Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 4
Friedrich von Raumer

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Zweites Hauptstück.

Als, zweitausend Jahre nach Roms Erbauung, die glanzreiche Hoheit des erneuten römischen Kaiserthumes mit dem Tode Friedrichs II daniedersank, lagen die Verhältnisse der übrigen europäischen Reiche also:

Rußland war, nur mit Ausnahme des kleinen nordwestlichen Theiles, von den Mongolen unterjocht; selbst der kühne Alexander Newski mußte die Bestätigung des Khans einholen und in seine Hauptstadt Wladimir einen Gesandten aufnehmen, dessen Rathschläge nicht selten Befehle waren.

Ungern durfte sich trotz der entsetzlichsten Verwüstungen, doch insofern glücklich schätzen, als die Mongolen das Land verlassen hatten, und der König Bela zu friedlichen Verbesserungen und kriegerischen Vorbereitungen so viel Muße erhielt, daß er ihre neuen Anfälle zurückschlagen konnte. Von dem, was er und sein Sohn Stephan auf der deutschen Seite zu erwerben suchten, wird weiter unten die Rede seyn.

In Polen gesellte sich zu den traurigen Folgen mongolischer Einfälle noch innerliche Krieg der Fürsten, über ihre Anrechte und die Gränzen ihrer Herrschaft.

314 Mit Erich dem Lispelnden starb 1250 das Geschlecht Erichs des Heiligen in Schweden aus; es folgten Könige aus dem Geschlechte der Folkunger. Die Geistlichen hatten in den letzten Zeiten mehr gewonnen, als die übrigen Einwohner; waren in mancher Beziehung aber auch abhängiger von Rom, als vorher. In Finnland verbreitete man das Christenthum nicht minder durch das Schwert, als durch sanftere Mittel.

In ähnlicher Lage befand sich Norwegen. Doch wußte König Hakon V (welchen Alexander IV später zu einem Kreuzzuge gegen Manfred aufforderte) Feinde des Papstes bereits von Feinden der Kirche und des Christenthums zu unterscheiden. Der Kardinalbischof von Sabina, welcher in diesen Jahren hier und in Schweden sehr eifrig für die Kirchenherrschaft wirkte, krönte den König, schützte die Bauern gegen die Gewalt der Geistlichen, diese gegen die Willkür ihrer Obern, alle gegen Eingriffe weltlicher Gewalt. Er drang auf Abschaffung der Feuerprobe, auf Einführung der Ehelosigkeit unter den Priestern; nahm aber an 15000 Mark mit aus dem Lande, so daß der Krieg gegen die Hohenstaufen in Neapel gutentheils mit norwegischem Gelde bestritten wurde!

Waldemar II konnte, nach seiner Befreiung aus der Haft, die dänische Herrschaft über die südlichen Küstenländer der Ostsee nicht wieder gewinnen, und die Grafen von Ratzeburg und Holstein, die Herren von Rostock und Werle machten sich unabhängig. Nicht minder ging manches Gute im Innern zu Grunde, als Waldemar, im Jahre 1241, seinen nachgebornen Söhnen so viel vermachte, daß es zwischen ihnen zu Kriegen kam. Erich, der ältere, ward auf Veranlassung seines Bruders Abel, dieser zwei Jahre nachher von widerspenstigen Friesen erschlagen, und der dritte Bruder, welcher im Jahre 1252 mit Zurücksetzung der Söhne Abels den Thron bestieg, hatte zu kämpfen mit dem Übermuthe der Bauern, der Anmaaßung des Adels, dem Ungehorsame seiner Neffen; vor allem aber, mit dem Erzbischofe 315 Jakob Erlandson von Lund. Erzogen in der Schule Innocenz des vierten (er war früher dessen Kapellan), hatte er den festen Vorsatz, die höchsten Anforderungen der Kirche in seinem Kreise geltend zu machen. Klugheit, Weltkenntniß und Beharrlichkeit, unerläßliche Eigenschaften um jenes Unternehmen durchzusetzen, fehlten ihm so wenig, als Vorwände und Veranlassungen. Des Adels Gesetzlosigkeit, der Geistlichen Geringschätzung, ja deren nicht seltene Mißhandlung sprachen für die Nothwendigkeit, den Umfang der Kirchengerichte auszudehnen. Und gab man einmal zu, daß das Kirchenrecht höhern Ursprungs sey, als jedes weltliche Gesetz; so kann es kaum auffallen: daß der Erzbischof alle mit jenem in Widerspruch stehende Punkte des schonischen Landrechtes für nichtig erklärte und sich weigerte, die Belehnung mit dem Weltlichen bei dem Könige nachzusuchen. Er gab ferner aus eigener Macht das Gesetz: wenn ein Bischof auf Befehl, oder auch nur mit Wissen des Königs, von irgend jemand innerhalb der Reichsgränzen gefangen wird, soll man mit einem Male alle Kirchen im Reiche schließen und alle gottesdienstlichen Handlungen einstellen. Geschieht ähnliches außerhalb des Reiches, so wird zwar zunächst der Gottesdienst nur in dem Sprengel des gefangenen Bischofes eingestellt; wenn aber der König nicht binnen einem Monate für dessen Befreiung sorgt, der Bann auf das ganze Reich ausgedehnt. Unterhandlungen und gelinde Mittel konnten den Erzbischof um so weniger von dem eingeschlagenen Verfahren abbringen, da er es für rechtlich und nützlich hielt, und bei dem Papste und den Söhnen König Abels geistliche und weltliche Unterstützung fand. Hierauf ließ Christoph den Erzbischof gefangen setzen, zwang mehre Bischöfe, ungeachtet des Bannes Gottesdienst zu halten, zog die Stiftsgüter ein und ließ sich von den Stiftsleuten huldigen.

Mitten in diesen Bemühungen, die Unabhängigkeit von geistlichem Einflusse zu behaupten, kam der König durch Gift ums Leben und der Erzbischof beharrte auf seinen 316 Forderungen; bis der Bann endlich gegen Abtretung eines sechsjährigen Zehnten an die päpstliche Kammer aufgehoben, und der Kirche von Erich V wenn auch nicht jedes Verlangte, doch weit mehr Recht eingeräumt ward, als sie früher besaß.

In England dauerte Heinrichs III unsichere Herrschaft noch immer fort; wir werden bald sehen, in welch näheres Verhältniß er zum apulischen, sein Bruder Richard zum deutschen Reiche trat.

Nach dem Tode des von Innocenz IV abgesetzten Königs SanchoSancho starb 1248., herrschte Alfons III ohne Widerspruch in Portugal; konnte aber nicht alle Streitigkeiten mit den Päpsten vermeiden, und gerieth wegen des von ihm glücklich eroberten Algarbien, in einige Abhängigkeit von Kastilien. Dieses Reiches König war, seit 1217, Ferdinand III. Er gewann nicht allein das christliche Königreich Leon unter Beistimmung der Stände; sondern machte auch der unabhängigen Herrschaft der Muhamedaner eigentlich ein Ende, durch die Eroberung von Estremadura, Murcia, Jaen, Sevilla und Kadix. Selbst Granada wurde lehnbar, und hätte man Ferdinands Gesetze über die Untheilbarkeit des Reiches und das Erbrecht des Erstgebornen, ohne Widerspruch angewandt, hätten seine Nachfolger gleiches Regierungsgeschick besessen; viel schneller wäre Spanien zu einer christlichen Herrschaft vereint worden. Beatrix, die Tochter König Philipps von Schwaben, war Ferdinands Gemahlinn: Alfons X, der Gelehrte, ihr Sohn, folgte dem Vater im Jahre 1252.

Jakob I. dreiundsechzig Jahre lang, von 1213 bis 1276 König von Aragonien, eroberte Valencia und die balearischen Inseln und sorgte, gleichwie Ferdinand von Kastilien, für die innere Gesetzgebung. Hingegen schwächte er sein Reich durch die Theilung desselben unter seine Söhne Jakob und Peter. Dieser heirathete, wie wir später sehen werden, Konstanze die Tochter Manfreds, die Enkelinn Kaiser Friedrichs II.

317 Dies genüge um die Lage der großen europäischen Reiche, und die Verhältnisse anzudeuten, durch welche sie mit den Hohenstaufen, oder mit den Feinden derselben näher verbunden waren. Von jedem einzelnen deutschen Staate auch nur in ähnlicher Kürze zu sprechen, würde mehr ermüden und zerstreuen, als nützen und belehren; deshalb beschränken wir uns auf die Erzählung der denkwürdigsten und folgenreichsten Ereignisse.

Otto der zweite, Herzog von Meran, wegen seiner Abtrünnigkeit vom Kaiser seit einiger Zeit geächtet, starb am 19ten Junius 1248, höchst wahrscheinlich gewaltsamen TodesNach Adlzreiter ann. 634, ward er von einem Edlen, Hager, umgebracht oder vergiftet. – Ättenkhover 164.  v. Hormayr (Werke III, 374-395) entwickelt dies alles genauer und vollständiger., und hinterließ eine Wittwe, die Tochter Alberts von Tirol, und fünf Schwestern: Agnes, Herzoginn von Kärnthen, Beatrix Gräfinn von Orlamünde, Margarethe Gräfinn von Truhendingen, Elisabeth Burggräfinn von Nürnberg, Adelheid Gräfinn von Chalons. Die meisten seiner, vom Fichtelgebirge bis zum adriatischen Meere zerstreuten Besitzungen, wurden unter die Schwäger und den Schwiegervater getheilt. Manche innerhalb der Gränzen seines Gebiets liegende Güter zog aber Herzog Otto von Baiern mit Kaiser Friedrichs Genehmigung ein; anderes nahmen die Bischöfe von Bamberg und Brixen als eröffnetes Lehn in Beschlag, und selbst die Venetianer dehnten bei dieser Gelegenheit ihre Herrschaft über einige ihnen nahe liegende Orte ausSprenger Gesch. v. Banz 250.  Monum. boica VIII, 305, 306.  Schultes koburgische Gesch. 17, 37, 39. Das Nähere in Langs Jahrbüchern zu 1249.  v. Hormayr Werke I, 361.. So kamen durch das Aussterben des meranschen Hauses die, früher in einer Hand vereinigten Besitzungen in die Hände mehrer Personen, welche, ungeachtet ihrer geringern Macht, durch die Zeitumstände begünstigt Unabhängigkeit gewannen.

318 Der thüringische ErbstreitSiehe Band IV, Seite 237 ff. war in diesen Jahren seiner letzten Entscheidung nicht näher gekommen; sondern der einstweilige Vergleich zwischen Heinrich von Meißen und Sophie von Brabant im ganzen aufrecht erhalten worden.

