Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 4
Friedrich von Raumer

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Drittes Hauptstück.

Der unerwartete Tod König Konrads erschreckte seine Freunde und Anhänger aufs höchste, und zog in mehren Ländern denkwürdige Veränderungen nach sich; um aber den Faden der Erzählung nicht zu unterbrechen, wollen wir die Geschichte Apuliens und Siciliens für die nächsten Jahre hier sogleich anreihen.

{1254} Markgraf Bertold von HohenburgJamsilla 507.  Pfeffinger ad Vitriac. II, 662.  Cosanguinens uxoris Conradi, sagt Saba Malasp. I, 4.  Della casa Baviera, sagt Costanzo 14.  Vielleicht ist das Lied in der manessischen Sammlung S. 17 von diesem Markgrafen von Hohenburg., ein Blutsverwandter der Gemahlinn König Konrads und bei ihm in großem Ansehn stehend, erkannte sehr wohl, daß nach dessen Tode entweder ihm, als dem sehr geliebten Anführer aller deutschen Krieger, oder dem Fürsten Manfred, als Oheim Konradins, die Reichsverwaltung zufallen müsse. Während der letzten Krankheit des KönigsDas Gift müßte also wenigstens nicht schnell gewirkt haben, und damals noch kein Verdacht auf Manfred gefallen seyn.  Jamsilla 507. kam jener deshalb zum Fürsten und fragte ihn (als wenn die Entscheidung von ihm abhange): »ob er nicht geneigt sey die Regentschaft anzunehmen.« Manfred aber, die geheimen Absichten wohl 352 {1254} erkennend und die Macht der Deutschen fürchtend, gab klüglich zur Antwort: »nur ein Mann von der Erfahrung und der Weisheit des Markgrafen sey dieser schweren Aufgabe gewachsen.« So kamen das Heer, die Einnahmen, die Schätze, kurz die ganze Regierung in Bertolds Hände; indessen trat nach Beseitigung der etwa von Manfred drohenden Gefahr, die größere von Seiten des römischen Stuhles hervor.

Wenn die Macht des Papstes allein auf weltlichen Grundlagen beruht hätte, so wäre er damals nichts weniger als furchtbar gewesen. Die Römer nämlich und ihr, im Jahre 1252 auf drei Jahre erwählter Senator, Brankaleo aus Bologna, steigerten ihre Bitten bis zu Drohungen, und schrieben zuletzt an Innocenz: »sie müßten sich sehr wundern daß er, unstät und flüchtig, bald dahin bald dorthin ziehe, und unbekümmert um Rom und den heiligen Stuhl, nur dem Gelde nachtrachteMath. Par. 579, 590, 591.; während seine Herde, von welcher er Gott die strengste Rechenschaft schuldig sey, ein Raub der Wölfe werde. Er sey der römische Papst, nicht der Papst von Lyon, von Perugia, von Anagni oder Assisi, und möge jetzt gleich nach Rom zurückkehren, – oder nie.« Noch stärkeren Eindruck als auf Innocenz, mochten Drohungen ähnlicher Art auf die Bürgerschaften dieser Städte machen; darum kehrte jener endlich nach Rom zurück, und ward anfangs mit größten Ehren empfangen, dann aber durch steigende Forderungen des Volkes so geängstet, daß er zum zweiten Male entwich und sich nach Assisi begab. Um die Zeit, wo König Konrad starb, eroberten und zerstörten die Römer TivoliVitale I, 123. gegen des Papstes Willen, und umlagerten gleich nachher TerracinaContelore 52., zu dessen Unterstützung er alle benachbarten Städte und Barone dringend aufforderte.

In solchen Bedrängnissen war dem Papste des Königs Tod doppelt willkommen, da er ihm plötzlich die Aussicht 353 {1254} eröffnete, das apulische Reich ohne Mühe von einem verwaiseten Kinde und von eifersüchtigen Vormündern zu gewinnen. Als daher Bertolds Gesandten bei ihm anlangten und Konradin, nach des Königs letztem Befehle, dringend seinem Schutze anempfahlen, so erklärte erJamsilla 507.  Raynald §. 46.: »Reich und Herrschaft gebühre ihm; dem Kinde aber wolle er, sofern es zu Jahren komme, in Hinsicht des Anrechts auf Apulien (wenn ihm ein solches etwa zustehe) Gnade zukommen lassen.« Und in dem öffentlichen, hierüber an alle Christen gerichteten Schreiben heißt es, nach einer Einleitung über die große Milde und Versöhnlichkeit der Kirche: »der Papst wolle, nach genommener Rücksprache mit seinen Brüdern, den Kardinälen, erlauben, daß das jerusalemische Reich und das Herzogthum Schwaben dem Kinde verbleibe, und daß die, der Kirche im apulischen Reiche Treue Schwörenden hinzusetzen dürften: unbeschadet der Rechte Konradins.«

Diesen Erklärungen und geheimen, wie öffentlichen, Bemühungen des Papstes zufolge, neigten sich manche apulische Städte und Barone zur Kirche hin, und Markgraf Bertold fühlte, er sey als Deutscher im Lande verhaßt und außer Stande, irgend eine erhebliche Maaßregel durchzusetzen. Wenn nun gar, wie die Rede ging, ein päpstliches Heer in das Reich einbrechen sollte, so war vorauszusehen, daß nicht bloß sein Einfluß völlig ein Ende nehmen, sondern daß man auch Konradins Ansprüche ganz bei Seite setzen würde. In dieser Lage erschien eine aufrichtige Aussöhnung mit dem, unter den Einwohnern des Landes so beliebten Manfred höchst rathsam, und Bertolds Gemahlinn, welche des Fürsten Verwandte genannt wirdTochter des Markgrafen Lancia, soror amitina von Manfred, sagt Tansius 83; siehe jedoch die fünfte Beilage., mag zu solchem, die Kräfte beider stärkenden Auswege möglichst hingewirkt haben. Einstimmig mit vielen Grafen, Baronen und andern Edeln bat er: Manfred möge die ihm zu schwer werdende 354 {1254} Last der Reichsverwaltung übernehmen. Der Fürst antwortete: »Bertold sey vom Könige Konrad im Testamente zum Reichsverweser ernannt worden, und dürfe also die Würde weder niederlegen, noch einem andern übertragen. Ihm bleibe Schuld und Gefahr, wenn das Land in eine Lage gekommen sey, aus der es menschliche Weisheit kaum zu retten vermöge, und er, der Fürst, müsse jenen Antrag um so mehr ablehnen, da man ihn bei eintretenden Unglücksfällen gewiß als Urheber bezeichnen, oder doch sein anmaaßliches Hervordrängen bitter tadeln werde.« – Die Barone erwiederten: »wenn Manfred nicht die Reichsverwaltung gleich anfangs zurückgewiesen hätte, würde sich Bertold nie mit derselben befaßt haben. Jetzt sey aber gar nicht davon die Rede, ob sie Bertold mit Recht oder Unrecht angenommen oder niedergelegt habe; sondern ob es Recht und Pflicht erfordere, daß Manfred dem angetragenen, obgleich lästigen Amte, zu eigenen Ehren, zum Schutze des Reichs und zur Errettung seines sonst hülflosen Neffen, mit demjenigen Geiste und der Kraft vorstehe, die ihm Gott verliehen habe. Bei keinem andern könne man Hülfe finden, denn der Papst wolle offenbar das zeither selbständige Reich unterjochen. Diese große Gefahr dürfe aber nicht abschrecken, sondern müsse einen tüchtigen Mann nur desto mehr zu rühmlichen Anstrengungen und Thaten befeuern. Oder wolle Manfred, wenn Konradin sterbe oder gar, wie mehre behaupteten, schon gestorben sey, seine Ansprüche auf den Thron, welche die nächsten wären, feige dem ersten besten Thronbewerber preis geben?

Diese und ähnliche Vorstellungen bewogen den Fürsten zur NachgiebigkeitDandolo 360.. Alle schwuren Treue dem Könige Konradin und dem Statthalter Manfred; ja im Fall der erste kinderlos sterben sollte, erkannten sie eidlich des letzten Recht auf den Thron an. Markgraf Bertold versprach ihn aus allen Kräften zu unterstützen, und ihm 355 {1254} die überkommenen Gelder, Schätze, Kleinode u. dergl. auszuhändigen.

Sobald Innocenz hievon Nachricht erhielt, setzte erRaynald §. 48-55. dem Fürsten und dem Markgrafen eine letzte Frist bis zu Maria Himmelfahrt, dem 15ten August 1254, und bannte sie, als beide ausblieben, mit allen ihren Anhängern. Selbst dasjenige, was diese etwa in Deutschland besitzen möchten, sollte ihnen, nach des Papstes Befehl, durch König Wilhelm genommen werden.

Bald darauf, am fünften September, ertheilte er seinem Verwandten, dem Kardinal Wilhelm Fiesko, eine fast unbeschränkte Vollmacht zur Leitung der apulischen Angelegenheiten: er durfte Geld aufnehmen, Steuern ausschreiben, die Einkünste nicht bloß erledigter, sondern auch besetzter Pfründen (wenn deren Inhaber sie nicht freiwillig hergäben) zum Besten der Kirche verwenden, Reichsgüter einziehen und verleihen, Abgeneigte verjagen, Reuige zu Gnaden aufnehmen u. a. m. – Gleichzeitig trat Innocenz mit Peter Rufus, dem Statthalter von Sicilien, in Unterhandlung und gewann nicht wenige, indem er ihnen, für den Fall eines glücklichen Ausganges, große Geschenke und Lehngüter versprach.

Während sich die Gefahren für Manfred hiedurch mehrten, erfüllte Bertold keinen Punkt des geschlossenen Vertrages: es sey nun, daß er es von Anfang an nicht ehrlich meinte, oder daß er sich durch den Bann schrecken ließ und eine leichtere Aussöhnung mit der Kirche vorbereiten wollte. Eine Zeit lang glückte es dem Fürsten, durch schnelles Hin- und Her-Ziehen die Unruhigen zu überraschen und zu schrecken: als aber die von Bertold versprochenen Summen ausblieben, und der Verkauf alles Geldwerthen, selbst der silbernen Geräthschaften Manfreds, nicht ausreichende Mittel gab die Deutschen zu besolden, so zeigten sich diese angeblichen Vertheidiger fast so gefährlich, wie die offenbaren Gegner. Hiezu 356 {1254} kam, daß Richard von Montenegro, dessen Besitzungen an den Gränzen des Kirchenstaates lagen, dem sich sammelnden päpstlichen Heere den Durchzug bewilligte, und eine Verschwörung entdeckt ward, welche bezweckte den Fürsten lebendig oder todt zu fangen, sobald jenes Heer in das apulische Reich einrücke. In dieser allseitigen Bedrängniß glaubte Manfred in Güte und mit Anstand das bewilligen zu müssen, was er mit Gewalt nicht abwehren könne: er beschloß sich mit dem Papste auszusöhnen und ihn selbst in das Reich einzuführen. Am 27sten September 1254 kam durch Vermittelung von Manfreds Oheim, Galvan Lancia, folgender Vertrag zu Stande:

