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Erstes Buch
Elemente der Kochkunst

Tierische Nahrungsstoffe

Erstes Kapitel
Begriff der Kochkunst

Die Kunst zu kochen entwickelt in den Naturstoffen, welche überhaupt zur Ernährung oder Labung der Menschen geeignet sind, durch Feuer, Wasser und Salz ihre nahrsame, erquickende und ergötzliche Eigenschaft. Auf die Kochkunst allein ist daher jener berühmte Ausspruch des Horaz anzuwenden, den man so oft von den höchst nutzlosen und ganz einseitig schönen Künsten der Poesie und Malerei hat verstehen wollen; nämlich dieser: »Vermische Nützlichkeit mit Anmut.«

Nützlich macht sich die Kochkunst, indem sie den dauernden Zweck des Essens, Ernährung und Labung, unablässig verfolgt. Ergötzliches aber bringt sie auf zweierlei Wegen hervor; zunächst, indem sie dem voranbenannten Zwecke nachgeht, denn alle nahrhaften und gesunden Speisen sind meist auch wohlschmeckend; sodann, indem sie zu den bloß nahrhaften Gerichten und Speisen eine paßliche Würze hinzufügt, ihnen dabei auch ein wohlgefälliges Ansehen gibt.

Übrigens wird in den verschiedenen Epochen und Schulen der Kochkunst bald der eine, bald der andere Charakter vorherrschend, und man könnte daher recht wohl im Kochen, wie in den schönen Künsten, einen strengen, anmutigen und gleißenden Stil annehmen.

Von dem strengen Stil erhielt sich bis auf den heutigen Tag hinab manche Probe in den echten Nationalgerichten. Was ist z. B. der Rinderbraten der Engländer anderes, als ein Denkmal jener Vorzeit, die in den Homerischen Gesängen sich abspiegelt? Saftig gebratenes Fleisch lieben auch die uralten Chinesen, welche gleich den Engländern ein abgesondertes, einsames, das Alte bewahrendes Volk sind. Auf gleiche Art erhielt sich seit Jahrtausenden von China bis nach Italien bei allen den Reis vorzugsweise anbauenden Völkern jene schmackhafte Zurichtung desselben, der Pillaw Er war schon den Griechen bekannt; seine Erfindung muß jedoch in dem reisbauenden Indien aufgesucht werden. in welchem die Körner härtlich gesotten und wiederum abgekühlt, dann mit animalischem Stoffe noch einmal zum Feuer gebracht, gewürzt und völlig gar bereitet werden. Auf diese Weise zugerichtet, bewahrt sich der Mehl- und Zuckerstoff, den dieses treffliche Korn so reichlich enthält; die Nordländer jedoch, denen der Reis von fernher zugeführt wird, pflegen diese besseren Bestandteile gänzlich zu verkochen, und mit den ausgesogenen mark- und geschmacklosen Fibern sich zu begnügen.

Der anmutige Stil der Kochkunst, ein Gipfel, auf dem es schwer ist, lange zu verweilen, verbindet mit der Nahrhaftigkeit den Reiz und die Zierde. Dieser Stil ist es, den ich vorzüglich ins Auge zu fassen bemüht bin. Dies ist: le genre mâle et élégant, wie der vortreffliche Carème Le pâtissier royal Parisien. Discours préliminaire, p. XV. sich ausdrückt.

Aber gerade aus dem anmutigen Stile pflegt der überfeinerte, gleißende hervorzugehen, der die Ernährung, den Gehalt, mehr und mehr vernachlässigen, alles in die Zierde und Zurichtung setzen wird. Diesen Standpunkt betraten die Griechen schon sehr früh; die Römer nahmen ihn später ein und vorzüglich damals, als Apicius das Vorbild aller modernen Kochbücher verfaßte. Sein Buch ist in mehr als einer Hinsicht merkwürdig. Zunächst, weil doch hier und da einige noch immer brauchbare römische Hausregeln darin sich anfinden, welche man vornehmlich aus den Schriftstellern vom Ackerbau ergänzen kann. Alsdann, wie schon bemerkt worden, weil es im übrigen die denkbar größte Entartung der Kochkunst darstellt; weil man daraus abnimmt, an welch' einen seltsamen Nebengeschmack der Mensch sich gewöhnen kann, wenn er, ohne zurückzudenken, oder sich selbst Einhalt zu tun, dem Reize der Neuheit sich hingibt, und durch fortgehende Steigerung das Neue neu zu erhalten strebt.


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