Lebhaftere Bewegungen erregte das Erbe Herzog Friedrichs des Streitbaren. Des Kaisers Statthalter hatten das Übergewicht in Österreich und Steiermark; ein eigener Fürst unter der Leitung des Reichsoberhauptes wäre aber den Landständen, nach deutscher SitteSiehe Band IV, Seite 239 ff., lieber gewesen, als eine Verwaltung durch bloße Beamte. Daher gingen im Frühjahre 1248 Abgeordnete an den Kaiser, um Friedrich, seinen Enkel von König Heinrich und Margarethe von Österreich, zum Herzog zu erbitten. Allein die Jugend des Knaben, oder andere Gründe verursachten, daß der Kaiser in diesem Augenblicke vorzog dem Grafen Meinhart von Görz die Statthalterschaft von Steiermark, dem Herzoge Otto von Baiern die von Österreich anzuvertrauenSalisburg. chron. Hagen chron. 1071.. Jener kam in den vollen Besitz des Landes; nicht so der Herzog: entweder weil er anderwärts sehr beschäftigt war, oder weil er sein Verhältniß zur Kirche nicht durch neue Beleidigungen ganz verderben mochte; oder weil er den Wünschen des Schwestersohnes seiner Gemahlinn, des Markgrafen Hermann von Baden, nicht zuwider seyn wollte. Dieser nämlich heirathete im Herbste 1248 Gertraud, die Nichte Friedrichs des Streitbaren, und erhielt vom Papste die Bestätigung aller auf Österreich gemachten Ansprüche. Vorher aber hatte Hermann dem Kaiser und dem Könige Konrad absagenBaluz. miscell. I, 207, 217.  Pappenheim. Neuburg. chron., und versprechen müssen, das Kreuz gegen sie zu nehmen. So gern aber auch die österreichischen Stände einen eigenen Fürsten gehabt hätten, mißbilligte doch mancher diesen Abfall nicht bloß vom nächsten Erbrechte, 319 {1250} sondern auch vom alten Reichsverbande, und da sich Herzog Otto von Baiern durchaus nicht auf jene Weise wider die Hohenstaufen erklären wollte, konnte der Markgraf nicht einmal Herr von Österreich, vielweniger von Steiermark werden. Noch hatte er indeß nicht alle Hoffnung des Obsiegens verlorenSchöpflin hist. Zaring. Bad. I, 324; V, 215, 219.  Chron. Udalr. August.  Lambacher Interregnum 37., als er im Oktober 1250, mit Zurücklassung zweier kleinen Kinder, Friedrich und Agnes, starb. Wenige Wochen nachher setzte der Kaiser seinen Enkel Friedrich zum Erben ein, wodurch das Schicksal dieses Landes von neuem an das Schicksal der Hohenstaufen gekettet zu seyn schien. – So werden wir, nach allen von der Zeitfolge erzwungenen Blicken auf ferner liegende Begebenheiten, immer wieder zu diesem Mittelpunkte des Ganzen hingedrängt.

Als Papst Innocenz von dem Tode des Kaisers Nachricht erhielt, war seine Freude sehr groß, ja ungemäßigt; und in den untergeordneten Kreisen der KardinäleSiehe die Schreiben der Kardinäle in litter. princip. ap. Hahn. 32, und Savioli III, 2, 666., Erzbischöfe u. s. w. mochte die Würde und der Anstand noch weniger in Wort und Ausdruck beobachtet werden, da selbst das Oberhaupt der Kirche nach Sicilien schriebRaynald zu 1251, §. 3.  Tedeschi 124.: {1251} »freuen sollen sich die Himmel und die Erde soll hüpfen, daß der Sturm schrecklichen Ungewitters, womit der wunderbare und furchtbare Gott während ausgedehnter Zeiträume euch gar heftig betrüben ließ, jetzt durch seine unaussprechliche Barmherzigkeit, in einen sanften Thauwind verwandelt zu seyn scheint; nachdem derjenige hinweggenommen ist, welcher aus der Zahl der Gläubigen vorzüglich euch mit dem Hammer der Verfolgung zermalmt hat,« u. s. w. – Mit diesen schwülstigen Glückwünschungen waren bestimmte Aufforderungen verbunden, weiterhin nur den Papst, und keinen Hohenstaufen, als Herrn anzuerkennen. Gleichzeitig forderte 320 {1251} Innocenz Herzöge und Herzoginnen, Fürsten und Fürstinnen, Städte, Flecken und Dörfer in Deutschland, bei den härtesten Kirchenstrafen, zum Abfall vom Könige Konrad aufMeermann V, Urk. 15, 68, 80, 81.; er verlangte, daß der Markgraf von Meißen die früher verabredete Heirath seines Sohnes mit einer Tochter Kaiser Friedrichs, als ungebührlich verwerfe, oder wenn sie bereits vollzogen sey, sich dadurch nicht abhalten lasse auf König Wilhelms Seite zu tretenMeermann V, Urk. 76.  Cod. Vindob. philol. No. 305, f. 77.. Bischöfe, welche nicht sogleich gehorchten, wurden abgesetztSo der Bischof Rüdiger von Passau. Chron. Udalr. August., und Bettelmönche ausgesandtWadding III, 315.  Ripoll IV, 225.  Cod. Vind. phil. No. 61, f. 31; No. 305, f. 64. um überall das Kreuz gegen Konrad zu predigen. Jeder sollte den Hohenstaufen abschwören, ehe er ein Zeugniß ablegen, oder das Abendmahl nehmen dürfte; und die Heftigsten drangen nicht ohne Erfolg daraufWormat. chron. 121, 123., daß die Güter der kaiserlich Gesinnten, nach italienischer Weise, eingezogen würden. Konnte man ihrer nicht Herr werden, oder entfernten sie sich auf erhaltene Weisung nicht aus den Kirchen, so wurde feierlich verkündet: für sie erwachse kein Heil aus dem Christenthume. Ja an manchen Orten erklärte man sie nicht minder aller bürgerlichen, wie aller geistlichen Rechte verlustigWir müssen einiges von dem, was schon beim Leben Friedrichs II befohlen, jetzt aber mit Steigerungen erneut wurde, nochmals anführen.!

Schon jetzt war Deutschland eigentlich hauptlos: denn wenn sich auch viele nicht wider den rechtmäßig erwählten und anerkannten König Konrad erklärten, so hatten sie doch keine Lust oder keinen Muth, für ihn und des gesammten Vaterlandes Unabhängigkeit nachdrücklich zu wirken. Mancher achtete, mancher fürchtete die Kirche; und die meisten waren, unbekümmert um Schwächung oder Zerbröckelung 321 {1250} des GanzenImperii res, quas quilibet dominorum potuit, confiscavit, von Rudolf von Habsburg.  Colmar. chr. II, 38., nur auf den nächsten Vortheil bedachtRayn. §. 11.. Mithin erregte des Papstes Erklärung: »er werde Konraden, wie der Krone, so nun auch aller Güter und Rechte in Schwaben berauben« –, keineswegs einmüthigen Zorn und Widerstand; sondern, in der Hoffnung von der Beute ein gutes Theil zu bekommen, ging eine feierliche Gesandtschaft schwäbischer Edlen nach LyonAn ihrer Spitze ein Graf von Gurtenberg (Würtenberg?).  Meermann V, Urk. 90., um sich mit Innocenz darüber zu verständigen. Andere waren noch eiliger, und setzten sich kurzweg in den Besitz des Reichsgutes, oder führten neue Zölle einHorneck 16.; gleich unbekümmert um Wilhelms, wie um Konrads Einspruch.

Diese allmähliche Lösung von aller großartigen bürgerlichen Ordnung und Gesinnung führte endlich bis zu gemeinem Verrath und nichtswürdigen Verbrechen. Die Bürger von Regensburg waren, als kaiserlich Gesinnte, seit fünf Jahren gebannt und im Streite mit ihrem Bischofe Albert und dem Abte von S. EmeranHund metrop. I, 228.  Chron. episc. Pataviens. ibid. I, 260.  Chron. Udalr. August.  Andreas et Craft chron. 2083.  Hochwart 204.  Hofmann episc. Ratisb. 557. Gemeiner Chron. 358. Ganz stimmen diese Quellen nicht überein.. Beide wurden, auf Bitte der hart befehdeten Bürger, vom Könige Konrad und dem Herzoge von Baiern dergestalt bedrängt, daß sie um einen Waffenstillstand flehten, und nach Bewilligung desselben, zu völliger Aussöhnung in die Stadt kamen. Als aber der Bischof sah, wie übel hier Konrads Mannen mit dem seinigen gehauset hatten, gerieth er aufs neue in solchen Zorn, daß ein vielleicht schon älterer Gedanke jetzt in festen Vorsatz überging. Der König, so meinte dieser geistliche Hirt und der ihm beistimmende Abt von S. Emeran, müsse als Feind der Kirche zur Ehre Gottes – ermordet 322 {1250} werden! Konrad von Hohenfels, ein Dienstmann des Bischofs, stand an der Spitze der Mörder. Sie drangen zum Hause in welchem, ihren Erkundigungen nach, der König mit nur vier andern schlief, und schlugen die Thür, als man nicht öffnete, mit Äxten ein. Der erste Diener, welcher sich widersetzte, ward nieder gestoßen, drei gefangen und (so rühmten sich die Verschwornen gegen den, vor der Thüre des Ausgangs harrenden Bischof) der König in seinem Bette ermordet! Der Wahrheit nach, war ihnen aber ihr höchst verbrecherischer Anschlag in der Hauptsache mißglückt. Nicht vier Männer, wie die Mörder glaubten, sondern noch ein fünfter, Friedrich von EvesheimSo nennt ihn Hochwart l. c.  Pfister II, 310, nach einer Handschrift, Graf von Eberstein., hatte sich nämlich eingefunden, es sey aus Zufall, oder um den König zu warnen. Wenigstens blieb diesem so viel Zeit, daß er sich unter einer Treppe verstecken konnte, währenddessen der getreue Friedrich sich an seiner Statt in das Bette legte. Ihn also fanden und ermordeten die Verschwornen. Als König Konrad, nachdem es rings umher still geworden, aus seinem Schlupfwinkel hervortrat und den Opfertod seines Freundes gewahrte, so ergriff ihn gleichmäßig Schmerz und ZornMeermann II, 15.. Der Bischof entfloh und wurde für seine Theilnahme am Mordplane nicht bestraft, sondern erst später vom Papste um anderer Missethaten willen, zum Mönche erniedrigt. Den Abt hingegen nahm man gefangen, legte der Abtei, nach Verlust aller Rechte, eine große Strafe auf und riß das Haus, wo der Frevel geschehen war, nieder, damit das Blut derer, welche hier für den König starben, nicht länger um Rache schreie.