»Da das ganze sicilische Reich schlechthin dem apostolischen Stuhle gehörtRayn. §. 58-60.  Tutini discorsi., und dessen Herrschaft gänzlich dem Papste zugefallen ist; so überträgt dieser dem Fürsten, aus eigener Macht und Gnade, nicht allein die ihm früher von Friedrich II (mit UnrechtWährend des Bannes habe der Kaiser nichts vergeben können.  Saba Malasp. I, 4.) zugesicherten Besitzungen, sondern außerdem noch die Grafschaft Andria, als ein unmittelbares Kirchenlehn; wogegen Manfred, im Falle des Bedürfnisses, funfzig wohlgerüstete Ritter mit Zubehör auf vierzig Tage zum Dienst innerhalb der Reichsgränzen stellt. Der Kirchenbann wird aufgehoben und dem Fürsten, unter unmittelbarer Leitung des Papstes, die Statthalterschaft diesseit der Meerenge, jedoch mit Ausnahme der Landschaft Abruzzo eingeräumt. Für diese Würde soll der Fürst, nach Abzug aller eigentlichen Reichsausgaben, für sich jährlich 8000 Unzen Goldes beziehen.«

Die Entschuldigung des Fürsten: daß er die Verwaltung früher nur zum Schutze seines unmündigen Neffen angetreten habeJamsilla 512.  Nach Spinelli 1077, gab Manfred nach, weil er sah, daß der Papst bald sterben werde., nahm Innocenz stillschweigend als genügend an und erklärte sich über den Vorbehalt der Rechte 357 {1254} Konradins zur Zufriedenheit Manfreds. Hierauf ging dieser dem Papste bis an die Reichsgränze entgegen, und führte demüthig dessen Pferd von Ceperano bis zur Brücke über den Garigliano. Üble Anzeige aber begleitete seinen Eintritt: denn das Kreuz, welches ihm als Stellvertreter Christi auf langer Stange vorgetragen wurde, riß aus den Banden und fiel zur Erde nieder. In Kapua bestätigte er die Freiheitsbriefe mehrer Orte, hob, um sich beliebt zu machen, die von Friedrich II und Konrad IV ausgeschriebenen neuen Steuern auf, und begab sich um das Ende des Novembers 1254 nach Neapel. Von hier aus schrieb er an Petrus RufusAppend. ad Malaterr. Jamsilla 548.  Tedeschi 129-130., welcher Statthalter Siciliens geblieben war, und sah der Unterwerfung desselben auf die ihm vorgelegten Bedingungen um so bestimmter entgegenUrk. vom dritten November 1254.  Rymer I, 1, 189., da sich auch Bertold von Hohenburg im Anfange des Novembers mit der Kirche aussöhnte. Für die unbedingte Anerkenntniß der alleinigen Hoheitsrechte der römischen Kirche und das reuige Versprechen künftigen unweigerlichen Gehorsams, lösete ihn der Papst vom Banne, bestätigte alle vom Könige Konrad ihm gemachten Schenkungen, und bewilligte ihm, unter Verleihung der Würde eines Großseneschalls von Neapel und Sicilien, eine bedeutende jährliche Rente und freien standesmäßigen Unterhalt am päpstlichen Hofe. Außerdem wurden seinen Verwandten mehre Ländereien als Lehn überlassen.

So schien Innocenz in jeder Beziehung obgesiegt zu haben: in der Hauptstadt seines Erbfeindes herrschte er mit unumschränkter Gewalt, alle Edlen kamen und beugten sich vor seiner neuen Herrschaft, und die Abgeneigten waren entweder klüglich gewonnen, oder so eingeschreckt daß sie keines Widerstandes mehr gedachten. Aber in diesem Augenblicke einer beispiellos großen weltlichen Herrschaft, eines glänzenden Sieges, entstand dem Papste unerwartet neue 358 {1254} Gefahr, und die Unbeständigkeit alles dessen, was mit Härte und Ungerechtigkeit erstrebt wird, zeigte sich jetzt so an der kirchlichen, wie früher oft an der kaiserlichen Herrschaft.

Manfred gewahrte bald, daß seine Nachgiebigkeit weder seinem Neffen Konradin, noch ihm den erwarteten Vortheil bringen, daß man ihn nicht als Sohn und Erben eines Kaisers behandeln, vielmehr dem übrigen Haufen päpstlicher Diener gleichstellen werde. Ja seine alten Gegner, welche dem Papste minder gefährlich schienen, als ein Hohenstaufe, gewannen größere Rechte und größeren Einfluß. Gleichzeitig mochten die Verhandlungen mit England bekannt werden, welche den Papst in den Augen des Fürsten noch zweideutiger erscheinen ließen. Schon im März 1254, gerade um die Zeit der lebhaftesten Bemühungen König Konrads wegen einer Aussöhnung mit der KircheRymer I, 1, 178, 181-190., hatte Innocenz, wie wir sahen, heimlich das apulische Reich an Edmund, den Sohn König Heinrichs III von England, vergeben und diesen aufgefordert, unter Zurücksetzung aller andern Zwecke, Mannschaft und Geld zur Eroberung und Behauptung desselben zu übersenden. Nach König Konrads Tode schrieb ihm der Papst ferner: »er könne zwar, bei so veränderten Umständen, das frühere Anerbieten zurücknehmen; wolle es aber, wenn Heinrich sich thätig bezeige, dabei lassen, ja sogar ansehnliche Summen zur Bestreitung der etwa entstehenden Kriegskosten hergeben.« Hierauf eingehend, schickte jener den Erzbischof von York und den Bischof von Hereford mit offenen Briefen ab, um die Regierung des Landes anzutreten, und schenkte in der Zeit wo Innocenz nach Kapua kam, seinerseits diese Stadt nebst Zubehör an den Grafen Thomas von Savoyen! Wahrscheinlich hätte Innocenz diese eilfertigen Schritte streng getadelt, wenn er des Königs weniger bedurft hätte. Jetzt schrieb er ihm am 17ten November aus Neapel: »obgleich die Waffen der Kirche Glück gehabt hätten, so dürfte sie doch bei ihrer Milde das Reich, 359 {1254} ohne andere Unterstützung, kaum behaupten können; weshalb er hiezu die schleunigsten Anstalten treffen, oder erwarten müsse, daß die Belehnung eines anderen erfolge.« – Zunächst schien der Papst indessen mehr an Befestigung seiner unmittelbaren Macht, als an eine Theilung derselben und ernste Berufung eines andern zu denken. Auch benahm sich der Legat Wilhelm Fiesko, als habe er, zugleich Kardinal und Verwandter des Papstes, das nächste Recht einem Kirchenlehne unter Kirchenhoheit vorzustehenCardella I, 2, 280. Von allen Baronen, selbst von Manfred verlangte er, gleichwie sonst der König, den Eid völliger Unterwerfung. Hiegegen erinnerte der Fürst: in den, zwischen ihm und dem Papste geschlossenen VerträgenJamsilla 513. wären Konradins und seine Rechte ausdrücklich vorbehalten, und versprochen worden, bis zur Großjährigkeit des Königs im Reiche nichts zu neuern. Der Kardinal blieb bei seinem Verfahren und freute sich sehr, als der, jenen Eid beharrlich verweigernde, mit allen übrigen gleich behandelte, Fürst allmählich so an Achtung verlor, daß viele etwas darin setzten, vor ihm nicht einmal den Hut abzuziehenSpinelli 1077.!

In dem Augenblicke dieser aus so vielen Gründen wachsenden Spannung, trieb ein zufälliges Ereigniß das Übel auf die Spitze. Burello, Herr von Anglone, welchem Kaiser Friedrich mit Recht Lehne abgesprochen, und der sich schon zu Konrads Zeit über Manfreds Herkunft und körperliche Eigenschaften beleidigend ausgelassen hatte, erhielt von diesem großmüthig Verzeihung und Ersatz der verlornen Güter. Demungeachtet trat er auf die Seite des Papstes und empfing dafür, noch vor dessen Einzug in das Königreich, mehre Besitzungen. Als sich aber Manfred mit Innocenz aussöhnte, wurden diese Besitzungen wiederum dem Fürsten zugesichert, und er verlangte nun daß Burello entweder ganz davon abstehe, oder sie doch von ihm, als einem 360 {1254} höher gestellten zu Lehn nehme. Statt dessen gab jener trotzig die Antwort: »Manfred sey seines Gleichen, und der Papst ihr gemeinsamer Herr.« Bei diesem beschwerte sich der Fürst, seinen Zorn beherrschend; erhielt aber nur die doppelsinnige Antwort: »Innocenz habe dem Burello kein Recht Manfreds übertragen.« Auch die Hinweisung auf künftige rechtliche Untersuchung mißfiel, und ein angesehener Mann aus Manfreds Gefolge, welchem dessen Würde hiedurch verletzt schien, äußerte: »besser sey es, der Fürst verfahre so, daß ein anderer über ihn, als daß er hülfsbedürftig über andere klage.« – Um dieselbe Zeit wollte Manfred dem, aus Apulien nach Theano zum Papste eilenden Markgrafen Bertold mit mehren Begleitern entgegenreiten, fand aber einen Engpaß besetzt, und zwar, wie sich bei näherem Kundschaften ergab, durch Burello und dessen Leute. Dieses neue, allem Anscheine nach feindliche Beginnen, erzürnte Manfred und seine Freunde; Thitius, ein Neffe des Papstes, der sich zu ihm gesellt hatte, warnte indeß vor einem gewaltsamen, Innocenz ohne Zweifel mißfälligen Verfahren. Mittlerweile hatten sich die Begleiter des Fürsten gerüstet und dem Engpasse genähert. Sobald Burello diese Zeichen des Ernstes sahe, begab er sich auf die Flucht und wurde mit einer Lanze im Rücken, jedoch nicht gefährlich, verwundet. Einige seiner Leute, welche man hiebei einfing, baten Manfred um die Rückgabe der ihnen genommenen Pferde; worauf dieser, ihre Bitte bewilligend, sagteRymer I, 1, 193.  Jamsilla 514-516.  Descript. victor. Caroli 828.: »gehet hin und warnet euern Herrn, er möge künftig nicht so thöricht und unverschämt seyn, wie bisher: denn nur aus Ehrfurcht vor dem Papste, und weil unsere Würde durch ihn kaum leiden kann, kümmern wir uns nicht weiter um seine Ungebührlichkeiten.« Inzwischen war Burello auf der Flucht bis Theano gekommen. Als sich hier aber das, bei dem Charakter des Verwegenen nicht unwahrscheinliche 361 {1254} Gerücht erhob, er habe Manfred erschlagen; so ward er von den Einwohnern des Ortes, welche den Fürsten liebten und verehrten, getödtet, ohne daß dieser davon wußte, oder Veranlassung dazu gegeben hatte.

