Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 4
Friedrich von Raumer

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Siebentes Buch.

Fortsetzung von der Schlacht bei Kortenuova bis zum Tode Friedrichs II.

(Von 1238 bis 1250.)

 

Zwölftes Hauptstück.

{1238} Daß die lombardischen Angelegenheiten eine Wendung genommen hatten, die des Kaisers Macht erhöhte, Palästina und Griechenland in den Hintergrund stellte und den innerhalb der Christenheit überall zu erhaltenden Frieden störte, mußte dem Papste, sowohl in Hinsicht seiner Rechte als einer Pflichten, sehr unangenehm seynConcil. XIII, 1152.. Deshalb schrieb er an den Kaiser: »auch jetzt werde er gewiß noch mehr durch Milde, als durch Gewalt und Schrecken ausrichten,« und suchte seine Macht aus Italien hinweg, nach dem Morgenlande zu lenken. So gern Friedrich aber auch der üblen Lage Palästinas abgeholfen hätte, beharrte er doch darauf, daß erst das Nöthigere in Italien abgethan seyn müsse; und noch weniger stimmten seine und des Papstes Ansichten in Beziehung auf das lateinische Kaiserthum überein. Aus dessen Geschichte müssen wir hier, zu besserer Übersicht folgendes einschalten.

Der erste Kaiser Balduin starb in bulgarischer Gefangenschaft, der zweite, Heinrich, wahrscheinlich an Gift, der 4 dritte, Peter von Kourtenay, in der Haft Theodors des Komnenen, der vierte, Robert, war schwachen Geistes, muthlos und von schlechten Sitten; so daß der Vorschlag wiederholt wurde: das Reich ganz aufzugebenPipin. 40.. Dem die Zerrüttung im Innern, der Haß der Griechen, der Übermuth der Nachbarn, das Unglück in der herrschenden Familie, die Gleichgültigkeit des Abendlandes, mache dies vermeintliche, oft auf die einzige Hauptstadt beschränkte Kaiserthum zu einem Gegenstande bloßen Jammers und Elendes. Dennoch fiel, nach Roberts im Jahre 1228 erfolgtem Tode, der Beschluß dahin aus: dessen Bruder Balduin, einen Knaben von zehn Jahren, auf den Thron zu setzen und ihn mit der Tochter des übermächtigen Königs der Bulgaren, Atzen oder Asan, zu vermählen. Diesen Vorschlag hintertrieben aber mehre Barone, welche den künftigen Einfluß des Bulgaren fürchtetenDandolo 346., und knüpften lieber Unterhandlungen mit dem Könige Johann von Jerusalem an, welcher damals mit seinem Schwiegersohne, dem Kaiser Friedrich, zerfallen war. Dieser Umstand beschleunigte den Abschluß folgenden Vertrags vom 7ten April 1229Reg. Greg. IX, VIII, 8-25.  Guil. Nang. chron. zu 1234.  Miraei op. dipl. I, 513, Urk. 99.: »Balduin heirathet Johanns Tochter Martha und steht bis zum zwanzigsten Jahre unter dessen Vormundschaft. Alsdann erhält er alle Besitzungen in Asien, als Lehnsmann Johanns; wogegen dieser auf Lebenszeit Kaiser bleibt, selbst wenn jene Heirath nicht zu Stande käme oder Balduin früher stürbe.«

So viel mußte man bei der traurigen Lage des Reichs und der zeither schwankenden Erbfolge bewilligen, um nur einen tüchtigen Mann zur Annahme so schwerer Verpflichtungen zu bewegenReg. Greg. V, 252, 256.  Guil. Tyr. 701.  Du Fresne hist. III, 14-25.. Mancherlei Hindernisse verzögerten jedoch Johanns Abfahrt aus Italien bis in den August des 5 Jahrs 1231, und auch nach seiner Ankunft in Konstantinopel entsprach er den Erwartungen nicht, sondern zeigte sich geizig und unthätig. Erst als Asan und Vatatzes, der Kaiser von Nicäa, sich vereinigten und Konstantinopel im Jahre 1235 umlagerten, erwachte sein Muth, und durch die höchste und löblichste Anstrengung und Tapferkeit rettete er die Hauptstadt. Aber sonst war den Feinden nichts abzugewinnen; weshalb Balduin, Hülfe suchend, nach dem Abendlande eilte und vom Papste die dringendsten Empfehlungen an alle Könige und Fürsten erhielt. Den freundlichsten und ehrenvollsten Empfang fand er bei Ludwig IX und dessen Mutter Blanka. Durch ihr Vorwort und durch eigene Thätigkeit brachte er eine bedeutende Anzahl Krieger zusammen, welche sich aber größtentheils wiederum zerstreuen, als die Nachricht einliefRich. S. Germ. zu 1237.  Math. Paris 300.  Hist. suscept. coronae spineae Christi 409.  Alberic. 564.: Kaiser Johann sey im Julius 1237 gestorben und habe das Reich in der gefahrvollsten Lage hinterlassen. Für Balduin hingegen mußte dies ein Sporn zu neuen Anstrengungen seyn; auch gelang es ihm nochmals, viele dahin zu bringen, daß sie unter der Führung Johanns von Bethüne, von Venedig aus nach Konstantinopel übersetzen wollten. Kaum aber waren sie im Frühlinge des Jahres 1238, kurz vor der Vermählung Ezelinos, in der Lombardei angekommen, so ließ der Kaiser Johann von Bethüne gefangen nehmen und behielt ihn als Geißel für die übrigen, deren Zug er nicht länger verhindern konnte oder wollte.

Zu jener Maaßregel wurde Friedrich durch mehre Gründe bestimmt: erstens, wollte er die Rechte zweier Söhne seines Schwiegervaters wahrnehmenPetr. Vin. IV, 15. und an ihre Ansprüche vielleicht eigene anreihen; zweitens, hatte Vatatzes, der Hauptgegner des lateinischen Kaiserthums, schon früher seine Tochter geheirathetNavagiero setzt p. 992 die Heirath auf 1235., mit ihm einen Bund geschlossen und sich, 6 {1238} gleich dem Bulgaren Asan, erboten ihm die Huldigung zu leisten, sobald die Franken aus Konstantinopel vertrieben wären. Als nun Balduin seinerseits die Übernahme einer solchen Lehnsverpflichtung ablehnte, erfolgte jene Verhaftung Bethünes und der Befehl: niemand solle aus kaiserlichen Häfen zur Unterstützung der Franken nach Konstantinopel übergeschifft werdenDu Fresne hist. IV, 8-11..

Der Papst, welcher seit Jahren mit unermüdlichem Eifer für das lateinische Kaiserthum gewirkt, den Vatatzes, ob seiner beharrlichen Ablehnung einer Kirchenvereinigung, gebannt und Kreuzpredigten gegen ihn angeordnet hatte; sah in diesem Verfahren Friedrichs offenbare Feindschaft, und ließ es im Frühjahre 1238 an Klagen, Warnungen, Drohungen und an Aufforderungen zu einem Kreuzzuge nicht fehlenSchreiben vom 17ten März bei Raynald §. 25.. Der Kaiser ging aber, aus den bereits erzählten Gründen, auf die letzten Weisungen gar nicht ein und äußerte: wenn der Papst wider den Willen der Griechen, Oberhaupt der griechischen Kirche seyn wolle; so habe er, der Nachfolger der altrömischen Kaiser, wohl noch weit mehr Recht, mit Beistimmung der Griechen, höchstes Oberhaupt ihres Staats zu werden. Nur dem Johann von Bethüne gab Friedrich, damit er den Schein übertriebener Feindschaft vermeide, die Freiheit wieder. Allein ehe jener mit Nachdruck einwirken konnte, starb er in Venedig; und nunmehr zerstreuten sich die, ihres Führers beraubten, von Gelde entblößten, der Zögerung ungeduldigen, Kreuzfahrer größtentheils. Hierüber äußerst betrübt eilte Balduin II, nach dem Rathe des Königs von Frankreich, im August 1238 zu dem Papste und bat ihn: er möge milde gegen Friedrich verfahren, weil offenbar bloß die Spannung zwischen ihnen beiden jene harten Maaßregeln gegen die Kreuzfahrer veranlaßt habe.

Es waren aber seitdem mehre Ereignisse eingetreten, welche jene Spannung eher erhöhten, als verminderten.

7 {1238} Der Kaiser beharrte bei seiner Ansicht über die Lombarden. Sie war weder so weise, als Schmeichler, noch so vortheilhaft, als Eigennützige behaupteten; doch erscheint es nicht unnatürlich, daß sie sich in ihm befestigte, da sogar Salimbeni, einer seiner heftigsten Feinde und in der Regel ein großer Lobredner der Lombarden, von diesen sagt: »sie sind sehr unzuverlässig und zweideutig, reden anders und handeln anders und entschlüpfen, gleich wie die Aale, um so eher, je fester man sie zu halten glaubtObliqui enim sunt valde et lubrici, dum aliud loquuntur et aliud agunt, ut si velis anguillas aut murenulas strictis tenere manibus, quanto fortius presseris, tanto citius elabitur. Salimbeni 352..« Nur hätte Friedrich nicht den Schein nutzloser Unerbittlichkeit und finsterer Grausamkeit auf sich laden sollen; während er auf anderem Wege mehr erreichen konnte, und es keineswegs an einleuchtenden Gründen für die ächten Zwecke fehlte. Merkwürdig sind in dieser Hinsicht folgende, einem öffentlichen Schreiben des Kaisers entnommene ÄußerungenPetr. Vin. III, 76.: »Wie sehr die Rechte des Reichs durch den Wechsel der Zeiten niedergetreten und erdrückt sind, wie sehr dessen Ruhe ehemals und leider noch jetzo gestört ist: das hat jeder, welches öffentliche Amt er auch bekleide, ja welches Standes er irgend sey, durch Verlust an Gütern und durch Beleidigungen seiner eigenen Person erfahren und erfährt es noch ohne Unterlaß. Nicht unnatürlich leiden aber die Glieder mit dem Haupte, ohne dessen Unverletztheit (wie ihr nun aus der Erfahrung wißt) die kunstreiche Zusammenfügung jener Glieder nie unbeschädigt bleiben kann; ja eine Abhülfe ihrer Leiden läßt sich gar nicht erwarten, ohne Herstellung des Hauptes, von welchem jede Kraft erst Festigkeit und Leben erhält. In solche Lage ist das Reich, in solche Lage sind die Unterthanen durch Unrecht aller Art gekommen, daß es uns oft rathsam erscheinen muß, unerlaubte Ausschweifungen, welche selbst vor unsern Augen geschehen, ungerügt 8 {1238} zu lassen und davon hinwegzusehen; ja, was noch viel unerträglicher ist, daß wir, um größern Gefahren auszuweichen, das zu thun gezwungen werden, was wir nicht wollen.«

Solchem, für einen Kaiser unerträglich bittern Zwange sollte nun der Krieg ein Ende machen; welcher indeß mit weit mehr Schwierigkeiten verbunden war, als Friedrich anfangs glaubte. Denn obgleich er überall die Oberhand im freien Felde hatte, und von bedeutendern Städten fast nur Bologna, Piacenza, Mailand und Brescia widerstanden; so wurden doch eben dadurch vier Belagerungen nöthig. Dem Kaiser fehlte es aber an Gelde, um Söldner lange zu bezahlen, oder bei guter Laune zu erhalten; und noch weniger Lust hatten die Lehnsmannen, über ihre eigentliche Dienstzeit zu verweilen; wogegen die Bürger ausdauern wollten, oder ausdauern mußten. Ferner waren in jener Zeit die Mittel und die Kunst der Vertheidigung den Mitteln und der Kunst des Angriffs überlegen. Endlich reichte Friedrichs Macht auf keine Weise hin, jene ungehorsamen Städte gleichzeitig zu umlagern; so daß, bei der Richtung des Angriffs auf einen Punkt, immer so gefährliche als thätige Feinde im Rücken blieben.

