Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 4
Friedrich von Raumer

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Dreizehntes Hauptstück.

{1239} Es gab auf Erden keinen Richterstuhl, vor welchem die wechselseitigen Beschuldigungen und Ansprüche des Papstes und des Kaisers konnten entschieden werden; vielmehr hing der Erfolg lediglich davon ab, wer die Stimmen der Völker und Fürsten gewinnen, und wer die stärkste äußere Macht gegen den andern aufstellen könne.

In England ließ der schwache König Heinrich III, obgleich er, als Schwager Friedrichs, ein doppeltes Recht zum Widerspruch gehabt hätte, die Bannbulle ungestört verkündenMath. Paris 330, 346.  Iricus 46.; weil aber die päpstlichen Abgeordneten gleichzeitig das Land, und besonders die Geistlichkeit, mit schweren Steuern und Abgaben drückten, so äußerten nicht wenige: »warum sollen wir des Kaisers Feinde seyn? Hat er uns schon Wucherer und Räuber geschickt und uns ausgeplündert, wie der Papst?«

In Deutschland brachte die alte Ehrfurcht vor dem Oberhaupte der Kirche und der ängstliche Zweifel über Friedrichs Rechtgläubigkeit, viele zum Parteinehmen gegen ihn; desto lauter sprachen aber seine treuen Anhänger: »der Papst hat ihn früher nur aus Haß gegen Otto erhoben, und sucht ihn jetzo nur zu stürzen, weil er, gleichwie Otto, die Rechte des Reichs vertheidigt. Warum sollen wir dem Kaiser, 44 {1239} welcher selbst in fernen Landen für die Christenheit focht, während ihn der Papst in Italien verfolgte, nicht glauben, wenn er feierlich versichert, er habe den wahren Glauben? warum Gregors Worten mehr vertrauen, welcher uns vor kurzem überreden wollte, Friedrich sey ein Muhamedaner, und jetzo, er habe Muhamed einen Betrüger genannt?« – Viele Bischöfe machten den Bannspruch gar nicht bekanntRayn. §. 35, 36. Pfister II, 303., der Patriarch Bertold von Aquileja trat öffentlich auf des Kaisers Seite, und die deutschen Ritter und die deutschen Städte blieben ihm, trotz aller päpstlichen Strafbriefe, unwandelbar getreu. Eben so wenig Eindruck machten Gregors Versuche, eine neue Königswahl durchzusetzen; vielmehr schrieben ihm mehre Fürsten und Prälaten: »er möge nicht (den Einflüsterungen einzelner vertrauend, welche im Trüben zu fischen hofften) den Streit mit dem Kaiser, zum Ärgernisse der Welt und zum Schaden der Kirche aufs äußerste treiben, nicht die Lombarden durch seine Bevollmächtigten zum Abfall anreizen. Denn bei aller Ehrfurcht für die Kirche, könnten sie doch den Kaiser, der seine Güter und seine Person für das Reich aufs Spiel setze, nicht verlassen und dadurch sich selbst preis gebenAlbert. Stad. zu 1240.  Math. Par. 349.  Litt. Princ. ap. Hahn. II.  Cod. epist. 4957, p. 25.. Fragen über das Verhältniß der Lombarden zum Reiche, ständen bloß zur Entscheidung des Kaisers und der Fürsten; und ebenso habe der Papst nur das Recht, den erwählten deutschen König zu krönen, keineswegs aber ihn abzusetzen oder neue Wahlen anzuordnen.« – Herzog Abel von Schleswig lehnte den päpstlichen Vorschlag, den deutschen Thron zu besteigen, vorsichtig ab; und Herzog Otto von Braunschweig, der Freundschaft Friedrichs und der frühern Erfahrungen eingedenk, gab zur Antwort: »er wolle nicht zu Grunde gehen und sterben, wie sein Oheim Kaiser OttoAlberic. 577.

