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Vorrede zur zweiten Auflage

Günstiger Leser! Obwohl durch Erfahrung mit der Tatsache bekannt, daß Vorreden niemals gelesen werden, weiß ich doch ebenfalls, daß sie zur literarischen Uniform gehören und als Verbrämung den Büchern ganz unerläßlich sind. Nun unterscheiden sich die Vorreden der verschiedenen Auflagen, die eine von der andern. Die Vorrede zur ersten entschuldigt die Dreistigkeit des Autors, seine Paradoxie, seine Anmaßung, irgend etwas besser einsehen zu wollen, als seine Vorgänger. Hingegen verrät die Vorrede zur andern und zu den folgenden bereits eine gewisse Zuversicht. Voraussichtlich ist der Leser schon gewonnen, seine Meinung schon günstig; der Autor fühlt sich daher als ein großer Mann, aus dessen Munde das Publikum mit Interesse die allerliebsten kleinen Umstände, unter welchen sein Werk entstanden ist, mit Vergnügen, ja mit Begier wird vernehmen müssen. – Dieses vorausgesetzt, werde ich, günstiger Leser, auch von diesem Werke die Geschichte seiner Entstehung kürzlich vor dir erzählen dürfen.

Die größten Ereignisse haben oftmals geringfügige Veranlassungen: Ohrfeigen, Lehnstühle und so fort. Weshalb denn sollte ich mich schämen, dir einzugestehen, daß auch mein Werk in einigen Kapiteln seinen Anfang genommen, welche darauf ausgehen, gewisse ästhetische Gemeinplätze und Stichwörter durch ihre Anwendung auf eine niedrig geachtete Kunst, doch ohne Bitterkeit, zu verspotten. Bei der unbegrenzten, unsichern, schwankenden Allgemeinheit ihrer täglichen Anwendung schienen sie mir der einen Kunst ganz so gut sich anzupassen, als der andern; wenigstens war dabei der Gewinn für beide gleich groß.

Nun geschah es in der Folge, daß mein damaliger Mundkoch, der bekannteste Joseph König, mich dringend und wiederholt aufforderte, zur Erziehung seiner aufblühenden Söhne nachdrücklicher beizusteuern, als eigentlich mir gelegen war. Es blieb mir daher, nach vielen anderweitigen Versuchen, kein anderer Ausweg, als nur jenem Anfang die nötigste Fortsetzung zu geben, daraus ein Buch zu bilden, welches der liebevolle Vater für seine Familienzwecke verkaufen könne. Er fand dafür den Verleger. – Es ist demnach das Werk im eigentlichsten Sinne eine Benefizvorstellung, nicht zu Gunsten des Autors, sondern zu Gunsten des darstellenden, oder plastischen Künstlers.

Mit diesem, nach gemeiner deutscher Moral, edlen Zwecke verband ich einen andern, vielleicht höheren, gewiß allgemeineren: das wirtschaftliche Publikum aufmerksam zu machen sowohl auf jene damals ihm bevorstehende dauernde Preislosigkeit der Produkte des Bodens, als besonders auf das wohlfeilste Mittel, sie abzuwenden, oder wenigstens ihre Nachteile zu vermindern.

Das nördliche Deutschland blieb bekanntlich vom Baseler Vertrage 1794 bis zum Jahre 1806 im tiefsten Frieden; es ackerte während dieser Zeit für die kriegführenden Mächte, deren Nachfrage damals den Preis der Komestibilien dauernd auf einer gewissen gleichmäßigen Höhe erhielt, was mehr noch als Kunst und Wissenschaft den norddeutschen Landbau dahin leitete, sein Produkt zu verdoppeln.

Die Richtung auf Mehrung des Produkts dauert fort, hingegen hat nach dem allgemeinen Frieden der auswärtige Markt teils ganz sich verschlossen, teils auch neue Zufuhr eingelassen. Das Mittelmeer versorgt sich aus Ägypten, Südrußland und neuerdings sogar aus dem langvergessenen Sardinien; Westindien, aus den westlichen Staaten von Nordamerika; aus Ländern, in welchen auf fruchtbaren Gründen ohne baren Geldaufwand, durch Frohnen- und Sklavendienste erzielt wird, daher bei jedem Preise immer noch mit einigem Überschusse verkauft werden kann.

Aus dem hier veränderten, dort bleibenden Verhältnisse mußte demnach bei uns sehr bald eine verderbliche Überfüllung des Marktes entstehen, daraus wiederum eine Niedrigkeit in den Preisen der ersten Erzeugnisse des Landbaues, welche die Unkosten der Hervorbringung bald nicht mehr deckte. Die Not, welche dieses Mißverhältnis herbeiführte, war nicht etwa, wie man bisweilen, die Klagen der Landleute abweisend, gesagt hat, bloß Not der Besitzer oder Pächter von liegenden Gründen; vielmehr war sie eine ganz allgemeine. Wenn Grundeigentümer und Pächter gezwungen sind, ihre Steuern unregelmäßig zu erlegen, jeder nicht ganz unumgänglichen Ausgabe zu entsagen, bisweilen sogar schon eingegangene Verpflichtungen unerfüllt zu lassen, so werden auch in den übrigen Geschäfts- und Nahrungszweigen Stockungen eintreten, könnte man leugnen wollen, daß ich richtig vorausgesehen? – nachdem wir erlebt haben, daß Regierungen, bei dem größesten Segen der Natur, ganze Provinzen haben mit Geldvorschüssen unterstützen müssen; gleich den Apfelbäumen, wenn sie zu reichlich tragen, oder von Früchten übermäßig beladen sind.