Ungeachtet dieser Schwierigkeiten mußte nun aber ein Entschluß gefaßt werden, und da Bologna zu entfernt, Piacenza durch den Po geschützt und vereinzelt lag, so blieb nur die Wahl, ob man Mailand oder Brescia belagern wolle, welche Städte in näherer Verbindung mit einander standen.

Für die Belagerung Mailands sprach: daß die Einnahme dieser Stadt den Widerstand der übrigen auf eine entscheidende Weise brechen und den Krieg beendigen werde: allein das Unternehmen erschien auf der andern Seite sehr schwer, und der Ausgang sehr zweifelhaft. Wenn dagegen das minder mächtige und weniger befestigte Brescia erobert und Mailand ringsum von kaiserlichen Städten eingeschlossen sey, werde es sich, wo nicht zur Unterwerfung, doch zur Unthätigkeit gezwungen sehn. Auch mochte Ezelin für 9 {1238} diesen Beschluß eifrig gestimmt haben, weil er hoffen konnte Brescia unter seine Botmäßigkeit zu bekommen, nie aber Mailand.

Vor dem Anfange der Belagerung schrieben die den Kaiser begleitenden Fürsten an die Einwohner von BresciaHahn litt. princ. No. XIX.: »die unglücklichen Spaltungen hätten dem Ganzen wie den Einzelnen nur zu sehr geschadet. Jetzt sey endlich der Kaiser mit hinreichender Heeresmacht erschienen und habe fast im ganzen Lande Ordnung hergestellt, den Gehorsamen Recht und Gnade bewilligt und den hartnäckig Ungehorsamen die gebührende Strafe angedroht. Diesen Beschluß würden die gegenwärtigen und abwesenden Fürsten auf alle Weise mit ihrem jetzigen und künftigen Besitzthum unterstützen; ja die weltlichen Fürsten würden eher Weiber und Kinder nach Italien kommen lassen, als jemals den Vorsatz aufgeben, Feinde des Reiches zu demüthigen. Bei so dringender Gefahr möchten sich die Bürger ihrem natürlichen Herrn dem Kaiser unterwerfen und bedenken, daß man ungerechte, die beschworne Treue aufhebende Verbindungen nicht gegen ihn anführen dürfe; sie möchten, ehe größeres Unglück einbreche, die Vermittelung der Fürsten annehmen und überzeugt seyn, daß sie auf freundlichem Wege gewiß alles erlangen würden, was irgend zu ihrer Erhaltung und zur Besserung ihres Zustandes diene.«

Also nur in Beziehung auf die Mailänder, als die Hauptempörer, wies der Kaiser den Weg eines freien Vertrages zurück; aber auch Brescia wollte sich lieber den größten Gefahren aussetzen, als seine Verbündeten durch einseitigen Friedensschluß preis geben.

Deshalb umlagerte Friedrich, nachdem aus Apulien und unter König Konrad aus Deutschland Verstärkungen angelangt waren, am dritten August 1238 die Stadt: allein die Bürger vertheidigten sich unter Anführung ihres Podesta Oberto de Iniquitade aus PiacenzaPoggiali V, 190., so vortrefflich, daß 10 {1238} die Kaiserlichen fast gar keine Fortschritte machten und die oben angedeuteten Übel allmählich eintraten. Viel erwartete der Kaiser von einem spanischen Baumeister, der ihm das Kriegszeug errichten sollte: er fiel aber in die Hände der Brescianer und wurde von ihnen gewonnen oder gezwungen, mit großem Erfolge gegen die Belagerer zu wirken. Aus Ungeduld und Zorn kamen beide Theile bis zu grausamen Mitteln: so befestigten die Brescianer kaiserliche Gefangene an den bedrohtesten Stellen der StadtmauerMalvec. 911.  Memor. Regiens. 1109.  Johann. de Mussis zu 1238.  Estens. chron.  Monach. Patav. 677., und wiederum ließ Friedrich Gefangene an seine hölzernen Belagerungsthürme binden, um diese vor den Geschossen zu sichern. Allein die Gebundenen riefen ihren Mitbürgern zuÄhnliches geschah unter Friedrich I bei der Belagerung von Crema. S. oben Bd. II, 120.: »gedenket der Bündnisse, der Freiheit, des Ruhms!« Auch hielt die Wechselfurcht nicht lange vom Schießen ab, und ob man sich gleich hütete die Befreundeten zu treffen, starben doch wohl manche als Opfer für ihre Partei.

Zu derselben Zeit ward Alessandria von den Kaiserlichen, Pavia und Bergamo von den Mailändern und Placentinern angegriffenPetr. Vin. II, 39.  Mutin. annal. 2781.  Mediol. ann.; beides ohne entscheidenden Erfolg. Bologna bekriegte Modena und gewann die Burg CiglianoBonon. hist. misc.  Alberic. 566.; der Bischof von Lüttich schlug von Cremona aus die Placentiner und nahm beinahe tausend gefangen. Am wichtigsten und mannigfachsten waren endlich die Fehden zwischen Ezelin und dem Markgrafen von Este. Dieser hatte im Einverständniß mit einem Theile der Bürgerschaft und mit Jakob von Karrara den Plan gemacht, am 13ten Julius 1238 das wichtige Padua zu überfallen. Schon war ein Theil ihrer Soldaten in die Stadt eingedrungen, schon fanden sie hier bedeutende Unterstützung, und die Deutschen wollten, trotz Ezelins Befehle, nicht fechten: dennoch verlor dieser 11 {1238} die Fassung nicht, sondern griff mit wenigen Getreuen seine Feinde an, welche, auf gar keinen Widerstand gefaßt, so erschraken, daß sich alle auf die Flucht begaben, Azzo kaum durch die Schnelligkeit seines Pferdes Rettung fand, Jakob von Karrara aber gefangen wardEzelin entließ ihn erst aus der Haft, als er Karrara abtrat und Treue versprach.. In den weitern Fehden konnte jedoch Ezelin so wenig entscheidend die Oberhand bekommen, daß er dem Kaiser schrieb: »er möge ihm, seinem treusten Anhänger, zu Hülfe eilen und den Markgrafen, als das Haupt aller Widersacher treffen; dann würden sich die übrigen Glieder leicht binden lassen.«

Friedrich belagerte jetzt Brescia schon in den dritten Monat ohne Erfolg. Die Mannschaft, welche ihm der König von England und der Graf von Toulouse überließen, hatte ungeachtet aller Tapferkeit nichts entschiedenAuch den König von Kastilien ersuchte Friedrich nach der Schlacht von Kortenuova um Hülfe, und erbot sich zu ähnlichen Diensten.  Martene coll. ampliss. II, 1150.; wogegen die Ausfälle der Bürger so heftig und der längere Aufenthalt während des regnichten Herbstes, so ungesund und beschwerlich wurde, daß die Angreifenden einen Waffenstillstand bewilligen und am neunten Oktober nach Cremona zurückgehen mußtenMalvec. 911.  Math. Paris 319.. Dies hob den Ruhm Brescias und den Muth aller offenbaren und heimlichen Feinde des Kaisers.

Noch hoffte er indeß auf den glücklichen Ausgang eines Plans, das mächtige Genua, und hiemit den ganzen nordwestlichen Theil Italiens für sich zu gewinnen. Gesandte überreichten dem versammelten Rathe kaiserliche Schreiben und fügten hinzu: wie milde Friedrich alle seine Unterthanen behandele, wie trefflich er im sicilischen Reiche regiere, und wie nützlich er auch den Genuesern seyn 12 {1238} würde, wenn sie ihm den Eid der Treue und der UnterwerfungJuramentum fidelitatis et dominii.  Barthol. ann. zu 1238, p. 479. leisteten. Schon war die Mehrzahl des Rathes für diesen Antrag gewonnen, als einige hievon benachrichtigte Bürger, an ihrer Spitze Fulko Guercius, herbeieilten und erklärten: »ein so wichtiges Geschäft dürfe keineswegs von dem Rathe und wenigen Beisitzern abgemacht werden; es gehöre vor die gesammte Bürgerschaft.«

Als nun diese, zum Verdrusse der kaiserlichen Gesandten, vom Podesta berufen und der Vorschlag nochmals geprüft wurde, kam es zu dem Beschlusse: »man wolle dem Kaiser keinen Eid leisten, sondern die Stadt gegen etwanige Angriffe befestigen.« So mißlang Friedrichs Plan im Augenblicke der Ausführung, nach genuesischen Berichten durch seine Schuld: weil die in schädlicher Übereilung gewählten Ausdrücke und die in falschem Selbstvertrauen gemachten Forderungen, in einer freiheitliebenden Stadt den größten Anstoß geben mußten. Diese genuesische Darstellung wird aber ganz unbegreiflich, wenn man das, auf anderem Wege zu uns gekommene, kaiserliche SchreibenHahn litterae princ. No. XXI.  Jacob. a Voragine chron. Jan. 47. lieset. Dasselbe lautet nämlich so zuvorkommend und höflich, so dankbar für frühere Dienstleistungen, so milde in Hinsicht der Zukunft, daß sich aus demselben, wenigstens gar kein gegründeter Anstoß hernehmen läßt. Da findet sich endlich, daß der genuesische Berichtserstatter las: »der Kaiser verlangt den Eid der Treue und der Unterwerfung« (fidelitatis et dominii); wo der Kaiser schrieb: »er verlange den Eid der Treue und der Lehnshuldigung (fidelitatis et hominii);« welche Forderung gar nicht neu und außerordentlich war. Und an diesen Lese- Schreib- oder Erklärungsfehler scheinen die Feinde des Kaisers ihren Widerspruch siegreich angeknüpft zu haben.

