durch die erhitzte Luft, die ein gegebenes Feuer umgibt, ganz gar bereitet worden. Um die Austrocknung der Oberfläche eines Bratens zu vermeiden, pflegt man ihn mit seinem eigenen abfließenden Saft und Fett, oder mit dem zerlassenen Fett anderer Tiere, endlich sogar mit Butter oder Öl anzufeuchten. Diese Behandlung, zugleich mit einer nachdrücklichen äußeren Ansalzung während des Bratens selbst, geben einem gebratenen Fleisch einen besonders hervorstechenden Geschmack, weshalb man diese Speise, als die abgestumpfte Eßlust anreizend und übrigens leichter verdaulich, erst gegen das Ende der Mahlzeiten aufzutragen pflegt. Die Methoden, welche die verschiedenen Nationen beim Braten zu befolgen pflegen, sind unter sich abweichend; nicht alle aber sind gleichmäßig empfehlenswert.

Die englische, oder vielmehr die homerische Art zu braten, beruht auf dem Kunstvorteile, dem Fleische gleich anfangs durch eine schnell andringende Hitze einen Überzug zu geben, welcher die Verdunstung der edleren, im Fleisch enthaltenen Säfte und Salze während der nachfolgenden In dem ganz vortrefflichen Buche: Culinary Chemistry etc. by Fredr. Accum, operative Chemist etc. London, published by R. Ackermann 1821, 8. befindet sich S. 83. eine Anweisung zum Braten, welcher manche vielleicht nur um so eher Folge leisten werden, weil sie von einem Engländer herrührt. Hier wird nur angeraten, den Braten anfangs weiter entfernt zu halten, dann immer näher zum Feuer zu bringen, damit er durchaus gar werde. Diese Vorschrift widerspricht nun freilich der meinigen. Aber S. 96. f. desselben Buches gibt uns derselbe Autor eine gründliche Vorschrift zum Braten auf dem Roste, wo, gerade aus denselben Gründen, welche ich oben für meine Methode angeführt habe, den Köchen anempfohlen wird, das Fleisch sogleich einer heftigen Hitze auszusetzen, damit seine Oberfläche sich zusammenziehe oder eine Kruste bilde, welche die Ausdünstung verhindert. Nun sehe ich in der Tat nicht ein, weshalb bei einem Spießbraten weniger wünschenswert sein soll, den Gallertstoff und andere schmackhafte und nährende Säfte in dem Fleische zu erhalten, als bei einem Rostbraten. Übrigens ist es nicht meine Absicht, die Oberfläche der Braten von Anfang her verbrennen zu machen; sie soll sich nur ganz leicht zusammenziehen, eine härtliche Haut bilden. langsameren Erhitzung verhindert. Diese Art zu braten muß daher voraussetzlich an einem freien Feuer vorgenommen werden, welches eine übelangewendete Knauserei aus vielen deutschen Küchen verdrängt hat; denn die Wirkung eines guten, flammenden Feuers kann weder durch die sogenannte Bratenmaschine, noch durch das Rohr und den Ofen, am wenigsten aber durch den Topf oder Tiegel ersetzt werden.