An derselben Stätte ward eine Kapelle gebaut und die Königskapelle benannt, in welcher ein Mönch, zum Angedenken des Frevels und (nächst Gottes Ehren) zu Ehren der Hohenstaufen, geistlichen Übungen obliegen sollte. 323 {1250} Auf das Flehen der Mönche entging das Kloster St. Emeran zwar einer gänzlichen Zerstörung, allein die Bürger und die Leute des Königs erlaubten sich aus eigener Macht nicht wenig Unbilden gegen Mönche und Geistliche: denn, wenn sie auch nicht alle am Frevel Theil genommen, so wären sie doch alle schuldig, weil sie ihn gewünscht und gebilligt hätten. – Jener Mordversuch geschah am 28sten Dezember 1250, und funfzehn Tage vorher am 13ten Dezember 1250, war Kaiser Friedrich II gestorben; – so nahe kam schon damals das Haus der Hohenstaufen seinem völligen Untergange!

Zweifelhaft mochte König Konrad seyn, ob er, der väterlichen Hülfe beraubt und überall von offenen oder heimlichen Feinden umringt, sich auf Deutschland beschränken, und hier nach Erweiterung seiner Macht streben; oder ob er vor allem nach Italien eilen und den Besitz des apulischen Reiches sichern solle. Freilich, wenn das erste gelang, konnte das zweite kaum mißlingen; und der Wunsch, beide Zwecke zu erreichen, war so rechtlich als natürlich. Darum zog Konrad im Frühlinge 1251 über Speier den Rhein hinab. Seine Macht ward aber geschwächt, weil sich der Herzog von Baiern gegen die, auf Anreizung des vertriebenen Bischofes von Regensburg hervorbrechenden BöhmenMeermann II, 16.  Chron. episc. Metens. wenden mußte; wogegen die Macht König Wilhelms durch eine ansehnliche Schaar gestärkt wurde, welche ihm der Bischof von Metz zuführte. Deshalb siegte dieser bei Oppenheim über Konrad, und hielt sich jetzt für so gesichert, daß er in Gesellschaft des Erzbischofes von Trier, um Ostern 1251 nach Lyon reiseteMeermann V, Urk. 115.  Udalr. chr. August.  Gesta Trev. Marten. 253.  Gallia christ. VI, 485., mit dem Papste über alle Reichsangelegenheiten Rücksprache nahm und sich der ihm hiebei erwiesenen Ehre freute. Innocenz wußte, daß derjenige welcher in solchen Lagen Ehre erweiset, höher steht als der 324 {1251} Empfangende; auch hätte kein hohenstaufischer König der Deutschen, seiner Stellung und Würde uneingedenk, das Weltliche so ganz von der kirchlichen Seite her entscheiden lassen. – Bei Gelegenheit dieser Reise verpfändete überdies der geldbedürftige Wilhelm, Arles, Besançon, Lausanne und die dazu gehörigen Reichsrechte für 10,000 Mark Silber an den Herzog Hugo von Burgund.

Gleich zweideutiger Art war ein anderer Gewinn, den Wilhelm nach seiner Rückkehr davontrug. Der milde Erzbischof Christian von Mainz wurde vor dem Kardinal Hugo, mit Beistimmung des Königs, angeklagt: daß er diesem zu den Kriegszügen nicht die gebührende Hülfe leiste, also auch für die Kirche ganz unnütz sey. In seiner Vertheidigung sagte der Erzbischof: »diese Fehden werden geführt auf eine unwürdige und grausame Weise, man hört nur von Morden und Brennen, von Ausreißen der Weinstöcke und Verwüsten der Kornfelder; solcherlei Dinge ziemen keinem Diener des Evangeliums. Zu allem, was hingegen durch das Schwert des Geistes, durch Gottes Wort kann ausgerichtet werden, bin ich bereit mit allen Kräften zu wirken.« Hierauf fragte man ihn: »ob denn die früheren Erzbischöfe nicht auch Krieg geführt hätten? ob er sich schäme in deren Fußtapfen zu treten?« Er antwortete: »es steht geschrieben, stecke dein Schwert in die Scheide.« Mit dieser Berufung auf das Evangelium hielt man seine Schuld für erwiesen: der päpstliche Gesandte entsetzte den ersten geistlichen Fürsten DeutschlandsConradi chron. Mogunt. 771.  Gudeni cod. I, 618.  Christian erhielt zur Entschädigung einige Pfründen, starb aber bald nachher. Gerhard war Minorit und ein Anhänger Wilhelms.  Wadding III, 248.  Raynald §. 12., und ließ den Grafen Gerhard von Eppenstein wählen, nachdem dieser ihm Geld gezahlt und willigern Gehorsam versprochen hatte.

Unterdeß hatte Konrad alle Versuche einer ernstern Einwirkung auf die deutschen Angelegenheiten nothgedrungen bei Seite gesetzt, und seine Hoffnungen vorzugsweise auf 325 {1251} Italien richtend, viele Besitzungen verpfändetSalisburg. chron.  Ludwig. reliq. II, 227.  Aettenkhover. 177.  Pfister II, 31., um Geld und Krieger zu gewinnen. Ehe er aber die nöthigen Vorbereitungen beendigen konnte, war ihm der Papst mit noch größerer Schnelligkeit zuvorgekommen. In besondern Schreiben dankte Innocenz den Einwohnern von Lyon für die gute AufnahmeRayn. §. 15-17., und der Kardinal Hugo hielt zu gleichem Zwecke eine Anrede an das versammelte Volk. Dem Lobe und den höflichen Worten folgten Ermahnungen zu Ordnung und Zucht, und endlich die für alle Theile gleich beleidigende Äußerung: »meine Freunde! Groß ist, seitdem wir in diese Stadt einzogen, unsere Nutzbarkeit und Mildthätigkeit gewesen. Denn bei der Ankunft fanden wir drei oder vier Hurenhäuser, jetzt dagegen hinterlassen wir nur eins; aber dies eine reicht vom östlichen Thore der Stadt, bis zum westlichen!« Über diesen Vorwurf zürnten vor allen die in großer Zahl gegenwärtigen Frauen, und auch wir müßten, wenn die Worte bei dieser Gelegenheit und in dieser Art ausgesprochen wurden, darin mehr übermüthigen Hohn, als Ehrfurcht vor der Sitte und Hinweisung zur Besserung erkennen. Wahrscheinlicher ist es (ungeachtet jener bestimmten ErzählungMath. Paris 548. des Geschichtschreibers), daß der Kardinal jene Worte an anderer Stelle und in anderem Kreise aussprach, daß sie aber nach und nach weiter verbreitet, ja stadt- und landkundig wurden.

Gleich nach Ostern, welches im Jahre 1251 auf den 16ten April fiel, verließ der Papst LyonEr reisete über Marseille und den Küsten entlang.  Barthol. annal., und erreichte Genua in der Mitte des Junius. Hier ward er mit großen Festlichkeiten empfangen und fand Abgeordnete der meisten kirchlich gesinnten Städte, mit denen er über die weiter zu ergreifenden Maaßregeln das Nöthige 326 {1251} verabredetePhilipp Fontana, Erzbischof von Ravenna, war als päpstlicher Legat vorausgegangen, und hatte schon am ersten Februar 1251 eine Versammlung städtischer Abgeordneten in Cesena gehalten.  Tonduzzi 285.  Ughelli Italia sacr. II, 380.. Den Grafen Thomas von Savoyen, welcher es nach Friedrichs II Tode gerathen fand die kaiserliche Partei zu verlassenMath. Paris 548, 552.  Monach. Patav. 685.  Annal. Mediol.  Montfort. chron., lösete er vom Kirchenbanne, gab ihm seine Nichte zum Weibe, und (was vielleicht nicht am wenigsten lockte) 20,000 Mark Silber als Heirathsgut. Eben so ehrenvoll als in Genua, ward Innocenz in Mailand aufgenommen; doch vergaßen die Bürger um deswillen ihren Vortheil nicht, sondern stellten so kläglich als nachdrücklich vor, daß sie den Ersatz vieler zu seinem Besten gemachten Auslagen mit Recht verlangen könnten und müßten. Der Papst entschuldigte seine Zahlungsweigerung mit der zeitherigen Bedrängniß der Kirche, versprach viel für die Zukunft und eilte, noch heftigere Forderungen voraussehend, über Ferrara nach BolognaGriffò.  Bonon. histor. misc.. Auf seine Bitten entließ diese Stadt den mit König Enzius gefangenen Boso von Doaria; wogegen sie den Antrag, Medicina, Argelata und andere, während dieser unruhigen Zeiten in Besitz genommene Örter herauszugeben, zum Verdrusse des Papstes sehr bestimmt ablehnte. Überhaupt mußte Innocenz bald bemerken: daß die Städte ihm nur zu Willen waren, so weit ihr Vortheil mit dem seinen zusammenstimmte, daß die Begünstigung der einen, allemal die Verkürzung der andern in sich schloß, und jene selten so eifrig in der Freundschaft, als diese heftig in der Feindschaft wurde. Insbesondere drückten die Römer zwar den Wunsch aus, das Oberhaupt der Kirche wieder in ihren Mauern zu sehen: allein da Innocenz wohl wußte, daß sie keiner Partei mit aufrichtiger Gesinnung zugethan waren, und erfuhr, wie sie darauf ausgingen von ihm gar viel Geld zu erpressen, keineswegs 327 {1251} aber ihre republikanischen Einrichtungen aufzugeben; so lehnte er ihre Einladung ab, und hielt sich abwechselnd in Perugia und Anagni aufMath. Paris 542.  Memor. Regiens. 1118.  Alessis de Mag. 20.  Sigonius de regno Italiae a. h. a.. Von hier aus konnte er am besten auf Apulien und Sicilien wirken, welche Länder noch mehr als bisher, ein Gegenstand seiner Aufmerksamkeit und Thätigkeit wurden. Ihre in diesem Buche noch nicht berührte Geschichte tritt jetzt in den Vordergrund, hauptsächlich durch die Persönlichkeit Manfreds, des Fürsten von Tarent.