13 {1238} Weit wichtiger als diese Unterhandlungen waren die, welche gleichzeitig mit dem Papste geführt wurden. Der Sieg bei Kortenuova mochte manchem Freunde der Kirche viele Besorgnisse erregen: allein Gregor, der keine Furcht kannte und nie durch bloß weltliche Berechnungen und Rücksichten bestimmt wurde, ergriff deshalb keine Maaßregeln wider den Kaiser. Auch konnte er ihn den Lombarden gegenüber nicht als den Schuldigen verdammen, oder ihn unmittelbarer und erheblicher Beleidigungen der Kirche überführen. Daher erneuten sich im August 1238 die Unterhandlungen in Rom, und wären (obgleich Friedrich glaubte, daß Gregor in der Lombardei gegen ihn wirke, und dieser neue Unruhen der Römer kaiserlichem Einflusse zuschrieb) durch die geschickten Unterhändler wohl zu einem glücklichen Ausgange geführt worden, wenn nicht ein neues, den Papst und seine Rechte unmittelbar verletzendes Ereigniß dazwischengetreten wäre.Die Erzbischöfe von Palermo und Messina, der Bischof von Reggio und der treffliche Großrichter Thaddäus von Suessa, waren Friedrichs Bevollmächtigte.  Rich. S. Germ. 1039.  Regesta Frid. II, 332.

Schon seit uralter Zeit nahm die römische Kirche die Inseln Korsika und Sardinien in Anspruch, und bezog sich, zur Unterstützung desselben, bald auf die Schenkungen Konstantins und Pipins, bald auf neuere unleugbare Erwerbstitel. So unterwarf sich KorsikaLimperani II, 1-79.  Orig. guelf. I, 593.  Ristr. cronolog. IV, 21. im Jahre 1077 an Gregor VII. welcher auch Lehne daselbst ertheilte, obgleich keineswegs alle Einwohner gutwillig seinen Befehlen gehorchten. Bald nachher, als Pisa und Genua über die Insel in Streit geriethen, verfuhren die Päpste als Lehnsherren und Schiedsrichter; fanden aber jetzt bei den italienischen Handelsstaaten so wenig unbedingten Gehorsam, als früher bei den Ureinwohnern Korsikas.

Noch bestimmter traten aus ähnlichen Gründen die 14 {1238} päpstlichen Ansprüche auf SardinienÜber die Ansprüche Hadrians IV, und die Belehnung Pisas mit Sardinien durch Innocenz II, siehe Buch IV, S. 110, 188. hervor. Innocenz III äußerteInnoc. III epist. III, 35.  Reg. Hon. III, Jahr I, Urk. 305, 413; J. II, Urk. 749–752; J. III, Urk. 117, 119.  Rayn. zu 1217, §. 86; zu 1218, §. 31.: der römische Stuhl habe die Herrschaft, die Gerichtsbarkeit und das Eigenthum dieser Insel. Dasselbe wiederholend verlangte Honorius III: daß Pisa und Genua von ihren dortigen Besitzungen den Lehnseid leisten und Zins zahlen sollten, und hob den über die erste Stadt deshalb ausgesprochenen Bann erst auf, als sie im Jahre 1217 gehorchte. Bald daraufIm Jahre 1220.  Reg. Honor. J. IV, Urk. 177. nahm er Marianus, den Großrichter der Landschaft Torre und dessen Sohn Bariso in Schutz, und bestätigte ihre Anrechte. Vier Jahre nachher erklärte Benedikta, die Beherrscherinn von Massa und Kagliari, urkundlich folgendes: »ich besitze alle meine Güter nur von der römischen Kirche und zahle ihr jährlich zwanzig Pfund SilberReg. Honor. J. IX, Urk. 344.. Niemand soll Richter, Beamter oder Burgvogt werden, welcher nicht dem römischen Stuhle Treue schwört. Über Krieg und Frieden entscheidet der Papst. Stirbt der Beherrscher oder die Beherrscherinn von Kagliari ohne Kinder, so fällt ihr Erbe, nur mit Ausnahme von einem Drittel der beweglichen Güter, an die römische Kirche. Wer diesen Vertrag übertritt, zahlt 2000 Pfund Strafe.« – Unbekümmert um Vertrag und päpstliche Einreden, setzte sich aber der Pisaner Hubald Viskonti in den Besitz von Kagliari, und heirathete Adelasia, die Erbinn von Gallura und Torre. Hierüber geriethen beide, und aus ähnlichen Gründen auch der Großrichter Peter von Arborea, in den Bann; welchen Gregor IX erst im Jahre 1237 lösete, nachdem sie ihm die vortheilhaftesten Bedingungen bewilligt hatten. Peter nämlich empfing seine Besitzungen vom Papste 15 {1238}zu Lehn, zahlte jährlich 1100 Byzantiner und setzte ihn für den Fall kinderlosen Todes zum Erben einMatthaei Sardin. 17.  Rayn. zu 1237, §. 16.  Murat. Antiq. Ital. VI, 12.. Hubald und Adelasia unterwarfen sich derselben Abhängigkeit, und auch diese vermachte, wenn sie keine Kinder hinterlasse, ihr Erbtheil der römischen Kirche. So anerkannt war die Oberhoheit des Papstes fast in der ganzen Insel, und so nahe war er daran, unmittelbarer Herr derselben zu werden. Da starb Hubald Viskonti im Jahre 1238, und vermachte seine Besitzungen durch Testament an Johann Viskonti, Sohn von Hubald ViskontiCartepec. di Cestello, Urk. 221.  Camici zu 1238, Urk. IX, S. 81.  Nach der Reg. Hon. III, J. V, 177, verglichen mit Alberic. 555, scheint Marianus von Torre der Vater Barisos und Adelasiens zu seyn, und Hubald (Balduin) deren Mann wird Herrscher, nachdem Bariso im Jahre 1235 von den seinen ermordet worden.. Wir müssen annehmen, daß dies sein eigener Sohn aus einer andern Ehe war, und vermuthen, daß er ihm nur sein Erbe, nicht das Erbe Adelasiens zusprach. Wenigstens tritt Johann nicht mit Ansprüchen auf das letzte hervor, und Adelasia erscheint als eine sehr reiche Wittwe, um deren Hand die Angesehensten zu werben nicht verschmähtenGazano I, 411.. Papst Gregor empfahl ihr einen eifrigen Guelfen aus der Familie Porkaria, und sie mochte anfangs auch wohl nicht abgeneigt seyn, ihn zu heirathen: sobald aber Kaiser Friedrich als Brautwerber für seinen mit einem edlen Fräulein erzeugten Sohn Enzius auftratRich. S. Germ. zu 1238.  Regest. Frid. II, 311, 321, 328.  Litterae princ. ap. Hahn. No. XXVI.  Inveg. ann. 595., überwog der Ehrgeiz und die Liebe zu dem äußerst schönen Jüngling. Sie reichte ihm im Oktober des Jahres 1238 ihre Hand, und Enzius nannte sich seitdem bald König von Torre und Gallura, bald König von Sardinien. Sobald der Papst hievon Nachricht bekam, erinnerte er den Kaiser an sein im Jahre 1213 abgelegtes Versprechen, der Kirche Sardinien 16 {1238} und Korsika erwerben und vertheidigen zu helfenMath. Par. 327.  Oben Buch VI, 304. und fügte, nach wiederholter Darlegung seiner Ansprüche und Rechte, mit zürnendem Nachdrucke hinzu: er sey nicht gesonnen diese beschränken zu lassen. Friedrich aber antwortete: »die Kaiser haben jene zum Reiche gehörigen Inseln in unglücklichen Zeiten verloren; ich dagegen habe, wie die ganze Welt weiß, geschworen alles vom Reiche Abgekommene wieder zu erwerben, und gedenke nicht in Erfüllung dieses Eides träge zu seyn.« Ferner erinnerte er an den Einfluß, welchen Friedrich I bei Erhebung Barisos zum Könige von Sardinien ohne Widerspruch ausgeübt hatteBuch IV, 187, 188., und benahm sich überhaupt so, daß Gregor einsah: es könne, bei gleich unbedingt hingestellten Ansprüchen des Reichs und der Kirche, von einer milden Vermittelung oder theilweisen Anerkennung nicht die Rede seyn. Und wiederum glaubte der Kaiser, er dürfe, wie in Hinsicht Mailands, von dem nicht abgehen, was seine und des Reiches Ehre erfordere; sonst wäre wohl die Klugheitsfrage: ob er nicht an der Freundschaft des Papstes mehr verliere, als er an dem unsichern Besitze Sardiniens gewinne, mit entscheidender Wichtigkeit in den Vordergrund getreten.

Unterdeß kehrte Gregor um die Zeit, wo die Belagerung von Brescia aufgehoben wurdeRich. S. Germ. 1039.  Math. Par. 340, 341, 352., trotz alles Widerstandes nach Rom zurück, verbot den Bewohnern der Mark Ankona dem Kaiser Beistand zu leisten, und ließ den Kardinalgesandten Gregor von Montelongo in Mailand öffentlich gegen ihn auftreten.

Nicht minder theilte er allen geistlichen und weltlichen Fürsten seine Beschwerden über den Kaiser mit, und gab einer neuen Gesandtschaft, welche dieser nach Rom schickte, den Bescheid: der Kaiser möge sich in Betreff der Lombarden, so wie schon früher dem päpstlichen Ausspruche 17 {1238} unterwerfen, oder doch mit jenen einen vierjährigen Waffenstillstand schließen, damit während dieser Zeit dem heiligen Lande geholfen werde. Hierauf antwortete Friedrich höchst wahrscheinlich nur ausweichend, glaubte aber doch den Papst zu beschwichtigen, indem er am achten December 1238 dem Kaiser Balduin II mit seinen Kreuzfahrern freien Durchzug durch alle von ihm abhängige Länder gestatteteDu Fresne hist. IV, 16, 17.  Rayn. zu 1233, §. 37., und an Gregor selbst schrieb: daß er in der gewissen Hoffnung auf baldige Herstellung des Friedens, ernstlich an einen Kreuzzug denke. Wenige Wochen nachher brach Friedrich, der schon erwähnten Einladung Ezelinos gemäß, von Cremona auf, und erreichte über Verona und Vicenza am 24sten Januar 1239 die Stadt Padua.

Alles war hier zu seinem Empfange aufs herrlichste vorbereitet. Ezelin eilte ihm mit den Rittern entgegen, die ganze Bürgerschaft stand in wohlgeordneten Reihen zur Seite, die schönsten Frauen schlossen sich im ausgewähltesten Schmucke, auf geschickt gelenkten Pferden, dem Zuge an und umringten den Kaiser. Überall ertönten Zymbeln und Posaunen, Zithern und freudige Gesänge. Nicht weniger Aufmerksamkeit erregten und verdienten die Schaaren der Krieger, unter denen man Lombarden, Apulier, Deutsche und Saracenen, ja sogar einige Griechen und andere Ausländer bemerkte. Als der Zug dem prachtvoll gezierten Fahnenwagen der Stadt nahte, ergriff Heinrich Testa, ein Bürger Paduas, die Fahne, senkte sie vor dem Kaiser und sprach: »großmächtigster Herr, diese Fahne bietet euch die Bürgerschaft, auf daß ihr, durch die Macht der Krone eures Hauptes, Recht und Gerechtigkeit in Padua erhaltet.« So viele Zeichen der Theilnahme und der Aufmerksamkeit erfreuten den Kaiser sehr; er vergaß der so ernst über ihn einbrechenden Zeit, überließ sich seiner ursprünglich heitern Natur und sagte zu Ezelino: »wahrlich, weder diesseit, noch jenseit des Meeres, noch in irgend einem Theile der Welt, 18 {1239} habe ich ein so ritterliches Geschlecht, so schöne, in jeder Beziehung gewandte und gebildete, und doch so sittsame Frauen gesehenRoland IV, 9..« – Dieses Lob, aus dem Munde eines Kaisers, der zugleich ein solcher Kenner der Schönheit und Bildung war, erwarb ihm viele Freunde und Freundinnen, und gern verweilte er über zwei Monate in der Stadt. Doch verfloß diese Zeit keineswegs ohne ernste Geschäfte; insbesondere suchte Friedrich den Markgrafen Azzo von Este, durch mündliche Vorstellungen aller Art und durch Erinnerung an die Treue seines Vaters, für sich umzustimmen. Indeß gelang dies nur halb: denn dem Hause Romano nachzustehen, oder auch nur ihm nicht vorgezogen zu werden, galt dem Markgrafen für eine unerträgliche BeleidigungBonon. hist. misc.  Ricobald. hist. imper. 128.  Patav. chron. 1134..