Sobald Manfred von dem unerwarteten Ereigniß Kunde erhielt, wandte er sich zu Thitius und äußerte: »in Rücksicht der dem Papste zu erweisenden Ehrfurcht schmerzt mich Burellos Tod; er schmerzt mich nicht, sofern ihm, obgleich gegen meinen Willen, das widerfahren ist, was er für seine Unverschämtheit wohl verdiente.« Thitius übernahm es den Papst zu überzeugen, daß Manfred an dem Unfalle nicht schuld sey, und dieser eilte weiter dem Markgrafen Bertold entgegen. Sein Weg führte über Kapua, wo die Kardinäle und das päpstliche Heer verweilten und Innocenz erwarteten. In der Meinung daß dieser nahe, zogen sie aus der Stadt, wandten sich aber vom Wege ab, als sie Manfred und seine Schaar erkannten: denn es war ihnen schon ein unbestimmtes Gerücht über Burellos Tod zugekommen, und sie überlegten, ob sie den Fürsten nicht sollten umringen und fangen lassen. Manfred ahnete ihre Plane, und gerieth in noch größere Besorgniß, als sich die Stadtthore nochmals öffneten, und Reiter und Volk ihm entgegenzogen; – er beschloß sich bei einem Angriffe aufs äußerste zu vertheidigen. Plötzlich ertönte aber Musik und Freudengeschrei, denn ihm zu Ehren nahten die Einwohner; worauf er den Kardinälen ermuthigt auf ihrem Seitenwege folgte, und sich bei ihnen für seine Reise zu Markgraf Bertold beurlaubte. So theilnehmend sie sich indeß auch stellten, so bemerkte Manfred doch, die alte Freundschaft sey verschwunden, und fürchtete, daß man in der Stille die päpstliche Macht gegen ihn sammle und ordne. Deshalb wollte er möglichst schnell durch Kapua hindurcheilen. Hier aber empfingen ihn die Bewohner aufs neue, und zogen mit Trompeten und Pfeifen, mit Sang und Klang, in langsam feierlichem Schritte vor ihm her, bis zu der Wohnung wo er gewöhnlich abzutreten pflegte. Es war ihm 362 {1254} unmöglich vorbeizueilen; er mußte, von Furcht und Hoffnung gleichmäßig bewegt, ruhig ausharren, und erst nach langem Aufenthalte konnte er seinen freundlichen Dank für die erzeigte Ehre anbringen und das Freie erreichen. Noch war er indeß nicht zwei Miglien von Kapua entfernt, als die Nachricht eintraf, daß sein Gepäck genommen sey und mehre Reiter ihm in feindlicher Absicht folgten. Um diese aufzuhalten ließ er etwa zwanzig Begleiter am Wege zurück; bald aber kam einer derselben in gewaltiger Eile angesprengt und rief aus: »alle sind gefangen worden!« »Wie ist das möglich«, fragte der Fürst, »da du doch frei vor mir stehst?« Mit gleicher Ruhe sorgte er, daß bei einer engen Brücke über ein reißendes Bergwasser kein ängstliches Gedränge entstehe, folgte selbst als der letzte und erreichte Acerra, ehe seine Feinde ihn angreifen, oder sich zu einem unausbleiblich harten Kampfe entschließen konntenTansius 83.. Der Graf von Acerra, sein Verwandter, nahm ihn freundlich auf.

Als Markgraf Bertold, welcher gleichzeitig im Schlosse ArgentiumWahrscheinlich Arienzo., etwa drei Miglien von Acerra, angekommen war, von dem Vorgefallenen hörte, äußerte er: »der Fürst habe gehandelt, wie es dem Sohne eines Kaisers gebühre, und die Unverschämtheit des Narren, welcher mit ihm nicht einmal unterhandeln wollen, nach langer Geduld verdientermaaßen bestraft.« Äußerungen so günstiger Art gaben einigen Freunden Manfreds den Muth, Bertold zu bitten, er möge jenen in Acerra aufsuchen und sprechen; der Markgraf wies jedoch diesen Antrag unter dem Vorwande zurück, er werde alsdann dem Fürsten nicht mehr beim Papste nützen können. Von dem allen sogleich unterrichtet, ließ Manfred jetzo seinerseits durch besondere Abgeordnete um eine Zusammenkunft nachsuchen. Bertold aber wiederholte zuvörderst jenen Ablehnungsgrund, und fügte dann, als man ihn widerlegte, beschwerend hinzu: der Fürst habe bei den Verhandlungen mit dem Papste nur an sich und 363 {1254} seine Verwandten gedacht, auf ihn dagegen gar keine Rücksicht genommen. Hierauf antwortete ihm einer der Abgeordneten, Gottfried von Kosenza, nicht ohne Bewegung:

»Dir, o Markgraf, hat der sterbende Kaiser seinen Sohn übergeben, damit du, vom Vater her sein Blutsfreund und durch die Mutter ihm verschwägertTu, qui consanguinitatis ex parte patris, et affinitatis ex parte matris, ei es proximitate conjunctus.  Jamsilla 518., Vater- und Mutter-Stelle bei ihm vertretest. Sein Ruhm gereicht dir zur Ehre, sein Unglück zur Schande, und wenn du ihn jetzt verlässest, so geräth nicht allein er in die höchste Gefahr, sondern das ganze Kaiserhaus, auf dessen Größe dein Glück und dein Ansehen allein gegründet ist. Wie darfst du ihm das Geringe, eine Stunde Gespräch und Gehör verweigern? da es wohl lohnte viele Tagereisen weit herbeizueilen, um sich im Angedenken an alte Pflicht und Treue, mit ihm gegen Feinde aller Art auf Tod und Leben zu verbinden. Deine überfeine Klugheit verwandelt sich in Thorheit: denn während du dich wegen alter Zwistigkeiten an dem Fürsten zu rächen gedenkst, übst du der Wahrheit nach mehr Rache gegen dich, als gegen ihn, und wirst durch den Fall des Unschuldigen unfehlbar, als der Schuldige, mit zu Boden gestürzt werden.«

Durch diese und ähnliche Vorstellungen wirklich oder scheinbar überzeugt, erklärte Bertold: Manfred solle ihn mit Anbruche des Tages in dem Walde zwischen Acerra und Kapua gleichsam zufällig treffen, auf daß der von ihrer Zusammenkunft etwa benachrichtigte Papst nicht Argwohn schöpfe.

Als jedoch Manfred zur verabredeten Stunde und am gehörigen Orte erschien, fand er nicht den Markgrafen, sondern nur die Nachricht: jener sey durch Eilboten zum Papste berufen und habe, einen andern Weg einschlagend, ihn nicht erwarten können. Gern wolle er indeß die Abgeordneten, welche der Fürst sogleich nach Kapua senden möge, 364 {1254} bei ihren Unterhandlungen mit dem Papste in Rath und That unterstützen.

Diese Abgeordneten, Galvan Lancia und Richard Filangieri, fanden aber, als sie sich zuerst in Kapua an den Markgrafen wandten, keineswegs die gewünschte Aufnahme; vielmehr haderte er über die schon erwähnten Punkte, und wurde nur mit Mühe durch ähnliche Gründe zu dem Versprechen gebracht, sich bei dem Papste (von dem er itzt mancherlei Bewilligungen hoffen durfte) für den Fürsten zu verwenden. Gleich nachdem er jenen gesprochen hatte, wurden Manfreds Gesandte vorgelassen, entschuldigten den Tod Burellos und erklärten: der Fürst sey bereit sich behufs einer genauen und vollständigen Untersuchung zu stellen, sobald man ihm für seine Person schriftlich, oder auch nur mündlich Sicherheit versprechen, und nach feststehenden Gesetzen verfahren wolle. Hierüber konnten aber die Gesandten, trotz erneuter Bitten und umständlicher Vorstellungen, keine andere Antwort erhalten, als: »dem Fürsten solle Recht widerfahren.« Diese Äußerung erschien aus mehren Gründen bedenklich: erstens, hatte Innocenz früher den Unfall mit Burello minder schwer genommen und erklärt: wenn Manfred auch nicht ganz ohne Schuld sey, so gereiche doch Veranlassung, Ort und Zeit u. s. w. zu großer EntschuldigungSaba Malaspina I, 5. Suessan. chron.; jetzt aber, dies erfuhr man, wirkten die mächtigen Verwandten Burellos so lebhaft als erfolgreich gegen den Fürsten. Zweitens verlautete: Markgraf Bertold habe dem Papste gerathen, er solle seine Macht bei dieser Gelegenheit aufs strengste geltend machen, Manfred, wenn er sich einfinde, fest nehmen, und dadurch alle Unruhen im Reiche schnell beendigen, oder aber, wenn er ausbleibe, ihn mit Heeresmacht verjagen.

Dies alles berichteten die Gesandten dem Fürsten, fügten aber dennoch den Rath hinzu: er möge sich lieber einfinden als ausbleiben; weil es nicht wahrscheinlich sey, daß 365 {1254} der Papst alle Grundsätze der Gerechtigkeit bei Seite stellen und, zu Erweckung allgemeiner Unzufriedenheit, gegen Manfreds Person Gewalt brauchen werde. Dieser gab zur Antwort: in Kapua habe man sein Besitzthum geraubt und sich bis jetzt zu keiner Rückgabe verstanden; in Kapua hätten sich viele von seinen und seines Vaters Feinden versammelt; darum erscheine ihm diese Stadt verdächtig. Wohl aber sey er bereit sich in Aversa einzufinden, wohin der Papst binnen kurzem zu reisen gedenke.« Hierauf entgegnete Innocenz: »er wolle nicht, daß der Fürst zu ihm komme, sondern daß er sich vor seinem Gesandten stelle.« Diese Strenge, Ängstlichkeit oder Verachtung schreckte und beleidigte zugleich; so daß Galvan Lancia seinem Neffen heimlich den Rath gab: er möge sich vor dem Eintritte größerer Gefahren entfernen. Diesem Rathe und seiner eigenen Neigung folgend, entwarf Manfred weitere Plane, aber niemand ahnete sie, am wenigsten der Papst: denn Galvan selbst blieb ruhig in Kapua, und ein Theil der Leute des Fürsten war schon nach Aversa aufgebrochen, um alles für den Empfang desselben vorzubereiten.

Johannes der Mohr, einer schwarzen Magd Kind und ungestaltet, hatte sich (weil Kaiser Friedrich  II nicht auf Herkunft, sondern auf innere Tüchtigkeit Rücksicht nahm) allmählich durch seine Anlagen und seine Thätigkeit zu wichtigen Ämtern emporgeschwungen, und von Konrad IV den Oberbefehl in Luceria erhalten, wo er jetzo mehr als unumschränkter Herr, denn als Bevollmächtigter eines andern herrschte. An diesen alten begünstigten Diener wandte sich Manfred in seiner Noth, und Johannes versprach so viel gutes und liebes, als man irgend erwarten konnte. Aber während der Fürst dem, ihm vom Papste drohenden Übel entfloh, warteten seiner auf dem weiten Wege von Acerra nach Luceria andere kaum geringere Gefahren.

