Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neunzehntes Kapitel.

Wachsender Fortschritt der Begeisterung und der Exaltation.

Eine derartige religiöse Gesellschaft, einzig nur auf die Erwartung des Gottesreiches begründet, mußte natürlich an und für sich unklar sein. Die erste christliche Generation lebte gänzlich von Worten und Träumen. Am Vorabend des Weltunterganges hielt man alles, was zur Fortsetzung der Welt dienen konnte, für zwecklos. Der Besitz von Eigentum war verboten. (Luk. XIV, 33; Apostelg. IV, 32; V 1 11.) Alles, was den Menschen an die Erde fesselte was ihn vom Himmel ablenkte, mußte vermieden werden Einige Jünger waren zwar verheiratet, doch die andern scheinen, sobald sie der Sekte beigetreten waren, nicht mehr geheiratet zu haben. Das Cölibat wurde laut gepriesen und selbst in der Ehe wurde Enthaltsamkeit empfohlen. (So lehrte stets Paulus. Vergl. Offenb. Joh. XIV, 4.) Es will bei einer Gelegenheit (Matth. XIX, 12) sogar scheinen, als würde der Meister der Selbstverstümmlung seinen Beifall geben, so es im Hinblick auf das Reich Gottes geschehe. Er war hier seinem Grundsatze treu: »So aber deine Hand oder dein Fuß dich ärgert, so haue ihn ab und wirf ihn von dir. Es ist besser, daß du zum Leben lahm oder verkrüppelt eingehest, als daß du zwei Hände oder zwei Füße habest und ins ewige Feuer geworfen werdest.« (Matth. XVIII, 8, 9. Vergl. Talmud von Baby. Nid. 13 d.) Das Absterben der Generationen wurde oft als Zeichen und Bedingung für das Reich Gottes betrachtet. (Matth. XXII, 30; Mark. XII, 25; Luk. XX, 35.)

Es ist zu erkennen, daß diese ursprüngliche Kirche niemals eine dauernde Verbindung gebildet hätte, ohne die große Mannigfaltigkeit der von Jesu in seine Lehre niedergelegten Keime. Noch mehr als im Jahrhundert war nötig, um aus dieser kleinen Sekte, der »Heiligen vom Jüngsten Tage« die wahre christliche Kirche, die, welche die Welt bekehrt hat, zu schaffen; bis aus ihr der Rahmen wird, der die ganze menschliche Gesellschaft umfangen kann. Ebenso war es mit dem Buddhismus, der ursprünglich nur für Mönche gestiftet worden ist. Und dasselbe wäre auch mit dem Orden des heiligen Franciscus geschehen, wenn diese Verbindung durchgedrungen wäre, mit ihrer Anmaßung die ganze menschliche Gesellschaft zu organisieren. Hervorgegangen aus Utopien und eben ihrer Übertreibung wegen gelingend, nahmen die erwähnten großen Schöpfungen die Welt nur unter der Bedingung in Besitz, daß sie selbst sich völlig umgestalten und ihre Übertreibungen beseitigen. Jesus kam nicht über diesen ersten mönchischen Zeitabschnitt hinaus, in dem man das Unmögliche ungestraft vollbringen zu können wähnt. Er machte der Notwendigkeit keine Konzession, er predigte kühn den Kampf gegen die Natur, den vollständigen Bruch mit dem Blute. »Wahrlich, ich sage euch: es ist niemand, der ein Haus verläßt, oder Eltern, oder Brüder, oder Weib, oder Kinder um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfältig wiederempfange in dieser Zeit, und das ewige Leben in der künftigen Welt.« (Luk. XVIII, 29, 30.)

Die Unterweisungen, die Jesus seinen Jüngern angeblich gegeben hat, atmen dieselbe Exaltation. (Matth. X, XXIV, 9; Mark. VI, 8; IX, 40; XIII, 9-13; Luk. IX, 3; X, 1; XII, 4; XXI, 17; Joh. XV, 18; XVII, 14.)