Gewiß gelang es dem menschlichen Witze, für welchen ich übrigens große Achtung hege, in den jüngstverflossenen Jahren auf keine Weise, das Gold des Natursegens in Fluß zu bringen. Mit der Aufspeicherung, dem einzigen ernstlich versuchten Mittel, nahm es mit Schrecken ein Ende. Eine projektierte Konsumtionsgesellschaft, welche mit den bestehenden Ackerbau- und Hortikultur-Gesellschaften Hand in Hand gehen sollte, scheiterte, ehe sie dahin kam, nur den Namen zu verdienen, an einer gänzlichen Abwesenheit von Energie des Willens und klarer Einsicht in die Verhältnisse und Bedürfnisse der Gegenwart. Eher möchte es geglückt sein, das faulende Getreide in Kornaktien umzuwandeln, was ein sonderbarer Mann, ich weiß nicht ob im Ernst, oder nur im Spotte, vor etwa zehn Jahren in Vorschlag gebracht. Denn in vielen Stücken gleichen unsere Zeitgenossen der Herde, welche der weltberühmte Law durch seine Missisippi-Aktien an den Abgrund lockte, wie damals im byzantinischen Reich ein falscher Messias jene dreißigtausend Juden ins Ägäische Meer. Beide hielt man nachmals für verkleidete Teufel; ob sich selbst für verblendete Dummköpfe, ist unerweislich.

Nun würde ich an diesen sonderbaren Verlegenheiten keinen Anstoß nehmen, wäre es nicht in der Staatswirtschaft eine ganz allgemein bekannte, zugestandene und angenommene Regel, daß Produkte, welche roh nicht länger mit Vorteil abzusetzen, unumgänglich zu verarbeiten, in Kunstprodukte umzuwandeln sind; nach den Umständen, zum Aushandeln in die Fremde oder auch für den heimischen Verbrauch, oder endlich gemeinschaftlich für Beides. Wem könnte es fremd sein, daß, etwa die Wollenproduktion, bei abnehmender Nachfrage, entweder sich mindert oder zur Fabrikation von Tüchern und Teppichen führt. So Flachs und Hanf zu Linnen und Segeltuch, Bergbau zu Arbeiten in Stahl und Eisen. Es lag also gar nahe, den anerkannten, unumstößlichen Grundsatz auf jene Komestibilien anzuwenden, deren Überfluß so ernstliche Verlegenheiten hervorrief. Denn es ist ganz so gewiß als das Vorige: daß ein verbesserter Feldbau, nachdem die künstliche Steigerung der Preise aufhört, welche dessen Fortschritte begünstigt hatte, zurückschreiten muß, wenn ihm nicht durch eine allgemeine Verbesserung der Volksnahrung ein fester, unveränderlicher Markt gesichert wird.

Durch Verbesserung der so wichtigen Fabrikation des Bieres, etwa nach der musterhaften alten Bierordnung Bayerns; durch vermehrten Verbrauch eines feiner ausgesichteten Mehles; durch Gewöhnung an ein besser genährtes, fetteres Schlachtvieh und Geflügel; hätte, vermute ich, die vorhandene Getreidemasse merklich können verringert werden. Es ist nicht so gar viel, was in guten Jahren die Vorstellung von unerschöpflichem Überfluß und vermöge dieser die niedrigen Preise hervorbringt. Wäre es gelungen, diesen Überschuß zu bewältigen, ihn nutzbar zu machen, so würde die Nachfrage lebhaft, die Spekulation wach geblieben, nicht abgeschreckt sein; was stets hinreicht, Mittelpreise hervorzurufen, die einzigen, welche wünschenswert sind, weil sie ausgleichen und hierdurch allen gleichmäßig nützen.

Diese Gedanken mit Bescheidenheit und Feinheit anzuregen, dem verständigen, leichtfassenden Deutschen gleichsam Appetit zu machen, das Produkt seines Bodens für den freilich vorübergehenden Tafelgenuß, allein auch für den mehr dauernden einer gut unterhaltenen Gesundheit, ganz auszunutzen; da hast du, großgünstiger Leser, den ernstlichen Zweck des vortrefflichen Buches, welches ich dir nun zum zweitenmal und zwar vermehrt und verbessert übergebe. Möge diese Auflage auf deine Lebenseinrichtung mehr Einfluß ausüben, als der ersten verliehen war. Mögest du künftig an dem feinen Aroma leicht zu erzielender Küchenkräuter, an der guten und gut bereiteten Qualität deiner Landesprodukte ein recht inniges Gefallen erwerben. Du würdest hierdurch einem wichtigen Zweige des deutschen Kunstfleißes aufhelfen, dabei höchstwahrscheinlich dich selbst ungleich besser befinden, als bisher.