Unterdeß kam der Palmsonntag, der 20ste März 1239 heran, und die an diesem Tage gewöhnlichen Feste, Wettrennen und Kämpfe wurden diesmal zu Ehren des Kaisers noch weit prächtiger und mannigfacher als sonst gehalten. Friedrich saß an einer eigens deshalb erhöhten Stelle, zeigte sich theilnehmend, freundlich und herablassend gegen jedermann, und sein Großrichter Peter von Vinea setzte den Bürgern in einer geschickten Rede, des Kaisers gerechte und wohlwollende Gesinnungen auseinander. Auch zeigte sich überall Freude und Jubel, Begeisterung, Liebe und Vertrauen. Nur einige lombardisch Gesinnte sprachen in stillem Ingrimme zu einander: »dieser Tag wird sich dem glückstrunkenen Tyrannen zum Jammertage wandeln: denn heute bannt ihn der heilige Papst in Rom und übergiebt ihn dem Teufel.« Niemand wußte, woher diese Rede ihren Anfang genommen; sie wuchs schnell zu vielzüngigem Gerüchte hinan, und warf schreckhaft ihre Todesschatten über das heitere Fest. Auch hatten die Urheber richtig geweissagt, oder waren insgeheim von des Papstes Beschlüssen unterrichtet.

19 {1239} Gregor nämlich hatte sich, unzufrieden mit des Kaisers ausweichenden Antworten, immer fester den Lombarden angeschlossen, Werbungen in dem Kirchenstaate immer strenger verhindert, und die Drohung laut ausgesprochenLitterae Pontif. ap. Hahn, No. 18.  Patav. chr. 673.: daß er, wenn Friedrich die Angelegenheiten des obern Italiens nicht seinem Schiedsspruche anvertraue, die härtesten Maaßregeln gegen ihn ergreifen werde. Desungeachtet that dieser nichts erhebliches um den Papst zufrieden zu stellen: entweder weil er geschickten Unterhandlungen ferner vertraute, oder seinem Rechte nichts vergeben wollte, oder endlich des Papstes offene Feindschaft für kein größeres Unglück hielt, als dessen schon längst eingetretenes heimliches Gegenwirken. Hiebei schlug Friedrich aber, zu sehr von seiner Persönlichkeit auf andere schließend, die Kraft geistlicher Waffen bei weitem nicht hoch genug an, und hätte um jeden Preis den doppelten, über alle und jede Kräfte hinausgehenden Kampf vermeiden sollen: den Kampf mit allen Gemüthern, die den Gehorsam gegen die bestehenden Gesetze der Kirche für schlechterdings nothwendig hielten; und mit allen denen, welche ihre Unabhängigkeit und eigene Gesetzgebung über alles schätzten. Selbst Venedig trat auf die Seite des Papstes: theils aus Dankbarkeit, weil er die Stadt mit Genua ausgesöhnt hatte, theils aus Furcht vor Friedrichs und Ezelinos Macht, theils in der Hoffnung, Besitzungen in Apulien zu erwerben. Der im Anfange des Jahres 1239 mit Gregor abgeschlossene BundDandolo 350.  Marin IV, 223.  Rayn. zu 1238, §. 74. setzte fest: »die Venetianer stellen halb auf ihre, halb auf des Papstes Kosten, 25 Galeeren, 300 Reiter, 2000 Fußgänger und 500 Schützen zum Kriege gegen den Kaiser. Der Papst nimmt sie in seinen besondern Schutz, tritt ihnen Bari und Salpi mit allen Hoheitsrechten ab, belehnt sie mit den Orten und Landschaften, welche sie im sicilischen Reiche erobern, und erlaubt ihnen Handelsbevollmächtigte in allen Städten 20 {1239} anzusetzen. Kein Theil schließt Frieden ohne Zustimmung des andern.« So des Beistandes von Venedig, Genua und der Lombardei gewiß, sprach Gregor IX am Palmsonntage und am grünen Donnerstage, am 20sten und 24sten März 1239, den Bann über den KaiserÜber den Tag des Bannes, Rayn. zu 1239, §. 14.  Concil. XIII, 1148, 1156.  Petr. Vin. I, 21., übergab dessen Leib (damit die Seele errettet werde) dem Satan, entband alle Unterthanen von ihrem geleisteten Eide, belegte jeden Ort, wo er sich befände, mit dem Banne, entsetzte alle Geistlichen, die vor ihm Gottesdienst halten oder mit ihm in Verbindung bleiben würden, und befahl diese Schlüsse in der ganzen Christenheit zur Nachachtung feierlichst bekannt zu machen.

Die Gründe dieses Verfahrens sind großentheils schon in der bisherigen Erzählung berührt worden; da jedoch manche jetzt zum ersten Mal erwähnt, manche wechselseitig bestritten werden, so ist es nothwendig, hier den Hauptinhalt der von beiden Theilen erlassenen, ohnehin schon durch die Form sehr merkwürdigen Schriften, selbst auf die Gefahr einiger Wiederholungen, mitzutheilen.

Der Papst also erklärteMath. Paris 329.  Rayn. zu 1239, §. 2–12.: »ich habe den Kaiser gebannt, erstens: weil dieser, seine geleisteten Eide böslich übertretend, gegen die Kirche in Rom Aufstand erregt, mich und meine Brüder, die Kardinäle, von ihren Sitzen zu verdrängen sucht und die Freiheit und Rechte der römischen Kirche verletzt.

Zweitens: weil er den Kardinalbischof von Präneste, welcher kirchlicher Angelegenheiten halber zu den Albigensern reisen sollte, daran hindert.

Drittens: weil er im sicilischen Reiche, zum Verderben der Seelen, viele Pfründen unbesetzt läßt, Kirchen- und Kloster-Güter widerrechtlich an sich bringt, die Geistlichen besteuert, vor weltliche Gerichte zieht, einsperrt, des Landes verweiset, ja sogar mit dem Tode bestraft.

21 {1239} Viertens: weil er den Tempelherrn und Johannitern, gegen die Bedingungen des Friedens, viele bewegliche und unbewegliche Güter nicht zurückgiebt.

Fünftens: weil er alle Anhänger der Kirche feindlich behandelt, beraubt und verjagt.

Sechstens: weil er die Herstellung der Kirche in Sora verhindert, die Saracenen begünstigt und sie unter den Christen, zur Knechtschaft der letzten und zur Verunreinigung ihres Glaubens, ansiedelt.

Siebentens: weil er den zur Taufe nach Rom reisenden Sohn des Königs von Tunis, und den Gesandten des Königs von England, den römischen Bürger Peter gefangen hält.

Achtens: weil er Massa, Ferrara und andere dem römischen Stuhle zugehörige Besitzungen, besonders aber weil er Sardinien seiner Herrschaft unterwirft.

Neuntens: weil er die Rettung des heiligen Landes und die Herstellung des lateinischen Kaiserthums hintertreibt, und den Spruch der Kirche in Hinsicht der Lombarden verschmäht.«

Sobald im Anfange des Monats April 1239 eine sichere Nachricht von dem über Friedrich gesprochenen Banne nach Padua kam, ließ dieser eine Versammlung in das Stadthaus berufen, und während er im kaiserlichen Schmucke auf dem Throne saß, trat der Großrichter Peter von Vinea hervor und hielt eine sehr eindringliche Rede, welcher die Worte OvidsOvid. Heroid. V, 7.  Roland. Patav. IV, 10.:

Was wir verdient erdulden, mit Leichtigkeit wird es getragen;
    Nur die Strafe betrübt, die, nicht verschuldet, uns trifft.

gleichsam als Text zum Grunde lagen. Er bewies, daß seit Karl dem Großen, kein Kaiser so gerecht, milde und großmüthig gewesen sey als Friedrich, und die Kirche ihm dennoch so viele Ursache zu gegründeten Klagen gebe. 22 {1239} Nachdem Peter von Vinea geendet hatte, stand der Kaiser selbst auf und sagte zu allem Volke: »wäre der Bann rechtmäßiger Weise über mich gesprochen worden, so würde ich zu jeder Genugthuung bereit seyn. Weil aber der Papst diese übermäßige Strafe ohne genügenden Grund und übereilt gegen mich verhängt hat, so muß sie mich doppelt schmerzen und beleidigen.«

Dem Papste antwortete Friedrich nicht unmittelbar selbst, ergriff indeß eine Gelegenheit, ihm seine Rechtfertigung auf noch unangenehmere Weise zukommen zu lassen. Gregor hatte nämlich die Bischöfe von Würzburg, Worms, Vercelli und Parma schon früher aufgefordert, dem Kaiser die Gründe des Bannes unter gehörigen Zurechtweisungen vorzulegen; worauf der Kaiser in ihrer und in Gegenwart der Erzbischöfe von Palermo und Messina, der Bischöfe von Cremona, Lodi, Novara und Mantua, mehrer Äbte, Predigermönche und Minoriten seine Unschuld so demüthig als umständlich darthat. Diese, dem Papste im Namen jener Bischöfe übersandte Rechtfertigung beantwortete nun die Anklagepunkte, der Hauptsache nach, folgendermaaßen:

Zu 1. Friedrich veranlaßte keinen Aufruhr in Rom, sondern unterstützte vielmehr den Papst in den gefährlichsten Lagen mit Geld und Mannschaft gegen die Römer. Wohl aber schloß der Papst mit diesen, gegen sein Versprechen, einseitig Frieden und schrieb ihnen, durchaus unwahr: die ganze Fehde sey wider seinen Willen unternommen.

Zu 2. Auch im Traume fiel es dem Kaiser nicht ein, den Bischof von Präneste gefangen zu setzen, obgleich er dazu wohl Veranlassung gehabt hätte: weil jener die Lombarden, im Auftrage des Papstes, zu Widerstand und Ungehorsam anfeuertePetr. Vin. I, 21..

