Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 4
Friedrich von Raumer

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Siebente Beilage.

Über das Schlachtfeld von Skurkola.

1. Karl sagt in seinem Schreiben an den Papst: er habe die Gränzen des Reiches wohl gedeckt und sey den Märschen der Feinde drei Tage und drei Nächte gefolgt. Ich halte dies für unrichtig, denn:

  1. die Gränze war nicht gedeckt, und wenn er, statt drei voller Tage, auch nur einen halben Tag früher in diesen Gegenden gewesen wäre, so würde er gewiß die höchst wichtigen Engpässe vertheidigt und Konradin nicht ungehindert in die Ebene hinabgelassen haben.
  2. In dem Schreiben an den Papst redet Karl nur von drei Tagen und drei Nächten; in dem Schreiben an die Pavienser (Patav. chron. in Murat. antiq. Ital. IV, 1144) sind schon vier Tage und vier Nächte daraus geworden: ein Beweis, daß es mit dieser, zur Rechtfertigung seines Verspätens hingesetzten Formel so genau nicht zu nehmen ist.
  3. Alle andern Schriftsteller lassen ihn in Eilmärschen von Luceria nach Aquila ziehen; und von dieser Seite kam er auch erst an, als Konradin bereits in Skurkola stand.

2. Antinori läßt, wahrscheinlich um jene Tage und Nächte auszufüllen, Karln im Thale des Garigliano 644 zwischen Sora und Kampistrello hin und her ziehen. Hiegegen bemerke ich:

  1. Wenn dem so wäre, würde es Karl, um seine Deckung der Gränzen zu beweisen, höchst wahrscheinlich gesagt haben.
  2. Ist auf dieser ganzen Entfernung kein Übergang über die Berge aus dem Kirchenstaate in das Neapolitanische möglich, also eine Deckung überflüssig.
  3. Kann man aus dem Thale von Kampistrello mit einem Heere nicht über die Berge in das Thal des Salto hineinziehen.
  4. Auch kommt Karl, seinen deutlichen Worten nach, von Ovinulo, also von Aquila und hat keineswegs, wie Antinori irrig voraussetzt, den Celaner See zur Rechten gehabt.

3. Antinori läßt Konradin über Bokka di Teve, Roscioli u. s. w. ziehen. Dies halte ich für irrig, denn:

  1. Diese und andere von Antinori genannte Örter werden in den Quellen nirgends erwähnt.
  2. Würde Konradin alsdann gar nicht nach Tagliakozzo und auf die valerische Straße gekommen seyn, was alle Quellen behaupten.
  3. Hätte er alsdann die hohen, unwegsamen Bergrücken übersteigen müssen, welche sich auf der linken Seite des Salto zwischen Karsoli und S. Anatolia, hinter Skurkola bis Terano und weiter hinziehen.
  4. Wäre er dadurch auf das rechte Ufer des Salto gekommen und hätte in der Schlacht diesen Fluß im Rücken gehabt; während die Quellen darin übereinstimmen, daß er seine Vorderseite gedeckt, und der Kampf sich bei der Brücke erhoben habe.
  5. Befindet sich die Kirche S. Maria della Vittoria, welche Karl gewiß nicht auf der Stelle seiner Niederlage, sondern seines Sieges erbaute, auf dem linken Ufer des Salto.

4. Daß der Hinterhalt Karls nicht auf der Nordseite 645 des Berges Felice (Mallianus bei Hirt) gestanden habe, ergiebt sich aus folgendem:

  1. Würde Karl nur dann in das Thal gen Cese gekommen seyn, wenn er von Sora herbeigezogen wäre.
  2. Widerspräche es seinen Worten, denen zufolge er nahe (prope) bei Alba stand.
  3. Ist das Thal hier ganz offen, und die Berge verlaufen sich so in die Ebene, daß kein Hinterhalt anzubringen ist, den man nicht von dem höher liegenden Skurkola sehen könnte.
  4. Muß der Weg nach Tagliakozzo dem fliehenden Konradin, der Weg nach Montekassino dem fliehenden Heinrich offen bleiben, was bei jener Annahme nicht möglich ist.

5. Der Hinterhalt stand aber auch nicht in dem Thale morgenwärts von Alba: weil er

  1. alsdann viel zu entfernt gewesen wäre;
  2. weil man dies Thal von Alba aus ganz übersieht, mithin daselbst nicht der voreilige Glaube entstehen konnte, Konradin habe gesiegt, während man die Schaar Alards von Valery noch unangegriffen halten sah; wogegen man die im Text bezeichnete Stelle des Hinterhaltes weder von Skurkola, noch von Alba sehen kann.

6. Karls Worte sprechen für meine Ansicht: denn

  1. nach Ovinulo konnte er nur von Aquila her kommen.
  2. Die Villa Anzanii oder Avezeni, wie die Lesarten bei Raynald und Muratori lauten, heißt in dem Abdrucke bei Bouche hist. de Provence II, 286, Avezano, und ist unleugbar der noch vorhandene Ort gleiches Namens. Dahin ging Karl mit Recht, um die große Straße nach Sulmona zu decken, welches nicht geschehen wäre, wenn er sich auf der Nordseite von Alba, etwa bei tre Forme aufgestellt hätte. Ja selbst wenn er von Sora her gekommen wäre, stand er jetzt auf jeden Fall mit dem Rücken nach dem Celaner See und mit dem Gesichte gen Antrosciano. 646
  3. Avezzano liegt aber in der Tiefe und keineswegs ganz in der Nähe von Alba, oder nur zwei Miglien von Konradins Lager bei Skurkola; deshalb muß der Hügel bei Alba, wohin Karl von Avezzano aus zog, von dieser frühern Lagerstelle nothwendig unterschieden werden. Alle die von Karl angegebenen Umstände passen vollkommen auf die Anhöhe bei Antrosciano, wo man recht eigentlich sagen kann, daß die palentinische Ebene sich eröffne, ausbreite (se explicat) und von wo aus Karl, wenn er von Avezzano aufwärts gezogen war, zuerst Konradins Lager sehen konnte.
  4. Endlich bewegten sich beide Heere ganz angemessen auf der valerischen Straße weiter, und die Siebenbrücken (sette ponti) lagen allerdings zwischen beiden. Wenn man annimmt, daß Karl im Thale gen Kampistrello stand, paßt dies alles auf keine Weise. 647

 


 


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