Gregor wandte hierauf seine Blicke nach Frankreich, und 45 {1239} hoffte in diesem, angeblich rechtgläubigsten, Lande und von Ludwig IX, dem unleugbar frömmsten Könige, mehr zu erlangen. Sein Abgesandter, der Kardinal Jakob von PränesteGuil. Nang. 335.  Iperius 721., hielt anfangs mit Erfolg Versammlungen in Melun und Soissons; sobald er aber ein Zwanzigstel ihrer Einnahmen für den Papst verlangte, wurde die Geistlichkeit schwierig, und noch weniger fanden dessen anderweite Plane Eingang bei den Baronen und der königlichen Familie. Gregor schrieb nämlich an den König und alle Barone Frankreichs: »er habe, mit Rath der Kardinäle, den Kaiser für seine weltkundigen Verbrechen abgesetzt, und den Bruder des Königs von Frankreich, den Grafen Robert von Artois, zum Nachfolger bestimmt. Man möge ein so großes, freiwillig dargebrachtes Geschenk ungesäumt mit offenen Armen annehmen, und dem unwandelbaren Beistande der römischen Kirche vertrauen.« – In der über diesen Antrag gehaltenen allgemeinen Berathung, erklärten sich die meisten heftig wider denselbenConcil. XIII, 1177.  Math. Par. 350. Den französischen Baronen wäre die Kaiserkrone in ihrem Regentenstamme, trotz allen Scheines der Ehre, auch aus andern leicht zu findenden Ursachen, wohl nicht willkommen gewesen. und äußerten: »wie kann der Papst einen Fürsten, welchem keiner in der Christenheit voran, oder auch nur gleich steht, mit verwegenem Übermuthe, ungehört und ohne Eingeständniß, seines Erbes berauben und vom Throne stürzen? Eine solche Strafe, hätte er sie verdient, könnte nur eine allgemeine Kirchenversammlung aussprechen; keineswegs aber darf man dem Zeugnisse seiner Feinde Glauben beimessen, deren größter bekanntlich der Papst selbst ist. Gegen uns war Friedrich immerdar schuldlos und ein guter Nachbar; wir haben, weder in Hinsicht der weltlichen Treue noch des christlichen Glaubens, irgend etwas bedenkliches an ihm gefunden; ja er hat durch seine Kämpfe gegen die Ungläubigen mehr Christenthum und Religion bewiesen, als der ihn gleichzeitig befehdende Papst. Deshalb wollen wir 46 {1239} uns keineswegs, bloß um die römische Rachgier zu befriedigen, in Gefahren stürzen und einen Fürsten angreifen, dem große Macht, noch mehr aber die Gerechtigkeit seiner Sache zur Seite steht. Wahrlich, wenn Gregor durch unsere und anderer Hülfe den Kaiser besiegt hätte, so würden ihm die Hörner des Stolzes und Übermuthes wachsen, und er würde alle Fürsten und Reiche unter seine Füße treten. Damit es jedoch nicht scheine, als setzten wir seinen Antrag geringschätzig ganz bei Seite, so laßt uns den Kaiser durch Gesandte über seinen Glauben genau befragen. Ist er unschuldig, warum ihn dann befehden? Den Schuldigen hingegen, welcher schlecht von Gott denkt, wollen wir, und wäre es selbst der Papst, auf alle Weise verfolgen und bekriegen.«

Ludwig der Heilige und seine Mutter Blanka widerriethen dem Grafen von Artois aufs bestimmteste die dargebotene Krone anzunehmen, und GesandteAlberic. 568.  Math. Par. 300.  Guil. Nang. 332.  Flassan. I, 125.  Vie de S. Louis. mscr. fol. 6.  Martene coll. ampl. II, 1143., unter ihnen der Bischof von Langres und der Ritter Adam, eilten, jenem Vorschlage gemäß, zum Kaiser. Als dieser von ihnen des Papstes Maaßregeln erfuhr, hob er staunend seine Hände gen Himmel und sprach, indem ihm die Thränen des Zorns und des Schmerzes über die Wangen liefen: »meine Freunde, meine lieben Nachbarn! Gott sey Richter zwischen mir und jenem, der meine Ehre untergräbt, meinen Ruf verleumdet und nach meinem Blute dürstet! Von dem Glauben, den so viele herrliche Väter lehrten, den alle meine Vorfahren bekannten, bin ich nie abgewichen, um den Wegen der Verdammten zu folgen. Ich danke euch sehr, daß ihr, vor aller Entscheidung, meine Antwort in einer so wichtigen Sache habt einholen wollen; würdet ihr mich aber dennoch angreifen, so wundert euch nicht, wenn ich mich vertheidige. Denn ich habe den festen Willen und bin unwandelbar entschlossen, meine weltlichen Rechte und Würden unverkürzt zu 47 {1239} erhalten. Gott, der Beschützer der Unschuld, wird mir beistehen in diesem gerechten Bemühen, das ist meine Hoffnung!« – Bewegt antworteten die Gesandten: »da sey Gott für, daß wir jemals einen Christen, ohne offenbare Ursache befehden sollten. Auch drängt uns kein Ehrgeiz, denn wir glauben, daß unser Erbkönig einem bloß gewählten Kaiser sogar noch voranstehe. Es genüge dem Grafen Robert, der Bruder eines solchen Königs zu seyn.« Hierauf verließen die Gesandten den Kaiser in aller Freundschaft; und wenn sich auch Ludwig IX nicht nachdrücklich für ihn erklärte, so fiel doch jener Plan des Papstes ohne Erfolg dahin.

