Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 4
Friedrich von Raumer

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Funfzehntes Hauptstück.

{1239} In dem Augenblicke wo Gregor den Bann über den Kaiser aussprach, schickte er Bevollmächtigte in alle christliche Reiche, um sein Recht darzuthun und Unterstützung für die Kirche auszuwirken. Als aber der Kardinal Otto von der englischen Geistlichkeit ein Fünftel ihrer Einnahmen verlangte, {1240} antwortete sie einstimmigMath. Paris 354, 355. 360.: »die Beschuldigungen gegen den Kaiser sind nicht erwiesen und kein Geistlicher darf mit weltlichem Arme fechten. Jede Kirche hat, gleich der römischen, das Recht zu erwerben und das Erworbene ohne Eingriff für sich zu behalten: denn es stehet zwar geschrieben: was du binden und lösen wirst auf Erden, soll auch im Himmel gebunden und gelöset seyn; nicht aber: was du erpressest auf Erden, soll auch im Himmel gültig erpreßt seyn. Und versprach nicht der Papst schon längst, er wolle mit außerordentlichen, ungesetzlichen Forderungen inne halten, und das zu der ursprünglichen heilsamen Bestimmung ohnedies nicht hinreichende Kirchenvermögen unverkürzt lassen?« – Bei solcher Stimmung würde ein tüchtiger König leicht die Geistlichkeit seines Reichs gegen Erpressungen geschützt oder wenigstens die Angemessenheit der Ausschreiben näher geprüft haben; statt dessen sagte Heinrich III, als ihn mehre Äbte in Gegenwart des päpstlichen Gesandten hiezu 93 {1240} bestimmt aufforderten: »ihr sehet, Herr Legat, daß diese elenden Verführer euern Befehlen nicht gehorchen wollen; allein ich überlasse sie eurer Willkür, und ihr mögt sie in einem meiner Schlösser gefangen setzen.« – Eben so wenig, als Vorstellungen seiner eigenen Unterthanen, halfen dringende Schreiben des Kaisers, und die Entschuldigung Heinrichs: »daß er dem Papste als Lehnsmann gehorchen müsse und ihm nicht zu widersprechen wage;« enthielt in den Augen Friedrichs die höchste eigene Anklage. – Ob nun gleich der Kardinalgesandte in England allgemeine und strenge Maaßregeln vermied, so wußte er doch durch Entbindung von Gelübden, durch kirchliche Erlaubnißscheine mancher Art und durch geschickte Behandlung der einzelnen Bischöfe und Äbte, große Summen Geldes zu erhalten; – und fast noch mehr Erfolg hatten ähnliche Bemühungen in Frankreich.

Als Friedrich II im Sommer des Jahres 1240 mit seinem neugesammelten Heere über Velletri gen Rom vorzurücken drohte, war der Papst über den Ertrag der neuen Steuern wohl noch nicht unterrichtet; sondern von allen kriegerischen Vertheidigungsmitteln so entblößt, daß er für sich und die Lombarden einen Waffenstillstand bis Ostern 1241 suchte. Der Kaiser (ohnehin außer Stande gleichzeitig beide zu bekämpfen, und geneigt den Papst zu beruhigen) schloß mit dessen Bevollmächtigten ab, und wandte sich hierauf zur Belagerung Faenzas. Sobald aber Gregor von der Noth dieser Stadt und den großen Einnahmen in England und Frankreich hörte, welche ihm neue Kriegsmittel darboten; verwarf er jenen Waffenstillstand, weil er nicht auf seine Verbündeten, die Lombarden, ausgedehnt sey. Kardinal Kolonna, welcher solch eine unlösliche Vereinigung der kirchlichen und lombardischen Angelegenheiten mißbilligte, und jene Unterhandlung mit dem ihm befreundeten Kaiser hauptsächlich geführt hatte, sagte hierauf zum Papste: »Herr, ich will nicht durch leichtsinnige Rücknahme meines dem Kaiser gegebenen Wortes den Schein der Untreue auf mich laden; und auch ihr thätet besser, den Frieden anzunehmen, als 94 {1240} würdige Kardinäle mit so ungebührlichen Aufträgen an einen so großen Fürsten zurückzusenden.« – »Wenn du«, antwortete Gregor zornig, »mir nicht gehorchen willst, so werde ich dich nicht länger als Kardinal gelten lassen.« – »Und ich«, fiel jener rasch ein, »dich nicht für einen Papst.«

