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Vorrede des Herausgebers

Der Verfasser der vorliegenden Schrift besitzt in seinem Fache, bei seltener Sachkenntnis und Geschicklichkeit, auch jenen Geist der Vergleichung, welcher ihm möglich machte, einer Sache, die scheinbar bloß auf der Anwendung beruht, ihr Allgemeines abzugewinnen.

Indes wird gerade die Ernstlichkeit und beinahe wissenschaftliche Strenge unsers Autors gar manchem neu und befremdlich in die Sinne fallen. Denn die Kochkunst ist in den letzten Zeiten nur selten in ihrer ganzen Bedeutung und nach ihrem vollen Einfluß auf das körperliche und geistige Wohlsein des Menschengeschlechts aufgefaßt worden. Zwar hat man schon vorlängst versucht, dem Ackerbau und der Viehzucht eine wissenschaftliche Gestalt zu geben; es haben selbst die Dichter nicht verschmäht, für den Landbau sich zu begeistern; Staatswirte endlich wetteifern täglich noch mit Menschenfreunden in dem Bestreben, alle Gattungen und Arten der nährenden Pflanzen und Tiere über die Erde auszubreiten. Doch blieb man, wie's so oft geschieht, auf halbem Wege stehen, indem jenes wissenschaftliche, dichterische, staatswirtschaftliche Lärmen bisher in einem verschämten Stillschweigen sein Ende nahm, sobald als man zum Kochen, oder zu der Verarbeitung derselben rohen Nahrungsstoffe gelangte, um deren Besitz man doch so eifrig bemüht zu sein schien. Jene edlen Menschenfreunde gestatteten sich kaum, etwa mit der Erfindung von Armensuppen an das Licht zu treten, aus denen in diesen Zeiten eines niederschlagenden Überflusses der gemeinen Wohlfahrt keine wesentliche Vermehrung erwachsen kann. Denn aus leidiger Sentimentalität schämten sie sich zu bekennen, daß man so emsig wirtschafte, um den Leuten besseres Brot und fetteres Schlachtvieh zu schaffen. Ja, sie wollten lieber ahnen lassen, daß alle Verbesserungen im Landbau nur darauf ausgehen, den Handel zu beleben oder den Geldumlauf zu befördern, als sich und andern eingestehen, daß überhaupt sehr viel daran gelegen sei, den Menschen eine bessere Nahrung zu schaffen.

Doch bin ich weit davon entfernt, in jener edlen Scham, welche der größere Teil unserer Zeitgenossen bei Erwähnung des Kochens und Essens zu empfinden pflegt, ein zartes Gefühl für menschliche Würde zu verkennen. Gern stimme ich daher in den bekannten Gemeinspruch ein, daß der Mensch esse, um zu leben; nicht lebe, um zu essen. Allein folgt nicht eben daraus, daß der Mensch vernünftig essen und in der Wahl und Bereitung seiner Speisen, eben wie in allen andern Dingen, sein Urteil erproben müsse?

Gewiß soll er aus Gesundheit freudig, aus Überzeugung mäßig, aus Verständigkeit gut essen; und vergebens wird man sich überreden wollen, daß eine Vernachlässigung des Essens, die geradehin aus der Trägheit hervorgeht, die Wirkung stoischer Weisheit sei.

Allein, während ich mich bemühe, eine Geistesrichtung, der ich selbst den ersten Anstoß gegeben habe, gegen die Vorurteile der Zeitgenossen in Schutz zu nehmen, kann ich nicht umhin, sehnsüchtig in die klassische Vorzeit zurückzublicken. Diese in Allem gesund, unbefangen und gerade herausredend, berühret die Kochkunst ohne Scham und Furcht, wie jeden andern Gegenstand, der mehr oder minder auf das Wohlsein der Menschen einwirkt. Die Homerischen Gesänge schildern uns die Schmause der Helden mit sichtbarem Wohlgefallen an der saftigen, dem kräftigen Urgeschlechte wohlangemessenen Nahrung. Gastmahle geben späterhin den Hintergrund philosophischer Untersuchungen. Die Beschaffenheit und Wirkung der Nahrungsstoffe beschäftigt endlich philosophische Ärzte und Naturforscher, unter diesen vorzüglich den Hippokrates Sprengel, Apol. des Hippias, Tl. I. S. 88 f. sucht dem Hippokrates die Bücher de diaeta zu entziehen und will, daß sie von einem alexandrinischen Neuplatoniker herstammen. Indes spricht gerade die Einfachheit der Nahrungsmittel, die in jenen Büchern beurteilt werden, für ihr Altertum, gegen ihre Neuheit. und Galen; denn die Wahl und Bereitung der Speisen schien von jeher allen Ärzten Unter den neueren ärztlichen Arbeiten der Art zeichnet sich durch Eleganz aus: Lud. Nonnii, Diaeteticon, sive de re cibaria lib. IV. Antv. 1646. 4 to; durch Vollständigkeit aber Jul. Alexandrini salubrium, sive de sanitate tuenda. Col. Agripp. 1575. fo. Libro XVIII. et XIX. Letzteres vortrefflichste aller diätetischen Kochbücher verdiente eine neue Bearbeitung, mit Zuziehung alles dessen, welches der gegenwärtige Zustand des Lebens und der Wissenschaft begehrungswürdig macht. wichtig, denen die Gesundheit des Menschengeschlechts überhaupt am Herzen lag. Im alten Rom aber erwarb die Einführung wichtiger Gemüsepflanzen berühmten Geschlechtern die Beinamen: Lentulus, Piso, Cicero; und die römische Literatur erfüllte sich mit den herrlichsten Andeutungen zur Geschichte der Kochkunst der Alten, welche von neueren Archäologen noch lange nicht genügend benutzt worden sind.