Seinerseits war der Kaiser gleich thätig. Er forderte alle Geistliche aufPetr. Vin. I, 23., den Gottesdienst fernerhin zu halten, weil er ein rechtgläubiger Christ sey. Wer sich dessen weigerte, wurde zwar nicht zum Gehorsam gezwungen, verlor aber alles Gut, was seine zwei nächsten Vorfahren erworben hatten. Oder wo diese Vorschrift nicht anwendbar erschien, belegte man die Widerspenstigen mit SteuernCod. Vindob. Phil. No. 305, fol. 119, 129., die bis zu einem Drittheil ihrer Einkünfte stiegen, oder behielt diese auch wohl ganz inne, und ließ erledigte Stellen unbesetztParm. chron. zu 1246.  Petr. Vin. V, 104, 105.  Regesta Frid. 246, 255.. So finden wir die Bisthümer von Agrigent, Monreale und Cephaludia schon im Jahre 1239 erledigt, die von Volterra und Fermo unter kaiserlicher Verwaltung, und hören, daß kaiserliche Getreue aus ihren Einkünften belohnt wurden. Ja bei der Gefahr daß der Papst, wie schon einmal, durch seine Anhänger im neapolitanischen Reiche Unruhen erwecken möchte, ergriff Friedrich allgemeinere Maaßregeln und setzte festRich. S. Germ. 1041.  Reg. Fr. 312, 322.  Im Februar 1241 schrieb Friedrich an das Generalkapitel der Dominikaner nach Paris, entwickelte das Unrecht des Papstes und forderte sie höflich auf, sich nicht, den Pflichten ihres Standes zuwider, in diesen Streit zu mischen.  Cod. Vindob. Phil. N. 305, fol. 112.: »alle Mönche (insbesondere die 48 {1239} Dominikaner und Minoriten) welche aus der Lombardei gebürtig sind, verlassen das Reich; die übrigen stellen Bürgschaft für ihre gute Aufführung. Alle Klöster und Kirchen zahlen dem Kaiser eine angemessene Beisteuer, sofern er sie nicht aus Gnaden davon frei spricht. Niemand darf sich ohne besondere Erlaubniß an den päpstlichen Hof begeben, und jeder welcher sich daselbst (es sey denn im Gefolge der Kardinäle Thomas und Jakob) aufhält, soll, bei Verlust aller Güter, sogleich zurückkehren. Wer Schreiben oder Befehle Gregors in das Land bringt, wird gehangen. Diejenigen Barone, welche dessen Partei schon bei der frühern Empörung ergriffen, sollen, im Fall sie vermögend sind, ihrer Lehnspflicht gemäß, nach der Lombardei ziehen; im Fall sie aber unvermögend sind, zu dem gleichen Zwecke aus der Staatskasse Sold erhalten. An die Stelle aller Beamten, deren Gesinnung oder Tüchtigkeit in diesen schwierigen Zeiten zweifelhaft erscheint, werden neue angesetzt und die Aufsicht über alle verstärkt.« Diese Vorschriften, so wie die harte Behandlung des widerspenstigen Klosters Montekassino und die mehr oder weniger erzwungene Vertreibung der Bischöfe von Theano, Venafro, Aqui u. a. O. erschien den kirchlich Gesinnten als bloße Tyrannei; noch empfindlicher wurden sie indeß verletzt, als Elias, der Großmeister der FranziskanerMath. Paris 351.  Rich. S. Germ. 1044.  Salimbeni 279., die Klagen des Kaisers für gegründet, des Papstes Bann aber für nichtig erklärte und in Bezug auf dessen Habsucht hinzusetzte: daß er seinen Boten und Bevollmächtigten leere, jedoch besiegelte Blätter gebe, welche sie dann mit höchster Willkür, zur Erdrückung der gläubigen Christen ausfüllten. Elias wurde dieses Benehmens wegen gebanntSiehe Band III, Buch VII, S. 607–609. und verlor allen 49 {1239} Einfluß im Orden; wogegen der Kaiser jetzt in jedem Kloster nur zwei Bettelmönche als Aufseher ließ, alle übrigen aber aus dem Lande jagte.

Während Friedrich diese Maaßregeln für das sicilische Reich ergriff, bemühte er sich auch seine Partei im obern Italien zu verstärken und allen bisherigen Streitigkeiten ein Ende zu machen. Allein diese Aufgabe blieb jetzt so unlösbar wie sonst, und selbst die besten Hoffnungen täuschten zuletzt. Markgraf Azzo von Este kam, auf die ergangene Vorladung, nach Padua und schien mit dem Kaiser, ja sogar mit Ezelino versöhnt; dieser benutzte jedoch dessen fröhliche Aufnahme um zu erfahren, welche Bürger ihm zugethan seyen, und brachte, aus Irrthum oder Eigennutz, den Kaiser dahin Vorsichtsmaaßregeln zu ergreifen, welche der Wahrheit nach mehr reizten und beleidigten, als auf die Dauer den Frieden sicherten.

Als er z. B. Azzos Sohn, Rainald, nebst seiner Gemahlinn Adelasia, als Geißeln nach Apulien schickteZagata 36.  Estense chr.  Solche Geißeln wurden oft an einzelne apulische Barone zur Verpflegung übergeben, wo es ihnen gewöhnlich schlecht erging.  Aldimari mem. 83.  Gegen die mailändischen bewies sich Friedrich ein andermal sehr höflich und zeigte ihnen seine Schlösser und Lustgärten. Im November 1239 weiset Friedrich Geld an zum Unterhalt Adelasiens, filia proditoris nostri.  Reg. Fr. 275, 276, 292, 313, 388, 391, 393., ward Alberich von Romano, Ezelins Bruder und Adelasiens Vater, hiedurch keineswegs in seiner schon zweifelhaften Treue bestärktAlberich mag schon im Sommer 1238 geschwankt haben; im Jahre 1239 gingen mehre päpstliche Schreiben an ihn.  Verci Ecel. III, Urk. 135, 154–158., sondern verließ im Mai 1239 den Kaiser und vertrieb durch Überraschung dessen Partei und Besatzung aus Treviso. Friedrich, außer Stande durch Drohungen oder im schnellen Angriff Treviso wieder zu erobern, schenkte die Stadt nebst ihrem Gebiete seinen getreuen 50 {1239} Paduanern, als eine verdiente, und hoffentlich leicht zu gewinnende Beute.