Kaiser Friedrich II hinterließ, außer dem Könige Konrad IV, noch mehre geschichtlich wichtige Kinder und Nachkommen. Erstens, Heinrich, den Sohn der englischen Isabelle, welcher das arelatische oder jerusalemische Reich erhalten sollte. Zweitens, zwei Enkel, die Söhne des abgesetzten deutschen Königs Heinrich, von denen der eine, Friedrich, nach dem Testamente des Großvaters, zum Herrn von Österreich bestimmt war. Drittens, die unehelichen Söhne, Enzius und Friedrich von AntiochienVon den übrigen unehelichen Kindern des Kaisers siehe die zweite Beilage.. Viertens, Manfred, den Fürsten von Tarent. Blanka, dessen Mutter, die wunderschöne Tochter des Grafen Bonifazius Lancia, war dem Kaiser durch den Erzbischof Berard von Palermo angetraut wordenDie Trauung sey erfolgt in castro Agliano (Anton. Asteus. 1048) durch den Erzbischof Berard.  (Opuscoli IV, 206) – Blanca de Dominabus de Agliano de Aquasana.  Benev. S. Georg. 352.Murat. antiq. Ital. I, 624.  Salimbeni 295.  Math. Paris 626., und als sie in der letzten Krankheit ihres Gemahls die größte Theilnahme und gränzenlosen Schmerz zeigte, versprach er ihr, sie im Fall seiner Wiederherstellung zur Kaiserinn zu erhebenIn consortem imperii te assumam.  Chron. imperat. Laurent.. Die genausten Untersuchungen zeigenNuova raccolta V, 50.  Abhandlung des Abts Johann von Montekassino.  Sarri I, 230., daß Manfred ehelich geboren, aber weil seine 328 Mutter nicht königlichen Geblütes war, auf volle Ebenbürtigkeit keinen unbezweifelten Anspruch hatte. Auch kam seine höchste Ebenbürtigkeit durch ihn selbst, und wenn irgend einer, so war er ein ächter Sohn seines großen Vaters, und von ihm deshalb zärtlicher geliebt, als die übrigen. Freilich behaupteten seine Gegner: er habe den Lüsten noch ärger nachgehangen, als Friedrich II, habe Mädchen und Sänger und Dichter noch mehr geliebt, um Gott hingegen sich noch weniger bekümmert, als dieserMalespini 148.  Villani VI, 46.: aber seine Freunde widerlegten diese Anschuldigungen und sagten: wenn er unbilligen Wünschen der ihm abgeneigten oder ungehorsamen Geistlichen nicht immer nachgab, so handelte er dadurch keineswegs wider Gottes Willen; seine Zuneigung zu schönen Frauen artete nie in Ungebühr aus, vielmehr lebte er, so lange seine Ehe dauerte, wie es einem Ehemanne ziemt. Ob er gleich mit Dichtern und Sängern manche Stunde verbrachte, oder Amtsgeschäfte nicht immer mit der feierlichen Wichtigkeit behandelte und in dem Augenblicke vornahm, wo peinliche Geschäftsleute es wünschten; so zeigt doch sein ganzes Leben, daß er im höhern Sinne zu regieren verstand, das Wesentliche nie über jene sinnvollen Ergötzungen versäumte, und sich nie, gleich manchem andern, bloß geistlosen Neigungen hingab. Einstimmig bezeugen endlich selbst WidersacherChron. imperat. Laurent.: er war der Schönste an Gestalt, der Klügste an Geist, der Tüchtigste an Muth, mildthätig gegen Hülfsbedürftige, freigebig in Belohnung des Verdienstes, stets heiter und einnehmend, jedem zugänglich, liebenswürdig und von allen geliebtSaba Malaspina I, 1.  Guil. Tyr. 741.. Ein anderer fügt hinzu: er machte in allen freien Künsten große, in den Wissenschaften unvergleichliche Fortschritte und bildete, durch stete Aufmerksamkeit auf sich selbst, seine Sitten. Ein Araber, Ibn Vasel, der an Manfreds Hof kam, sagtAbulfeda zu 1297.: »ich 329 fand einen Mann von ausgezeichneten Anlagen, einen Liebhaber und Kenner höherer Wissenschaften; was schon daraus hervorgeht, daß er die zehn Bücher des Euklides genau inne hatte. – Bereits in früher Jugend gab er Beweise von Geistesgegenwart und Gewandtheit. Als eilfjähriger Knabe ward er zwischen Ravenna und Cremona von Räubern gefangenChron. imper. Laurent. und an den Markgrafen von Este ausgeliefert, welcher seinem Blutsverwandten, einem Grafen Berardus, der vom Kaiser entflohen war, die Aufsicht übertrug. Diesen aber brachte Manfred durch geschickte Vorstellungen dahin, daß er des Markgrafen Vortheil hintansetzte und ihm (Verzeihung des Kaisers für frühere Vergehen erwartend und erhaltend) die Freiheit wiedergab.

{1250} Jetzo, nach seines Vaters Tode, war Manfred zwar nur Eigenthümer des Fürstenthumes Tarent: aber bei Konrads Abwesenheit ruhte die ganze Last der einstweiligen Reichsverwaltung auf ihm, dem erst achtzehnjährigen JünglingeBurigny IV, 175. Manfred nennt sich Balius Conradi.  Monum. boica XI, 232.. Anfangs entstand jedoch nicht die geringste Bewegung, keine Spur von Aufruhr oder Gefahr; so sehr hatte Friedrich II die Gemüther gefesselt, so klug benahm sich Manfred. Statt übereilt zu neuern, blieb er (denn seines Vaters Lehren und Ansichten hatten sich seinem jungen Gemüthe tief eingeprägt) ganz auf dessen Wege, behielt alle älteren Räthe bei, und wußte ihre Bedachtsamkeit mit der lebendigen Beweglichkeit seines eigenen Wesens zu verbindenJamsilla 498., ohne ein Spielwerk fremder Ansichten zu werden.

Bald aber änderte sich dieser heitere Zustand, diese ruhige Ordnung: und zwar durch des Papstes Schuld, wie seine Ankläger behaupten; vermöge seines höhern, ächtern Rechtes, wie seine Vertheidiger zu erweisen versuchen. Er hob alle Gesetze und Einrichtungen des Kaisers aufSchon in Lyon.  Cod. Vindob. phil. No. 61, fol. 62; No. 305, f. 66., welche 330 {1251} dem Kirchenrechte widersprachen: denn kein Laie dürfe, von seinem niedern Standpunkte aus, das Gesetz Gottes antasten oder meistern. Er verlangte, – so schreibe es das Lehnrecht vor –, die Verwaltung des, durch Friedrichs Untreue erledigten Reiches, bis er ihm aus eigener Macht einen Nachfolger ernenne. Er schickte den Kardinal Kapoccio, als höchsten Bevollmächtigten und sehr viele Bettelmönche ausRayn. §. 3.  Costo 93.  Ripoll I, 191., damit in größern und kleinern Kreisen, öffentlich und insgeheim, gegen Manfred und die Hohenstaufen gewirkt, und jeder gebannt werde der ihnen treu bleibe, jeder belohnt, der von ihnen abfalle. Indeß theilten keineswegs alle Geistlichen diese Ansichten, sondern schieden päpstliches Recht von allgemeinem KirchenrechteInnocenz ertheilte hierüber Verweise an die Erzbischöfe von Palermo und Salerno.  Raynald §. 5., und manche Barone hielten das gegen Friedrich beobachtete angebliche Lehnsverfahren um so mehr für ungerecht, da sie, wenn man mit einem Kaiser dergestalt umging, für sich selbst das Ärgste fürchten mußten. Andererseits neigten sich viele zum Papste: aus innerer Überzeugung, oder weil sie eine minder kräftige Regierung wünschten, oder aus Angst über den Bann, oder aus Eigennutz, oder aus Lust an Veränderungen überhaupt. Anfangs theilte man sich diese, trotz aller Verschiedenheit gleichmäßig zu Ungehorsam gegen Manfred führenden Gründe und Ansichten nur in der Stille mit: bald aber wurden die Bewegungen und Widersprüche lauter und anmaaßlicher. Auf dem Wege von Montefoskolo gen Neapel erhielt Manfred hievon bestimmtere Nachricht, und schickte den Grafen von Kaserta nach der letzten Stadt und nach Kapua, um die Gesinnungen zu erforschenSpinelli 1069, zum Februar 1251.. Unverholen ward ihm erklärt: »man sey überdrüssig, länger im Banne zu leben; nur derjenige werde Gehorsam finden, welcher mit des Papstes Belehnung und Segen versehen, herbeiziehe.« Diesem Beispiele folgten mehre 331 {1251} Städte und Barone, wofür ihnen Innocenz große Lobeserhebungen und Vorrechte ertheilte, und nebenbei Friedrich II einen Pharao, Herodes und Nero nannteSicil. chron. c. 26.  Bartol. a Neocastro c. 1.  Rayn. §. 38..

In so gefährlicher Lage verschmähte Manfred nicht, mit dem Papste wegen einer Verständigung und Aussöhnung Unterhandlungen anzuknüpfenBaluz. miscell. I, 193.  Martene coll. ampliss. II, 1181.. Zu gleicher Zeit forderte er aber alle Vornehmen und Geringen auf, dem wahren Nachfolger Friedrichs, dem Könige Konrad treu zu seyn, und lud diesen, in ehrfurchtsvollen Ausdrücken, nochmals ein: er möge nach Apulien kommen, vor allem aber die Freibriefe der Städte und Barone, die letzten Befehle seines Vaters, so wie diejenigen Maaßregeln bestätigen, welche man in seiner Abwesenheit habe ergreifen müssen. Ehe aber vom Papste und vom Könige beruhigende Antworten einlaufen konnten, mußte sich Manfred in offener Fehde gegen seine Feinde vertheidigen. Die ihm getreuen Saracenen vertheilte erSpinelli 1069.  Jamsilla 499, 503., um Gegenden unsichern Gehorsams in Ordnung zu halten; deutsche Söldner, welche sich früher in kaiserlichem Dienste ausgezeichnet hatten, legte er unter ihrem tüchtigen Anführer nach Troja; er selbst wandte sich nach Foggia, um ein neues Heer zu sammeln. Kaum hatte er daselbst wenige Tage verweilt, als die Nachricht eintraf: die Deutschen aus Troja ständen in Schlachtordnung vor den Thoren und verlangten laut ihren Sold. Sie wußten, daß der Fürst ihn jetzt nicht bezahlen könne, und wollten im Weigerungsfalle Foggia plündern. Ohne ängstliche Vorkehrungen zu treffen, oder Spuren von Furcht zu zeigen, ließ ihnen aber Manfred sagen: warum seyd ihr bewaffnet gegen mich angerückt? habt ihr vergessen, daß ich des Kaisers Sohn bin? Bei längerem Ungehorsam werde ich euch strafen, härter als ihr glaubt. Kommt ihr um Sold zu fordern, so sendet vier Unbewaffnete, wie es sich schickt, und 332 {1251} ich werde euch antworten was sich gebührt.« – Da merkten die Anführer, daß der junge Fürst nicht, wie sie geglaubt, mit Drohungen oder Gewalt zu beugen sey; sie ehrten seine Tüchtigkeit, bereuten ihre vorschnelle That und erhielten nach anständiger Bitte so viel an Solde, als die Bedrängniß der Zeit erlaubte.