Ganz anders, und wenn gleich an sich selbst weniger würdig, doch mit ungleich mehr Anspruch auf Würde des Gegenstandes, gehaben sich die Schriftsteller der meisten neuern Nationen. Kaum wagte noch hier und da ein Schäfergedichtlein mit einem Mahl aus Milch und Brot hervorzurücken; doch ward auch die Kartoffel mehr als einmal besungen, gewiß nicht ohne Rücksicht auf ihre rundlichen, dem Schönheitssinne zusagenden Formen. Auch darf ich nicht übergehen, daß die Reisebeschreiber hier eine Ausnahme machen, und durch eine löbliche Eßlust und vorgehende Aufmerksamkeit auf alles Genießbare sich rühmlich auszeichnen. Allein, da Fahrten über Land und Meer den Appetit Hiervon wird man, ohne viel zu blättern, sich überzeugen können aus der gehaltreichen Compilation des Bergius über die Leckereien. Aus dem Schwedischen usw. Halle 1791. 8. zu schärfen pflegen, da ferner der Hunger die beste Würze ist, so möchte ihr Verdienst nicht gar so hoch gestellt werden können; ja, man wird vielleicht annehmen dürfen, daß ihre anziehenden Schilderungen von mancherlei Speisen und Mahlzeiten keinen wissenschaftlichen oder menschenfreundlichen Zweck haben, vielmehr reine Herzensergießungen sind.

Niemand aber wird mißdeuten können, daß ich die unter uns überhandnehmenden Kochbücher oder Rezeptsammlungen nicht zu den Geisteswerken zähle, noch als einen Beweis anerkenne dafür, daß unsere Zeitgenossen auf eine verständige und würdige Weise sich mit der Kochkunst beschäftigen. Denn diese Bücher – sowohl die halbhin brauchbaren, als vorzüglich die Masse der völlig unbrauchbaren – sind sämtlich entweder aus platter, unnachdenklicher Erfahrung, oder geradehin aus Ich könnte hier sogar Beispiele von völlig abgeschriebenen, mit verändertem Titel herausgegebenen Kochbüchern anführen. Kompilation entstanden und entbehren daher alles wissenschaftlichen Geistes. Ich enthalte mich, über sie mich weiter auszusprechen, und verweise in dieser Beziehung auf die Bemerkungen, welche unser Schriftsteller im Laufe seines Buches mitteilt. In jedem Falle würde ihm Unrecht geschehen, wenn man sein Werk mit jenen Kochbüchern in die Reihe stellen wollte. Freilich ist es ebenfalls nicht streng wissenschaftlich; sowohl der Form nach, als weil es aus den Naturkenntnissen, aus der Chemie und Mechanik nicht alle Vorteile zieht, welche diese Wissenschaften der Kochkunst gewähren könnten. Indessen enthält sein Buch doch endlich einmal einige richtige Grundsätze; es sind darin treffende Bemerkungen und anwendbare Vorschläge verbreitet; kurz, die Kunst ist hier wenigstens auf dem Wege, sich selbst zu erkennen, und ihre Theorie im Entstehen.

Die im Anhange verbreiteten kleinen Wahrnehmungen über den Auftrag und die Anordnung der Speisen, über die moralischen Ursachen, welche den Genuß erhöhen oder vermindern, die Verdauung begünstigen oder aufhalten, wurden höchstwahrscheinlich hinter dem Stuhle aufgegriffen, von woher die meisten Kommensalen viel weniger beobachtet zu sein wähnen, als im Durchschnitt wohl der Fall ist.

Der Anteil, den ich selbst an der Ausfertigung dieses Werkes genommen, ist verhältnismäßig so gering, so gänzlich auf den äußern Zuschnitt und auf vereinzelte Anmerkungen beschränkt, daß ich keinen Anstand nehmen durfte, dasselbe mit den voranstehenden Zeilen zu begleiten und mit einem – nach meiner geringen Einsicht – sehr gemäßigten Lobe in die Welt einzuführen.


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