Seitdem gesellte sich Kolonna zu den Feinden Gregors, auch andere Kardinäle wurden über dessen Hartnäckigkeit ungeduldig, und in Rom erhoben kaiserlich Gesinnte von neuem ihre StimmeDer Papst selbst hatte in den Waffenstillstand nicht gewilligt; aber deswegen braucht man den Streit mit Kolonna, der nachher gegen ihn auftritt, keineswegs ganz zu leugnen. Wir haben versucht die Nachrichten und Ansichten zu vereinigen, welche sich bei Math. Par. 359, 365, Petr. Vin. I, 34, 36; II, 38, Rich. S. Germ. zu 1241 und Raynald zu 1240, §. 52, befinden..

Zu dem Mißlingen aller Unterhandlungen trug nicht wenig ein anderer Plan bei, welcher, statt den bezweckten Frieden herbeizuführen, zuletzt den Bruch zwischen der weltlichen und geistlichen Macht wo möglich noch erweiterte. Der Kaiser hatte sich nämlich in seinen frühern Klageschriften über den Papst mehre Male auf eine allgemeine Kirchenversammlung berufen und von ihr die Abstellung der vorhandenen Mißbräuche erwartet. Gregor hingegen war auf diese Wünsche nicht eingegangen, aus Furcht, seine rein monarchische Stellung dürfte, bei den vorhandenen Umständen und Leidenschaften, hiedurch leicht gefährdet werden. Weil er sich aber itzt der kaiserlichen Macht nicht mehr erwehren und von den Geistlichen immer noch eher Beistand erwarten konnte, als von den Laien, weil ihm in Hinsicht der Berufung, der Geschäftsführung, der Abstimmung und Entscheidung sehr viele Mittel und Rechte zu Gebote standen; so erließ er im Sommer 1240 Schreiben an alle Prälaten der Christenheit: daß sie sich, zur Berathung über wichtige Angelegenheiten der Kirche, um Ostern 1.241 in Rom versammeln möchtenSavioli III, Urk. 622, 624..