Ob ich nun von diesen verschiedenen Zwecken einige, oder alle, oder auch keinen einzigen erreicht habe? Freilich gestaltet sich das Eisen nicht schon auf den ersten Schlag so ganz, wie man's will. – Unter allen Umständen ward mein Buch gewiß zum Vorteil der Nachkommen meines Koches verkauft, also wenigstens dieser eine Zweck durchaus erfüllt. Hingegen kann ich nicht umhin, mit Beschämung einzugestehen, daß mein Werk auf die Ansichten der Staatswirte nicht den geringsten Einfluß gewonnen hat. Freilich ist es ein spitzfindiger Gedanke: daß Komestibilien der reichhaltigste Gegenstand des inneren Handels sind. Wie könnte man nun auch diesem zersplitterten Kleinhandel des Landes mit den Märkten und Küchen der Städte nachfolgen, die Summe seines jährlichen Belaufes genau ermitteln können? – und dennoch scheint er von Belang zu sein. Denn vergleicht man in den Ausgaberechnungen geordneter städtischer Haushaltungen den Gesamtbetrag ihrer jährlichen Ausgaben für Herd und Keller mit denen für Bekleidung, Gerät und anderweitige Bedürfnisse, so zeigt sich, daß jene meist die Hälfte des Ganzen erreichen, ja bei den Ärmeren sie weit übersteigen. – Allein andrerseits will ich einräumen, daß unsern Staatswirten, welche nur Millionen zählen, die Komestibilien nicht eher als ein ihres höheren Standpunktes würdiges Objekt des Handels erscheinen dürfen, als nachdem sie in den Magazinen und Schiffen zu Lagern und Ladungen sich umgestaltet haben. Müssen sie nicht mit einer Art Verachtung auf die Engländer sehen, diese reichen Leute! welche doch, so reich sie sind, dem Handel mit Komestibilien so viel kleinliche Aufmerksamkeit zuwenden und sich stellen, als hielten sie ihn unter den inneren Betriebszweigen geradehin für den erheblichsten.

Nach dieser gründlichen Rechenschaft bleibt mir nichts übrig, als eines sonderbaren, eigentlich ganz persönlichen Verhältnisses zu erwähnen, in welches ich wider Wunsch, noch Willen durch eben dieses Buch geraten bin. Doch werde ich die Sache historisch einleiten müssen.

Noch unlängst, wem wäre es nicht erinnerlich! wurden die Frauen auch in Deutschland in einer Art Unterordnung und Dienstbarkeit gehalten, das Haus und Küchenwesen ihnen gleichsam als ein verantwortliches Amt und Ministerium aufgetragen. Diese Stellung hat, dem Himmel sei's gedankt, seit einiger Zeit ganz aufgehört. Denn nirgend hört man noch jene rauhen Anmahnungen, jenen strengen, an Vorwurf grenzenden Tadel, welcher vor Zeiten sanften Frauen nicht selten Tränen entlockte. Allein, wenn nun auch die Frauen aufgehört haben, die Verpflichtung zur Sorge für Haushalt und Küche unbedingt anzuerkennen, so wollen sie doch andrerseits den Anspruch nicht aufgeben, dieses wichtige Departement ausschließlich zu lenken. Sie machen's wie die Männer, welche ebenfalls daran Gefallen haben, Geschäftszweige festzuhalten oder auch neue an sich zu reißen, welche gehörig auszufüllen, Zeit, Lust und Fähigkeit ihnen fehlt. – Aus diesem Grunde nun erschien die frühere Ausgabe des vorliegenden Werkes den Frauen häufig, teils als Eingriff in ihre Befugnisse, teils auch als lästige, unwillkommene Anmahnung an veraltete, vergessene Pflichten.

Was ist es nun? – ein Eingriff? – in diesem Falle würden die Frauen die Pflicht, ihrem Hausstande tätig vorzustehen, in aller Form anerkannt haben. Ist es hingegen eine Mahnung an verhaßte und längst abgeworfene Pflichten, so kann es nicht zugleich auch als Eingriff aufgefaßt werden. – Allein, was bleibt mir zu tun übrig? Die Frauen, welche mit Distinktionen und Konsequenzen sich ungern befassen, nehmen hierin nun einmal durchaus keine Gründe an.

So viel, um zu zeigen, daß mein Werk höchst sittlichen, philanthropischen und patriotischen Beweggründen seinen Ursprung verdankt, was zwar meinem Charakter Ehre bringt, doch nicht beitragen mag, der Arbeit selbst mehr Gunst zu erwerben. Ein klein wenig Teufelei stehet nach heutigem Geschmacke den Kunstwerken ungemein wohl an; weshalb ich seinerzeit mit Vergnügen vernommen habe, daß man vor alters darin, neben dem geraden, auch einen zweiten, oder sogenannten Doppelsinn vermutet und gesucht habe. – Nun freilich wohl; denn, was überhaupt gilt und wahr ist, muß, genau genommen, auch von allem und jeglichem gelten können.

Wachwitz, den 17. April 1832.


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