Bald darauf, am zehnten Junius gab der Markgraf von Este vorMath. Paris 353.  Roland. Patav. IV, 11-14.  Godi 84.  Laurent. 144.  Mon. Patav. 678., er wolle mit seinen Freunden den Grafen von S. Bonifazio besuchen; allein er kehrte nicht wieder, und behauptete laut: ein Vertrauter des Kaisers habe ihm eröffnet, daß er mit dem Tode bestraft werden solle. Hiefür findet sich kein Beweis, ja nicht einmal die geringste Wahrscheinlichkeit: vielleicht aber hatte Ezelin dem Markgrafen die Botschaft überbringen lassen, um ihn zu entfernen; oder dieser erfand sie, um seine Flucht zu beschönigen. Auf jeden Fall blieben die feierlichen Versicherungen des Kaisers von der Unwahrheit jener Anklage, es blieben Gesandtschaften, Bitten, Versprechungen, Drohungen gleich vergeblich: Azzo wollte weder dem Ezelin nachstehen, noch die Kirche verlassen, noch gegen die lombardischen Städte fechtenSavioli III, 2, Urk. 619.. Am 20sten December 1239, trat er feierlich in ihren Bund. – Nach solchen Erfahrungen schien es dem Kaiser nöthig, sich gegen Abfall einerseits durch Aushebung mancher Geißeln zu sichernRegesta Fr. 302., andererseits seine Milde durch Freilassung derer zu zeigen, gegen welche aller Verdacht geschwunden war: allein der Haß der ersten war lebendiger, als der Dank der letzten, den neu geschwornen Eiden durfte man nicht viel trauen, und die am 13ten Junius 1239 in Verona über den Markgrafen von EsteVerci Ecel. III, Urk. 15.  Cereta zu 1239., den Grafen von S. Bonifazio, Uguccione von Vicenza und sehr viele andere ausgesprochene Acht, schreckte nicht in dem Grade, als der ihr gegenüberstehende Bann.

Durch all diese Begebenheiten hatte sich die Eröffnung des Feldzuges nicht bloß verzögert, sondern er wurde nun auch minder entscheidend, als der Kaiser gehofft hatte. 51 {1239} Während er nämlich im Julius und August gen Bologna hinabzog und mehre Schlösser erobertePatav. chron. 1135.  Mutin. ann.  Griffò. Hist. Bon. misc.  Erfurt. chr. S. Petrin.  Salisb. chr.  Parm. chr.  Ghirard. I, 161., während Ezelin einen glücklichen Einfall in das venetianische Gebiet that und durch Besetzung der Engpässe oberhalb Verona, den Weg nach Deutschland offen erhielt; siegten in Ravenna die Guelfen über die Ghibellinen, gewann der Markgraf von Este manche Orte, und Mailand, angefeuert durch die KreuzpredigtenMediol. ann.  Selbst die Geistlichen sollten das Kreuz nehmen und fechten. des Kardinalgesandten Gregor von Montelongo und des Franziskaners Leo, rüstete mit erneuter Kraft. Dahin wandte sich der Kaiser im September 1239. Weil er aber die Mauern nicht erstürmen konnte und die Mailänder eine Schlacht vermieden, so verflossen zwei Monate unter kleinen wenig denkwürdigen Ereignissen; doch verbreiten einzelne Züge ein eigenthümliches Licht über die Verhältnisse. So schwuren in Mailand sechs RitterGalv. Flamma c. 272.  Math. Paris 252. auf großen Streitrossen mit dem Kaiser selbst zu kämpfen, und die Gesellschaft der sogenannten Starken schwur keinen Feind am Leben zu lassen. So forderte ein Deutscher einen Mailänder zum Zweikampfe heraus, ward aber von ihm bis an das Zelt des Kaisers verfolgt. »Hast du dich«, fragte dieser, »freiwillig zu dem Kampfe gestellt?« – »Unter tausend Bittenden«, antwortete der Mailänder, »ist es mir als eine Gunst bewilligt worden.« »Dennoch«, fuhr der Kaiser fort, »hoffe ich euch bald zu besiegen.« – »Keineswegs«, erwiederte hierauf jener; »die Liebe des Vaterlandes und der Freiheit, wird uns vielmehr den Sieg über dich verleihen.« – Mit einem schönen Pferde beschenkt, entließ Friedrich den kühnen Jüngling.