95 {1240} Dieser Beschluß war dem Kaiser in dem jetzigen Augenblicke durchaus nicht willkommen: denn nachdem er den Papst durch eigene Kraft bis an den Rand des Unterganges gebracht hatte, ließ sich vorhersehen, daß die gesammte christliche Geistlichkeit nicht fördernd, sondern nur störend und hemmend dazwischentreten werde; auch blieben die Mittel, wodurch sich der Papst gegen etwanigen Widerspruch kaiserlich Gesinnter zu schützen suchte, schon jetzt nicht verborgen. Deshalb erließ Friedrich im September 1240 Schreiben an alle Könige und Fürsten, des Inhalts: »er werde eine Kirchenversammlung nie anerkennen, wozu keineswegs lauter unparteiische Geistliche, sondern auch alle diejenigen berufen wären, welche sich offenbar gegen ihn empört, oder, wie die englischen Prälaten, Geld aufgebracht hätten, damit ihn der Papst desto nachdrücklicher bekriegen könne. Ja nicht bloß die ihm abgeneigten Geistlichen, sondern auch alle seine weltlichen Feinde habe der Papst namentlich eingeladen: die Grafen von ProvenceIm November 1239 schloß Gregor einen Bund mit dem Grafen Berengar von Provence wider Friedrich, und im Jahre 1241 einen ähnlichen mit dem Grafen Raimund von Toulouse.  Hist. de Langued. III, preuves 228, 234. und S. Bonifazio, den Dogen von Venedig, den Markgrafen von Este, Alberich von Romano, Paul Traversaria, die Mailänder u. a. m. Das zeige deutlich: nicht Friede sey Zweck der Versammlung, sondern Haß und KriegMath. Par. 367, 374.  Rymer foed. I, 1, 134.  Petr. Vin. I, 34.  Bullae Pontif. ap. Hahn. XXI.. Überhaupt könne ein Papst ohne Zustimmung des Kaisers keine allgemeine Kirchenversammlung berufen; am wenigsten einer der, wie Gregor, als hartnäckiger Feind des Reiches auftrete und die Angelegenheiten der Könige und Fürsten, welche keinem irdischen Gerichte unterworfen wären, durch seine gehorsamen und aus Furcht vor der Absetzung eingeschüchterten Diener, durch die Prälaten, auf unerhörte Weise wolle entscheiden lassen. Dahin deute, wenn man es sonst nicht schon wüßte, auch 96 {1240} die unbestimmte Angabe des Grundes jener Ladung; und die absichtlich kurz gesetzte Frist bewirke, daß entferntere nicht erscheinen könnten, und nur die nahen eifrigen Freunde des Papstes erscheinen würden. Sobald der Papst die Vertheidigung der ketzerischen Mailänder aufgebe, sey die Aussöhnung leicht; und wie ehrlich und ernstlich der Kaiser den Frieden wünsche, gehe daraus hervor, daß er selbst seinen Sohn, König Konrad, als Geißel für seine Versprechungen, obgleich vergebens, angeboten habeMartene coll. ampliss. II, 1138..« – Ferner schrieb Friedrich den KardinälenPetr. Vin. in Bibl. Barberina No. 2138 p. 19.: »ihr seyd dem Papste zwar verpflichtet, aber nicht seinen Leidenschaften ohne Urtheil unterworfen. Ihr solltet fest stehen, als die Angeln, die Cardines der Welt, und euch nicht leichtsinnig für das Unrechte, für das Verderben des Kaisers umstimmen lassen. Ihr solltet das Übel durch Milde zum Guten wenden, nicht durch unnütze Reden Öl ins Feuer gießen und Zugpflaster statt der Heilsalbe auflegen. Wollte der Papst den Frieden, er ließe sich schnell durch erwählte Kardinäle und kaiserliche Bevollmächtigte zu Stande bringen; statt dessen beruft er Geistliche aus fernen Landen zur Berathung über Dinge, die sie nicht kennen, zu Richtern über Dinge, welche sie nichts angehen; ein klarer Beweis, daß er sich ihrer nur bedienen will für seine Leidenschaften und seine Zwecke.«

Am einfachsten und angenehmsten wäre es für den Kaiser gewesen, wenn das Ausbleiben der Prälaten die ganze Kirchenversammlung vereitelt hätte. Ein umständliches, feierlich und mit rednerischem Prunke abgefaßtes Kreisschreiben des Kanzlers Peter von Vinea sollte jeden von der Reise abschrecken. »Alle Küsten, alle Häfen, alle Wege (so heißt es in demselben) sind besetztIbid. 16.; des Kaisers Seemacht bedeckt das Meer und von seiner Strenge, welche des eigenen 97 {1240} ungehorsamen Sohnes nicht schont, habt ihr das äußerste zu befürchten. Kämet ihr aber auch durch Zufall ungefährdet bis Rom, was erwartet euch daselbst anders, als neue Gefahren? Das Kochen unerträglicher Hitze, faules Wasser, grobe ungesunde Speisen, eine handgreiflich dicke Luft, eine Unzahl von Mücken, ein Vorrath von Skorpionen und eine Menschenart, schmutzig, abscheulich, schändlich, wüthig! Die Stadt ist unterirdisch ausgehöhlt, darin lauert giftiges Gewürm, bis es mit den heißen Dünsten des Sommers zu Tage kommt! Wer sich vom Meere rettet, kommt aus der Scylla in die Charybdis, und wer sein Leben wunderbar in Rom erhält, dem stehen immer noch die Gefahren der Rückreise bevor. – Und was will der Papst von euch? Er will euch täuschen, euch als Mittel zur Ausführung seiner Absichten, zum Deckmantel seiner Ungerechtigkeit gebrauchen; ihr sollt die Orgelpfeifen seyn, auf denen er nach Willkür umherspielt. Jetzt verschweigt er noch seine Zwecke, weil er die nach ihrer Ankunft in seine Hände Gegebenen leichter zu verführen und zu zwingen hofft; habt ihr aber in Leidenschaft oder Irrthum etwas beschlossen, so werden nachher die Lasten und Geldzahlungen nicht ausbleiben, welche Gregor zur Ausführung des Beschlossenen für unerläßlich und nothwendig erklärt. Den Gehorsam preiset er an, als diene dieser zu Gottes Ehren; der Wahrheit nach aber sucht er, um seines Vortheils willen, die Freiheit der hohen Geistlichkeit zu untergraben. Vom Leichten und Billigen werden seine Forderungen immer mehr und mehr steigen, und er wird euch, wenn ihr ihn nicht durch Widerstand zurückschreckt, behandeln wie schwaches Rohr. – Mithin umringen euch von allen Seiten Gefahren aller Art, für das Gut, die Freiheit, den Leib, die Seele! Möchten doch Eitelkeit, Haß, Ehrgeiz, Hoffnung auf Schutz und Pfründen, oder andere Leidenschaften und Irrthümer euch nicht täuschen und in das unabwendbare Verderben stürzen, wovor euch der wohlgesinnte Kaiser ernstlich warnen läßt!«