Gleichzeitig waren auch bei Andria allerhand Frevel und Ungebühr vorgefallen, deren Größe und Urheber zu erkunden, Manfred mit Heeresmacht aufbrach. Diese Macht fürchtend und ihrer Schuld eingedenk, flohen die Bewohner und ließen nur Weiber und Kinder zurück. Der Fürst aber, wohl wissend daß er durch grausame Strafen Haß und Verzweiflung erzeuge und das Reich zu Grunde richte, berief alle Entflohenen zurück und legte den Schuldigern nur eine Ordnungsstrafe in Gelde auf.

Bald nach dem Abzuge Manfreds von Foggia hatten sich die Bürger vereinigt und, zu bedenklichen Zwecken, die Umwallung und Befestigung ihrer Stadt unternommen. Wie erstaunten sie aber, als gegen alle Erwartung beim Anbruch eines Morgens das in der Nacht eilig herangerückte Heer Manfreds vor den Thoren stand. In schneller Unterwerfung war allein Rettung zu finden: den Bevollmächtigten, den Weibern welche sich mit aufgelösetem Haare dem Fürsten zu Füßen warfen, bewilligte er den Erlaß aller Strafe; nur mußte die begonnene Umwallung zerstört und eine Summe Geldes erlegt werden, dessen man zu unerläßlichen Ausgaben dringend bedurfte. Ernster gestaltete sich das Verhältniß zu BaroliBaroli oder Barletta.. Die Bürger hatten, mit Zurücksetzung aller bisherigen, vom Kaiser ernannten oder bestätigten Obrigkeiten, neue Rathmänner und Richter erwählt und ihnen die Regierung und Rechtspflege übertragen, angeblich unbeschadet der Treue und des Gehorsams gegen den König. Manfred entbot, zu näherer Erforschung der eigentlichen Gesinnungen, Abgeordnete der Stadt zu 333 sich, erinnerte sie an ihren geleisteten Eid, an ihre alte Verpflichtung zum Schutze des Reiches mitzuwirken, und verlangte ihren Beistand gegen Neapel und Kapua, welche im Aufstande begriffen wären. Die Abgeordneten versprachen des Fürsten Worte getreulich den Bürgern mitzutheilen; fanden aber, als sie deren Antwort zurückbrachten, nicht ohne einiges Erstaunen, daß er während dessen mit seiner Mannschaft rasch vorgerückt, und nur noch sechs Miglien von Baroli entfernt war. Die Antwort welche sie jetzt, dem gefaßten Beschlusse gemäß, vorlegten, lautete den Worten nach ganz demüthig, sonst aber so leer und unbestimmt, daß man die zweideutige Gesinnung und den Wunsch erkannte, für die Befestigung der Stadt Zeit zu gewinnen. Manfred sandte also die Boten zurück und verlangte eine deutliche bestimmte Erklärung; allein im Vertrauen auf den zwischen mehren Städten Apuliens geschlossenen Verein, würdigte man ihn keiner zweiten Antwort.

Als Manfred, um solch böses ansteckendes Übel in der Geburt zu vertilgen, selbst nach Baroli eilte, fand er die Thore verschlossen, und die Bürger beantworteten friedliche Aufforderungen, sie zu öffnen, nur mit Pfeilen und Steinwürfen. Bei dem hierauf vom Fürsten anbefohlnen Sturme wichen die seinen vor der Menge der Geschosse, und einige mochten zu ihrer Entschuldigung äußern: es sey gar leicht, daß ein im Wohlleben erzogener junger Mensch andere in Gefahren aussende, während er selbst zurückbleibe. Allein in demselben Augenblicke sprang der heldenmüthige Jüngling bereits vom Pferde, eilte, alle befeuernd, allen voraus und war unter den Vordersten, die siegreich in die Stadt eindrangen. Die persönliche Tapferkeit, welche Manfred hier zum ersten Male glänzend zeigte, das Niederreißen der Mauern Barolis und die gleichzeitige Einnahme Avellinos durch den Markgrafen von HohenburgDie Markgrafen Bertold und Diephold von Hohenburg aus Baiern, waren im Jahre 1237 kaiserliche Pagen und besaßen Amberg, Sulzbach, Flos, Weide u. s. w.  Lang Jahrbücher 14, 44, 83, 99, 146., schreckte die 334 {1251} meisten apulischen Städte; nur Kapua und Neapel beharrten, unter den größern, im Aufruhr und suchten das zwischen ihnen gelegene, zeither dem Fürsten getreue Aversa zu verführen. Von diesen Ränken unterrichtet drang Manfred plötzlich herzu, verjagte die Unruhestifter, besetzte Nola und verwüstete die Gegend Kapuas bis zu den Stadtmauern. Selbst Neapel ward eingeschlossen und angegriffen: die Bürger ließen sich aber zu keinen Ausfällen verleiten, sondern blieben, nur auf Erhaltung bedacht, ruhig hinter ihren starken Mauern. Um diese Zeit gingen die Antworten des Papstes auf Manfreds Vorschläge einRaynald §. 38.: »er solle der Kirche Treue schwören und die Belehnung von Tarent empfangen, alle übrigen Städte und Landschaften aber räumen und päpstlichen Bevollmächtigten übergeben.« Dies Verlangen erschien, nach solchem Erfolge im Felde, unzeitig und übertrieben; ja Manfred, welcher das Reich seinem Bruder erhalten sollte, konnte unmöglich, ohne sich der Schande preis zu geben, darauf eingehen. Auch schrieb Konrad nach ApulienPipin. III, 3.: er habe dem Herzoge von Baiern und dem Pfalzgrafen am Rheine die Leitung der deutschen Angelegenheiten übertragen, und werde binnen kurzem selbst nach Italien kommen.

Des Kaisers Tod hatte in dem nördlichen und mittlern Theile dieses Landes nichts weniger als Einigkeit erzeugt: Genua z. B. unterwarf sich durch Kriegsgewalt Albenga, Savona und mehre andre Orte, die zeither mit Hülfe Friedrichs II widerstanden hattenBarthol. ann. zu 1252.. Florenz und Mailand schwächten sich durch heftige Verfolgung der unterliegenden ParteienMalespini 144.  Villani VI, 39-42.  Ammirato I, 90.  Griffò zu 1250.  Manetti 1007.  Villani VI, 52-59.  Malespini 150-152.  Ughelli Ital. sacra III, 124.; Venedig gedachte, ungeachtet päpstlicher Aufforderungen nur des Morgenlandes und seines HandelsFantuzzi III, Urk. 59–60.; Ezelino, 335 {1251} dessen Einfluß sich von den Lagunen bis Mailand erstreckte, und Markgraf Palavicini, der die Herrschaft in Piacenza und einigen andern Städten gewonnen hatte, waren nicht sowohl aufrichtige Freunde der Hohenstaufen, als um ihrer selbst willen, Feinde der GuelfenCereta. Memor. Regiens. 1118.  Estense chr.  Joh. de Mussis.  Dandolo 360.  Monach. Patav. 685.. Deshalb enthielt sich König Konrad, als er im Dezember 1251 in Verona anlangte, jeder Einmischung in die lombardischen FehdenPetr. Vin. III, 77, 78.; ja er wollte, um alle etwanigen Hindernisse zu vermeiden, nicht einmal den Landweg durch das mittlere Italien einschlagen. Denn Bologna war feindlich und Rom zweideutig gesinntHöfliche Erklärungen der Römer mußten dem Könige, ob er gleich höfliche Antworten gab, doch nicht genügend erscheinen.  Baluz. miscell. I, 193.;.Viterbo hatte sich (weil ja, wunderbarerweise, die nur zehnjährige heilige RosaBussi 137-140. wider den Kaiser und sein Haus predigte!) aufs neue zur Kirche gewandt und unter Leitung des Kardinal Kapoccio, Friedrichs schönen Palast zerstört; ein Bund endlich, geschlossen zwischen Pesaro, Fano, Fossombrone, Jesi und AnkonaBaldassini 160., lautete zwar nicht gegen den König, mußte ihm aber doch mehr Besorgniß erwecken, als dem Papste, welcher noch immer ungestört in Perugia wohnteHerm. Altah.  Chron. Udalr. Aug. Ricciardi vita 132..

Nachdem sich Konrad im Schlosse Goito mit den ghibellinischen Häuptern mehrer Städte besprochen hatte, erreichte er über Vicenza und Padua das Meer, setzte auf venetianischen Schiffen nach Pola hinüberÜber Konrads Seefahrt finden sich viele Abweichungen. Die Nachricht, daß ihn pisanische Schiffe hinübergeführt hätten (Pisana monum. 978), wird widerlegt bei Magri et Santelli III, 174.. Venetianischer Schiffe, Istriens und Dalmatiens thun Erwähnung Dandolo 360, Malespini 146, Barthol. ann.  Dieser und der Codex Vind. phil. Nr. 61, fol. 63; Nr. 305, fol. 77; Nr. 383, fol. 12, reden von apulischen in Pola vorgefundenen Schiffen. Spinelli 1071, läßt ihn von der venetianischen Flotte begleiten und bei Peskara, Jamsilla bei Siponto landen. Nach Append. ad Malat. am achten Januar und zwar ohne Zweifel 1252. – Auch der Ort der Einschiffung ist ungewiß. Estens. chron. nennt irrig Cesena; Sigonius aus einer Urkunde und Cereta eben so bedenklich, Portus Naonis im Innern des Landes; Patav. chron. 1139, portus Litesanae (Latisanae?); das würde zum Ausflusse des Tagliamento hinweisen. Wir haben im Text das Wahrscheinlichste zusammenzufassen gesucht., fand hier 336 {1252} apulische Abgeordnete, welche ihm Markgraf Bertold von Hohenburg entgegengeschickt hatte, und landete, nach glücklicher Fahrt, erst bei Peskara, dann am achten Januar 1252 bei Siponto in Apulien. Hieher war Manfred dem Könige entgegen geeilt, und hatte jegliches zum ehrenvollsten Empfange desselben vorbereitet. Er selbst hielt ihm den Steigbügel und vermied überhaupt alles, was auch nur einen Vorwand zu Zwistigkeiten und Vorwürfen hätte geben könnenJamsilla 503-505.  Saba Malasp. I, 4.. Konrad hingegen war sehr erfreut, daß er den größten Theil des Reiches durch Manfreds kluge Führung beruhigt fand, ließ ihn neben sich unter dem Baldachin einhergehen und zeigte überall, daß er seinem Throne und Herzen am nächsten stehe. Unter Manfreds Beistand bezwang er, das Land durchziehend, alle kleinern, etwa noch abgeneigten oder widerspenstigen Orte. Schwieriger war die Unterhandlung mit dem Grafen Thomas von Aquino und dem Grafen Richard von Kaserta, welche zwei uneheliche Töchter Friedrichs II, AnneRochus chron. 50.  Pirri Sicil. I, XXX.  Petr. Vin. III, 79.  Suessan. chron.  Aldimari 11, macht diese Anne zu Manfreds Schwester, was aber nicht mit der Nachricht stimmt, daß sie noch vor der Mannbarkeit an Vatatzes verheirathet worden. Sie war nur Halbschwester.  Gibbon XI, 123.  Du Fresne hist. Const. V, 6.  Spinelli 1071. und Violante geheirathet hatten, und auf größere Theilnahme an der Regierung Anspruch machen, oder gar einer Theilung des Reiches 337 {1252} gedenken mochten. Beide aber mußten sich unterwerfen, woraus auch die Übergabe des wichtigen Kapua folgte, so daß nur noch Neapel im Ungehorsame verblieb.