Der wichtigste Gehülfe des Kaisers war um diese Zeit sein eben so schöner, als kluger und thätiger Sohn, König 52 {1239} Enzius von SardinienGiulini VII, 600.. Am 25sten Junius 1239 ernannte er ihn zum Statthalter von ganz Italien: »dies Land (so heißt es in der Bestallung) leidet, in Hinsicht der Personen und Güter, unzähliges Elend und Unglück, die Rechte des Reichs gehen verloren und der Kaiser will das ihm anvertraute Pfund keineswegs vergraben. Deshalb erhält der Statthalter die Aufsicht über die bürgerliche und peinliche Gerichtsbarkeit und über Veräußerung geistlicher Güter. Er setzt Vormünder, ernennt Richter und Rechtsschreiber, und an ihn geht (mit Ausnahme einiger, dem Kaiser zur letzten Entscheidung vorbehaltenen Sachen) die Berufung von niedern Gerichten.« – Vor allem sollte Enzius dahin wirken, daß Ruhe und Frieden im Lande erhalten werde und jedes Reichsrecht unverletzt bleibe. Auch wuchs nunmehr das Übergewicht der kaiserlichen Partei im mittlern Italien: Gregor hatte, aus Furcht vor seinen Gegnern, nochmals Rom verlassen müssen; der größte Theil der Mark Ankona kamRich. S. Germ. 1044.  Compagnoni I, 103.  Reg. Fr. 275., trotz den Gegenbemühungen des Kardinals Kolonna, in die Gewalt des Königs Enzius; die Bologneser wurden am vierten Oktober von den kaiserlich Gesinnten aus Modena und Ferrara hart geschlagen, und die Angriffe päpstlicher Soldaten auf Neapel hatten keinen Erfolg.

Wie unerwartet und unangenehm mußte also dem Kaiser in diesem Augenblicke steigendes Glückes die Nachricht seyn: daß der Papst in Rom wieder aufgenommen sey und am 11ten November den Bann über ihn, über Enzius und über diejenigen ausgesprochen habe, welche an der Befehdung des Kirchenstaats Theil nähmen und Theil nehmen würden. Zunächst schrieb hierauf der Kaiser den RömernDer Brief bei Hahn, Litt. Princ. No. XVI, gehört wahrscheinlich hieher.: »es ist allgemein bekannt, mit welchem Eifer wir euch, die ihr unter häuslichen Sorgen oder weichlichen Vergnügungen 53 {1239} dahinträumt, zu der Würde alter Bestrebungen aufzuwecken gesucht, mit welcher Standhaftigkeit wir die Herstellung des Kaiserthums und des Glanzes von Rom bezweckt haben. Jeder der die alten Geschichten las, die alten Denkmale sah, oder dem der Ruf nur irgend eine Kunde von der römischen Größe brachte, muß aber erstaunen und es unbegreiflich finden, welche Ursachen, welche Verhältnisse, welche gemeine Zänkereien euch dem Adel eures Ursprungs so ganz entfremdet haben. Eure Vorfahren, des verwüsteten und daniedergebrannten Trojas geringer Überrest, gründeten trotz des Widerspruchs aller Nachbarn eine neue Stadt, und erhoben sie zur Herrinn der ganzen Welt: ihr dagegen, die Jüngste und doch abgelebteste Nachkommenschaft, begnügt euch mit dem Schatten eines großen Namens; und den Glanz und Ruhm des väterlichen, durch unzählige Siege erworbenen ErbtheilsMan fand um diese Zeit (Math. Paris 333) folgende Verse am Bette Gregors:
    »Also wills das Geschick, und die Stern' und die Vögel. In Zukunft
    Sey der gesammten Welt, Einer zum Hammer bestimmt.
    Rom, schon wankend und schon vom Irrthum vielfach erschüttert,
    Wird der gesammten Welt Herrscherinn länger nicht seyn.«
Hiegegen ward von Feinden des Kaisers folgende Antwort gefertigt:
    »Fama berichtet, die Schrift bejaht, dein Wandel verkündet:
    Kurzes Leben zum Loos fiel dir, und ewige Qual.«
, welchen zu erhalten die leichtere Sorge ist, überlaßt ihr, o der Schande, an andere! Seht, welch einen Sitz sich die stolzen Mailänder dort im Norden gründen: sie sind nicht zufrieden, daß ihre Stadt Rom ähnlich sey; sondern sie verwerfen alle römische Herrschaft und bringen statt des Zinses, nur Spott und Schmähungen dar. O wie weit ist dies alles von den Thaten, von den Tugenden eurer Vorfahren entfernt! Jene begnügten sich nicht ihre nächsten Nachbarn zu beherrschen, sondern bezwangen ganze Länder, besaßen das entfernte Spanien, zerstörten das schöne Karthago: jetzt hingegen widersteht eine 54 {1239} einzelne Stadt dem ganzen römischen Reiche! Muß es nicht allen und uns insbesondere zur Verwunderung gereichen, daß ihr, denen es nicht an Sinn für das Große, nicht an Gewandtheit fehlt, euch selbst alles Muthes beraubt, oder ihn euch von andern listig entziehen laßt? Vielleicht antwortet ihr: jenes Große thaten die Könige und Kaiser! Aber siehe, ihr habt einen Kaiser, der für die Erhöhung des römischen Reiches keine Anstrengung scheut, seine Schatzkammern öffnet, sein Leben wagt; ihr habt einen König, der euch immerdar aus dem Schlafe weckt. Aber leider schlaft ihr trotz all seines Rufens immer wieder ein, vernachlässigt eure Angelegenheiten auf schändliche Weise, und sorgt, selbst wenn die vortheilhafteste Gelegenheit sich darbietet, nicht für euer Bestes.« – So schrieb der Kaiser, und auf ähnliche Weise wurden die neuen Römer früher und später von großen und begeisterten Männern ermahnt und angefeuert; aber immer ohne, oder wenigstens ohne dauernden Erfolg.