Gegen Mitternacht brach er mit seinem Gefolge von Acerra auf, geführt durch zwei der Gegend kundige Edle, Martin und Konrad Kapece, deren Familie sich seit dieser 366 {1254} Zeit durch feste Anhänglichkeit an die Hohenstaufen ehrenvoll auszeichnete. Nach wenigen Stunden kam man, der Landstraße folgend, an das Schloß Monteforte, welches Ludwig, der Bruder des Markgrafen Bertold, vermöge einer Schenkung König Konrads besaß. Nach dem offenbaren Abfalle Bertolds wollte sich Manfred jenem nicht anvertrauen; man suchte vom Wege ablenkend über hohe Berge einen Steg, gerieth aber hiebei an Abgründe, welche im blassen Mondscheine doppelt gefährlich erschienen.« Oft ist man (so beschreibt ein neuer BeobachterCastellan Lettres sur l'Italie I, 221-224. diese Gegenden) von Bergen rings eingeschlossen und in völliger Einsamkeit; und wird doch fast betäubt durch das Rauschen der hinabstürzenden Bäche, das Geheul der durch die Engthäler ziehenden Winde, das Geschrei der Raubvögel und das Brausen der Baumgipfel.« – Endlich erreichten alle, die Pferde einzeln an den Bergen hinauf- und hinabführend, mit Tagesanbruch die Burg Malliano und gaben auf Befragen, zur Antwort: sie gehörten zu den Leuten Markgraf Bertolds. Dennoch schlossen die Einwohner ihre Thore, und es blieb nur an den Mauern entlang ein Steg offen, fast so mühsam und gefährlich, als der in der Nacht betretene. Hiezu kam, daß in der Stadt Zweifel gegen die Richtigkeit jener Angabe entstanden, und viele verlangten: man solle die Vorbeiziehenden anhalten, und genau untersuchen, wer sie seyen. Während der hierüber entstandenen Berathungen war aber der Fürst (das von Bertolds Mannen besetzte Avellino seitwärts lassend) bereits in Atripalda, einem Schlosse der Kapece, angelangt, wo ihn die edlen und schönen Frauen seiner Führer mit großen Ehren und Freuden empfingen. Die Rast durfte jedoch nur kurz seyn, und erst in Nusko, welches dem Grafen von Acerra gehörte, hielt man sich vor der Verfolgung der Päpstlichen sicher. Auch erklärte sich Binium und Bisaccia am folgenden Tage gern für Manfred; Melfi hingegen antwortete: es könne 367 {1254} dem Innocenz bereits geschwornen Eide nicht untreu werden; und in Guardia erfuhr man: der Kardinalgesandte werde am folgenden Tage daselbst mit Heeresmacht aus Ariano anlangen, sofern die Bewohner sich nicht sogleich für den Papst erklärten. Bei diesen Umständen blieb nur der Weg nach Askoli offen: allein dahin gesandte Eilboten brachten die Nachricht zurück: man habe die Schreiben des Fürsten nicht abgeben können, weil die Stadt in vollem Aufruhr, und der Stadthauptmann bereits erschlagen sey. Dessen Neffe, welcher mit jenen Boten ankam, forderte den Fürsten auf, sich der Stadt während dieser Verwirrungen zu bemächtigen; und noch eifriger als Manfred ergriffen mehre seiner Begleiter den Gedanken, durch eine kühne Waffenthat Macht und Ruhm zu erwerben. Als aber jener Jüngling zu gleicher Zeit sehr laut vom Untergange der Empörer und von Plünderung der Stadt reden hörte, erschrak er, bezwang seine Rachsucht und wollte nicht um einiger Schuldigen willen viele Unschuldige verderben. Angeblich um die Sicherheit des Weges zu erkunden, eilte er voraus, und kam bald darauf mit der (vermuthlich ganz von ihm erfundenen, aber an sich nicht unwahrscheinlichen) Botschaft zurück: Otto, der zweite Bruder des Markgrafen Bertold, sey mit 500 Reitern bei Korneto, nur eine Miglie von Askoli, angelangt.

Leicht wäre Manfred, wenn er sich bei diesen Umständen nach Askoli begeben hätte, von seinen Feinden ganz eingeschlossen und gefangen worden; darum wandte er sich seitwärts und ward (ein Trost unter so vielen Gefahren) erst in Lavello und dann in Venosa als Herr und Fürst aufgenommen. Bald nachher langten hier aber Bevollmächtigte an und forderten, daß die Bürger einen Bund mit Melfi schließen sollten. Man konnte den Antrag dieser mächtigern Stadt nicht ablehnen, und obgleich Manfreds Rechte hiebei vorbehalten wurden, so mußte ihm doch sein Aufenthalt in dieser Gegend bedenklich, ja gefährlich erscheinen; da er sich, durch die Verhältnisse gezwungen, gar weit 368 {1254} von seinem Hauptziele, Luceria, entfernt hatte. Hiezu kam daß Johannes der Mohr nach Kapua gereiset war, der Angabe nach um für Manfred zu wirken, der Wahrheit nach, um Luceria als unabhängige Herrschaft aus den Händen des Papstes zu empfangen. Marchisio, welcher einstweilen daselbst für ihn befehligte, hatte geschworen: er werde niemanden während des Mohren Abwesenheit, auch den Fürsten nicht, in die Stadt einlassen. Mit offener Gewalt war hiegegen nichts auszurichten, und eben so wenig mit lauter Klage, oder auch nur mit Argwohn erregenden Fragen; wohl aber wußte Manfred, daß die Oberherrschaft des Papstes den Saracenen in Luceria sehr unwillkommen seyn müsse. Deshalb schickte er einige treue Diener in die Stadt, welche unentdeckt viele angesehene Einwohner erforschten, überall eine erwünschte Stimmung fanden und, als sie sich näher kund gaben, die Antwort erhielten: der Fürst möge nur nach Luceria kommen, an Beistande mit Gut und Blut solle es ihm nicht fehlen. Ob aber Manfred mit aller ihm zu Gebote stehenden Mannschaft, oder mit sehr wenigen Begleitern dahin eilen solle, darüber waren anfangs die Meinungen getheilt. Endlich schien das letzte gerathener: denn der Weg führte zwischen dem empörerischen Askoli und dem von Otto von Hohenburg besetzten Foggia hindurch; und wenn Manfreds Macht für eine offene Fehde nicht stark genug war, so war sie doch ohne Zweifel zu stark um unbemerkt bis Luceria vorrücken zu können.

Am Abende des ersten Novembers 1254 ritt der Fürst (nachdem er für den folgenden Tag alles zum Aufbruche gen Spinazzola angeordnet hatte) mit drei Begleitern vor das Thor, als beabsichtige er nur einen Spazierritt. Hier gesellten sich unerwartet einige, vom Geheimnisse nicht unterrichtete Männer zu ihm, und um dies nicht durch ihre Rücksendung zu verrathen oder doch anzudeuten, hieß er auch diese folgen. So lange noch Tag und Dämmerung dauerte, fand man sich glücklich auf den Nebenpfaden weiter, welche man zur Vermeidung jener Städte einschlagen mußte; nun 369 {1254} aber brach eine Nacht ein, wie man sie freilich nicht erwartet hatte. Der Regen fiel in Strömen herab, und die Finsterniß war so groß, daß man schlechterdings nichts sehen und nur durch Zurufen ein völliges Vereinzeln hindern konnte. Selbst Adenulf, der Jägermeister Kaiser Friedrichs II, welchen Manfred als Führer mitgenommen hatte, und der sonst die kleinste Stelle dieser Gegenden genau kannte, wußte durchaus nicht mehr wo man sich befinde. So dem Zufalle preis gegeben, ritten alle weiter, bis Adenulf endlich an einem fernen weißen Schimmer ein kaiserliches Jagdhaus zu entdecken glaubte; aber die Sorge war fast größer als die Freude, aus Furcht daß es, unter mehren ähnlichen Häusern, vielleicht das nahe bei Foggia erbaute sey. Es war glücklicher Weise das bei S. Agapito belegene, und nach der Besorgniß überkühn, zündeten jetzt die Ermatteten, Durchnäßten, fast Erfrornen ein gewaltiges Feuer an, ohne daß sie anfangs daran dachten, wie dies den benachbarten Orten auffallen müsse und neue Gefahren herbeiführen könne. Noch vor Anbruche des Tages eilten sie deshalb weiter und kamen bis in die Gegend von Luceria. Damit die Zahl seiner Begleiter hier nicht Verdacht errege, ließ sie Manfred bis auf drei nach dem Schlosse Bibiano reiten, wo sich alle, sofern die Unternehmung mißglücke, wieder zusammenfinden wollten.

Aber das Thor von Luceria, – so schien es die gefährliche Zeit zu verlangen –, war verschlossen und von innen durch mehre Hüter besetzt. Daher sandte Manfred den einen von seinen Dienern, welcher arabisch verstand, voraus und ließ (man mußte es schon wagen) jenen Männern zurufen: »sehet, der Herr euer Fürst, der Sohn eures Kaisers kommt zu euch! Öffnet ihm die Thore und nehmet ihn in eure Stadt auf, wie ihr vor kurzem unter großen Erbietungen versprachet.« Die Wächter glaubten aber diesen Worten nicht, so daß dem Fürsten kein anderes Mittel blieb, als kühn bis ans Thor vorzureiten, wo ihn dann auch 370 {1254} einige erkannten, und hinschicken wollten um die Thorschlüssel von Marchisio, welcher sie verwahrte, abzufordern.

Einer von ihnen aber sprach: »Marchisio wird die Schlüssel nicht hergeben, da ihm der Mohr verbot irgend jemanden in die Stadt einzulassen; darum muß der Fürst auf irgend eine andere Weise hereinzukommen suchen. Gelingt dies, so ist es leicht alles übrige nach Wunsch zu ordnen.« – Obgleich diese Bemerkung sehr richtig erschien, so wußte doch keiner wie man zum Zwecke kommen könne, bis derselbe getreue Wächter sagte: »unter dem Thore ist ein Loch zur Abführung des Wassers der Rinnsteine; der Fürst mag hindurchkriechen: denn die Hauptsache ist, daß er, nicht wie er in die Stadt komme.« Schon sprang Manfred vom Pferde und wollte sich gern dieser Erniedrigung unterwerfen, welche er als den Anfang seiner Erhöhung betrachtete, als die übrigen Saracenen laut riefen: »wir können nicht zugeben, daß unser Fürst auf so schlechte Weise in die Stadt komme, laßt uns die Thore erbrechen, damit er einziehe, so wie es sich gebührt.« Und so geschah es mit größter Eile und Gewalt: sie hoben ihn auf ihre Schultern und trugen ihn, wie im Siegeszuge, durch die Straßen, und alles Volk strömte jubelnd herzu und drängte sich mit so ungezügeltem Eifer ihn zu sehen, zu sprechen, zu berühren, daß er aus Liebe und Theilnahme fast wäre erdrückt worden!

Endlich hörte auch Marchisio den Lerm, begriff nicht, wie Manfred habe in die Stadt kommen können, während er alle Schlüssel der Stadtthore verwahre, waffnete sich und zog ihm entgegen, keinesweges in freundlicher Absicht. Aber das Volk erhob ein solches Geschrei, und verlangte so heftig Marchisio solle absteigen und sich vor dem Fürsten zur Erde werfen, daß jener erschreckt den Forderungen nachgab. – Um dieselbe Zeit (so viel kam diesmal auf einen Tag, ja auf eine Stunde an) erschien vor den Thoren von einer Seite Markgraf Otto mit Mannschaft aus Foggia; von der andern die zurückgelassenen Begleiter Manfreds aus Bibiano: 371 {1254} diese voller Besorgniß, jener ohne Ahnung eines widrigen Ereignisses. Als nun beide Theile vom Geschehenen hörten, suchten die Fürstlichen den Kampf, während ihn Otto vermied, und sich durch die Schnelligkeit seiner noch nicht ermüdeten Pferde rettete.