Gefährlicher, als der Widerstand dieser vereinzelten und, wie man hoffte, bald zu bezwingenden Stadt, war die fortdauernde Feindschaft des Papstes, welcher auf das Anerbieten Konrads, der Kirche alle Rechte einzuräumen die sie je besessen habe, gar keine Rücksicht nahm; sondern ihn, um der Vergehen seines Vaters willen, als mit abgesetzt und sich als Herrn des Landes betrachtete, Ämter besetzte, Lehen verliehSo gab er Tarent den Frangipanis.  Raynald zu 1252, §. 2.  Onuphr. Panvin. 108.  Murat. annal. und endlich, bei den bedenklichen Fortschritten Konrads, die sicilische Krone dem Grafen Karl von Anjou anbot. Diesmal kam aber der Handel noch nicht zu StandeRayn. §. 2, Schreiben vom 12ten Junius 1253.: denn die von Innocenz vorgelegten Bedingungen der Vergabung lauteten gar zu schwer, und in Frankreich erhob sich allgemeiner Widerspruch: daß ein französischer Prinz auf Eroberungen so zweideutiger Art ausgehen wolle, während sein Bruder und König noch in fernen Landen hülflos verweile. Noch lauter erklärte man sich gegen den PapstMath. Paris 553.  Baronius de monarch. Siciliae 349.: er veranlasse in der Christenheit Krieg auf Krieg, wende die Kreuzfahrer vom Morgenlande ab und gebrauche sie zu seinen Zwecken. Wer dem Papste dient, sagte Blanka, die königliche Königinn, den mag der Papst ernähren, und zog die Güter derjenigen ein, welche ihres Königs vergessend, sich nach Deutschland oder Italien wandten. Die Großen des Reichs folgten ihrem Beispiele.

Nunmehr bot Innocenz die apulische Krone dem reichen Bruder König Heinrichs III von England, dem Grafen Richard von Kornwall an. Dieser jedoch (weniger die Ungerechtigkeit, denn die Schwierigkeiten der ganzen Unternehmung ins Auge fassend) verlangte, daß der Papst ihm 338 {1253} Geißeln stelle, feste Plätze einräume, und einen Theil der Ausgaben übernehme. Als ihm Meister Albert, der päpstliche Unterhändler, erwiederte: »schwerlich werde man so lästige Forderungen zugestehen;« so rief der Graf aus: »dann ist euer Anerbieten von der Art, als wenn mir jemand sagte: ich schenke dir den Mond, steig hinauf und hole ihn dir herunterMath. Paris 599.  Inveg. ann. 643.  Trivet zu 1252.  Murat. antiq. Ital. VI, 103.!« Von diesen Worten benachrichtigt äußerte Innocenz: er wolle mit dem Grafen nichts mehr zu thun haben; und überlegte: ob es nicht rathsam sey daß er Heinrich, den Sohn des Kaisers und der englischen Isabelle, mit einer von seinen Nichten vermähle und ihm, als Wahlkind der Kirche, das apulische Reich überlasseMath. Paris 556.  Dieser Gedanke mag wohl vor den Unterhandlungen mit Karl und Richard hergegangen, aber auch immer wieder von neuem geprüft worden seyn.. Allein der erst eilfjährige Knabe hatte weder Neigung noch Macht, einen Bruderkrieg zu erregen, die Barone hielten eine Ehe jener Art keineswegs für ebenbürtig, und es ließ sich nicht erwarten, daß der König von England so viel für seinen Neffen als für seinen Sohn thun werde. Deshalb bot Innocenz jene Krone zum dritten Male aus, und König Heinrich, immer leichtgläubig und zu eigenem Schaden übereilt, nahm sie für seinen zweiten Sohn Edmund an. Anstatt seiner Würde und seiner Kräfte eingedenk zu seyn, und die Verletzung der Rechte eines andern, ihm nahe verwandten Königs zu scheuen; gab er mit Worten, Lachen und körperlichen Bewegungen eine kindische Freude über jene täuschende Unglücksgabe zu erkennen, und nannte sein Söhnlein König jener Reiche, als sey der Besitz schon gewonnenSo Math. Paris 599.! Was er an Gelde im Schatze vorräthig hatte, was er von seinem Bruder und andern leihen, von Juden erpressen, durch Richter ungerecht zusammenrauben konnte, 339 {1253} schickte er dem Papste, um König Konrad damit zu bekriegen!

Dieser klagte also mit Recht, daß sich Heinrich vom römischen Hofe dergestalt umstricken und verführen lasse, und schrieb den Kardinälen über sein Verhältniß zur KircheBaluz. misc. I, 194.: »ich bin ein rechtgläubiger Christ und wünsche den ärgerlichen Streit mit dem Papste zu enden. Dieser aber soll nicht glauben, daß er alles darf was ihm gefällt; sonst berufe ich mich auf Gott, den künftigen Papst, eine allgemeine Kirchenversammlung, die deutschen Fürsten, auf alle Könige und Herrscher der Welt, ja auf alle Christen.« – Zur Beseitigung dieses Hauptzwistes wurden einige Male Unterhandlungen angeknüpftMath. Paris 562., allein immer wieder abgebrochen, sobald dem Papste irgend neue Hoffnung eines vollständigen Sieges aufging. So erwartete er z. B., Konrad werde sein Heer aus Geldmangel auflösen müssen: allein dieser hatte (weil sich allerdings die Bedürfnisse nicht aus den gewöhnlichen Einnahmen bestreiten ließen) von sienensischen Kaufleuten so große Summen geliehenMalavolti II, 1, 12., daß er, nach der Bezwingung Kapuas, in der Mitte des Junius 1253, die Belagerung von Neapel unternehmen konnte. Zwar schlugen die Bürger den ersten Sturm glücklich ab: nachdem ihnen aber auch die See und der Landweg durch die Grotte von Puzzuoli gesperrt war, stieg der Mangel an Lebensmitteln auf eine so unerträgliche Weise, daß sich die Stadt am ersten Oktober 1253 ergeben mußteChron. Cavense 927.  Saba Malasp. I, 3.  Spinelli 1070.  Die Nachricht, daß Konrad ein schönes antikes Pferd von Bronze in Neapel sinnbildlich habe zäumen lassen, wird erst von spätern Schriftstellern erzählt.  Capacelatro II, 9.. Konrad sorgte, daß die einziehenden Soldaten die strengste Ordnung beobachten mußten; nach seinem und der gesetzten Richter Spruch, wurden jedoch die Mauern und Thürme der empörerischen Stadt niedergerissen, 340 {1253} wahrscheinlich allen eine Steuer auferlegt, und die Schuldigsten mit Verweisung, ja mit dem Tode bestraft. Die Geistlichen behandelte der König hiebei nicht milder, als die LaienMalesp. 146.  Villani VI, 44.  Bartol. de Neocastro 1.  Sicil. chron. c. 22.  Salisburg. chron.  Raymo Annal., und verfuhr überhaupt in Bezug auf alle kirchlichen Angelegenheiten, als sey kein Papst in der Welt.

Gleichzeitig wurde dieser noch von einer andern Seite her bedrängt. Die Römer nämlich erklärten ihmSigon. de regno Ital. 81.  Monum. riguard. S. Rufino 266.: ihre Stadt leide in jeder Beziehung so sehr durch seine Abwesenheit, daß sie ihn dringend bäten sogleich zurückzukehren. Im Weigerungsfalle würden sie die, während des Krieges mit Kaiser Friedrich für die Kirche ausgegebenen Gelder von ihm beizutreiben wissen, und jede Stadt welche ihn aufnehme, feindlich behandeln. Nichts hätte diese ungünstige Lage des Papstes schneller und gründlicher verbessert, als eine Aussöhnung mit Konrad; er beharrte aber um so mehr auf feindseligen Planen, da der König unerwartet mit seinen nächsten Freunden in Zwist zu gerathen schien.

{1252} Konrad ehrte, nach seiner Ankunft in Apulien, Manfred nicht allein auf jede WeiseJamsilla 497.  Eben so hatte er die Besitzungen Friedrichs von Antiochien bestätigt und gemehrt.  Camici Urk. XX, S. 64 und Petr. Vin. VI, 8. Doch könnte diese Urkunde auch von Manfred seyn., sondern hatte auch seinem Erbtheile schon früher die Grafschaften Gravina, Trikariko und Montekaveoso zugelegt. Ähnliche königliche Schenkungen mochten an andere statt gefunden, und Manfred, aus eigener Macht oder gezwungen, nicht weniger vergabt haben. Diese große Verringerung des Reichsgutes, diese zur Zeit der Unordnung oder Unkenntniß ergriffenen Maaßregeln, erschienen jetzt dem Könige sehr verderblich, und er verlangte: Manfred solle mit gutem Beispiele vorangehen und allen spätern Schenkungen entsagen. Es geschah ohne Widerrede. Hierauf schritt der König (die allgemeinen Gesetze im Auge behaltend und jede Ausnahme verwerfend) 341 {1252} weiter vor, besteuerte das Fürstenthum Tarent eben so, wie die übrigen Landschaften, setzte daselbst, dem Verfahren Kaiser Friedrichs II gemäß, einen peinlichen Richter, und ließ den fürstlichen Richtern nur die Entscheidung bürgerlicher Streitigkeiten. Auch dies ertrug Manfred ruhig: es sey weil sich manches für eine solche Gleichförmigkeit der Behandlung sagen ließ, oder weil er Ungehorsam für so verwerflich, als thöricht hielt; er unterstützte den König unausgesetzt bei seinen Unternehmungen mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln. Keineswegs benahmen sich aber seine Anhänger und Verwandte gleich besonnen und gemäßigt; auch fehlte es wie nirgends, so auch hier nicht an Personen, welche feindseliges ahneten, und mit Vorsatz Argwohn erzeugten.