Um diese Zeit hatte Friedrich Alessandria durch Überredung und Drohung auf seine Seite gebracht, und den Markgrafen Bonifaz von Montferrat durch Entsagung aller Ansprüche auf das Erbe seiner Schwiegermutter Jolante, der Tochter Konrads von Montferrat, gewonnen. Hiedurch hielt er die lombardischen Angelegenheiten einstweilen für so gesichert, daß er deren Führung an Ezelino, Palavicini und den Markgrafen Lancia übergeben, selbst aber nach dem mittlern Italien hinabziehen konnte, um wo möglich seinen neuen Feind, den Papst in solche Noth zu bringen, daß er friedlichen Vorschlägen Gehör geben müsse. Über Pontremoli erreichte der Kaiser Tuscien, besetzte mehre Landschaften, auf welche Gregor, ihrer Verbindung mit Sardinien halber, Anspruch machte, und feierte das Weihnachtsfest in Pisa, wo man, unbekümmert um den päpstlichen Bann, in seiner Gegenwart Gottesdienst hielt. Pisa, Lukka, Siena, Arezzo traten auf seine Seite; und wenn gleich andere Städte ihm gerade deshalb um so hartnäckiger widerstanden, so konnten sie doch die Oberhand 55 {1240} nicht gewinnen, und Friedrich von Antiochien, des Kaisers Sohn, welcher, auf ähnliche Bedingungen wie sein Bruder Enzius, zum Statthalter Tusciens ernannt wurde, sorgte mit Geschick und Thätigkeit für die Erhaltung und Verstärkung der ghibellinischen Partei. Im Januar 1240 zog Friedrich II weiter hinab in den Kirchenstaat und eroberte, von Enzius unterstützt, allmählich Orta, Civita Castellana, Montefiaskone, Korneto, Sutri, Tuskanella, Osimo und FolignoRich. S. Germ. 1044.  Zanetti II, 5.  Lilio 244.. Hier versammelten sich die Abgeordneten vieler Städte, welche Peter von Vinea, auf Friedrichs Befehl, in einer feierlichen Anrede ermahnte, daß sie untereinander festen Frieden halten und nie ihren ächten Herrn verkennen oder verleugnen sollten. Die meisten folgten diesem Rathe, nur Spoleto wandte sich wieder zum Papste; weshalb Friedrich am ersten Februar befahl, daß man alle in seinen Landen befindliche Spoletaner verhaften solleRegesta Fr. 330.. – Größer jedoch, als der Gewinn Spoletos, war für den Papst der Verlust Viterbos, welche, der Kirche so lang getreue, von ihr mit großen Kosten und Aufopferungen erhaltene und unterstützte Stadt, zum Theil aus Haß und Widerspruch gegen das jetzt päpstliche Rom, zu dem Kaiser übertratBussi 405.  Niccola de Tuccia 290.  Alber. 575..

Bald nachher erneute dieser indeß auch die Unterhandlungen mit den Römern, benachrichtigte sie von seinen Fortschritten und erklärte: da alle Versuche, sich mit dem Papste auszusöhnen, fehlgeschlagen wären, so wolle er ihm mit Gewalt widerstehn und die Mark Ankona, Spoleto und jedes ehemalige Reichslehn wieder mit dem Reiche vereinigen. Schon sey dies größtentheils geschehen, und nur noch übrig, daß er triumphirend in Rom einzieheCod. Vindob. Phil. No. 305, fol. 130.  Petr. Vin. III, 72.  Reg. Fr. 332. und seinen alten 56 {1240} Feinden und Verleumdern eine späte, aber strenge Reue bereite. Zwischen dem Kaiser und der Hauptstadt der Welt müsse ein neues unauflösliches Band geknüpft werden; sie möge wieder an den Ehren und Thaten gebührend Theil nehmen und ihre edelsten Mitbürger sogleich an den kaiserlichen Hof senden, damit sie, nach alter Weise, Städten und Ländern als Prokonsuln vorgesetzt würden. – Diese lockenden Darstellungen und Aufforderungen erhielten dadurch ein doppeltes Gewicht, daß Friedrich theils viele Geschenke vertheilte, theils bei reichen Römern Geld unter Bedingungen aufnahm, welche den Darleihern höchst günstig waren und ihren Vortheil mit dem des Kaisers scheinbar unauflöslich verbanden. Vor allen begnadigte Friedrich das mächtige Haus FrangipaniRegest. 253.: er gab (unter der stillschweigenden oder ausdrücklichen Bedingung, daß sie auf alle Weise gegen den Papst wirken möchten) an Otto Frangipani ein Lehngut und an Manuel eine ansehnliche Pfründe.