Er, der gegen Fremde so nachsichtig war; er, der sich manchmal auch mit einer halben Zustimmung begnügte (Mark. IX, 38); er ist jetzt sehr streng gegen die Seinigen. Er mochte kein »Beinahe«. Oft ließe sich glauben, man habe hier einen auf den strengsten Regeln begründeten Orden vor sich. Treu seiner Anschauung, daß des Lebens Sorgen den Menschen behindern und erniedrigen, verlangte er von seinen Jüngern die gänzliche Lossagung vom Irdischen, die absolute Hingebung an sein Werk. Weder Geld noch Reiserequisiten, nicht einmal ein Ränzel oder Kleider zum Wechseln sollten sie bei sich führen. Sie sollten völlig arm sein, nur von Almosen und Gastfreundschaft sich erhalten. »Was ihr umsonst empfangen habt, das gebt auch umsonst« (Matth. X, 8), pflegte er in seiner schönen Sprache zu sagen. Verhaftet und vor den Richter gebracht, sollten sie sich nie auf ihre Verteidigung vorbereiten; der himmlische Anwalt, der Peraklit, wird ihnen schon eingeben, was sie sagen müßten. Der Vater wird ihnen von oben seinen Geist senden, der zur Regel ihres Thuns, zum Lenker ihres Denkens, zu ihrem Führer durch die Welt werden soll. (Matth. X, 20; Joh. XIV, 16, 26; XV, 26; XVI, 7, 13.) Aus einer Stadt vertrieben, sollten sie den Staub ihrer Schuhe auf sie abschütteln, aber auch die Nähe des Reiches Gottes ihr verkünden, damit sie nicht ihre Unkenntnis einwenden könnte. Und er fügte dazu: »Bevor ihr die Städte Israels erschöpft haben werdet, wird der Menschensohn erscheinen.«

Ein seltsames Feuer durchglühte alle diese Worte, die vielleicht teilweise von der Begeisterung seiner Jünger geschaffen wurden; Die Stellen Matth. X, 38; XVI, 24; Mark. VIII, 34; Luk. XIV, 27, können erst nach Jesu Tod entstanden sein. doch selbst in diesem Falle kamen sie indirekt von Jesu, weil eine solche Begeisterung sein Werk war. Jesus sagte jenen, die ihn folgen wollten, große Verfolgungen und den Haß der Menschen voraus. Sie würden in den Synagogen gegeißelt werden, ins Gefängnis geworfen. Der Bruder werde den Bruder, der Sohn den Vater ausliefern. Werden sie in einem Lande verfolgt, so sollten sie in ein anderes fliehen. »Der Jünger,« sagte er, »steht nicht über den Meister, der Knecht nicht über den Herrn. Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und die Seele nicht töten können. Kauft man nicht zwei Sperlinge um einen Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne den Willen eueres Vaters. Es sind aber auch alle euere Haare auf dem Haupte gezählt. Darum fürchtet euch nicht: ihr seid besser als viele Sperlinge.« (Matth. X, 24–31; Luk. XII, 4–7.) Ferner: »Wer mich vor den Menschen bekennt, den will ich vor meinem himmlischen Vater bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den will ich auch vor meinem himmlischen Vater verleugnen.« (Matth. X, 32, 33; Mark. VIII, 38; Luk. IX, 26; XII, 8, 9.)