Sobald der Papst von diesen Schreiben hörte, erließ 98 {1240} er andereAm 15ten Oktober 1240.  Rayn. §. 58.  Savioli III, 2, Urk. 624., worin die Noth der Kirche und die Pflicht des Gehorsams hervorgehoben, und höflich hinzugefügt wurde, daß die Berufung nach reiflichem Überlegen statt gefunden habe, und selbst zur Ehre der Eingeladenen gereiche. Auf diese Weise durch kaiserliche und päpstliche Aufforderungen und Drohungen von zweien Seiten geängstiget, waren die Prälaten lange unschlüssig, bis ein Theil die nächsten Pflichten voranstellte und zu Hause blieb, ein anderer hingegen die Reise wagte: weil man Gott mehr gehorchen müsse, als Menschen, und der Kaiser zwar den Leib, nicht aber die Seele tödten könne. Der Kardinal Otto, ein Sohn Wilhelms III von Montferrat, führte mit dem Anfange des Jahres 1241 die Prälaten aus England herüberCardella I, 2, 247.  Ericus 46.  Cecconi 260.; der Kardinal von Präneste, Jakob Pekoraria, welcher die Bannung Friedrichs auf mehren französischen Kirchenversammlungen mit großer Heftigkeit verkündet, und ansehnliche Summen von der Geistlichkeit beigetrieben hatte, zog mit sehr vielen Bischöfen und Äbten nach Nizza; der Kardinal Gregor von Momelongo eilte aus der Lombardei nach Genua, um durch Bitten, Vorstellungen und Geldvorschüsse die Genueser zur schnellen Ausrüstung einer Flotte zu vermögenConcil. XIII, 1444.. Von dem allen wohl unterrichtet, versuchte der Kaiser zuvörderst noch einmal den Weg der Überredung und ließ den Prälaten durch eine feierliche Gesandtschaft vorstellenMath. Par. 380.: »wie schrecklich ihn der Papst behandelt und verketzert habe, und welche Mängel bei der Berufung der Kirchenversammlung vorsätzlich begangen worden. Er bitte und beschwöre sie, nicht übers Meer (denn er lasse dasselbe streng bewachen), sondern auf dem Landwege nach Rom zu gehen. Wenn er sie gesprochen, wenn er ihnen alle Umstände, alles zeither Geschehene aufs vollständigste mitgetheilt und vorgetragen habe, dann möchten sie auf der Kirchenversammlung auch den 99 {1241} Papst hören. Dem Spruche, welchen so weise Männer nach so vollständiger Rückfrage ertheilen würden, wolle er sich gern unterwerfen; wogegen sie es selbst nicht billigen könnten, wenn man über ihn, den Abwesenden, Unbefragten, urteln wollte. Für die Sicherheit ihrer ganzen Landreise, und dafür, daß er sie nach genommener Rücksprache ungestört würde zur Kirchenversammlung ziehen lassen, wäre er bereit jede Bürgschaft zu stellen, die sie selbst vorschlagen und verlangen würden. Gern käme er persönlich nach Genua, aber Mangel an Gelde, vielfache Geschäfte und die ungünstige Stimmung der Bürger jener Stadt, machten es ihm in diesem Augenblicke unmöglich.« – Auf alle diese Vorstellungen und Bitten des Kaisers antworteten die Prälaten (wahrscheinlich den Weisungen der Kardinäle gemäß) nichts weiter, als: »den täuschenden Reden eines Gebannten dürfe man nicht trauen.« Hiemit glaubte der Papst, welcher wohl um jeden Preis eine persönliche Zusammenkunft Friedrichs mit den Prälaten zu vermeiden wünschte, vollkommen obgesiegt zu haben: aber manche Prälaten kehrten, die Zukunft ahnend, in aller Stille um, denn der Kaiser hatte endlich, obwohl ungern, beschlossen offene Gewalt gegen seine offenbaren Feinde zu gebrauchen.

