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Schluß-Kapitel
Von der Erziehung zum Kochen

Die Erziehung zum Kochen findet also, wie unser Werk hinreichend ins Licht setzt, in Beziehung auf die Kochkunst selbst, ganz und gar keine Schwierigkeit. Nichts ist wohl leichter, als die Auffassung des Grundsatzes: »entwickle aus jedem eßbaren Dinge, was dessen natürlicher Beschaffenheit am meisten angemessen ist«. Auch enthält kein Fach des menschlichen Wissens und Treibens mehr Verwandtschaften und Anreihungen, als gerade die Kochkunst, in der man so leicht, nach wenig Erfahrungen, vom Einen auf das Andere fortschließen kann. Die Schwierigkeit liegt also nicht in der Kunst selbst, sondern in der Fähigkeit oder vielmehr in der Unfähigkeit der Menschen, welche sie zu erlernen bemüht sind.

Viele Jünglinge und Jungfrauen, welche unserm Kunstfache sich widmen wollen, bringen nicht immer eine rechte Lust und Liebe hinzu, und denken sogleich auf das an sich selbst ganz achtbare liebe Brot, während sie vorerst nur um die Kunst bemüht sein sollten, welche, einmal erlernt, das Brot schon hervorbringen wird, wie der Baum die Frucht. Nun wird man's in keiner Sache jemals zu etwas Genüglichem bringen, wenn es von Haus aus an rechter Lust zur Sache gefehlt hat.

Andere, denen eine gar zu knechtische Verehrung des Meisters eingeprägt worden, verlieren sich in unnützen Weitläufigkeiten und Pedantereien der längst veralteten Kochmanieren und verhärten sich gegen alle bessere Einsicht, gegen alle fernere Entwickelung durch eigene Erfahrung und eigenes Nachdenken. Ich habe in der Tat junge Köche tagelang sich in der Kunst üben sehen, das Salz mit guter Manier an die Speisen zu streuen. Zweifle aber, ob sie den Brei deshalb weniger werden versalzen haben.

Dann kommen endlich die rechten wahren Pilz- und Schwammgewächse unserer Zeit: die Vorwitzigen, Frühalten, Gleichklugen. Mit diesen ist nun ganz und gar nichts anzufangen. Von dem Lebensalter, in welchem ich noch munter Schüsseln und Näpfe aufwusch, Spinat verlas und andere notwendige Elementarübungen vornahm, ist heutzutage schon gar kein Küchenjunge mehr aufzutreiben. Ohne vorerst an Reinlichkeit und Ordnung von Grund aus gewöhnt zu sein, ohne durch fleißiges Zusehen und Hören die Grundbegriffe recht gefaßt zu haben, will der Küchenjüngling heutzutage schon ins Handwerk pfuschen, dem Meister vorgreifen. Das ist nun auch durchaus nicht mehr zu ertragen. Die Natur hat sich umgewendet, und die Geschichte geht rückwärts.

Den Köchinnen fehlt es vollends an aller Gründlichkeit der Bildung. Putz- und Modesucht, verliebte Narrheiten und mehr desgleichen lassen gar keinen rechten Zusammenhang der Begriffe in ihnen aufkommen. Insgemein treiben sie heutzutage ihr Geschäft mit Unlust. Doch sind sie deshalb nur um so eigensinniger und lassen sich durch nichts aus ihrer gewohnten Bahn bringen. Vergebens habe ich viele hundert deutsche Köchinnen zum Besseren zu leiten versucht. Was ich auch sagen und durch Beispiele belegen mochte, so sah doch jede deutsche Frauenküche, in die ich morgens hineinlugte, jederzeit aus wie ein Waschhaus. Hier ein Napf voll Küchenkräuter, die im Wasser schwammen, dort flutete der künftige Salat; hier laugte das Suppenfleisch, dort der Braten und Fisch in kaltem oder gar in lauem Wasser. Hierin jedoch bewundere ich die geschlechtsfreie Macht deutscher Pedanterei; stände es nur ebenso sicher um die altherkömmliche deutsche Redlichkeit. In diesem Stück aber glauben die Köchinnen sich alles Herkommens entraten zu dürfen. Prellerei im Einkauf ist leider an der Tagesordnung, seitdem die Hausfrauen zu faul, zu unwissend, zu sentimental geworden sind, um Vorräte anzulegen; seitdem mithin für jeden Tag des Jahres Auslagen zu machen sind, bei denen die Köchinnen selten sich selbst vergessen. Da nun in bürgerlichen Haushaltungen nicht selten bei vieler Unordnung eine große Knickerei vorhanden ist, so ergeben sich da jene artigen Szenen und häuslichen Kämpfe, welche in den deutschen Städten eine unausgesetzte Völkerwanderung der Mägde veranlassen.

Diesen schroffen Zügen und grellen Farben könnte ich manches schöne Bild friedlicher, resignierter Häuslichkeit gegenüberstellen. Treffliche Dienerinnen, gute Hausfrauen sind auch mir erschienen, wie hoffentlich einem jeden, der diese Zeilen liest. Wollte man nun gar sich dahin verstehen, die Köchinnen nach Verdienst zu bezahlen und sie mit mehr Gerechtigkeit oder weniger Launenhaftigkeit zu behandeln, so würden der vortrefflichen Dienerinnen noch gar viel mehr sein. Allein es richten sich nur noch wenige Herrschaften nach den Ermahnungen des mehrerwähnten Rumpolts Erw. Kochbuch usw., welcher also anhebt:

»Er – der Obere – soll ihnen – den Untergebenen – zu gebieten haben, sich mit ihnen auch freundlich und gütlich betragen können. Seine Gebote und Befehle sollen nicht mit stolzen, aufgeblasenen, hochtrabenden und unbescheidenen, ungestümen Worten, Schelten, Schnarchen und Poltern, sondern mit aller Lindigkeit, Sanftmütigkeit, Freundlichkeit und Bescheidenheit geschehen, also daß sein Hausbefehl, Anordnen und Anschaffen mehr für ein freundliches Bitten und Begehren, denn für einen harten Befehl gehalten werde. Mit viel ungestümem Schreien, Poltern und Schmähen richtet man wenig aus, vielmehr wird das Gesinde dadurch verwirrter, halsstarriger und unwilliger.«

Wer nun der Kochkunst sich widmen soll, der werde frühzeitig an Ordnung, Reinlichkeit und Pünktlichkeit gewöhnt. Man verbiete ihm Romane zu lesen; will er seinen Geist bilden, so treibe er Naturwissenschaften, Geschichte, Mathematik; sie werden seinen Verstand üben, sein Gedächtnis stärken, ihm endlich in der Kochkunst anwendbare Kenntnisse zuführen. Übrigens lese er mein Buch und nichts als mein Buch.


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