Zu 3. Auf die unbestimmte Beschuldigung, daß der Kaiser Pfründen unbesetzt lasse und Kirchengut an sich bringe, kann keine bestimmte Rechtfertigung statt finden. 23 {1239} Mit seinem Wissen und Willen geschah nie derlei Unrecht; auch wurde (wie der Papst weiß und gebilligt hat) dem Schreiber Wilhelm von Tokto aufgetragen, nach genauer Untersuchung, alles etwa während der langen Abwesenheit des Kaisers, in die Hände der Krone gekommene Kirchengut zurückzugeben. – Geistliche wurden, als solche, nie besteuert; wohl aber fordert man von ihnen die auf Lehen und andern Grundstücken haftenden Abgaben, so wie dies in der ganzen Welt üblich und gesetzlich ist. – Von gefangenen, des Landes verwiesenen, oder getödteten Geistlichen weiß der Kaiser nichts; der Papst müßte denn etwa davon sprechen, daß man einige in schweren Verbrechen ergriff und der geistlichen Behörde zur Bestrafung übergab; oder daß man andere, welche des Verbrechens der beleidigten Majestät überwiesen wurden, nicht länger im Lande dulden wollte. Vielleicht meint aber der Papst, wenn er von getödteten Geistlichen spricht: daß der Abt von Venustum durch einen Mönch, und wiederum ein Mönch von einem andern ermordet wurde: dieser Beweise von mangelnder Ordnung und Kirchenzucht erinnert sich der Kaiser allerdings sehr wohl.

Zu 4. Den Tempelherren nahm man, nach Vorschrift der Gesetze, nur das, was sie von unrechtmäßigen Inhabern der höchsten Gewalt, oder während der Minderjährigkeit Friedrichs, von dessen offenbaren Feinden an sich gebracht hatten. Ferner mußten sie einige bürgerliche Grundstücke herausgeben, weil ein altes Reichsgesetz Erwerbungen solcher Art unter Lebendigen verbietet, und vorschreibt, daß durch letztwillige Verordnung Gewonnenes, binnen Jahresfrist an einen, die Steuern übernehmenden Bürgerlichen veräußert werden müsse. Ohne eine solche Beschränkung würden die Orden bald alles Land erwerben, und auf den Grund ihrer einseitigen und ungerechten Freibriefe, ohne Abgaben behalten wollenIm Februar 1240 warnt Friedrich den Landschaftsmeister der Templer in Italien, sich seinen Feinden anzuschließen, und Malitiose sub cursorum specie, pecuniam ab inimicis acceptam deferre.  Regesta 340..

24 {1239} Zu 5. Niemand ist gegen den frühern Friedensschluß seiner Güter oder Ämter beraubt worden; wohl aber sind einige entwichen, weil sie fürchteten für andere Verbrechen bestraft zu werden. Diese mögen sich stellen und darüber rechtfertigen; als Freunde Gregors nimmt und nahm sie keiner in Anspruch.

Zu 6. Keine Kirche ward entweiht oder zerstört, und die, welche in Luceria (wenn man etwa darauf zielt) vor Alter eingefallen ist, will der Kaiser gern neu erbauen lassen. Das Unglück, welches Sora betraf, war Folge des Ungehorsams und gründete sich auf rechtlichen Ausspruch. Die Saracenen endlich, welche erst zerstreut in Sicilien wohnten und in bürgerlicher und kirchlicher Hinsicht nachtheilig wirkten, sind gerade deshalb an einem Orte in Luceria angesiedelt worden, um für die Freiheit der Christen und die Erhaltung des reinen Glaubens zu sorgenReg. Frider. 307..

Zu 7. Abdellasis, welcher aus Furcht vor seinem Oheime, dem Könige von Tunis, entflohReb. 307, 398.  Davanzati praef., lebt frei in Apulien und ist vom Kaiser mit Pferden, Kleidern und Gelde beschenkt worden; nie aber hat er (wie die Erzbischöfe von Palermo und Messina bezeugen) die Absicht geäußert, daß er sich wolle taufen lassen. Sollte er hierin seine bisherige Gesinnung ändern, so würde dies dem Kaiser eine große Freude gewähren. – Peter aus Rom ist keineswegs ein Gesandter des Königs von England, sondern überbrachte nur Schreiben, worin sich dieser für ihn verwandte. Weil aber der König nicht wußte, wie großer Verbrechen sich Peter schuldig gemacht hatte, so konnte man auf jene Verwendung keine Rücksicht nehmen.

Zu 8. Die Ansprüche des Papstes auf Massa, Ferrara u. s. w. sind unerwiesen, und noch weniger geht es ihn an, wenn Enzius Adelasien heirathet.

25 {1239} Zu 9. Der Kaiser nimmt alle wahren Kreuzfahrer freundlich auf und unterstützt sie; ja er würde, wenn ihn der Papst nicht selbst daran hinderte, gern seine Kräfte für sein morgenländisches Reich verwendenReg. 256, 368.  Rayn. 1239, §. 11.. Im Fall aber, unter dem Vorwande das Kreuz zu predigen, Unruhstifter die Menge um sich versammeln, ungebührlich über den Kaiser sprechen, oder gar, wie Johann von Vicenza, sich an dessen Stelle zu Herrschern aufzuwerfen suchen, so darf und muß er allerdings solche Mißbräuche verhüten.

Was endlich die lombardischen Angelegenheiten betrifft, so hat Friedrich der Kirche dreimal die Entscheidung anvertraut; – dreimal, ohne Erfolg. Denn die 400 Reiter, welche die Lombarden, nach dem ersten päpstlichen Spruche, dem Kaiser zu Hülfe stellen sollten, gebrauchte Gregor wider den Kaiser; die nach dem zweiten Spruche zu stellenden 500 Reiter hat niemand zu sehn bekommen; das dritte Mal schwieg der Papst ganz und entschied nichts, bis er hörte, Friedrich ziehe mit Heeresmacht über die Alpen hinab, und verwarf selbst dann noch die gerechte und natürliche Bedingung: daß der Spruch binnen einer gewissen Frist erfolgen und die Ehre des Reichs nicht verletzen solle. Gern wollte der Kaiser ihm und den Lombarden in allem gerechten Genugthuung leisten; aber nach so ungeheuren Anmaaßungen der letzten und so mancher feindlichen Maaßregel des ersten, erschien eine unbedingte Unterwerfung unter einen künftigen unbekannten Spruch nicht bloß zu gefährlich, sondern auch zu unwürdig.«

Außer diesem, die Thatsachen streng und ruhig erörternden Schreiben, erließ der Kaiser andere an die Kardinäle, die Römer, die christlichen Könige, die deutschen und französischen Großen, an alle Geistliche u. a. m., worin das Verfahren und die Grundsätze des Papstes auf eine viel heftigere und eindringlichere Weise geschildert waren. Wir theilen auch hievon das Wichtigste mit.

26 {1239} Die Kardinäle ermahnte Friedrich schon am siebenten AprilRayn. zu 1239, §. 13.  Petr. Vin. I, 6.  Math. Paris 340.  Concil. XIII, 1149.: sie sollten, ihrer Würde und ihrer Pflichten eingedenk, den Papst zur Mäßigung und zur Gerechtigkeit anhalten. Denn wenn er gleich, als ein standhafter Mann, Unglück zu ertragen fähig sey, so dürfe er sich doch, als Kaiser, so ungeheures nicht gefallen lassen; vielmehr werde er, bei längerer feindlicher Behandlung, von den ihm zu Gebote stehenden Mitteln, gegen die Kirche Gebrauch machen. – Dieser Brief kam aber erst nach gesprochenem Banne in Rom an, und auf den Widerspruch einiger Kardinäle hatte Gregor keine Rücksicht genommen. – Den Römern schrieb Friedrich: »Rom ist das Haupt des Reichs, und der Kaiser führt von Rom den Namen. Um so mehr müssen wir erstaunen, daß die Stadt, welche unsere Ehre über alles fördern sollte, die Bürger, welche sich wie eine Mauer unsern Feinden entgegenstellen sollten, daß diese sehen, hören und ruhig dulden, was der römische Bischof gegen den römischen Kaiser, den Wohlthäter des römischen Volks, in Rom höchst ungebührliches that! Alle sind in bewußtlosen Schlaf versunken, und unter dem romulischen Stamme, unter den adelichen und bürgerlichen Quiriten, unter so vielen tausend Römern fand sich auch nicht Einer, welcher aufgestanden wäre und ein einziges Wort zu unserem Besten gesprochen, oder über das uns zugefügte Unrecht Mitleiden gezeigt hätte! Was jener Verleumder unseres Namens nirgend anderswo zu thun wagte, vollbrachte er im Vertrauen auf die Beistimmung der Römer; und ihnen wird man den Frevel allein zurechnen, wenn sie nicht schnell ihre und unsere Ehre rächen. Wir sollen eure, ihr sollt unsere Rechte vertreten und schützen; wenn ihr aber nachlässig und undankbar befunden werdet, so müssen wir (da uns keine Furcht, sondern freie Zuneigung bisher zu Wohlthaten gegen die 27 {1239} Römer antrieb) obwohl ungern, unsere Gnade von allen und von jedem einzelnen abziehenMath. Paris 332.  Petr. Vin. I, 7, 21.

In andern Schreiben vom 20sten April stellte Friedrich allen Königen und Fürsten seine Verhältnisse zu den Päpsten, von dem Tode seines Vaters und der Erhebung Ottos IV an, bis auf die neueste Zeit, rechtfertigend dar. Der sachliche Inhalt war im allgemeinen nicht neu; wohl aber ward erst jetzo kund, daß selbst in den Augenblicken des Friedens und der scheinbar vollkommenen Aussöhnung, kein unbeschränktes Vertrauen, kein rücksichtsloses Verfahren zwischen Friedrich und Gregor statt gefunden hatte. Jeder beschuldigte den andern der Hinterlist und geheimer Ränke, welche immerdar neben den öffentlichen Maaßregeln hergegangen seyen.