Gleichzeitig hatte Manfred, von einem Fenster des kaiserlichen Palastes aus, mit eindringlicher Beredsamkeit zu dem versammelten Volke gesprochen über Burellos aufrührerisches Benehmen und des Papstes Anmaaßung; wie er nur die Absicht habe, seine und seines Neffen unleugbare Rechte zu vertheidigen und die alten Freiheiten des Reichs, der Stände und Städte zu erhalten. Der höchste Beifall ward ihm zu Theil, und alle schwuren ihm Treue gegen jedermann. Damit war viel, mehr aber noch dadurch gewonnen, daß Manfred in Luceria große Vorräthe an Gelde, Waffen und andern Kriegsbedürfnissen fand, welche nacheinander dem Kaiser, dem Könige Konrad, dem Markgrafen und dem Mohren Johannes gehört hatten. Nunmehr konnte er Söldner werben und seine Anhänger so reichlich belohnen, daß sich schnell von allen Seiten, – angezogen durch den Ruf seines königlichen Wesens und seiner Großmuth –, Kriegsleute bei ihm einfanden, ja aus dem Heere seiner Gegner zu ihm übergingen. Zwar behielt der Papst in Terra di Lavoro unbedingt die Oberhand, und die von Natur schwachen und wankenden Apulier schreckte der KardinalSunt imbecillia corda omnium Apulorum.  Saba Malesp. I, 5.; aber Markgraf Bertold, welcher an dem Tage wo sein Bruder Otto von Luceria verjagt ward, nach Foggia kam, hatte allerdings Grund über den plötzlichen Wechsel der Verhältnisse und vorzüglich darüber zu erstaunen: daß der Fürst, dessen Bitten er noch vor wenig Tagen mit verkehrtem Stolze zurückwies, jetzt kühn seine Leute selbst nach Foggia sandte, um Lieferungen und Zahlungen anzusagen. Der Markgraf sorgte, mit scheinbar großer Aufmerksamkeit, 372 {1254} für die Herbeischaffung des Verlangten und fügte den Rath hinzu: Manfred möge keineswegs an einer billigen Aussöhnung mit der Kirche verzweifeln und nichts thun, was neue Hindernisse in den Weg legen dürfte. Dieser, vielleicht nicht einmal aufrichtige Rath Bertolds, konnte indeß den Fürsten nicht abhalten seine Macht auf alle Weise zu verstärken, und er war mit Recht überzeugt: daß er so gestellt, bessere Bedingungen erhalten, ja erzwingen könne, als wenn er, hülfsbedürftig und unwürdig zugleich, sein Recht als eine Gnade vom Papst erflehe. Neu angeknüpfte Unterhandlungen führten zwar nicht zum Ziele, doch ward Manfred hiebei von dem Markgrafen und selbst von dem Kardinalgesandten wie ein unabhängiger Fürst betrachtet und behandelt; auch gelang es seinen Gesandten bei dieser Gelegenheit eine Abtheilung Deutscher, welche sich im päpstlichen Heere befanden, zu gewinnen. Bei solcher Lage hätte der Kardinal rasch gen Luceria vorrücken, und wo nicht die Stadt erobern, doch Manfred von dem übrigen Lande und den ihm täglich zuströmenden Hülfsmitteln abschneiden sollenSaba Malespina I, 5. verglichen mit Raynald. und Murat. ann. zu 1255.; statt dessen ließ er Kreuzpredigten wider ihn halten, und versäumte aus Mangel aller Kriegskunde, oder aus Feigheit, oder aus beiden Gründen zugleich, die günstigen Augenblicke. Der kleinere Theil seiner Macht stand unter Markgraf Otto in Foggia, der größere unter seinen Befehlen bei Troja. Während man aber meinte, durch solche Stellung sey Manfred eigentlich umlagert, beschloß dieser seinerseits und zwar zuerst gegen Foggia angriffsweise zu verfahren, ehe dessen unternommene Befestigung weiter vorrückePetr. Vin. II, 45.. So große Kühnheit nicht erwartend, zog Markgraf Otto am zweiten December 1254 mit einem Theile seiner Leute unbesorgt aus der Stadt hervor, gerieth in einen, geschickt von Manfred gelegten Hinterhalt und ward dergestalt geschlagen, daß er sich nur nach Kanosa retten 373 {1254} konnte. Kaum hatte man in Foggia hievon Nachricht erhalten, als Manfreds Schaaren bereits vor den Thoren ankamen und den Sturm begannen. Die Hoffnung sie abhalten zu können, erschien jedoch nicht grundlos, als auf einmal das Geschrei erscholl: »die Stadt sey genommen« –; und in der That war eine Abtheilung, welche Manfred klüglich nach der Nordseite geschickt hatte, wo man keinen Angriff erwartete, ungehindert eingedrungen. Nur die Burg widerstand noch, oder ward vielmehr nicht angegriffen, weil Manfred fürchtete daß mehre Geistliche, welche sich hineingeflüchtet hatten, dabei möchten erschlagen und ihm dies als schwere Schuld angerechnet werden. Auch war, trotz dieses glücklichen Erfolges, das Größere noch zu thun, und die Besorgniß sehr natürlich, daß der Kardinal von Troja heranrücken und den Fürsten von Luceria abschneiden werde. Deshalb ging dieser spät Abends mit der Hauptmacht dahin zurück und ordnete alles für die wahrscheinlichen Kämpfe des folgenden Tages. Denn es stand nichts geringeres zur Entscheidung, als ob des Papstes Neffe, oder des Kaisers Sohn der Tüchtigere sey, und wer von ihnen mehr verdiene, das Reich zu beherrschen.

Mit dem Anbruche des Morgens, als man in Luceria schon zur Schlacht rüstete, langten aber unerwartet zwei Bürger aus Troja an und erzählten zu allgemeinem Erstaunen: sobald das aus Tusciern, Kampanern und untauglichen Kreuzbrüdern bunt zusammengesetzte päpstliche Heer von Manfreds Siege bei Foggia Kunde erhalten habe, sey es und nicht minder der Kardinal in gränzenlose Furcht gerathen. Anstatt dem Fürsten entgegenzuziehen, habe man schon in der Nacht den Rückzug angetreten und zwar in so beispielloser Eile und VerwirrungSie flohen turpiter et effoeminate  Monach. Patav. 689., daß viele Reiter auf ungesattelten Pferden davon geritten, oder gar zu Fuße davon gelaufen wären; daß andere ihr Gepäck zurückgelassen oder, um schneller zu entkommen, in der Nacht weggeworfen hätten! 374 {1254} Die Stadt und selbst Roger von Parisio, der päpstliche Befehlshaber in der dasigen Burg, habe sich bereits für Manfred erklärt.

Die meisten, besonders früher mit Hohn aus Troja vertriebene Deutsche, verlangten, daß der Fürst sie sogleich dahin führe; dieser aber, rachsüchtige Absichten erkennend und üble Folgen voraussehend, erklärte: zuerst müsse die Burg in Foggia erobert werden. Noch hatte man diese Stadt nicht erreicht, als schon die Botschaft ankam: alle Feinde des Fürsten, welche sich in jener Burg gesammelt hätten, wären in der Nacht entflohen; – und zwar mit solcher Schnelligkeit, daß die, eiligst in allen Richtungen Nachsetzenden niemand einzuholen vermöchten. Erst später fand man abseits der Wege viel weggeworfene Sachen; ja manche, welche sich hatten über die Berge hinwegretten wollen, waren hülflos im Schnee umgekommen.

Als Innocenz, welchem bis dahin alles so über Erwartung gelungen war, daß er sich am Ziele seiner Wünsche glaubte, und Schmeichler oder versteckt Spottende von ihm sagten: sein Haupt erhebe sich über die Wolken; als Innocenz von diesen großen Unfällen hörte, erschrak er so sehr daß er heftig erkrankte, oder doch eine ihn schon früher heimsuchende Krankheit schnell überhand nahm. Zeichen der Demuth und Ausbrüche des Zornes sollen auf seinem Krankenlager gewechselt haben. »Herr (seufzete er nach einigen) meiner Ungerechtigkeit halber hast du mich so gezüchtigtMon. Patav. 689.  Math. Paris 602.;« nach andern hingegen richtete er sich noch im Todeskampfe auf und rief seinen überlaut klagenden Verwandten zu: »was schreit ihr Elenden? Hinterlasse ich euch nicht alle reich? Was wollt ihr mehr?« – Wenn die letzte Nachricht wahr ist, so beweiset sie nicht minder gegen den Papst als gegen seine Angehörigen; in jenem ersten Ausrufe möchten wir aber mehr erblicken, als eine, nur zufällig, oder gar heuchlerisch und ohne ernste innere Beziehung 375 {1254} nachgesprochene SchriftstelleVergleiche Gregors VII letzte Worte, Buch I, S. 33.. Schwerlich konnte Innocenz, mit der Sicherheit, der Überzeugung und dem Vertrauen auf seine Bahn zurücksehen, wie mancher größere, in diesem Werke geschilderte, Papst. Er hatte sich über Würdigkeit, Gerechtigkeit und Heiligkeit seiner Mittel und Zwecke wohl schon in gesunden Tagen nicht ganz verblendet; und jetzt, in unerwartetem Unglück, auf dem Todtenbette, mögen schwerere Zweifel, ja Gewissensbisse nicht ausgeblieben seyn. Auch ließ sich darin eine bedeutende, zu ernsten Betrachtungen aufregende Fügung Gottes erkennen, daß er am vierten Jahrestage des Todes Kaiser Friedrichs II. am 13ten DezemberÜber den Todestag finden sich mehre Abweichungen. Den 10ten Dezember hat Patavin. chron. 1140 irrig, den siebenten Calend. Decembr. Cod. Vindob. Phil. No. 61, fol. 33 wahrscheinlich für den siebenten Idus. Zwischen dem siebenten und 13ten Dezember bleiben allein erhebliche Zweifel. Für jenen sprechen Chron. Udalr. Aug.  Hahn bullae pontif. 46.  Math. Paris 602. Chron. Cavense 927.  Schreiben Alexanders IV an König Heinrich von England bei Rymer I, 1, 191; für den 13ten Dezember hingegen Jamsilla 541.  Bullar. Roman. I, 82.  Bonon. hist. misc.  Simon. Montf. chron.  Vitae Pontif. 591.. Die letzte Angabe wird dadurch viel wahrscheinlicher, daß mehre (Stella 990.  Amalric. vitae. Pontif. 404.  Gui. de Podio 49.  Baluz. misc. I, 260) nicht die leicht verschriebene Ziffer, sondern den Tag der heiligen Lucia angeben, welches der 13te Dezember ist, und wobei nicht leicht ein Irrthum Statt finden konnte. Auch die Inschrift des Denkmahls in Neapel nennt den Tag der heiligen Lucia. Gewöhnlich nimmt man an, Innocenz habe die Nachricht von der am zweiten Dezember erlittenen Niederlage nicht mehr erfahren; dies ist aber, selbst wenn er den siebenten gestorben wäre, sehr unwahrscheinlich und wenn er den 13ten starb, fast unglaublich. Auch weisen jene Ausrufungen bestimmt auf die Kenntniß des Unfalls hin, und eben so die Äußerung in Amalr. vitae Pontif. 404, daß er unter großen Tribulationen gestorben sey. 1254. starb. Auf dem, in der Hauptkirche von Neapel errichteten Denkmahle liegt Innocenz in Marmor abgebildet, und selbst dies Todtenbild zeigt noch den 376 {1254} strengen Ernst und die finstere Kraft, welche sein Gesicht (als ein nicht täuschender Abdruck seines Wesens) im LebenPansa 100. immerdar gezeigt haben soll. Dies Zusammenstimmen der Nachrichten und der Bildsäule erhöht den Glauben an die sprechende Ähnlichkeit derselben. – Vom Volke ist die dankbare Erinnerung an Friedrich II noch jetzt nicht gewichen, und viele der Gebildeten sehen auf seine Regierung als auf den Lichtpunkt der neapolitanischen Geschichte zurück; des Papstes wird seltener gedacht, und die schlechten Verse jenes Denkmahls, welche den Kaiser als Drachen bezeichnenStravit inimicum christi, colubrum Fridericum etc., sind den meisten unverständlich, andern gleichgültig, wenigen ein Gegenstand des Tadels und Zornes.