In diesen Anwandlungen von Strenge ging er so weit, daß er das Fleisch gänzlich verleugnete. Seine Forderungen wurden grenzenlos. Die gewöhnlichen Schranken der Menschennatur verachtend, wollte er, daß man nur für ihn lebe und nur ihn liebe. »So jemand zu mir kommt,« sprach er, »und haßt nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, und auch dazu sein eigenes Leben, der kann nicht mein Jünger sein.« (Luk. XIV, 26. Man muß hier die stilistische Übertreibung des Lukas in Betracht ziehen.) »Wer nicht absagt allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein.« (Luk. XIV, 33.) In seine Worte mischte sich da etwas Seltsames, Übermenschliches; es war wie ein Feuer, das das Leben an seiner Wurzel zehrte und alles aufs Ärgste verwüstet. Das schroffe, traurige Gefühl des Ekels vor der Welt und der übertriebenen Verleugnung, welches das Kennzeichen christlicher Vollkommenheit ist, hatte nicht den sanften, heitern Moralprediger aus den ersten Tagen zum Schöpfer, sondern den finstern Riesen, den ein gewisses großartiges Ahnen immer mehr aus der Menschheit hinaustrieb. Man könnte glauben, er habe in diesen Momenten des Kampfes gegen die berechtigten Bedürfnisse des Herzens das Vergnügen zu leben, zu lieben, zu sehen, zu fühlen vergessen. Jedes Maß überschreitend, erkühnte er sich zu sagen: »Will jemand mein Jünger sein, der verleugne sich selbst und folge mir. Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. Wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber um meinetwillen sein Leben verliert, der wird es finden. Was hülfe es dem Menschen, wenn er eine ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?« (Matth. X, 37–39; XVI, 24, 25; Luk. IX, 23–25; XIV, 26, 27: XVII, 33; Joh. XII, 25.) Trefflich schildern diese Herausforderung der Natur zwei Anekdoten, von der Art jener, die nicht als historisch anerkannt werden können, die jedoch einen Charakterzug darstellen wollen, wenn sie ihn auch übertreiben. Er sprach zu einem Manne: »Folge mir!« – »Herr,« antwortete ihm dieser, »erlaube, daß ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.« Jesus entgegnete: »Laß die Toten ihre Toten begraben, du aber gehe und verkünde das Reich Gottes« ... Ein anderer sprach zu ihm: »Herr, ich will dir folgen, doch erlaube, daß ich zuvor Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind.« Jesus erwiderte: »Wer seine Hand an den Pflug legt und zurückblickt, der taugt nicht zum Reiche Gottes.« (Matth. VIII, 21, 22; Luk. IX, 59–62.) Eine besondere Ruhe und manchmal auch Züge besonderer Sanftmut, die allen unseren Gedanken eine andere Richtung geben, ließen diese Übertreibungen vorüberziehen. »Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, so werdet ihr Ruhe finden für euere Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last leicht.« (Matth. XI, 28–30.)

Aus dieser exaltierten, in einer übertriebenen und gewaltig energisch ausgedrückten Moral, bildete sich eine große Gefahr für die Zukunft. Indem man den Menschen von der Erde losmacht, zerstört man sein Leben. Der Christ soll belobt werden, weil er ein schlechter Sohn, ein schlechter Patriot ist, wenn er nur Christi wegen seinen Vater anfeindet, seine Heimat bekämpft. Der alte Staat, die Republik, die Allmutter, das Gesetz, stehen nun dem Gottesreiche feindlich gegenüber. Ein verhängnisvoller theokratischer Keim entsteht in der Welt.