So sah sich Gregor fast ringsum von kaiserlich Gesinnten eingeschlossen; in Rom selbst durfte er nur wenigen vertrauen, und keine Stunde schien er vor persönlichen Mißhandlungen und vor Gefangenschaft sicher; dennoch verwarf er alle Anträge, welche seine persönliche Ehre oder gar die Rechte der Kirche auf irgend eine Weise zu verletzen schienen; und aller weltlichen Mittel und Hoffnungen beraubt, fand er einen unbesiegbaren Stützpunkt in der von ihm vertretenen Kirche selbst. Unerwartet trat er eines Tages, umgeben von den Erzbischöfen, Bischöfen, Äbten, Prälaten und von der ganzen römischen Geistlichkeit, aus seinem Palaste hervor. Unter andächtigen Gesängen und unter Beobachtung der höchsten Feierlichkeit, zogen alle durch die Straßen und trugen das heilige Kreuz und die Häupter der Apostel Petrus und Paulus. Die Ghibellinen, welche sehr wohl merkten, worauf dies zuletzt abgesehen sey, unterließen nicht den leichtsinnigen Pöbel sogleich in Bewegung zu setzen: 57 {1240} aber alles Spottes und aller Beleidigungen ungeachtetRayn. §. 12–13.  Malespini 127.  Dandolo 349.  Ptol. Lucens XXI, c. 31.  Cron. mscr. in Bibl. Riccard. No. 1836., erreichte der Zug den Lateran, wo der hochbejahrte Papst mit solcher Würde und solchem Nachdruck über des Kaisers Frevel und die Leiden der Kirche sprach, daß die anfangs laute Partei der weltlich Gesinnten erst zum Schweigen, dann zur Flucht gebracht wurde und die Römer, einstimmiger als seit langer Zeit, für den Papst auftraten und das Kreuz gegen den Kaiser nahmen.

Eine solche Umstellung der Verhältnisse kam diesem durchaus unerwartetPetr. Vin. II, 8., und er erließ an die Römer Schreiben voller Vorwürfe und Drohungen. Aber zur Vollziehung der letzten reichte seine Macht nicht hin; ja es drang sich ihm die Überzeugung auf, daß auf kurze Zeit eintretende kriegerische Überlegenheit nicht hinreiche, um den Muth freiheitsliebender Städte oder die Kraft der unsterblichen Kirche völlig zu brechen. Im April 1240 begab sich Friedrich nach Apulien, hielt einen Reichstag in Foggia, schrieb, zur Deckung seiner höchst drückenden Geldbedürfnisse, neue Steuern aus, ließ Verdächtige einfangenSelbst listige Mittel wurden hiebei nicht verschmäht. So heißt es z. B. caute ad te voces, aliquo negotio simulato, et si poteris eum capias.  Reg. Fr. 292, 313, 388. und strafte alle Widerspenstige mit großer Strenge. Er gab z. B. den BefehlReg. Fr. 248, 291.: jeder solle gehängt werden, der den abtrünnigen Herzog Rainald von Spoleto unterstütze; er jagte, aus ähnlichen Gründen, den Bischof von Cephaludia nebst seinen Anverwandten aus dem Lande; er ließ die Mauern der empörerischen Stadt S. Angelo niederreißen, mehre Häuser verbrennen, einzelne Meuterer hinrichten oder verstümmeln und erklärte, daß, zu furchtbarer Abschreckung anderer, der Ort immerdar wüste bleiben solleVolumus quod locus ipse perpetuo desoletur.  Reg. Fr. 28?.. Viele Einwohner der, von 58 {1240} den Kaiserlichen eingeschlossenen, dem Papste gehörigen, Stadt Benevent, baten um die Erlaubniß herauszugehen und sich anderwärts anzusiedeln: aber Friedrich antwortete: sie möchten mit allen andern eingeschlossen bleiben, damit die Noth sie desto eher zur Übergabe zwingeRegesta Fr. 286, 324.: denn Benevent sey der eigentliche Stein des Anstoßes und Ärgernisses in seinem Reiche. Desto mehr hegte und pflegte er die aus Sicilien nach Luceria verpflanzten Saracenen, bestimmte ihre Abgaben auf billige Weise, gab ihnen Grundstücke und ließ tausend Ochsen unter sie vertheilenRegesta Fr. 307.  Petr. Vin. II, 12.. Das alles wurde von päpstlich Gesinnten heftig getadelt; der Kaiser aber konnte es nicht tadelnswerth finden, daß die Saracenen ihm treu waren bis in den Tod und ihn, unbekümmert um alle Schmähungen und Bannsprüche, bewunderten, als den ersten Helden seiner Zeit.