Die Kardinäle, erschreckt durch den Tod des Papstes, die Niederlagen und den Anblick der, jetzt mit dem Legaten Fiesko einziehenden kläglichen Überreste des kirchlichen Heeres, wollten eiligst das Reich verlassen und alle zeitherigen Pläne aufgeben; aber Tavernarius, der Podesta von Neapel, ließ die Thore schließen und, ermuthigt durch die Vorstellungen des Markgrafen Bertold, wählten sie am 25sten Dezember den Kardinalbischof Raynald zum Nachfolger von InnocenzBullarium roman. I, 106.  Malespini 148.  Dandolo 362.  Math. Paris 603.  Epist. Pontif. ap. Hahn. 46, 47.  Concil. collect. XIV, 147. Die Kardinäle konnten per voces nicht einig werden, daher Wahl per compromissum.  Affò Parma III, 243.. Alexander IV, so nannte sich der neue Papst, war aus der Familie der Grafen von Signia, ein Neffe Gregors IX. Die Kraft des Charakters und die Festigkeit jenes Papstes fehlte ihm allerdingsSalimbeni 399.  Iperus 732.  Math. Paris 603.  Theuli zu 1231., und er soll das Geld zu sehr geliebt, so wie Schmeichlern zu viel nachgegeben haben; hingegen rühmte mancher seine Heiterkeit, Umgänglichkeit und Milde, sowie seine Kenntnisse, besonders der theologischen Wissenschaften.

377 {1254} In Hinsicht auf Manfred billigte Alexander IV die Plane seines Vorgängers, ob er gleich außer Stand gesetzt ward, sie rasch und mit Vortheil zu verfolgen. Jener hatte nämlich nach den Siegen bei Foggia keinen Augenblick verloren: mehre Städte ergaben sich ihm freiwillig, andere nahm er mit Gewalt. Johannes der Mohr, {1255} welcher auf dem Rückwege vom Papste zu seinem großen Erstaunen den Verlust Lucerias erfahren, und dem der Fürst statt sichern Geleites nur ein rechtliches Gehör bewilligt hatte, ward in Acerenza von den ihm zürnenden Saracenen erschlagen, und sein Haupt als das eines undankbaren Verräthers, zum warnenden Zeichen, über einem Thore von Luceria aufgesteckt. Mehre Schlösser und nicht unbeträchtliche Besitzthümer anderer Art, kamen durch des Mohren Tod in Manfreds HändePetr. Vin. II, 46.. – Galvan Lancia, welcher unter dem Scheine der Unzufriedenheit mit dem Benehmen seines Neffen, noch immer in Neapel verweilt und sich mit höchster Klugheit benommen hatte, entkam um diese Zeit zu großer Freude Manfreds und bewies seine Tüchtigkeit sogleich von neuem durch die Einnahme einiger Städte. Apulien, nur mit Ausnahme der Gegend von Otranto, gehorchte jetzt dem Fürsten.

Einige Wochen nach dem Tode Papst Innocenz des vierten kamen Manfreds Freunde, der Graf Thomas von Acerra und Richard Filangieri zu ihm, im Auftrage einiger Kardinäle vorstellend: er möge doch, der Sitte gemäß, dem Papste zu seiner Erhebung Glück wünschen, und bei dieser Gelegenheit Unterhandlungen anknüpfen lassen. Manfred aber antwortete: »er fürchte, daß man ihm dies als Schwäche und Kleinmuth auslegen werde; auch sey nur die Größe des künftig an die Kirche zu zahlenden Zinses ein Gegenstand der Unterhandlung: von dem Verlangen, daß Konradin das Reich und er die Vormundschaft behalte, werde er dagegen niemals abgehen. Nachdem dies in Neapel mochte bekannt geworden seyn, ließ ihn der Papst feierlich auf den zweiten 378 {1255} Februar 1255 vorladen, damit er sich wegen des Mordes von Burello und der Vertreibung des päpstlichen Heeres vertheidige. In höflichen Schreiben führte Manfred sein Recht und die Gründe seines Verfahrens aus, ohne sich indeß selbst einzufinden, oder auch nur Gesandte zu schicken. Erst, als der ihm geneigte Schreiber des Papstes, Meister Jordanus von Terracina erschien und vorstellte, daß und warum neue Unterhandlungen nur vortheilhaft seyn könnten, bevollmächtigte er Gervasius von Martina und Gottfried von Kosenza zu diesem Zwecke. Dennoch blieben bei der Unterhandlung wichtige Punkte streitig, weshalb die Gesandten vorschlugen: einer von den Kardinälen möge, zur Abkürzung, unmittelbar mit dem Fürsten verhandeln; aber dies dünkte jenen (weil Manfred nicht selbst ausdrücklich darum gebeten habe) unter ihrer Würde. – Hiezu kam, daß der Fürst unerwartet zu dieser Zeit Guardia einnahm, und auf des Papstes laute Klagen, wie er während der Unterhandlungen mit Feindseligkeiten fortfahren könne, zur Antwort gab: Guardia sey ein Theil der ihm eigens überwiesenen Grafschaft Andria, in deren Besitz er sich setzen könne, ohne die Kirche im mindesten zu beleidigen. Allein der Papst und die Kardinäle fürchteten so sehr, Manfred werde nach Neapel vorgehen, daß sie Schiffe bereit hielten, um übers Meer zu entfliehen, und aufs Bestimmteste erklärten: es könne vom Frieden erst wieder die Rede seyn, wenn der Fürst seine Macht von Guardia hinwegführe. Die Gesandten meldeten ihm dies alles und fügten hinzu: wenn er jetzt nach Terra di Lavoro vordringe, so werde er ohne Mühe seine Feinde aus dem Reiche verjagen. Schon überlegte Manfred, ob er hienach trotz der verschneiten Wege die Fehde erneuern und seine Stellung zur Kirche auf die äußerste Spitze treiben solle, als die Nachricht eintraf: daß Manfred Lancia, den er zum Befehlshaber der Gegend von Otranto ernannt hatte, durch die Einwohner Brundusiums besiegt sey. Nun beschloß der Fürst von Guardia hinwegzuziehen, scheinbar um des Papstes Wünsche zu erfüllen, in 379 {1255} der That aber, um in Apulien weitern Unfällen vorzubeugen. Auch gelang dies im Ganzen, obgleich Brundusium und Oria, trotz großer Anstrengungen, jetzt noch nicht konnte erobert werden.

Gleichzeitig mit dem Erzählten ereigneten sich Begebenheiten in Sicilien, welche die Aufmerksamkeit Manfreds, wie des Papstes erregten und verdienten. Nach König Konrads Tode war Petrus Rufus, Graf von Katanzaro, mit Bertolds Beistimmung Statthalter der Insel geblieben. Ihm ließ daher Innocenz durch Gesandte die Bedingungen vorlegen, unter denen er die Herrschaft der Kirche anerkennen solle. Allein weder Petrus noch die wichtigsten Städte waren mit diesen Vorschlägen zufrieden, sondern leiteten weitere Verhandlungen ein, welche noch nicht beendet waren, als nach der Einnahme von Luceria Gesandte Manfreds bei Petrus Rufus eintrafen und ihm in des Fürsten Namen sagten: jetzo sey es Zeit, daß er seine Treue zeige und sich mit ihm zur Vertheidigung und Erhaltung der Rechte Konradins verbinde. Zu einer solchen Verbindung bot Petrus die Hand, von einer Unterordnung unter den Fürsten wollte er hingegen nichts hören, und dieser mußte es damals schon als großen Gewinn betrachten, wenn Petrus sich nicht seinen Feinden zugesellte. Sonst verfuhr dieser freilich in allem nach eigener Willkür und ließ z. B. das Geld auf Konradins Namen umprägen, wobei wenige großen Vortheil zogen und sehr viele Schaden litten. Hierüber, und vielleicht noch mehr, weil jeder Ort daran dachte sich ganz unabhängig zu machen, entstanden Unruhen anfangs in kleinern Städten, wo Petrus leicht obsiegte, dann in Messina selbst, wo er, um nur sein Leben zu retten, den Bürgern viele von ihm besetzte Schlösser einräumen und nach seinen Besitzungen in Kalabrien hinüber segeln mußte.

Für den ersten Augenblick verlor Manfred fast mehr durch dies Ereigniß, als er gewann: denn Sicilien konnte er nicht unter seine Botmäßigkeit bringen, und in Kalabrien trat Petrus insofern feindlich gegen ihn auf, als er nicht 380 {1255} bloß mehre Orte in Konradins Namen besetzte, ohne des Fürsten zu erwähnen, sondern auch dessen Befehlshaber verjagte und neue anstellte; – ja er begann, um seine Lage zu verbessern, sogar Unterhandlungen mit dem Papste, welche darauf hinausliefen, daß er Kalabrien gewinnen und der Kirche übergeben wolle. Diese große Gefahr zwang den Fürsten, seine Macht vor Oria zu schwächen und zwei Brüder, Konrad und Bernhard Truich, mit Mannschaft gegen Petrus und seinen Neffen Jordanus abzusenden. Durch Schnelligkeit, Tapferkeit und Beistand der Einwohner siegten jene völlig, nahmen Jordanus gefangen und zwangen Petrus, sich hülflos auf einem geringen Schiffe nach Neapel zu flüchten. In diesem Augenblicke, wo die Sieger an keinen Feind mehr dachten, brachen unerwartet die Messinenser (welche einen Freistaat zu gründen und Kalabrien zu erobern hofften) mit Heeresmacht ein; aber auch sie wurden geschlagen, und im Anfange des Monats April 1255 gehorchte das ganze Land bis Reggio dem Fürsten.

Nicht geringere Thätigkeit hatte unterdeß der Papst bewiesen, und (da er eine völlige Aussöhnung mit Manfred kaum wollte, vielweniger ihm traute) für Kriegsmittel und Bundesgenossen gleichmäßig gesorgt. Schon im Januar 1255 bestätigte er seines Vorgängers SchenkungenRymer I, 1, 193-194. an Bertold von Hohenburg, dehnte das Vererbungsrecht selbst auf die Seitenverwandten aus und fügte überdies noch das Herzogthum Amalfi hinzu. Weiter versprach er, sofern sich Manfred der Kirche unterwerfe, auch den Markgrafen ohne Verlust mit ihm auszusöhnen. Als sich aber die Hoffnung eines Vergleichs minderte und die Gefahr vergrößerte, sah sich der Papst genöthigt, den, jeden Umstand für ihren Vortheil benutzenden Hohenburgern bis 8000 Unzen Goldes zu verschreiben und ihnen Gravina und Bolenta einzuräumem um sich aus den Einnahmen dieser Orte und Landschaften allmählig bezahlt zu machen.