Mit großer Anstrengung war in Apulien und Sicilien eine Flotte ausgerüstet worden, welche sich mit der pisanischen vereinte. Jene führte des Kaisers Admiral Ansaldus oder Anselm de Mari und König Enzius; diese hingegen der tüchtige Pisaner Ugolino Buzacherini aus der Familie SismondiSismondi III, 44.  Bartolom. annal.  Salvi I, 184.  Im Jahre 1240 wird auch Nicolini Spinula als kaiserlicher Admiral genannt.. Als die Genueser (welche dem Kaiser bis jetzt nur geantwortet hatten: sie würden die Befehle der Kirche und des Papstes, unbekümmert um seinen Widerspruch, vollziehen) von dieser ansehnlichen Rüstung hörten, als Nachricht eintraf, daß die kaiserlichen Statthalter 100 {1241} Palavicini und Marinus von Eboli an zwei verschiedenen Stellen in das Gebiet des Freistaates eingebrochen wären und sich das Gerücht verbreitete, der Podesta verheimliche aufgefangene kaiserliche Briefe; so entstand in der Stadt Unzufriedenheit, Widerspruch, ja zuletzt ein offenbarer Aufruhr. Doch war die Obrigkeit von der guelfischen Gesinnung der Mehrzahl so wohl unterrichtet, daß sie es wagen konnte eine allgemeine Versammlung der Bürgerschaft zu berufen, mit deren Beistande binnen kurzer Frist alle Widersetzlichen bezwungen und bestraft wurden.