Zu solchen Gegnern Manfreds gehörte vor allen Petrus RufusJamsilla 547., ein Mann welcher sich aus geringer und dürftiger Lage am Hofe Friedrichs II bis zu dem größten Einflusse und den höchsten Ämtern emporgeschwungen hatte. Bei des Kaisers Tode war er Marschall über ganz Sicilien, und sollte, in Gemeinschaft mit dem jüngern Heinrich, unter Manfreds Oberleitung dem Lande auch fernerhin vorstehen. Allein der Knabe Heinrich konnte den gereiften Mann nicht beschränken, und mit Manfred gerieth Petrus in offenen Zwist, weil er sich weigerte dessen mütterlichen Verwandten, Friedrich und Galvan Lancia, diejenigen Besitzungen einzuräumen, welche ihnen der Fürst theils als frühere Geschenke seines Vaters, theils aus eigener Macht zusprach. Auch schickte Petrus keine Hülfe gegen die Aufrührer, und niemand wagte in Sicilien, ohne dessen Beistimmung, die Befehle Manfreds zu befolgen. Eben so wenig begab er sich zu mündlicher Rücksprache mit dem Fürsten nach Apulien, und wußte den, zu seinem einstweiligen Stellvertreter in Sicilien ernannten Galvan Lancia, durch einen vorsätzlich angestifteten Volksaufstand in Messina so einzuschrecken, daß er eilig die Insel verließ.

342 {1252} Wohl wissend, daß bei Konrads Ankunft Klagen über seine Anmaaßung und seinen Ungehorsam nicht ausbleiben würden, stellte er sich sogleich persönlich, erklärte, daß ganz Sicilien dem Könige Treue schwörePetr. Vin. I, 130., und überbrachte ihm im Namen Palermos eine große Summe als freiwilliges Geschenk. Nach so wichtigen Beweisen von Anhänglichkeit fanden seine Entschuldigungen leicht Eingang. »Ich brauchte«, so sprach er, »die Mannschaft selbst zur Erhaltung der Ruhe in Sicilien; den Ansprüchen der Lancias, welche der Kaiser schon früher mißbilligte, und die man auf Unkosten des Königs noch weiter ausdehnen wollte, mußte ich meiner Pflicht gemäß, bis zu dessen eigener Entscheidung widersprechen.« – Indem Rufus auf solche und ähnliche Weise seine Treue und Klugheit in das hellste Licht stellte, gewann er des Königs Vertrauen dergestalt, daß dieser, weit entfernt sein Benehmen zu strafen oder auch nur zu tadeln, ihn unter großen Lobeserhebungen zum Grafen von Katanzaro ernannteAmico II, 77.  Capacel. orig. di Napoli 58.. Hierüber zürnten die Verwandten Manfreds aufs höchste, und während er selbst schwieg, äußerten jene nebst andern Anhängern des Fürsten bei einer Krankheit KonradsSaba Malaspina 790.: »o daß doch der König dieser Krankheit unterläge! Wie weit lieber wollten wir Manfred krönen, als ihn; wie viel würdiger als er, ist Manfred, dieser freigebigste und gewandteste aller Nachkommen des Kaisers, der durch seine großen Anlagen die ganze Welt gewinnen würde!« Solche, aus Schmeichelei oder Überzeugung gesprochene Worte kamen zu Manfreds, wie zu Konrads Ohren. Wer mag sich wundern, daß jener nicht mit harten Vorwürfen oder Strafen gegen seine Freunde vorschritt, und dieser überlegte, was gegen einen Halbbruder zu thun sey, welcher ringsum alle Herzen eroberte, und dessen ganze Natur augenscheinlich nicht zum Gehorchen, sondern zum Herrschen bestimmt schien, der aber durch Worte und Thaten noch nicht die geringste Ursache zu Vorwürfen 343 {1252} gegeben hatte. Zuletzt schien es dem Könige am gerathensten, keine weitere Strafe über ihn zu verhängen, ja nicht einmal Argwohn zu zeigen; wohl aber seine mütterlichen Verwandten, gefährliche Rathgeber des jungen Fürsten, aus dessen Nähe zu entfernen. Ja, als die Zurückgesetzten hierüber laut und anmaaßlich Klage erhobenIricus zu 1253, S. 93. und Markgraf Manfred Lancia den Markgrafen von Montferrat, trotz des Königs Verbot, in der Lombardei bekriegte; schärfte dieser den frühern Beschluß und verbannte alle Lancias mit Weibern und Kindern aus dem apulischen Reiche. Sie begaben sich zu Manfreds Schwester Anna, der Gemahlinn des Fürsten Vatatzes; allein der König, welchem diese Nähe bedenklich erschien, oder der von Furcht und Haß zu weit fortgerissen wurde, ließ durch den Markgrafen Bertold von Hohenburg dem Vatatzes die Aufnahme jener Verwandten, wo nicht verbieten, doch als Beweis feindlicher Gesinnung bezeichnen.

Allerdings mochten diese Maaßregeln Manfred wehe thun, doch gehorchte er seinem königlichen Bruder nach wie vor; auch wurden beide durch Todesfälle naher Verwandten zu Liebe und Eintracht hingewiesen. Um das Ende des Jahres 1252 starb nämlich der eine Sohn König Heinrichs VII, Namens Friedrich; ihm folgte im December 1253 Heinrich, der Sohn des Kaisers und der englischen Isabelle.

Sogleich erhob sich das Gerücht, beide wären durch Gift umgekommen: denn es konnte damals (so sagt ein großer Kenner jener Jahrhunderte) niemand frühzeitig sterben, den man nicht für vergiftet gehalten hätteTiraboschi storia letter. IV, 121.. Obgleich eine Widerlegung von Gerüchten, welche keinen andern Grund haben als die Leichtgläubigkeit des Pöbels, eigentlich ganz überflüssig ist, so mag doch folgendes zur Würdigung solcher Beschuldigungen beispielsweise hier seine Stelle finden.

344 {1253} MalespiniMalespini zu 1237, cap. 33.  Leobiense chron. 820., ein guelfischer Schriftsteller, erzählt zum Jahre 1238, Manfred habe beide Söhne König Heinrichs vergiften lassen; eine andre Chronik behauptet dagegen gleich irrig, Margarethe ihre Mutter habe sie im Jahre 1251 zu ihm geschickt, und sie wären dann durch Gift umgekommen. Von beiden Nachrichten abweichend, griff der Papst das Gerücht aufMath. Par. addend. 125., König Konrad sey der Urheber des Frevels; womit ein anderer gleichzeitiger Geschichtschreiber an einer Stelle übereinstimmtChron. imper. et pontif. Laurentian., mscr., an einer zweiten aber jene Anklage ganz vergißt und Manfred dieser Giftmischerei beschuldigt! Abgesehen von der Nichtswürdigkeit der That selbst, hatten Konrad wie Manfred (auch wenn sie die ärgsten Frevler gewesen wären) nicht den geringsten Grund, nicht die entfernteste Veranlassung zu solch einer That!

Dasselbe gilt für den jüngern Heinrich, den Sohn Friedrichs II und Isabellens. Bald soll derselbe, auf Konrads Befehl, von Johannes Morus erdrosselt, bald durch Petrus Rufus vergiftet worden seynBarthol. de Neocastro 1 und Math. Paris 597, reden in zweifelhaften Ausdrücken.  Salimbeni 406.; und jener Geschichtschreiber, welcher dort zwei unter sich nicht einmal einige Männer derselben Giftmischereien beschuldigt, giebt hier die geheimen Gründe des neuen Frevels folgendergestalt an: der Knabe Heinrich ward vom Könige, weil er einen Falken nicht den Regeln der Kunst gemäß trug, lebhaft zurechtgewiesen, und antwortete nun, den Falken zur Erde werfend: er sey eines Kaisers Sohn und verdiene eine bessere Behandlung. Hiedurch sey der König veranlaßt worden, seinen Bruder, eben so wie seine beiden Neffen vergiften zu lassen! Nach diesen Quellen vergiftete also: 1) Manfred einen Neffen, 2) vergiftete Konrad denselben Neffen, 3) vergiftete Manfred beide, 4) vergiftete Konrad beide, und 5) endlich, lebte einer unleugbar viel länger, als Konrad!! 345 {1253} Der ungeheuchelte Schmerz, welchen dieser über den Tod seines Bruders in dem Schreiben an dessen Oheim, den König von England, ausdrückt, das Schweigen des trefflichen Geschichtschreibers JamsillaBaluz. misc. I, 194.  Burigny IV, 124., das ausdrücklich lossprechende Zeugniß von Matthäus Paris, würden (wenn es nöthig wäre) mehr als genügen, auch die zweite so unbegründete, boshafte, und auf unbestimmtes Hörensagen niedergeschriebene Anklage in ihrer ganzen Nichtigkeit darzustellen. Unterdeß waren die Verhandlungen mit Innocenz erneuert, und in einer großen Versammlung päpstlicherseits folgende Anklagpunkte aufgezählt, königlicherseits folgende Antworten entgegengestellt worden. {1254}

Erste Beschuldigung: Während des, über das Reich und den König ausgesprochenen Bannes, hat dieser, die Schlüssel der Kirche verachtend, vor sich Gottesdienst halten lassen und die Geistlichen zu heiligen Verrichtungen gezwungen. Dies ist eine so entschiedene Anzeige ketzerischer Verderbtheit, daß darüber nähere Untersuchung nöthig erscheint. – Antwort: Dem Könige ist der Bann nie gehörig verkündet, er ist nicht gehört, ja nicht einmal vorgeladen worden. Gegen frühere Anschuldigungen seiner Feinde hat er in Deutschland und Apulien öffentlich appellirt, und was seitdem ohne ihn und wider ihn geschah, kann er nicht als gesetzlich anerkennen. Nie mischte er sich in geistliche Dinge, nie zwang er Geistliche zur Fortsetzung ihrer Geschäfte. Vom Verdachte der Ketzerei kann er sich leicht durch ein rechtgläubiges Glaubensbekenntniß reinigen. Gottesdienst besuchte er nicht aus Verachtung des römischen Stuhles, sondern im Bewußtseyn seiner Unschuld, und nach dem Rechte und der Pflicht eines frommen Christen.

Zweite Beschuldigung: Unter den Anhängern Konrads wird in der Lombardei öffentlich ketzerische Lehre gepredigt. Antwort: Wahrhaft irrigen Lehren hat sich der König in Deutschland immerdar widersetzt, und er ist bereit 346 {1254} dasselbe in der Lombardei zu thun, sobald ihm dazu Macht und Gelegenheit wird. Doch kann er (unbeschadet aller Ehrfurcht vor dem Papste) nicht unbemerkt lassen, was die ganze Welt weiß: daß man nämlich in Mailand, Brescia, Mantua und andern Städten, welche die liebsten Kinder der Kirche heißen, öffentlich Ketzereien lehrt.