»Blicket umher (so spricht der Kaiser) mit euren Augen, ihr Menschenkinder, und horchet auf mit euren Ohren! Betrachtet das allgemeine Ärgerniß der Welt, den Zwiespalt der Völker, den Untergang der Gerechtigkeit. Von Babylons Ältesten geht alle Nichtswürdigkeit aus; welche, indem sie das Volk zu regieren scheinen, die Herrschaft in Bitterkeit, und die Frucht der Gerechtigkeit in Wermuth verwandeln. Möget ihr unsere Sache wohl betrachten, ihr Fürsten und ihr Völker, und unsere Unschuld genau erkennen: denn mit dem Maaße womit man uns mißt, werdet ihr auch gemessen werden, und die Klugen holen Wasser, wenn beim Nachbar Feuer ausbricht. – Der Papst, von dem wir zeither glaubten, er gedenke nur der Dinge, die droben sind, und lebe in Himmelshöhen, ist unerwartet als ein Mensch, ja noch geringer befunden worden, da er Menschlichkeit und Wahrheit bei Seite setzt. Die Lombarden, welche ihre frevelhafte Willkür Freiheit nennen und unsere und unserer Vorfahren Rechte mit Füßen treten, fanden bei ihm Schutz und Hülfe; und während er verlangte, daß wir seine unbegründeten Ansprüche gegen die Römer mit Heeresmacht 28 {1239} unterstützen sollten, verbot er uns diese Macht zur Behauptung unleugbarer Rechte nach Italien zu führen. Mailand, bekanntlich der Mittelpunkt arger KetzereienDie Mailänder verbrannten Ketzer, um sich von diesem Vorwurfe des Kaisers zu reinigen, und errichteten ihrem Podesta Oldradus dafür ein Ehrendenkmal, in dessen Inschrift es heißt: Catharos, ut debuit, ussit!  Saxii archiepisc. II, 684.  Math. Par. 366., ist ihm lieber, als der Kaiser; ein Bund von Aufrührern lieber, als das seit tausend Jahren die Kirche begründende und beschützende Kaiserthum! – Hätten wir aber auch den Papst auf frevelhafte Weise beleidigt, so wäre dennoch das regellose Verfahren nicht gerechtfertigt, wodurch er seine innerlich kochende Wuth und Schlechtigkeit an den Tag legt. Daher erklären wir, – nicht zur Herabsetzung seines Amtes, sondern um seiner persönlichen Mängel willen –, daß Gregor nicht würdig sey, Christi Stellvertreter, Petri Nachfolger und der Vorsorger für alle gläubigen Seelen zu seyn. Ohne mit den Kardinälen, seinen Brüdern, der Kirchenordnung gemäß zu berathen, sitzt er einsam in seiner Kammer, die Kaufwage in Händen haltend, danach bindend und lösend, sein eigener Schreiber, Wage- und Zahl-Meister! Uns aber liegt die Sorge ob, daß die Christenheit nicht länger von solchem Hirten in die Irre geführt, sondern eine allgemeine Kirchenversammlung berufen werde, auf welcher wir dies alles, ja noch härteres, gegen den Papst erweisen wollen. – Schlagen wir das Buch unseres Gewissens aufs sorgsamste nach, so finden wir durchaus keine Veranlassung oder Ursache, welche diesen feindseligen Mann so heftig hätte bewegen können; es sey denn, weil wir es für unpassend und unwürdig hielten, unsern Sohn Enzius mit seiner Nichte zu vermählenConcil. XIII, 1157.  Anon. Ital. 257.  Ricob. hist. imper. 127.

»Ihr aber, Könige und Fürsten des Erdkreises, bedauert nicht bloß uns, sondern auch die Kirche: denn ihr Haupt ist schwach, und ihr Fürst gleichsam ein brüllender Löwe; 29 {1239} in ihrer Mitte sitzt ein ungetreuer Mann, ein besudelter Priester, ein wahnwitziger Prophet. Uns geht freilich solch Unheil am nächsten an, und wir fühlen am härtesten die Folgen päpstlicher Unthaten: aber unsere Schmach ist zuletzt auch die eurige, und eure Unterjochung erscheint leicht, sobald der römische Kaiser bezwungen ist. Das alles schreiben wir euch nicht, als ob uns die Kraft zur Abwendung solchen Unrechts fehlte; sondern damit die ganze Welt einsehe und erkenne, daß die Ehre aller weltlichen Fürsten angegriffen wird, sobald man auch nur Einen beleidigtPetr. Vin,. I, 21.  Math. Par. 341.

Bald darauf erging noch eine andere allgemeine Klage Friedrichs an die ganze Christenheit über das Verfahren, des Papstes und der Kardinäle, des InhaltsPetr. Vin. I, 1.  Da von Friedrichs Obermacht über die Lombarden die Rede ist und des Papstes Antwort sich darauf zu beziehen scheint, so gehört diese Klage nicht zu 1227, sondern hieher.: »es versammelten sich die Pharisäer und Schriftgelehrten und hielten einen Rath über ihren Herrn, den römischen Kaiser. Was sollen wir machen, sprachen sie, da dieser Mensch über seine Feinde so triumphirt? Wenn wir ihm freie Hand lassen, so wird er ganz Lombardien unterjochen, und nach kaiserlicher Weise nicht zögern uns, so viel er vermag, von unsern Stellen zu verjagen und unser Geschlecht auszurotten. Er wird den Weinberg des Herrn Zebaoth andern Arbeitern anvertrauen und uns ohne Gericht verurtheilen und verderben. Daher laßt uns gleich anfangs widerstehen, ehe der kleine Funke zur verwüstenden Flamme anwächst, ehe die geringe Krankheit sich bis aufs Mark hindurchfrißt. Ohne Rücksicht auf etwanige Einreden, wollen wir den Kaiser nicht bloß mit Worten angreifen, sondern mit allen unsern, nicht länger zu verbergenden Pfeilen. Wir wollen diese absenden, bis sie ihn treffen, treffen, bis sie verwunden, verwunden, bis er niederstürze, ihn niederstürzen, daß er nie wieder aufstehe und endlich die Nichtigkeit seiner anmaaßlichen Träume 30 {1239} einsehe! – So haben in unsern Tagen die Pharisäer auf Mosis Stuhle sitzend, sich in ihrer Thorheit gegen den römischen Kaiser erhoben und, als Ankläger und Richter über erfundene Verbrechen, alle Gerechtigkeit mit Füßen getreten. Ihres Herzens Bosheit hat sie innerlich und äußerlich so verblendet, daß sie die Gewalt der Schlüssel grundverkehrt mißbrauchten, um einen unschuldigen und gerechten Fürsten zu verdammen. Und jener Vater aller Väter, der sich einen Knecht der Knechte Gottes nennt, verwandelte sich hiebei in eine taube Schlange, hörte, Recht und Billigkeit bei Seite setzend, des Kaisers Gründe nicht an, warf, allen Rath verschmähend, plötzlich sein Unglückswort wie einen Stein aus der Schleuder in die Welt, und rief trotzig und aller Folgen uneingedenk: was ich geschrieben, das habe ich geschrieben!«

»Aber du, Statthalter Christi und Nachfolger Peters, des demüthigen Fischers, warum fliehst du von Wuth ergriffen, das, weshalb der König der Könige Knechtsgestalt annahm? Sage mir, ich bitte dich, was jener Lehrer aller Lehrer nach seiner Auferstehung zuerst seinen Schülern gebot? Er sprach nicht: nehmet Waffen und Schild, Bogen und Schwert; nein, er sprach: Friede sey mit euch! Was ließ der Sohn des ewigen Königs, als er dahin zurückkehrte, woher er gekommen war, was ließ er seinen Schülern? Liebe hinterließ er ihnen und Frieden; daran sollten sie vor allem andern immerdar festhalten. Warum nun, angeblicher Statthalter Christi, Nachfolger Peters, warum weichst du ganz von ihren Bahnen ab? Petrus verließ auf Christi Ruf all das seine und zog den Weg des Lebens vor, als einer der zwar äußerlich nichts besitzt, aber doch innerlich alles hat, indem er dem Schatze des himmlischen Vaterlandes eifrig nachstrebt. Du hingegen, solches höhern Schatzes ermangelnd, trachtest unablässig jegliches zu verschlingen, und die ganze Welt reicht nicht hin um die Gier deines Bauches zu stillen. Als Petrus an das schöne Thor kam, sagte er zu dem Hinkenden: 31 {1239} ich habe kein Gold oder Silber; wogegen du, sobald der Goldhaufen, den du anbetest, sich zu vermindern scheint, sogleich mit dem Hinkenden hinkest und ängstlich das suchest, was von dieser Welt ist. Wenn du aber, nach Christi Befehl, als Kirchenhirte Armuth predigst: warum fliehest du was du anpreisest, warum häufest du Gold auf Gold? Petrus wollte, selbst da er von brennendem Hunger gepeinigt war, nichts unreines essen: du aber lebst um zu essen, und auf allen deinen Gefäßen steht mit goldenen Buchstaben geschrieben: ich trinke, du trinkest. Dieses Wort wiederholst du bei Tische so oft, daß du nachher wie in den Himmel verzückt, hebräisch, griechisch und lateinisch sprichst, und, obgleich bis oben überfüllt, auf den Flügeln der Winde zu schweben glaubst. Dann ist dir das römische Kaiserthum unterworfen, dann bringen dir die Könige Geschenke dar, dann erschafft dir der Wein Kriegesheere, dann dienen dir alle Völker! Die Furcht vor Gott und die Scham bei Seite setzend, beschützest du die Ketzer und giebst listig vor: du seyst dazu berechtigt, weil der Kaiser sie besiegen und sein Recht zu weit verfolgen möchte! Unter dem Schatten des heiligen Apostels Petrus, wurden (wie geschrieben steht) die schwersten Kranken gesund: du hingegen bringst nur Krieg und wirkest, daß unschuldig Blut vergossen werde. Durch deine Schuld klagt das verlassene Jerusalem, durch deine Schuld kann der Kaiser dem heiligen Lande nicht zu Hülfe eilen; du baust dir von den Beiträgen der Gläubigen Häuser und Paläste, statt sie für jene Länder zu verwendenGregorius, gregis disgregator potius, sagt Friedrich II.  Cod. Vind. phil. No. 61, fol. 77.. Laß ab vom Bösen, gedenke des armen Papstes Silvester und des großmüthigen Kaisers Konstantin; widersetze dich nicht dem ächten Vertheidiger der Kirche. Sieben und siebenzig Mal, sagt unser Herr, soll man den Schuldigen vergeben: und du willst nicht einmal einen Unschuldigen verschonen, welcher um Verzeihung bittet? Nimm 32 {1239} den Sohn, welcher gern in den mütterlichen Schooß der Kirche zurückkehren will, milde auf, damit er nicht aus seinem scheinbaren Schlafe wie ein Löwe erwache, das Recht neu gründe, die Kirche regiere und die stolzen Hörner der Gewaltigen zerbreche.«

Als der Papst diese harten Vorwürfe hörte, zürnte er gar sehr und antwortete am 21sten Mai 1239 in einem nicht minder heftigen SchreibenMath. Paris 342.  Concil. XIII, 1158.: »aus dem Meere ist ein Thier aufgestiegen voll Namen der Lästerung, mit den Füßen eines Bären, dem Rachen eines wüthenden Löwen, und an den übrigen Gliedern einem Pardel gleich. Es öffnet seinen Mund zur Schmähung des göttlichen Namens und richtet giftige Pfeile wider das Zelt des Himmels und die dort wohnenden Heiligen. Mit seinen Klauen und eisernen Zähnen möchte es alles zerbrechen, mit seinen Füßen alles zertreten, und erhebt sich nicht mehr heimlich, sondern öffentlich und von Ungläubigen unterstützt, gegen Christus, den Erlöser des menschlichen Geschlechtes, um dessen Bundestafeln mit dem Griffel ketzerischer Bosheit auszulöschen. Höret also auf, euch zu wundern, wenn es den Dolch seiner Verleumdungen gegen uns zückt: denn es ist ja aufgestiegen, um sogar den Namen des Herrn von der Erde zu vertilgen. Damit ihr aber seinen Lügen durch die Kraft der Wahrheit widerstehn und seine Listen durch klare Einsicht vereiteln könnt, so betrachtet genau das Haupt, Mittel und Ende dieses Thieres, das sich Kaiser nennt.«