Eine andere Folge läßt sich von jetzt anerkennen: Diese für den Augenblick der Kirche geschaffene Moral mußte, in einen ruhigen Zustand und in der Mitte einer über ihre Zukunft unbesorgte Gesellschaft, unmöglich scheinen. Das Christentum mußte derart nur zu einer Utopie für die Christen werden, um deren Verwirklichung sich sehr wenige gekümmert hätten. Diese niederdrückenden Regeln sollten für die Menschheit in tiefste Vergessenheit geraten, wozu die Geistlichkeit selbst ermutigte; der evangelische Christ wurde fortan ein gefährlicher Mensch. Die selbstsüchtigsten, stolzesten, härtesten und am meisten an dem Irdischen klebenden Leute, wie z. B. ein Ludwig XIV., sollten Priester finden, die ihnen, allem Christentum entgegen, bekräftigten, daß sie Christen seien. Doch es sollten sich auch stets Heilige finden, welche die hehren Paradoxen Jesu wörtlich nahmen. Da die Vollkommenheit außerhalb des gewöhnlichen Gesellschaftszustandes lag; da das rein evangelische Leben nur außerhalb des irdischen Getriebes möglich war – so war dem Asketentum und dem Mönchswesen die Grundlage gegeben. Die christliche Gesellschaft hatte fortan zweierlei Moralregeln: die einen für mittelmäßig heroische, für gewöhnliche Menschen, die anderen für maßlos exaltierte, für vollkommene Menschen. Und der vollkommene Mensch, das ist nun der Mönch, der sich Regeln unterzieht, die das evangelische Ideal verwirklichen sollen. Natürlich konnte dieses Ideal derart nicht verallgemeinert werden, sei es auch wegen der Pflicht zur Ehelosigkeit und Armut. Im gewissen Sinne ist also der Mönch der einzige wahre Christ. Der gewöhnliche Menschenverstand empört sich wider solche Exaltationen; seiner Meinung nach ist das Unmögliche das Zeichen der Schwäche und des Irrtums. Doch dort, wo es gilt große Dinge zu beurteilen, ist der gewöhnliche Verstand ein schlechter Richter. Um von der Menschheit weniges zu erhalten, muß man von ihr viel fordern. Der riesige geistige Fortschritt, den wir dem Evangelium verdanken, kommt von seinen Übertriebenheiten. Denn dadurch ist er – gleich dem Stoizismus, nur in viel größerer Ausdehnung – zum lebendigen Beweis der göttlichen Kräfte, die im Menschen sind, geworden, zum Denkmal, der Macht des Willens errichtet.

Begreiflicherweise galt Jesu in der Zeit, bei der wir jetzt angelangt sind, alles, was nicht des Gottesreiches war, für absolut nicht vorhanden. Er stand sozusagen außerhalb der Natur; Familie, Freundschaft, Vaterland waren für ihn wertlos geworden. Oft giebt sich die Vermutung, er habe in seinem eigenen Tod das Mittel zur Begründung seines Reiches gesehen und den Entschluß gefaßt, sich töten zu lassen. (Matth. XVI, 21–23; XVII, l2, 21, 22.) Zu anderen Malen wieder – obgleich der Gedanke erst später zum Dogma erhoben wurde – scheint ihm der Tod ein Opfer zu sein, bestimmt, den Vater zu versöhnen und die Menschen zu erretten. (Mark. X, 45.) Eine gewisse Vorliebe für Verfolgungen und Leiden erfaßte ihn. (Luk. VI, 22.) Sein Blut dünkte ihn das Wasser einer zweiten Taufe zu sein, mit der er getauft werden sollte und es scheint, als wäre er von einer merkwürdigen Hast beseelt gewesen, diese Taufe zu empfangen, die allein nur seinen Durst löschen konnte. (Luk. XII, 50.)

Erstaunlich war oft die Größe seines Blickes auf die Zukunft. Er verhehlte sich nicht, daß er einen gewaltigen Sturm in der Welt erregen werde. »Ihr sollt nicht wähnen« – sprach er ebenso kühn wie schön – »ich sei gekommen, Frieden zu senden auf Erden. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu erregen wider seinen Vater, die Tochter wider ihre Mutter, die Schnur wider ihre Schwieger. Und des Menschen Feinde werden seine eigene Hausgenossen sein.« (Matth. X, 34–36; Luk. XII, 51–53. – Vergl. Micha. VII, 5, 6.) »Ich bin gekommen das Feuer auf Erden zu entzünden: was wollte ich lieber als es brennte schon?« (Luk. XII, 49; s. griech. Text.) »Sie werden euch in Bann legen und es kommt die Zeit, wo der, welcher euch tötet, glauben wird, Gott einen Dienst erwiesen zu haben.« (Joh. XVI, 2.) »Wenn euch die Welt haßt, so wisset, daß sie mich vor euch gehaßt hat. Gedenkt des Wortes, das ich euch gesagt habe: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen.« (Joh. XV, 18, 20.)