Am 25sten April 1241 schifften sich die Prälaten in Genua unter großem Jubel und heitern Hoffnungen einMehre hatte man in Nizza abgeholt; andere hatten sich zu Lande eingefunden.: denn, so schlossen viele, entweder begegnet man der kaiserlichen Flotte gar nicht, und das ist auf dem weiten Meere das wahrscheinlichste; oder man wird sie im entgegengesetzten Falle mit siebenundzwanzig großen wohlbemannten Schiffen leicht besiegen. Die bergige, mannigfach gestaltete Küste entlang, kam die Flotte über Porto Fino und Levano bis Porto Venere, und vernahm hier, daß siebenundzwanzig kaiserliche und vierzig pisanische Schiffe bei Pisa ankerten. Ein Theil der Genueser schlug itzt vor, die bereits in ihrer Vaterstadt begonnene Rüstung von acht neuen Schiffen abzuwarten; aber die Geistlichen glaubten sich nur durch die höchste Eile retten zu können. Hierauf riethen die meisten: man möge westlich gen Korsika steuern, weil man die Feinde hiedurch täuschen, ihnen auf hohem Meere leichter entgehen und glücklich Civitavecchia oder Ostia erreichen könne. Diesem verständigen Plane widersetzte sich jedoch der genuesische Admiral Wilhelm Ubriacchi (zu deutsch Trunkenbold) und suchte, trotz aller Bitten der Prälaten, mit einer in der That trunkenen Zuversicht die SchlachtChron. msc. No. 911.  Malespini 128.  Guil. Tyr. 720.  Villani V, 19.  Sanese chron. 26.  Magri e Santelli III, 161.. Auch wurde diese keineswegs verweigert: denn kaum erschienen die Genueser 101 {1241} in den pisanischen Gewässern, so eilten ihnen die Verbündeten entgegen und griffen sie am dritten Mai 1241 bei der Felseninsel Meloria, südwestlich von Livorno an. Nach kurzem Widerstande wurden die Genueser (deren Fahrzeuge zu schwer beladen, und zum Theil mit Leuten besetzt waren, die vom Seekriege gar nichts verstanden) völlig geschlagen, drei ihrer Schiffe versenkt, zweiundzwanzig genommenPetr. Vin. I, 8, 9.  Wenn fünf Schiffe, wie Bartol. sagt, entkamen, müßten deren dreißig gewesen seyn.  Rymer foed. I, 1, 138. und 4000 ihrer Mitbürger gefangen. Ferner (und das war der zweite und wichtigere Theil des Sieges) fielen den Kaiserlichen in die Hände: die KardinäleLyrense chron.  Rich. S. Germ. 1046.  Jamsilla 496.  Ecclesia 169.  Math. Par. 379.  Magagnotti 400. Otto, Jakob und Gregor, die Erzbischöfe von Rouen, Bordeaux und Besançon, die Bischöfe von Karkassonne, Agde, Nismes, Tortona, Pavia, die Äbte von Klairvaux, Cisters und Klugny, die meisten Abgeordneten der lombardischen Städte, sofern sie nicht, gleich einigen Prälaten, ihren Tod im Meere gefunden hattenVitae Pontif. 592.. Es ward endlich alles Geld und Gut erbeutet, was der Kardinal Otto in England, nicht immer auf löbliche Weise, zusammengebracht hatteWikes Chron. zu 1240, per fas et nefas.. Die durch jene ungewohnte Seereise größtentheils schon erkrankten Prälaten litten itzt auf der weitern Fahrt bis Neapolis so viel hartes und unwürdiges von dem rohen Schiffsvolke und einigen durch Haß überreizten Befehlshabern, daß die geordnete Haft, welche ihnen auf dem festen Lande zu Theil wurde, dagegen fast wie eine Erlösung erschienMath. Par.  Rymer foed. I, 1, 138.  Die Prälaten welche noch unterwegs waren, kehrten itzt in ihre Heimath zurück.  Guil. de Podio 44.. Doch wurden auch hier nicht alle gleich, sondern strenger und milder behandelt, je nachdem sie mehr oder weniger feindselig gegen den Kaiser aufgetreten waren.

102 {1241} Als Gregor von diesem großen Unglück hörte, erschrak er sehr; aber wie niemals, so verlor er auch jetzo den Muth nicht, sondern forderte Venedig, Genua, Bologna und andere der Kirche befreundete Städte auf, ihre Anstrengungen zu verdoppeln; schrieb die kräftigsten und herzlichsten Trostbriefe an die gefangenen Prälaten, und ermahnte den Kanzler Peter von Vinea, daß er beim Kaiser die Befreiung oder wenigstens mildere Behandlung derselben auswirken mögeRayn. §. 64–79.  Cod. Phil. Vind. No. 61, fol. 33, und No. 305, fol. 91.  Concil. XIII, 1168..