Auf diesen Eingang folgt nun eine umständliche Erzählung alles bisher geschehenen, woraus wir als neu, abweichend oder zweifelhaft nur folgendes in der Kürze anführen: »wir schlossen mit den Römern allerdings Frieden, weil der Kaiser seine Hülfsmacht hinwegzog und jene sich uns gebührend unterwarfen; keineswegs aber führten wir mit ihnen während des Krieges einen für den Kaiser nachtheiligen Briefwechsel. Hingegen stand Friedrich in dem 33 {1239} Augenblicke, wo er an unserem Tische saß, schon wieder in Verbindung mit den Feinden der Kirche.«

»Nicht der Papst, sondern der Kaiser selbst ist an der Widerspenstigkeit der Lombarden schuld: denn wenn er sich gegen diese, an Zahl und Waffen mächtigen, durch feste Städte geschützten Bürger, als ein milder Vater, als ein herablassender Herr gezeigt, wenn er, nach unserem aufrichtigen Rathe, Beleidigungen vergessen und Wohlthaten erzeigt hätte, so würde gewiß aller Ungehorsam verschwunden seyn. Statt dessen trat er wie ein bewaffneter Rächer auf, suchte keineswegs die andere Partei zu sich herüber zu ziehen und die Spaltungen zu heilen; sondern vergrößerte diese, selbst Partei nehmend, auf unheilbare Weise! Wenn der Bischof von Präneste bei solchen Verhältnissen, Ältern, Brüder und Verwandte, mit Vorbehalt der kaiserlichen Rechte in Piacenza aussöhnte, so that er nichts ungebührliches; wogegen die Beschuldigung unwahr ist, daß wir uns durch Eide mit den Lombarden gegen den Kaiser verbunden hätten. – Für dessen Vortheil wirkte im heiligen Lande der von uns bevollmächtigte Erzbischof von Ravenna: nie aber haben wir dem Kaiser, wie er behauptet, alle für Palästina eingehenden Zehnten und Einnahmen angeboten, wenn er die lombardischen Angelegenheiten unserm Verlangen gemäß ordnen wolle.«

»Wie kann Friedrich ferner leugnen, daß er die Kirche im Neapolitanischen aufs jämmerlichste behandelt und ihre Anhänger verfolgt? da sogar die Barone und alle Laien durch seine Habsucht und Grausamkeit in Sklaven verwandelt sind, und kaum Brot zur Nahrung und Lumpen zur dürftigen Bedeckung übrig haben. Wie kann er leugnen, daß er römisches Kirchengut in Besitz nahm und, – während er listig Bevollmächtigte zu scheinbarer Entschuldigung an uns absandte –, unsere Rechte noch frecher in Sardinien verletzte?«

»Nirgend ist seinen Worten zu trauen, unzählige Male brach er seine Verheißungen; deshalb sprachen wir über ihn, mit Rath unserer Brüder, den Bann. Anstatt aber hiedurch 34 {1239} die verlorne Besinnung wieder zu gewinnen und sich vor Gott zu demüthigen, fällt er nur desto wüthender über uns her, und klagt uns unter anderem zugleich der Habsucht und der Verschwendung an; während wir doch, durch Gottes Hülfe, den Kirchenstaat nicht wenig vergrößerten. Er zeiht uns der Undankbarkeit; während die Kirche ihn erzog, ihn einmal gegen Otto und dann zum zweiten Male gegen seinen eigenen Sohn schützte und ihm Ruhe verschaffte, welche er um seiner Thorheit willen einbüßt oder einbüßen sollte.«

»Keineswegs an Anmaaßung ihm gleich, bekennen wir gern, daß wir, in Betracht des Mangels eigener Verdienste, nur ein unwürdiger Nachfolger Christi und zur Übernahme eines Amtes unfähig sind, dessen Last ohne göttliche Beistimmung und Hülfe niemand tragen kann. Dennoch, soweit es unsere Gebrechlichkeit verstattet, erfüllen wir den großen Auftrag nach Maaßgabe des Ortes, der Zeiten, der Personen, und ordnen das Erforderliche mit alleiniger Rücksicht auf Gott und seine Gebote. – Nichts aber verwundet des Kaisers Gemüth so tief, als daß er, die Gränzen aller königlichen Macht ohnehin überschreitend, nicht auch das Amt und die Rechte eines Priesters üben kann. Deshalb möchte der irdisch gesinnte (der während seines ganzen Lebens wenigen ohne Rücksicht, den meisten nur für Geld Gerechtigkeit zukommen ließ) wie ein zweiter Zauberer Simon, die Reinheit der Kirche mit weltlichem Schmutze beflecken, damit wir ihm alsdann auch verstatteten im Geistlichen nach Willkür zu hausen. Darum hat er uns Güter und Burgen angeboten, und mit Heirathsanträgen in Versuchung geführt. Weil er aber diesen Plan (wie fast jedem an unserem Hofe bekannt ist) auf keine Weise und durch kein Mittel durchsetzen konnte, vielmehr seine trügerischen Künste sich gegen ihn selbst wendeten; so nimmt er jetzt seine Zuflucht zum Lügen, wie jene ägyptische Hure, welche dem Joseph unzüchtige Anträge machte, aber 35 {1239} verschmäht ward und ihn dann, – die Wollende, den Nichtwollenden –, bei ihrem Manne verklagte!«

»Eins ist jedoch, weshalb ihr euch, trotz der über jeden verlornen Menschen zu empfindenden Trauer, freuen und Gott danken müßt: daß nämlich der Kaiser, welcher sich gern einen Vorläufer des Widerchrists nennen hört. ohne das nahe Gericht seiner Beschämung abzuwarten, mit eigenen Händen die Schutzwand seiner Abscheulichkeit untergräbt und in jenen Rechtfertigungsschreiben seine Werke der Finsterniß durch die bestimmt ausgesprochene Behauptung ans Licht bringt: daß er von uns, dem Statthalter Christi, nicht gebannt werden könne. Indem er so der Kirche, auf welcher aller Glaube beruht, den ihr durch das Wort Gottes ertheilten Freibrief der Macht zu binden und zu lösen, ketzerisch abspricht, thut er selbst kund, wie schlecht er auch von den übrigen Hauptstücken des christlichen Glaubens denkt. Sollte aber jemand zweifeln, daß er sich in die Worte seines eigenen Mundes verstrickt habe, der höre zum siegreichen Beweise der Wahrheit: dieser König der Pestilenz behauptet (wir bedienen uns seiner Worte): die ganze Welt sey von drei Betrügern, Moses, Muhamed und Christus, getäuscht worden, deren zwei in Ehren, der dritte aber am Holze hangend gestorbenTiraboschi storia lett. IV, 28.Rohte läßt den Kaiser diese Dinge 1242 in Frankfurt sagen, weil die Fürsten seinen Sohn Konrad nicht zum König erheben wollten; was aber mit der Zeitrechnung und Geschichte nicht stimmt.. Außerdem hat er mit lauter Stimme zu versichern oder vielmehr zu lügen gewagt: alle diejenigen wären Thoren, welche glaubten: der allmächtige Gott, der Schöpfer Himmels und der Erde, sey von einer Jungfrau geboren worden. Diese Ketzerei unterstützt er durch den Irrthum, daß keiner, ohne eine vorhergegangene Vereinigung des Mannes mit dem Weibe geboren werde, und daß der Mensch überhaupt nichts glauben dürfe, was nicht 36 {1239} durch die Natur und durch die VernunftVi et ratione naturae heißt buchstäblich etwas anderes, siehe aber unten die nähere Erläuterung. könne bewiesen werden.«

So gab Gregor den vom Kaiser gegen ihn erregten Verdacht der Ketzerei, in verstärktem Maaße und auf eine um so bedenklichere Weise zurück, da man sich noch andere Züge und Äußerungen Friedrichs erzählte, welche jenen, angeblich vom Landgrafen von Thüringen zuerst gehörten und bekannt gemachten Hauptvorwurf zu bestätigen schienen. Der Kaiser, so hieß es, äußerte: »wenn der Gott der Juden Neapel gesehen hätte, würde er Palästina nicht so gelobt habenSalimbeni 355..« Er rief, beim Anblicke der zu einem Kranken getragenen Hostie, aus: »wie lange wird dieser Betrug noch dauernQuam diu durabit truffa ista!  Alber. 568.  Vitoruranus 4.  Ursinus 1290.  S. Aegid. chron. 590.!« Er gab einem saracenischen Fürsten, welcher ihn zur Messe begleitete, auf die Frage: was der Geistliche mit der Monstranz in die Höhe hebe? zur Antwort: »die Priester erdichten, dies sey unser Gott.« Ein andermal zog er an einem Kornfelde vorüber und sprach: »wie viele Götter wird man aus diesem Getreide machen?« Er äußerte endlich: »wenn die Fürsten ihm beistimmten, so wolle er ohne Mühe für alle Völker eine bessere Glaubens- und Lebens-Weise anordnenMartin. Minor. 1625.  Erfurt. chron. S. Petr. zu 1252.  Chron. Udalr. Aug. zu 1245.