Fortgerissen von dieser erschreckenden, durch die Notwendigkeit einer immer exaltierter werdenden Predigt erforderten Fortschritt der Begeisterung, war Jesus nicht mehr frei. Er gehörte seinem Streben an und im gewissen Sinne der Menschheit. Manchmal hätte sich glauben lassen, sein Verstand sei gestört worden. Er fühlte gleichsam Angst und Erregung. (Joh. XII, 27.) Die große Vision vom Gottesreich, die stets vor seinen Blicken stammte, hatte ihn geblendet. Seine Jünger wähnten zuweilen er wäre irrsinnig. (Mark. III, 21.) Seine Feinde sagten, er wäre besessen. (Mark. III, 22; Joh. VII, 20; VIII, 48; X, 20.)

Sein übermäßig leidenschaftliches Temperament ließ ihn jeden Augenblick die Grenzen menschlicher Natur überschreiten. Da sein Werk kein Werk des Verstandes war, und da er jede Einteilung des menschlichen Geistes verwarf, so verlangte er nichts gebieterischer als den »Glauben«. (Matth. VIII, 10; IX, 2, 22, 28, 29; XVII, 19; Joh. VI, 29.) Dieses Wort war es, das in seinem Tischkreise am meisten laut wurde; es war das Wort, um das sich alle Volksbewegungen drehten. Sicherlich wären diese nie erfolgt, wenn der, welcher sie hervorbrachte, jeden einzelnen seiner Parteigänger durch gute, logisch begründete Beweise hätte gewinnen müssen. Nachdenken führt nur zu Zweifeln. Wenn z. B. die Schöpfer der französischen Revolution erst durch lange Betrachtungen hätten überzeugt werden müssen, so waren sie alt geworden, ohne etwas zu thun. Ebenso bezweckte Jesus weniger die gehörige Überzeugung als Begeisterung. Drängend, befehlend, duldete er keinen Widerstand: man muß sich bekehren, er will es. Seine angeborene Sanftmut mochte manchmal gewichen sein, er schien da abstoßend und sonderbar. (Matth. XVII, 16; Mark. III, 5; IX, 18; Luk. VIII, 45; IX, 41.) Zuweilen verstanden ihn seine Jünger nicht mehr und fühlten eine gewisse Furcht vor ihm. Besonders bei Markus läßt sich dies ersehen: IV, 40: V, 15 IX, 31; X, 32. Und manchmal wieder riß ihn sein Ärger über jede Art Widerstand zu unbegreiflichen, geradezu thörichten Handlungen fort. (Mark. XI, 12 bis 14, 20.)

Nicht daß seine Tugend sich vermindert hätte: sein Kampf gegen die Wirklichkeit im Namen des Ideals wurde unhaltbar. Ihn verdroß die Berührung mit der Erde. Ihn reizten Hindernisse. Sein Begriff vom Gottessohn trübte sich, übertrieb sich. Das verhängnisvolle Gesetz, das Gedanken zum Scheitern verurteilt, wenn sie Menschen bekehren wollen, machte sich auch bei ihm geltend. Die Menschen drückten ihn durch ihre Berührung auf ihren Standpunkt hinab. Die Art und Weise, die er angenommen hatte, konnte nur noch einige Monate sich aufrecht erhalten; es war Zeit, daß der Tod eine übermäßig gespannte Situation löste, ihn von den Unmöglichkeiten eines Weges ohne Ausgang befreite und ihn, von einer schon zu lange währenden Prüfung erlösend, sünderein der himmlische: Herrlichkeit zuführte.


 << zurück weiter >>