Durch Erfahrung habe ich seither aufgefunden, daß jegliches Begießen und vorzeitige Ansalzen dem Braten nachteilig werde. Um ihn in seiner Vollkommenheit herzustellen, muß man ihn ganz trocken an das schon flammende, wohlangezündete Feuer bringen, an demselben trocken umdrehen, bis die Oberfläche sich durchaus erhitzt hat. Auch dann ihn nicht begießen, sondern nur an etwa gefährdeten, zu stark austrocknenden Stellen mit kleinen Stückchen Butter belegen, besser, nur berühren. Die Butter wird auf dem schon stark erhitzten Teile sogleich schmelzen und Blasen treiben; doch gehe man damit sparsam um, damit nichts abträufe. Denn es belegt sich ein wohlgehaltenes Bratenstück während des Bratens mit einem leichten Schweiß aus jener feinen, schmackhaften und zuträglichen Substanz, welche die neuere Chemie das Osmazoma nennt. Dieser Schweiß nimmt gegen den Ablauf der Bereitung das Salz auf, welches man, fein zerstoßen, reichlich und wiederholt auf alle Teile der Oberfläche ausstreuen muß. Wollte man dasselbe früher darauf streuen, so würde der Braten sogleich Saft lassen, träufen und sein Bestes, eben das Osmazoma, verlieren. Wollte man den Braten von Anbeginn begießen, oder auch erst späterhin viel Fett und Flüssigkeit darauf ausgießen, so würde dessen Oberfläche nie fest werden, daher der Saft verdunsten, die Fiber nachlassen und erschlaffen. Ein guter Braten muß anschwellen, die Fiber straff und gespannt, die Oberfläche fest, das Innere aber leicht zu durchschneiden und zart zu essen sein. Obwohl bis auf den Knochen gar, muß er dennoch schon beim ersten Schnitte die Schüssel von seinem Saft erfüllen. Ein solcher Braten verschmähet seine schmierige, rußige Jauche, welche ein verdorbener Geschmack unter dem Namen der Bratenbutter für eine unerläßliche Beigabe dieser Speise hält. Wer dem lederartig eingeschmorten Fleische, dem falschen Lügenbraten entsagt, wird nun auch wohl so viel Heroismus und echte Standhaftigkeit zeigen, als nötig sein mag, dem Schlendrian der schmierig angebräunten Butter den Kauf abzukündigen. Übrigens muß der Braten auf seinem Punkte vom Spieß abgezogen werden; man erwarte nicht, daß er zu sinken oder einzutrocknen beginne. Eine Regel dafür anzugeben, ist untunlich, weil von der Größe, Art oder dem Grade der Abgelegenheit des Fleisches hier alles abhängt. Ein junges Huhn, ein Beispiel anzugeben, erfordert zehn bis zwanzig Minuten. – Auch glaube man nicht etwa, daß im Ofen zu braten sparsamer sei; denn es kostet ein Arm voll Holz auch in den Städten nicht so viel, als das halbe Pfund Butter, welches nach meiner Methode erspart wird.

Da, wo die Feuerung sehr kostbar ist, kann der Rostbraten beschränkten Haushaltungen einigen Ersatz für den wirklichen Braten gewähren. Dünnere Fleischschnitte, wie die bekannten Ochsenschnitte (Beefsteaks) der Engländer, werden mit Vorteil über lebhaftem Kohlenfeuer auf dem Roste gebraten. Jegliche derbe Fleischart, ja die meisten Fische, geraten auf diese Weise sehr schmackhaft. Nur muß das Feuer heftig glühen, und es darf der Koch den Rost nicht verlassen, damit er schnell und zeitig die Schnitte umdrehen und sie gerade in dem Augenblicke abnehmen könne, wenn sie ihren Punkt erreicht haben, denn um wenige Sekunden später möchten sie bereits zähe geworden und gänzlich ausgetrocknet sein. Schnitte vom Fleische der Rinder, Kälber und Hammel, oder von anderen fetten und saftigen Arten, soll man hierbei mit keinem fremdartigen Fette beschmieren, was ihnen nur ihren reinen, arthaften Geschmack benehmen würde, ohne sie saftreicher zu machen. Schnitte von Fischen dahingegen bedürfen, wenn man sie auf dem Roste braten will, mit seltenen Ausnahmen, ein wenig mit frischer Butter oder lieblichem Öl angenetzt werden. Gegen das Ende der Bereitung muß man diese letzteren übersalzen; hierbei können sie nach Belieben mit Semmelbrösel (Brosamen) bestreuet werden, um das Fett aufzutrocknen, welches etwa auf der Oberfläche der Schnitte sich gesammelt haben könnte.

Alle andern Surrogate des wahren Bratens, vorzüglich das Gebrätelte (Geschmorte, smothered) wird eine sparsame Hausmutter wohl tun, ganz fallen zu lassen. Der Dunstbraten aber (auf italienisch: stufato) ist vielmehr als eine selbständig treffliche Speise zu betrachten. Wir werden unten ausführlicher vom Dämpfen oder Dünsten reden.


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