Solche von Tag zu Tag anwachsende Gerüchte und jene bestimmte päpstliche Anklage, glaubte der Kaiser mit Nachdruck beantworten und sein rechtgläubiges Verhältniß zur Kirche, von dem feindlichen zum Papste streng sondern zu müssen. Er schrieb in alle Lande: »bei Erschaffung der Welt hat die göttliche Vorsehung zwei Lichter am Himmel hingestellt: ein größeres und ein kleineres, jenes um den Tag, dieses um die Nacht zu erleuchten. Wie sich diese auch bewegen, wie oft sie sich auch von der Seite ansehen; dennoch 37 {1239} verletzt nie eins das andere, ja das höhere theilt dem geringeren sein Licht mit. Eben so hat die ewige Vorsehung auf Erden zwei Gewalten (regimina) hingestellt, das Priesterthum und das Kaiserthum: jenes zur innerlichen Fürsorge, dieses zum äußern Schutze; damit der Mensch, welcher auf eine zerstörende Weise nach zweien Seiten hingezogen und verführt wird, durch einen doppelten Zügel gebändigt und nach Beschränkung aller Ungebühr, der Friede auf Erden herrschend werde. Aber jener, auf dem Stuhle der verkehrten Lehre sitzende und mit dem Öle der Schelmerei (nequitiae) mehr als seine Mitgenossen gesalbte Pharisäer, der jetzige Papst, sucht das unkräftig zu machen, was von einer Nachahmung der himmlischen Ordnung entsprungen ist, und möchte seine Willkür, als etwas höheres, an die Stelle der ewigen Natur setzen. Er will den Glanz unserer Majestät verfinstern, indem er durch lügenhafte, in alle Lande umhergesandte Schreiben die Reinheit unseres Glaubens verdächtig macht. Er, bloß dem Namen nach ein Papst, hat uns das aus dem Meere heraufsteigende Thier der Lästerung genannt; wir hingegen behaupten, er selbst sey das Thier, von welchem geschrieben stehtOffenb. Joh. VI. 4.: »»ein anderes Pferd stieg aus dem Meere auf, das war roth, und der darauf saß nahm den Frieden von der Erde hinweg, damit die Lebendigen sich untereinander erwürgeten««. Denn von der Zeit seiner Erhebung an, hat dieser Vater, nicht der Einigkeit, sondern der Uneinigkeit, nicht der Tröstung, sondern der Verwüstung, die ganze Welt in Ärgerniß versetzt. Und, wenn wir seine Worte im rechten Sinne auslegen, so ist er der große Drache, welcher die ganze Welt verführt hat, der Widerchrist, für dessen Vorläufer er uns ausgiebt, ein zweiter Bileam, gedungen, uns für Geld zu verfluchen, der Fürst über die Fürsten der Finsterniß, der Engel, welcher mit Schalen voller Bitterkeit aus dem Abgrunde aufsteigt, um Land und Meer zu verderben. Unter vielem Verwerflichen hat dieser falsche 38 {1239} Statthalter Christi in seinem fabelhaften Schreiben auch behauptet: wir besäßen den rechten christlichen Glauben nicht und hätten gesagt, die Welt sey von drei Betrügern hintergangen worden. Eine solche Ruchlosigkeit ist aber nie über unsere Lippen gekommen; vielmehr bekennen wir den einigen Sohn Gottes gleich ewig und gleiches Wesens mit dem Vater und dem heiligen Geiste, unsern Herrn Jesum Christum, der gezeugt ist von Anfang und vor aller Zeit, nachher gesandt auf die Erde zur Erlösung des menschlichen Geschlechtes, nicht nach angeordneter, erschaffener, sondern nach anordnender, schaffender Macht, geboren von einer ruhmvollen, jungfräulichen Mutter, gelitten, gestorben nach dem Fleisch und der andern Natur, welche er im Leibe der Mutter empfangen, endlich am dritten Tage, durch göttliche Kraft, wieder auferstanden von den Todten. – Über Muhamed haben wir dagegen vernommen, daß sein Leib in der Luft schwebt von Teufeln umlagert, seine Seele aber in der Hölle gemartert wird, weil seine Werke finster und dem Gesetze des Allerhöchsten zuwider waren. – Mosen endlich halten wir, nach Aussage des Buchs der Wahrheit, für einen Freund und Vertrauten Gottes, der auf Sinai mit dem Herrn redete, dem Gott im feurigen Busche erschien, durch den er Zeichen und Wunder in Ägypten that, dem hebräischen Volke das Gesetz gab, und den er nachmals, mit andern Auserwählten, zu seiner Herrlichkeit berufen hatPetr. Vin. I, 31.  Bis hieher Übersetzung; das Folgende ist dagegen ein zusammengedrängter Auszug.

»Wäre der Papst nicht aus Haß und Neid aller Besonnenheit beraubt, so würde er verleumderisches Geschwätz nicht als Wahrheit aufgenommen und verbreitet haben. Er haßt und beneidet uns aber vor allem, weil wir in unsern Unternehmungen glücklich sind und die lombardischen Empörer, welche er zum Leben berufen hat, auf den Tod verfolgen.«

»Er schilt, daß wir sein Recht zu binden und zu lösen 39 {1239} in Anspruch nehmen; als wenn dies Recht nicht könnte gemißbraucht werden, als wenn es gar keine Beschränkung litte, da doch selbst der allmächtige Gott nicht alles, nicht das Böse will oder kann. Niemand bezeichne uns, um des Gesagten willen, als einen Feind der heiligen, von uns hochgeehrten Kirche: wohl aber müssen wir einzelne, aus ihrer ächten Mitte entweichende, dem Verderben unterworfene Personen, gänzlich verdammen. Eine solche Person ist der Papst, den wir, wenn er nicht von selbst und nach dem Rathe seiner Brüder zu Wahrheit und Recht zurückkehrt, mit dem kaiserlichen Schwerte verfolgen müssen und verfolgen werden.«

Das Urtheil der Mitwelt und Nachwelt ist über jene Wechselbeschuldigung der Ketzerei sehr verschieden ausgefallen. Während einige in dem Kaiser den heldenmüthigen Vertheidiger der Wahrheit gegen finstern Aberglauben und unbegränzte Tyrannei sahen; nannten ihn andere einen Ungläubigen, Ketzer und Muhamedaner, oder einen heuchlerischen Despoten, dem für den Zweck der Machtvergrößerung, Religion und Priesterthum ein schickliches Mittel, und, wie aus seinen Ketzergesetzen hervorgehe, die Menschheit selbst, nur als ein brauchbares Opferthier erschienen sey. – Beide Ansichten können in ihrem ganzen Umfange, weder durch Thatsachen, noch durch unleugbare Schlüsse erwiesen werden; wir setzen jedoch, da die umständliche Erzählung selbst die nöthigen Bestätigungen oder Berichtigungen enthält, nur über die letzte jener Meinungen folgendes hinzu.

Als Friedrich im siebzehnten Lebensjahre, übereinstimmend mit der allgemeinen Ansicht der Welt, die einerseits so gepriesenen, andererseits so getadelten Ketzergesetze erließ; bewegte er sich nur in den ihm von außen gegebenen Bahnen, und theilte auch höchst wahrscheinlich die Überzeugung von der Nothwendigkeit eines reinen und gleichförmigen Glaubens. Im Ablaufe der Zeit, wo er stete Kämpfe gegen die Geistlichen auszufechten hatte und mit dem Morgenlande und edlen Saracenen in Berührung kam, änderten sich indeß seine Ansichten, und er war innerlich gewiß auf den 40 {1239} Punkt gekommen, die Ketzerverfolgungen zu mißbilligen. Auch that er seit seiner selbständigen Regierung in Neapel dafür nur so viel, als Priester und die überwiegende Volksstimmung von ihm erzwangenReg. Greg. IX, J. IV, 396.; und in den spätern Lebensjahren trifft ihn ja der Vorwurf der Ketzerfreundschaft, nicht der Ketzerverfolgung. Freilich gerieth seine innere Überzeugung wohl mehre Male in Widerspruch mit dem, was er äußerlich als Herkommen und der allgemeinen Betrachtungsweise gemäß, billigen oder aufrecht erhalten sollte: allein es ist übertrieben, eine solche Entgegensetzung, welche in den Ausgezeichnetsten oft am natürlichsten hervortritt, als vorsätzliche Tyrannei und unwürdige Heuchelei zu bezeichnen. – Auch ließe sich der Papst, welcher die Ketzer für strafbarer hielt, als der Kaiser, und sich ihrer doch für seine allgemeinern Zwecke bediente, auf ähnliche Weise anklagen, – und schwerlich so gut entschuldigen.

Daß die Vorwürfe: Friedrich sey ein Ungläubiger, ein Ketzer, ein Muhamedaner, sich untereinander aufheben, sieht jeder ein; und bloß der Vorwurf der Ketzerei möchte nach Ansichten der damaligen römisch-katholischen Kirche treffen. Wir müssen es wiederholen: Friedrich war gewiß mehr ein Christ, als ein Jude, oder Muhamedaner; und wenn man ihm jene Äußerung von den drei BetrügernDaß Friedrich, oder Peter von Vinea, ein Buch de tribus impostoribus geschrieben, ist damals nicht behauptet und nie bewiesen worden. Das Werk, welches unter diesem Namen geht, ist spätern Ursprungs.  Tirab. storia lett. IV, 28., ungeachtet seines bestimmten Widerspruchs und kaiserlichen Wortes, nicht ganz abnehmen will, so verstand er doch höchstens darunter: daß die Priester an jene drei Männer vielfachen Betrug angeknüpft hätten. Sollten endlich alle diejenigen als Unchristen verworfen werden, welche nicht an die Brotverwandlung und die unbefleckte Empfängniß Marias glauben, dann möchte bei weitem die geringere Zahl zur wahren Kirche gehören. – So bleibt zuletzt wohl nur 41 {1239} eine, aber allerdings wichtige Frage übrig: ob Forschungen und Erfahrungen dem Kaiser nicht zuletzt den Sinn für alle tiefere Bedeutung christlicher Lehren verschlossen, und ihn zu oberflächlichem Verwerfen aller Offenbarung führten? Die schon oben mitgetheilte, ihm zugeschriebene Äußerung: der Mensch solle nichts glauben, als was er vi et ratione naturae, buchstäblich: durch Kraft und Gründe der Natur, beweisen könne, läßt sich so auslegen, als räume er nur dem Körperlichen, nach Weise des groben Materialismus, Wahrheit und Bedeutung ein. Allein diese Entgegensetzung von Natur und Geist, von Erfahrungsbeweisen und Beweisen aus der Vernunft, war damals durchaus nicht an der Zeit; Friedrich faßte die Frage gewiß nicht, wie die meisten Materialisten und Idealisten des achtzehnten Jahrhunderts, ohne alle Rücksicht auf die Offenbarung, vielmehr behauptete er wohl nur: daß man bei der Prüfung des Offenbarungsglaubens Natur und Vernunft hören müsse.

Wie konnte aber, so erneut sich der Vorwurf, wie konnte der Kaiser das Bekenntniß eines rechtgläubigen Christen ablegen, wenn er nicht daran glaubte? Wir antworten, erstens, mit der schon oben entgegengestellten Bemerkung: daß die innerlichste Überzeugung wohl selten mit der äußerlich gegebenen Vorschrift und Berufspflicht ganz zusammenfällt, (wie die meisten Geistlichen, vom Papste an, bezeugen können), also der Kaiser darüber nicht vorzugsweise anzuklagen ist; wir berufen uns ferner auf den oft ausgesprochenen Satz: »über das Innere urtheilt die Kirche nichtDe internis non judicat ecclesia.,« und erlauben uns endlich die Gegenfrage: »woher man wisse, daß der Kaiser so geradehin nichts geglaubt habe?« Ist denn Vernunft und Offenbarungs-Glaube etwas in der höchsten Ansicht unvereinbares? Können denn nicht die Offenbarungswahrheiten über alle Zweifel des Verstandes obsiegen, und zuletzt, verklärt und mit der tiefsten Erkenntniß versöhnt, hervortreten? Auf dieser Bahn, die fast jeder sinnvolle Mensch 42 {1239}durchwandelt, deren letztes Ziel aber keiner auf Erden erreicht, schwankt die Ansicht, die Zweifelskraft, die Glaubensfähigkeit. Nach Lebens-, ja nach Jahres- und Tages-Zeiten, tritt die eine oder die andere mehr hervor, und scheinbar unversöhnliches thut sich in Worten und Thaten kund, welches in tiefster unsichtbarer Wurzel inniger zusammenhängt, als anderes, was auf der Oberfläche, scheinbar in vollster Einigkeit, neben einander schwimmt. So mochte der forschende, zweifelnde Kaiser ein besserer Christ seyn, als mancher bloß abergläubige Bettelmönch. 43

 


 


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