381 {1255} Während Alexander so mit Manfred und den Hohenburgern verhandelte, schickte er im Januar 1255 den Bischof von Chiemsee an die verwittwete Herzoginn Agnes von BaiernLang Jahrbücher zu 1255.  Sicil. chron. c. 34., und ließ ihr feierlich versichern: daß ihm daran liege, Konradin zu schützen. Sie möge deshalb einen Bevollmächtigten ernennen, wozu er Bertold von Hohenburg als tüchtig in Vorschlag bringe. – Zu gleicher Zeit dauerten, all dieser Maaßregeln ungeachtet, die Unterhandlungen mit dem Könige von England wegen des sicilischen Reiches fort! Des Kirchengutes und Kirchenwohls wenig eingedenk, hatte schon Innocenz befohlen: daß die englischen GeistlichenRymer I, 1, 195-199.  I, 2, 9. ihre Ländereien verpfänden sollten, um Geld und Darlehn für Edmunds Unternehmen herbeizuschaffen. Wer diesem Befehle, mit Bezug auf Gesetze und Herkommen, (welche hiemit aufgehoben würden) Gehorsam zu leisten verweigere, solle abgesetzt und nach Rom geschickt werden. Gelübde zum Kreuzzuge nach dem Morgenlande wären (dies setzte Alexander IV fest) gelöset, sobald man nach Sicilien ziehen, oder Geld zum dortigen Kriege zahlen wolle; – und diese Vortheile und Einnahmen sollten vor allem dem Könige selbst zu Gute kommen. Solcher Reizmittel bedurfte, wie wir sahen, König Heinrich nicht, um für des Papstes Plane gestimmt zu werden; wohl aber bedurfte er solcher Begünstigungen, um dessen Geldforderungen nur einiger Maaßen genügen zu können. Am neunten April 1255 schloß Alexander (Konradins und Manfreds nicht weiter gedenkend!) folgenden Hauptvertrag mit den Bevollmächtigten des Königs abRymer foed. I, 2, 7 und 128.  Im März fanden noch Unterhandlungen Manfreds mit dem Papste statt. Murat. antiq. Ital. VI, 89.:

»Erstens: das ganze apulische Reich (Benevent allein ausgenommen) wird gegen Leistung des Lehneides, 382 {1255} ungetheilt und untheilbar, Edmund, dem Sohne des Königs übergeben.

Zweitens: jährlich erhält der römische Hof einen Zins von 2000 Unzen Goldes. Ferner stellt Edmund auf Verlangen dem Papste unentgeldlich und drei Monate lang, dreihundert schwer bewaffnete Reiter, deren Dienstzeit von dem Augenblick an gerechnet wird, wo sie die Gränzen des Reiches verlassen.

Drittens: der Papst schaltet nach Belieben über Geistliche, Kirchen und Kirchengut; der König übt bloß das Patronatsrecht, sofern es ihm bisher zustand, und Kirchengesetze dasselbe nicht beschränken.

Viertens: der König von Apulien und Sicilien darf nie Kaiser werden, sondern muß, im Fall er gewählt wird, bei Strafe des Bannes entweder dieser Würde oder jenem Reiche entsagen.

Fünftens: die Schenkungen und Verordnungen Innocenz des vierten bleiben gültig.

Sechstens: König Heinrich zahlt bis Michaelis künftigen Jahres 135,541 Mark SterlingWahrscheinlich entstand diese Summe durch Berechnungen des Münzwerths., sendet nächstdem Heerführer und Mannschaft nach Sicilien, und entschädigt den Papst wegen aller Kosten und Auslagen.

Siebentens: werden diese Bedingungen nicht genau gehalten, so trifft der Bann den König und sein Reich.

Achtens: Edmund erhält bei seiner Ankunft dasjenige, was nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen des Reiches übrig geblieben ist; doch darf er keine Rechnungsablegung verlangen, sondern erkennt des Papstes Aussage und Anerbieten als richtig an.«

Dieser Vertrag verschaffte zwar dem Papste im ersten Augenblicke noch kein Geld, aber doch Vertrauen4000 Unzen lieh z. B. der Bischof von Bologna dar.  Rymer I, 1, 195; I, 2, 9.; und nicht bloß Kaufleute, sondern auch Bischöfe streckten ihm, 383 {1255} gegen Anweisungen aus König Heinrich, bedeutende Summen vor. Auch gedachte Alexander von dem Augenblicke, wo sich Brundusium und Oria öffentlich wider Manfred erklärten, nur auf dessen Bezwingung durch Krieg. Nochmals ward das Kreuz gegen ihn gepredigt, und Hülfe von allen italienischen Städten verlangt. Der Kardinal Oktavian sollte mit einem Heere nach Apulien ziehen, ein zweites unter dem Erzpriester von Padua in Kalabrien einbrechen, und ein drittes unter dem Erzbischofe von Kosenza und Petrus Rufus übers Meer gesandt werden, um sich mit dem zweiten zu vereinen.

Unterdessen war Oria nicht bloß von Manfred sehr bedrängt worden, sondern auch daselbst Unzufriedenheit unter den nicht gehörig bezahlten Söldnern entstanden. Daher baten die Bürger den Fürsten: er möge ihnen erlauben Gesandte nach Brundusium zu schicken, um diese Stadt, wo möglich, für ihn zu gewinnen oder doch durch Vorstellung ihrer Noth zu bewirken, daß man sie von den Verpflichtungen des gemeinsamen Bündnisses losspreche. Manfred willigte, so scheinbaren Worten vertrauend, in dies Begehren; allein nach der Rückkunft ihrer Gesandten spotteten die Orienser des Fürsten: den Sold für die Mannschaft habe man nur holen wollen, und werde jetzt mit doppeltem Eifer die Vertheidigung führen. Auch mußte Manfred um das Ende des Monats Mai 1255 über Melfi und Luceria dem Kardinal Oktavian entgegen eilen. Ehe dieser die Bergketten überstiegen hatte, welche den Weg aus dem Principato nach Apulien eröffnen, erscholl die Nachricht von der Annäherung des fürstlichen Heeres; worauf er, statt mit seiner größern Macht rasch und angriffsweise zu verfahren, ein festes Lager bei Frigento bezog und dem Erzpriester von Padua befahl, ihm zu Hülfe und nicht nach Kalabrien zu ziehen.

Hier lebten die Anhänger Manfreds um diese Zeit in der größten Besorgniß, denn es verbreitete sich das Gerücht: außer den Heeren des Erzbischofes und des Erzpriesters nahe 384 {1255} ein drittes unter Markgraf Bertold, eine brundusische Flotte sey in feindlicher Absicht vor Kotrone erschienen, Gervasius, des Fürsten Feldherr, bereits von den Päpstlichen geschlagen, und dieser selbst bei Guardia umringt und eingeschlossen. Petrus Rufus, welcher diese Nachrichten wo nicht verbreitete, doch benutzte und zum Theil selbst glaubte, zog, nachdem er bei S. Lucido gelandet, rasch nebst dem Erzbischofe gen Kosenza und wurde Herr der Stadt, ehe die erschreckte Bürgerschaft Vertheidigungsmaaßregeln ergreifen, oder Gervasius Hülfe leisten konnte. Ja der letzte war um so weniger im Stande mit seiner geringen Macht zu widerstehen, da die Kreuzpredigten, der gebotenen Belohnungen halber, solchen Fortgang gewannen, daß es beim Austheilen der Kreuze unter den sich Herandrängenden, über den Vorrang bis zu Blutvergießen kam. – In dieser üblen Lage nahmen die Freunde Manfreds zu denselben Mitteln ihre Zuflucht, welche dem Petrus so viel genützt hatten. Sie ließen von gewandten Männern das Gerücht verbreiten: es nahe ein neues fürstliches Heer, welches die Päpstlichen vom Meere abzuschneiden und Rufus Frau in S. Lucido auszuheben gedenke. Hierüber erschrak diese so sehr, daß sie dringend um Beistand bat und während ihr Mann mit dem Erzbischof überlegte, was zu thun sey, zeigten ihm scheinbar Wohlgesinnte an: Robert von Arko nahe von der einen, Gervasius von der andern Seite, und in Kosenza selbst werde eine Verschwörung gegen ihn angezettelt. Dennoch ließ Petrus seine Bestürzung nicht merken und erklärte: er wolle ein nahe gelegenes Schloß Roberts von Arko nehmen, Mittags aber schon wieder in Kosenza essen. Statt dessen wandte er sich plötzlich, – Freunden wie Feinden gleich unerwartet –, fliehend gen S. Lucido, und ehe Gervasius ihm dahin folgen konnte, hatte er sich (vielleicht auf erhaltene Nachricht, daß der Erzpriester von Padua zum Kardinal Oktavian berufen sey) mit den seinen bereits eingeschifft. Weder in Tropea noch in Messina verstatteten ihm die Einwohner zu landen; so daß eine Hungersnoth auf seinen 385 {1255} Schiffen ausbrach, und alle dem Himmel dankten, als sie endlich wieder bei Neapel anlangten. Nicht bloß der nächste Zweck der Unternehmung war hiemit ganz verfehlt, sondern Kalabrien so für Manfred gewonnen, daß päpstliche Heere seitdem wohl ein Gegenstand des Spottes, nicht aber der Furcht oder der Hoffnung blieben.

Während dieser Ereignisse hatte der Kardinal Oktavian, obgleich seine Macht nach der Vereinigung mit dem Erzpriester von Padua, der Macht des Fürsten weit überlegen war, keinen Angriff gewagt; sondern beide Heere standen zwischen Frigento und Guardia noch immer in fester Stellung einander gegenüber. Da langte ein Marschall an, gesandt von Elisabeth, der Mutter, und von Herzog Ludwig von Baiern, dem Oheim Konradins, um im Einverständnisse mit Manfred neue Verhandlungen am päpstlichen Hofe einzuleiten. Der Kardinal und Markgraf Bertold boten hiezu die Hand, nicht sowohl aus Friedensliebe, als aus andern Gründen, welche sich erst später offenbarten. Ein Waffenstillstand wurde zwischen den Heeren abgeschlossen und feierlich beschworen: »daß, wenn die beiderseitigen Abgeordneten keinen Frieden am päpstlichen Hofe zu Stande brächten, die Feindseligkeiten doch erst fünf Tage nach ihrer Rückkunft wieder anfangen sollten.« Im Vertrauen auf diesen Vertrag eilte Manfred zur Anordnung vieler nöthigen Dinge nach Apulien: denn binnen fünf Tagen konnte er vom Ausgange der Verhandlungen benachrichtigt und wieder in seiner alten Stellung seyn. Unerwartet aber gab der Papst den Gesandten zur Antwort: »der Kardinal sey bereits bevollmächtigt über den Frieden zu unterhandeln, vom Waffenstillstand und dessen Dauer schweige aber sein Bericht, mithin könne seinerseits keine Bestätigung der Bedingungen eintreten.« Ob Oktavian dies vorsätzlich oder zufällig vergessen habe, mag zweifelhaft seyn; gewiß ist, daß er, unbekümmert um Wort und Eid, nach der Rückkehr der Gesandten sogleich die Feindseligkeiten begann, sich, 386 {1255} über die jetzt unbesetzten Berge eilend, der wichtigen Stadt Foggia bemächtigte, und voller Selbstvertrauen seine Schreiben schon unterzeichnete: »im Lager vor Luceria.«