Dritte Beschuldigung: Der König hat seinen Neffen Friedrich vergiften lassen. – Antwort: Obgleich es nicht nothwendig erscheint, auf eine so nichtswürdige und offenbar grundfalsche Beschuldigung irgend etwas zu erwiedern; so ist doch der König bereit (um der Dummen und des gemeinen Volks willen, welches leichtgläubig oft das Thörichtste nachspricht und annimmt) alles dasjenige, was ihm in dieser Beziehung irgend vorgeworfen wird, in strengster Form zu widerlegen und dessen Lügenhaftigkeit vollständig zu erweisen.

Vierte Beschuldigung: Der König hält seinen Bruder Heinrich gefangen. – Antwort: Der König hat ihn nie gefangen gehalten, sondern stets geehrt und geliebt, so wie er ihn noch ehren und lieben würde, wenn ihn Gott nicht von dieser Erde abgefordert hätte.

Fünfte Beschuldigung: Der König hat viele Güter von Kirchen und Orden eingezogen, besetzt eigenmächtig geistliche Stellen und hindert die rechtmäßig Erwählten zu ihren Pfründen zu gelangen. – Antwort: Der König leugnet diese Beschuldigung, und ist bereit jedem, der den Beweis einer ungebührlichen Verletzung führt, sein Recht zukommen zu lassen. Nur von dem alten unzweifelhaften Herkommen, wonach der König erledigte Pfründen bis zur Wiederbesetzung in Verwaltung nimmt, hat er Gebrauch gemacht; ist aber bereit dieser Begünstigung zu entsagen und sich mit den Rechten zu begnügen, welche die Könige von England und Frankreich in dieser Hinsicht ausüben.

Sechste Beschuldigung: Der König hat im apulischen Reiche, welches vom römischen Stuhle zu Lehen geht, so viel gegen diesen gethan und so viel Gräuel verübt, daß 347 {1254} es ihm genommen werden muß. Er hat nicht minder vieles gegen die Würde des römischen Kaiserreiches unternommen. – Antwort: Keineswegs hat der König in seinem ererbten, angestammten Reiche etwas gegen die römische Kirche unternommen oder gar gegen seine Unterthanen gefrevelt, sondern in aller Gerechtigkeit regiert. Eben so wenig ist er je der Würde des römischen Reiches uneingedenk gewesen; sondern behauptet dieselbe, als rechtmäßig erwählter Herrscher, gegen jedermann.

Im allgemeinen endlich leugnet der König, daß der Papst ihn über vorstehende Punkte zur Untersuchung ziehen dürfe, und daß, bei seinem überall anerkannten guten Rufe, das Geschrei einzelner Verleumder hinreichenden Grund zu einer Anklage abgebe. Die Erfahrung, daß sich Engel der Finsterniß scheinbar gar leicht in Engel des Lichts verwandeln und in dieser angenommenen Gestalt ungebührliches vollbringen, hält ihn mit Recht ab ohne weitere Sicherheit und Bürgschaft, seine Rechte und sein Schicksal unbekannten Händen zur Entscheidung anzuvertrauen.

Bei so entgegengesetzten Ansichten, Forderungen und Vorwürfen konnte man zu keinem Vergleiche kommen; doch bewilligte Innocenz auf Bitten der Grafen von Savoyen und Montfort, dem Könige eine neue FristRaynald §. 41. bis zum 19ten März 1254. Aber schon im Herbste des Jahres 1253 hatte diesen ein Fieber ergriffen, welches sich der Jahreszeit und des Klimas wegen, in die Länge zog und nach scheinbarer Hebung immer wieder zurückkehrte. An diesem Fieber starb Konrad, trotz aller gebrauchten Vorsicht, den 21sten Mai 1254, im sechsundzwanzigsten Jahre seines Alters. Sogleich traten wiederum Gerüchte hervor, auch dieser Todesfall sey nicht natürlich, und während ein SchriftstellerMath. Paris 600. andeutet, daß Konrad den Papst in Verdacht gehabt habe, werfen andere die Schuld auf Manfred. Eben so uneinig sind sie darüber, ob klein gestoßene, ins Getränk gethane 348 {1254} Diamanten, oder ob ein vergiftetes Klystier den Tod herbeigeführt habeDurch Getränk vergiftet nach der Hist. Sicula 780. Durch Klystier, Villani VI, 44, Malespini 146, Memor. Regiens. 1118.  Siehe noch App. ad Malaterr. Guil. Tyr. 735.  Chron. Udalr. August.  Auct. incert. ap. Urstis.  Simon. Montf. chron. zu 1251.  Monach. Patav. 689.  Barthol. ann.  Estense chron.  Patav. chron. 1140.  Ricobaldi hist. imper. 132.  Saba Malasp. 790.  Jamsilla, der gewiß am besten unterrichtet war, sagt S. 507 nichts von einem gewaltsamen Tode.; ja einer erwähnt (wahrscheinlich Friedrich II und Konrad IV verwechselnd) noch einmal des Erstickens durch Kissen. Um endlich den Ruf eines andern, den Feinden der Hohenstaufen verhaßten Mannes bei dieser Gelegenheit auch noch zu beflecken, wird angeführt: daß der heldenmüthige Johann von Procida, Manfreds Helfershelfer bei der Giftmischerei gewesen sey! Eine genaue Vergleichung all dieser Nachrichten ergiebt deutlich, daß unbestimmte Sagen und Vermuthungen allmählich bestimmter nachgesprochen wurdenSalimbeni 407, 413., bis man sie für Gewißheit hielt; und bei einigen Zusätzen, wie in Bezug auf Johann von Procida, kann selbst der, den Hohenstaufen durchaus feindlich gesinnte Salimbeni das fertur »man sagt« nicht unterdrücken. Gleich darauf erzählt er aber sehr zuversichtlich: Konrads Leiche sey von den Bürgern Messinas ins Meer geworfen worden; da sie doch der Wahrheit nach daselbst feierlich beigesetzt ward, und das errichtete Denkmahl erst fünf Jahre späterGaetani I, 1, 46.  Capacelatro II, 12.  Mongitore Sicilia I, 183., mit der ganzen Kirche, bei einer zufällig ausgebrochenen Feuersbrunst verbrannte. Andere Forscher haben zur Genüge auch diese Vergiftungsgeschichte geprüft und widerlegtNuova Raccolta V, 50-84.; wir müssen jedoch eine zeither unbekannt gebliebene Nachricht um so mehr mittheilen, da sie unsere Ansicht zu schwächen scheint.

Derselbe unbekannte Geschichtschreiber, welcher (wie wir oben sahen) an einer Stelle Konrad, an der andern 349 {1254} Manfred als Urheber des Todes ihrer Neffen bezeichnet, und die Geschichte von Heinrich und dem Falken erzähltChron. Imper. et Pontif. Laurent., fährt fort: Manfred und der Markgraf von Brandenburg schrieben dem Könige von England, daß Konrad dessen Neffen umgebracht habe und sie in Gefahr ständen, ein gleiches Schicksal zu erleiden. Sie wollten daher jenes Tod rächen und sich nöthigenfalls mit Gewalt sichern. Der König möge hierüber seine Gesinnungen darlegen und wissen lassen ob er ihnen, im Falle des Mißlingens, eine Zuflucht gewähren wolle. Diese Schreiben kamen aber, weil der Bote in Verona erkrankte und starb, in die Hände des Markgrafen Palavicini, welcher sie dem Könige Konrad mittheilte. Ohne sich weiter zu äußern, entfernte dieser hierauf Manfreds bisherige Freunde und umgab ihn mit Personen, welche ihn unter dem Scheine der Theilnahme bewachten. Ahnend, daß sein Geheimniß verrathen sey, beschloß Manfred hierauf seinen Bruder umzubringen. Das Vorstehende, so erzählt der Chronist, habe er von den Boten, die jene Briefe an Konrad brachten, selbst gehört; außerdem werde aber noch berichtet: daß Manfred und der Markgraf von Brandenburg nach dem Erkranken Konrads dem Arzte riethen, er möge dessen Tod beschleunigen. Hierauf habe der Arzt geantwortet: »fürchtet euch nicht, er kann nicht länger leben, und alle ärztliche Hülfe ist an ihm verloren.« Ob er nun aber erstickt, oder vergiftet, oder mit einem Klystiere getödtet worden, sey ungewiß.

Zur Würdigung dieser Nachrichten erinnern wir nur an folgendes: niemand glaubte in England, daß Konrad seinen Neffen habe umbringen lassen; die Freunde Manfreds wurden bereits vor dem Tode des jüngern Heinrich von ihm entfernt; Palavicini herrschte nicht in Verona; die Boten waren gewiß nicht von dem geheimen und geheim bleibenden Inhalt der Briefe unterrichtet; kein Markgraf von Brandenburg hielt sich damals in Italien aufMarkgraf Otto war im Julius 1252 in Salzwedel, Markgraf Johann im Julius 1253 in Spandau, und keiner ging nach Italien. Gerken cod. V, 78; VI, 563.  Wenn man auch (wozu ich geneigt wäre) Markgraf von Hohenburg statt Markgraf von Brandenburg lieset, wird die Erzählung doch im wesentlichen nicht wahrscheinlicher.; die 350 {1254} Antwort des Arztes bezieht sich bloß auf eine natürliche Gefahr, – und der Chronist gesteht zuletzt selbst: er wisse nicht, ob der König unnatürlichen Todes gestorben seyAn gestoßenen Diamanten stirbt keiner, und ein Klystier cum pulvere dyagridii (Saba Malasp. 790) giebt man ohne Schaden noch jetzt; also mögen gewöhnliche Mittel, da sie nicht halfen, wohl mißgedeutet seyn. Siehe die zweite Note des folgenden Hauptstücks.. Wenn indeß diese leicht weiter auszuführenden Andeutungen bei manchem den Glauben an vorgefallene Frevel nicht vertilgen können; so sehen wir darin nur jene, in der Geschichte der HohenstaufenZ. B. bei der Empörung Heinrichs VII, dem Falle Peters von Vinea u. a. m. öfter wiederkehrende Schickung, daß bedeutende Ereignisse dem Zweifler nicht bis zu voller Schuld, oder voller Lossprechung erwiesen zu seyn scheinen; wodurch die Theilnahme um so lebendiger, das Gefühl um so schmerzlicher, die Entwickelung um so tragischer wird. Aber auch abgesehen von dieser zufälligen oder künstlichen Steigerung, sind die Todesfälle Heinrichs VI, Philipps und Konrads in der Blüthe ihrer Jahre, nicht voll tiefer Bedeutung? Und beruht nicht auf diesem vielfachen Zerreißen und Zernichten ihrer Bahnen die Gestaltung einer halben Welt? So wie nach dem Tode Philipps von dem reichen Geschlechte der Hohenstaufen allein noch der Knabe Friedrich II lebte; so war jetzo unter den Ebenbürtigen allein der zweijährige Sohn König Konrads übrig: Konrad der jüngere, von den Italienern Konradin genannt. 351

 


 


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