Um diese Zeit landete der aus Palästina zurückkehrende Herzog Richard von Kornwall zu Trapea in Sicilien, und ward von seinem Schwager dem Kaiser und seiner Schwester der Kaiserinn Isabelle aufs prachtvollste und zuvorkommendste empfangen. Doch vergaß man über den Ergötzungen und Festen nicht die ernsthaften Angelegenheiten, und Richard glaubte, ihm, dem Kreuzfahrer, dem Bruder eines Königs, werde die Vermittelung des so natürlichen und nothwendigen Kirchenfriedens nicht schwer fallen. Mit unbeschränkten Vollmachten des Kaisers versehen, eilte er nach Rom, ward aber von den Einwohnern mit beleidigendem Spotte empfangen, und der Papst verlangte: daß sich der Kaiser, nach so ungeheuren Vergehen, schlechthin und ohne alle Bedingung unterwerfe. Deshalb kehrte Richard bald zu seinem Schwager zurück, und erzählte mit zornigem Erstaunen, wie viel mißfälliges er gesehen und erlebt habeMath. Par. 384, 385, 389, 392.. Dieser, welchem nichts der Art mehr unerwartet kam, gab zur Antwort: »es freut mich, daß ihr selbst erfahren habt, was ich vorhergesagt, und was euch unglaublich schien.«

Mehr als Richard, nahm Ludwig IX die Partei der gefangenen Prälaten, und schickte den Abt von Corbie und den Ritter des Crosnes mit Schreiben folgendes Inhalts an den Kaiser ab: »bisher haben wir den festen Glauben 103 {1241} gehegt, daß zwischen unsern, durch alte Liebe und Zutrauen eng vereinten Reichen, nicht der geringste Zwist entstehen könne. Jetzt aber werden wir mit Recht und mehr beunruhigt, als ihr wohl meint, weil die Prälaten Frankreichs von euch, ohne zulänglichen Grund und ohne vorhergegangene Beleidigung, sind gefangen worden. Sie waren durch Glauben und Gehorsam verpflichtet den Aufforderungen des Papstes Genüge zu leisten, und hatten, wie sie uns schreiben, keineswegs feindselige Absichten gegen euch, wenn auch der Papst vielleicht minder gebührend vorzuschreiten dachte. Wir müssen aber um so bestimmter deren Freilassung verlangen, da wir den Kardinalbischof von Präneste und andere päpstliche Abgeordnete mit ihren Anbringen und Gesuchen wider euch, stets öffentlich zurückgewiesen haben. Prüfet und überlegt also ruhig und unbefangen, handelt nicht nach bloßer Heftigkeit, oder im Vertrauen auf eure Macht: denn nie werden wir die Ehre Frankreichs verletzen lassen, und es ist keineswegs so schwach, daß es sich von euren Sporen verwunden ließe.« Der Kaiser antwortete: »die Ansicht und Schlußfolge des königlichen Schreibens würde unwiderlegbar richtig erscheinen, wenn nicht des Papstes feindselige Zwecke weltkundig wären. Diese einseitige, keineswegs allgemeine Kirchenversammlung sey berufen, dieser Thurm von Babel sey erbaut bloß zu seinem Untergange. Wer trotz aller Warnungen zu seinen Feinden eile, den müsse er als Feind betrachten, und gegen offenbare Verfolgung sey eine offene Vertheidigung erlaubt. Deshalb möge sich der König nicht wundern, daß er die französischen Prälaten, welche nur gekommen wären, ihn einzuengen, itzt in solcher Enge halteIn angusto tenet Augustus, qui ad Caesaris angustias nitebantur.«. – Erst eine zweite Gesandtschaft Ludwigs, an deren Spitze der Abt von KlugnyDa Gregor (Rayn. §. 63 und 71) den Abt von Klugny unter den Gefangenen nennt, so muß er bald befreit worden seyn. Doch fällt die zweite Gesandtschaft später, und wir wollen nur unsere Erzählung nicht zerstückeln.  Vie de S. Louis msc.  Sinner II, 53. No. 191 fol.  Guil. Nang. 335.  Petr. Vin. I, 12. stand, 104 {1241} fand den Kaiser nachgiebiger; es waren jedoch unterdeß noch andere, weiter unten zu erzählende Gründe für die mildere Ansicht eingetreten.