Anfangs wollte Manfred gar nicht glauben, daß der Kardinal ihn so getäuscht habe; als er aber nicht mehr daran zweifeln konnte, zog er eiligst, – obgleich die Päpstlichen jeden Paß besetzt hatten –, von Trani aus, neben Foggia hinweg, nach Luceria. Kaum aber hatte er jene östlichern Gegenden verlassen, so folgte ihm Markgraf Bertold auf dem Fuße nach, und eroberte TraniMalespini 148.  Villani VI, 46., Baroli und mehre andere Städte. Dennoch verlor Manfred den Muth nicht: er verstärkte, durch alle ihm zu Gebote stehenden Mittel, sein Heer dergestalt, daß er den Kardinal (welcher lässig, furchtsam oder unverständig den Augenblick versäumt hatte Luceria anzugreifen) in Foggia einschloß, wo bald großer Mangel an Lebensmitteln, Arzeneien und andern Bedürfnissen entstand. In dieser Lage versuchte Markgraf Bertold, weil ihm der letzte Ausgang zweifelhaft erschien, durch sein Weib Isolde, die Verwandte Manfreds, Unterhandlungen mit diesem anzuknüpfen, um sich nach beiden Seiten sicher zu stellen. Gern ging Manfred hierauf ein; als aber Bertold darum kühner wurde und forderte: man solle ihn ungehindert nach Foggia ziehen lassen, wofür er ehrenvolles und nützliches beim Kardinale für den Fürsten auswirken wolle; erkannte dieser, wie es nur darauf abgesehen sey, ihn ein zweites Mal zu täuschen und verwarf jenen Antrag unbedingt. Bertold, welcher sich unterdeß nach Siponto begeben hatte, erklärte jetzt: da sein Plan dem Fürsten nicht willkommen scheine, habe er ihn gänzlich aufgegeben; gleichzeitig aber bereitete er alles vor, um mit zahlreicher Mannschaft, großen Vorräthen an Lebensmitteln, Kriegsbedürfnissen und Arzeneien unbemerkt Foggia zu erreichen. Schon waren die seinen in einer mondhellen Nacht 387 {1255} bis in die Nähe der Stadt gekommen, und zweifelten nicht im mindesten an dem glücklichen Ausgange ihres Unternehmens, als sie plötzlich von deutschen und saracenischen Reitern angegriffen wurden, welche Manfred in einen Hinterhalt gelegt hatte. So groß war der Schrecken, so ungünstig die Nacht für die Überfallenen; daß sie von der, an Zahl weit geringern Mannschaft des Fürsten völlig besiegt und zerstreut, und alle Vorräthe genommen wurden.

Hiedurch schwand für Foggia die letzte Hoffnung eines Entsatzes, während die Hungersnoth auf den höchsten Gipfel stieg, die Zahl der Kranken täglich zunahm, und das ansteckende Übel sogar den Kardinal ergriff. Aus diesen Gründen suchte er eine Aussöhnung mit dem Fürsten und nach mancherlei Unterhandlungen kam ein Vertrag zu Stande, folgendes Inhalts: »Manfred regiert das Reich in seinem und Konradins Namen, nur Terra di Lavoro verbleibt der Kirche. Niemand wird wegen seines bisherigen Thuns und Lassens in weitern Anspruch genommen. Im Fall der Papst den Vertrag nicht genehmigt, so steht dem Fürsten das Recht zu, auch Terra di Lavoro mit den Waffen anzugreifen.«

Dieser Einigung zufolge, verließ die päpstliche Macht Foggia und, bis auf jene Landschaft, auch alle Theile des Reiches. Alexander aber verwarf, den Ereignissen in Sicilien und dem englischen Beistande vertrauend, die eingegangenen Bedingungen. – Jene Insel war durch den Erzbischof von MessinaHistor. saracen. sicula 278.  Append. ad Malaterram.  In Sicilien verlieh der Papst Lehne nach Belieben.  Wadding III, 536., Johann Kolonna, und den Franziskaner Rufinus fast ganz für die Kirche gestimmt worden; und was hatte König Heinrich von England nicht zu leisten versprochen, mit welchem Eifer war er nicht auf diesen Plan eingegangen! Wallis unterwerfen, den Deutschen 388 {1255} einen König gebenMath. Paris 613-15., ganz Italien gewinnen, Frankreich von diesem Lande und den altenglischen Besitzungen her angreifen und erobern; dies und noch mehr erschien dem Könige gar leicht: während es ihm, zur Vollführung so ungeheurer Plane an allen äußern Mitteln und an ächter Geistes- und Willens-Kraft fehlte!

Als er zur Herbeischaffung der, für die sicilische Unternehmung erforderlichen Gelder strenge Maaßregeln ergriff und Rustan, den habsüchtigen Bevollmächtigten des Papstes, in seinen Plünderungen der Kirchen und Geistlichen auf alle Weise unterstützte, entstand die größte Unzufriedenheit; ja der Bischof von London ließ öffentlich ausrufen, daß Rustans Befehle und Schreiben nicht befolgt werden sollten. Hingegen bedrohte dieser jeden Säumigen mit dem Banne, und wies jedem Unvermögenden Wucherer zu, die für ungeheure Zinsen Geld vorzustrecken bereit waren. – »Wie kannst du mir,« sagte der König einem Cistertienserabte, »die Geldhülfe verweigern? Bin ich nicht Schutzherr deines Klosters?« – »Dafür,« antwortete dieser, »wollen wir Gott bitten, euch in allen Dingen zu segnen.« – »Ich verlange,« fuhr Heinrich fort, »die Gebete und das Geld.« – »Nimmst du« sprach hierauf der Abt, »das letzte, so werden die ersten nicht sehr aufrichtig und eifrig seyn können.« – Die geistlichen Güter, wandte man ferner ein, gehören dem KönigeTuitione non fruitione, defensione non dispersione.  Math. Par. 616-622.: aber nur daß er sie schütze, nicht daß er sie nütze; daß er sie vertheidige, nicht daß er sie vergeude. – Diese und ähnliche Thaten und Worte halfen indeß nur wenig, weil nicht (wie wohl ehemals) der König gegen die übertriebenen Ansprüche des Papstes und der Papst gegen die des Königs schützte; sondern beide über Mittel und Zwecke ganz einverstanden warenRymer foed. I, 2, 17.. Die Einkünfte erledigter 389 {1255} Pfründen und abwesender Prälaten, die Erbschaften der ohne Testament Sterbenden, den Zehnten aller kirchlichen und geistlichen Güter nach wahrhafter Schätzung, sprach Alexander dem Könige zu; welcher in seiner kurzsichtigen Freude nicht bemerkte, daß er nur der Vorwürfe, nicht aber des Gewinnes theilhaft wurde. Denn alle Einnahmen flossen mittelbar in die päpstliche Schatzkammer; ja sie reichten nicht einmal zur Befriedigung der päpstlichen Ansprüche hin; so daß Heinrich außerdem borgenEr borgte bei seinem Bruder Richard und verpfändete ihm die Judensteuer.  Math. Par. 606. und verpfänden, und dennoch zuletzt Alexanders Vorwürfe über seine Lässigkeit und Säumniß ertragen mußte. »Das Heer des Kardinals, schrieb ihm jener am 18ten September 1255Rymer foed. I, 2, 4, u. 10, 12., ist durch Verrath, Aufruhr und Hindernisse aller Art zum Rückzuge gezwungen worden. Wenn du nicht eiligst Geld, Feldherrn und Mannschaft sendest, geht das ganze Reich verloren: denn meine Schätze habe ich verwandt und so viel Schulden gemacht, daß mir niemand mehr borgen will.«

Glücklicher als der Papst war Manfred. Er hielt im Februar 1256 eine Reichsversammlung in Baroli, wo seine Freunde belohnt, Peter von Katanzaro geächtet und die gefangen genommenen Markgrafen von Hohenburg als Verräther zum Tode verurtheilt wurden. Doch kam dieser Spruch nicht zur Vollziehung: es genügte dem Fürsten, daß ihre Schuld erwiesen sey, und fortdauernde Gefängnißstrafe sie unschädlich mache. – Mit verstärkter Macht brach er jetzt, – da der Papst den Frieden nicht bestätigt hatte –, gen Terra di Lavoro aufSchon im November 1256 hatte Manfred Terra di Lavoro gewonnen.  Rymer foed. I, 2, 22, Nerit. chron. zu 1256.. Einige Orte widerstanden, die meisten und größten Städte hingegen (so Neapel, Kapua, Brundusium, Oria, Hydrunt) sahen, daß auf die kirchliche Kriegsmacht kein Verlaß sey, und unterwarfen 390 {1257} sich gern dem Fürsten. Gleichzeitig hatte Friedrich Lancia in Sicilien neue Verbindungen angeknüpft und ein Heer gebildet, welches das kirchliche schlugHistor. sarac. sicula 278.  Append. ad Malat. zu 1254.  Rochus chronic. zu 1256–1258.  Amico II, 78., den päpstlichen Bevollmächtigten Rufinus in Palermo gefangen nahm, Messina halb in Güte halb mit Gewalt zum Gehorsam brachte, und allmählig auch die festesten Bergschlösser eroberte. – Seitdem war vom Papste und seinen Ansprüchen gar nicht mehr die RedePatavin. chron. 1140.; der Fürst herrschte unumschränkt im ganzen Reiche.

Da sprachen viele: »Manfred ist unseres großen Kaisers geliebtester Sohn, ehelich geboren, denn seine Mutter wurde seinem Vater angetraut, kein Fremder, sondern erzogen und einheimisch unter uns; – das ist sein Erbrecht. Er hat, ein jugendlicher Held, das Reich errettet von fremder Gewalt und Willkür, und sich von der größten Erniedrigung emporgeschwungen zum Fürsten; – das ist sein eigenes Recht. In Noth und Bedrängnissen soll das Vaterland nicht zweifelhaften Aussichten preis gegeben, sondern, wie ehemals so jetzt, durch Barone und Prälaten der Tüchtigste an die Spitze gestellt werden; – das ist unser Wahlrecht. Manfred sey unser König, nach Erbrecht, nach eigenem Rechte und nach Wahlrecht!« Einige erinnerten zwar bedenklich an Konradin: aber wie wenige mochten sich in der Siegesfreude für den Unbekannten, im fernen Deutschlande fast hülflos Lebenden begeistern; wie wenige konnten für den Fall neues Unglücks ihre Hoffnungen auf den sechsjährigen Knaben gründen? {1258} Überdies entstand um diese Zeit, man weiß nicht woher, das allgemeine Gerücht: Konradin sey in Deutschland gestorben; – und nun baten die Barone, die Prälaten und die Abgeordneten der angesehenern Städte einstimmig den Fürsten: er möge als Erbe und neuer Begründer des Reichs den Thron besteigen! Diesem 391 {1258} allgemeinen Wunsche nachgebend, seiner Kraft vertrauend, sein Recht kaum bezweifelnd, ließ sich Manfred am 11ten August 1258Davanzati 6-8.  Hier schließt leider die Geschichte Jamsillas, seit dem Tode Friedrichs II bei weitem die beste Quelle, welche wir im einzelnen anzuführen nicht für nöthig hielten. Nach Pirri Sicil. sacra I, 705. krönte der Erzbischof von Agrigent, nach Lello vite S. 10. der Erzbischof von Monreale., in der Hauptkirche Palermos, unter Beobachtung aller herkömmlichen Feierlichkeiten, zum König krönen! 392

 


 


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