Noch immer stieg Friedrichs Glück. Acht Tage nach jener Seeschlacht, am 11ten Mai, wurden die innerlich in Parteien zerfallenem Mailänder von den Paviensern hart geschlagen, 350 der ihrigen gefangen und mehre Fahnen und Kriegszeug erbeutetMurat. ann.  Petr. Vin. I, 8.  Mediol. ann.. Der Kaiser selbst rückte vorwärts durch das Bolognesische in den Kirchenstaat, und eroberte Fano, Spoleto, Terni, Narni und Rieti, ferner, mit Hülfe des Kardinals Kolonna, Tivoli, Albano und Grottaferrata. Monteforte endlich, eine Burg, welche Gregor von den Geldern der Kreuzfahrer zu seinem und seiner Verwandten Schutz erbauet hatte, fiel nebst diesen, zu großem Schrecken des Papstes, in die Hände Friedrichs. Ringsum war Rom eingeschlossen, und Gregor gezwungen, während der gewaltigen Hitze des Sommers, gegen seine Gewohnheit in der ungesunden Stadt zu verweilen. Ihn allein traf die Gefahr, welche Friedrich den Prälaten warnend verkündet hatte; und so erlag der fast hundertjährige Greis zuletzt vielleicht noch mehr den giftigen Dünsten, als den geistigen Leiden: er starb am 21sten August 1241Math. Par. 389.  Rich. S. Germ. 1047.  Chron. msc. 911.  Compagnoni II, 267.. – Fast alle seine Zwecke schienen ihm mißlungen; überall schien der Kaiser obzusiegen! Gregor hingegen war in der Überzeugung beharrt: daß ein Kampf, so muthig und auf so felsenfestem Boden geführt, zuletzt zum Vortheile der Kirche enden werde, und hatte deshalb wenige Wochen vor seinem Tode geschriebenSavioli III, 2, 627.: »laßt euch, ihr Gläubigen, nicht durch die wechselnde Erscheinung der Gegenwart betäuben; seyd im Unglücke nicht verzagt, im Glücke nicht stolz; vertraut auf Gott und tragt seine Prüfungen in Geduld. Das Schifflein Petri 105 {1241} wird zwar bisweilen durch Stürme fortgerissen und auf Felsen fortgetrieben: aber bald und unerwartet taucht es aus den schäumenden Wogen wieder auf, und segelt unverletzt auf der geglätteten Fläche.«

Dem Kaiser erschienen die Verhältnisse natürlich in einem andern Lichte; er schrieb an alle KönigePetr. Vin. I, 11.: »nachdem unser siegreiches Heer das römische Gebiet betreten hatte, traf die Nachricht ein, daß Papst Gregor IX am 21sten August verstorben sey. Er, der jeden Frieden zurückwies und ewige Spaltungen bezweckte, der so viele in die Gefahr des Todes brachte und den Kaiser, den Augustus, zu bezwingen hoffte, hat nicht einmal das Ende des sich rächenden Augusts überleben können! Ob wir nun gleich gegen ihn durch offenbares Unrecht und feindselige Verfolgungen zum Haß aufgereizt sind, so bedauern wir dennoch seinen Tod und wünschen, daß der Himmel seine Tage verlängert hätte, bis unsere ehrwürdige Mutter, die heilige Kirche und das römische Reich, welchem wir von Gottes Gnaden vorstehen, auf erwünschte Weise wären versöhnt und das durch ihn erregte größte Ärgerniß neuerer Zeiten gehoben worden. Der Himmel hat es jedoch anders beschlossen! Er wird zum Troste der wehklagenden Christenheit einen Mann auf den apostolischen Stuhl erheben nach seinem Herzen, der Gregors Krümmungen gerade, seine Missethaten wieder gut macht, der ganzen Welt den Frieden giebt und uns zur Liebe der mütterlichen Kirche zurückführt. Wahrlich, sobald nur das künftige Oberhaupt der Kirche nicht seines Vorgängers Haß und Missethaten gegen uns erneut, so ist es unser brennendster Wunsch und unser größtes Bestreben, ihm und dem katholischen Glauben und der kirchlichen Freiheit auf alle Weise Beistand zu leisten und Wohlwollen zu zeigen.« 106

 


 


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