Während Friedrich so mit Anordnung der apulischen Angelegenheiten beschäftigt war, erhob sich im mittlern Italien eine Fehde gegen das ghibellinische Ferrara. In dieser Stadt herrschte seit mehren Jahren, unter Salinguerras Leitung, eine seltene RuheFerrar. chron. 483., und der Handel hob sich so sehr, daß auf den beiden großen Messen, am Palmsonntage und um Martini, Käufer und Verkäufer aus ganz Italien, ja aus Frankreich erschienen. Die Bürger hielten es für einen Schimpf, wenn man ihre Beiträge zu öffentlichen Zwecken gering ansetzte, ja die Reichern eröffneten, gleichwie Salinguerra, bei eintretender Theurung ihre Kornböden, damit die Preise zu allgemeinem Wohl auf mittlerer Höhe blieben. In Folge dieser löblichen Gesinnungen wurden die öffentlichen Kassen so reich, daß man den, nach Abzug der Ausgaben sich findenden, Überschuß monatlich an die Bürger austheilen konnte. Weil aber Ferrara, bei solcher Macht und solchem Glücke, die zeitherige Abhängigkeit von Ravenna und Venedig, und insbesondere die 59 {1240} Sperrung des Po nicht länger dulden wollte, so kam es zu einer offenen Fehde. Die Venetianer suchten und fanden Verbündete an dem Markgrafen von Este, Alberich von Romano und an allen lombardischen Städten, welche das dem Kaiser getreue rasch emporblühende Ferrara haßten und beneideten. Anfangs Februar 1240 versammelte sich das Heer der Verbündeten, und hoffte die in offener Ebene liegende, nur durch Kunstmittel gedeckte Stadt um so eher zu erobern, da gewaltige Belagerungsthürme aus Venedig herbeigeführt waren und der päpstliche Gesandte, Kardinal Gregor von Montelongo, alle Bedenklichen oder Muthlosen aufs nachdrücklichste befeuerte. – Aber auch Salinguerra, obgleich im achtzigsten Jahre seines Alters, hatte mit großer Thätigkeit für die Befestigung der Stadt gesorgt, und aus Modena und Reggio Hülfsmannschaft berufen. Zu dieser gesellten sich 500 kaiserliche Reiter und mit kaiserlichem Gelde wurden die, so oft ungeduldigen, Söldner befriedigt.

Zweimal stürmten die Belagerer, zweimal wurden sie zurückgeschlagen; weshalb der zürnende Doge Tiepolo dem Befehlshaber der Venetianer vor Ferrara, Stephan Badoer, sagen ließ: er werde binnen kurzem selbst anlangen, um die Sache zur Entscheidung zu bringen. Aber die nach seiner Ankunft erneuten Kämpfe blieben ohne erheblichen Erfolg; und wohl noch lange hätte die Stadt widerstanden, wenn nicht unerwartet ein innerer Feind gegen Salinguerra aufgetreten wäre. Hugo Ramperti, nächst ihm der mächtigste Mann in Ferrara, war von den Verbündeten durch Geld und Versprechungen gewonnen und erklärte: »er wolle um jeden Preis den Frieden.« Salinguerra stellte ihm dagegen vor: wie viel man durch solch ein Zeichen der Muthlosigkeit verliere, wie schwer eine genügende Sicherheit aufzufinden, wie gering die Hoffnung sey, daß die Feinde etwa Bewilligtes treu halten würden. Hugo blieb bei seiner Rede. Da sagte Salinguerra: »das Schwert dieses Friedens wird 60 {1240} mir die Zeugungstheile, dir die Nase abschneiden; ich werde aber mein Unglück ehrbarer zudecken können, als du deine offenbare SchändungMartin da Canale 31-32.  Laurent. 145.  Cereta zu 1240.  Monach. Patav. 679.  Mem. Reg. 1111..« Den Bevollmächtigten, welche man hierauf zu den Belagerern sandte, versprachen diese Sicherheit der Personen und des Guts und insbesondere, daß dem Salinguerra nichts unbilliges widerfahren, daß er frei in sein Haus zurückkehren solle. Hierauf ging Salinguerra getrost aus der Stadt hervor, gerade in das Zelt des Doge und bot diesem die Übergabe der Stadt; worauf jedoch Tiepolo antwortete: »er fechte nur für die Kirche, man möge Ferrara dem päpstlichen Abgeordneten übergeben und in dessen Hände Gehorsam schwören.« Dies geschah: friedlich und einig zog man am dritten Junius, am Pfingsttage, in die Stadt und nach dem Hause Salinguerras, wo ein Festgelag für alle bereitet war. Während dieses Festes erhob aber Paulus Traversaria unerwartet mannigfaltige Klage wider jenenChron Placent. in Murat. script. XVI, 594.  Dandolo 351.  Bonon. hist. misc.  Roland. Patav. V, 1-2.  Ricobald. hist. imper. 130.  Ricciard. vita 130., und als der Greis sich vertheidigen wollte, überschrie man seine Worte und behauptete laut: ihm sey das Versprechen gehalten, man habe ihn in sein Haus zurückkehren lassen; jetzt aber wolle man ihn fangen und strafen. Markgraf Azzo widersprach dieser nichtswürdigen Deutelei, bis auch der Kardinalgesandte den Wortbruch vertheidigte und rechtfertigte. Salinguerra wurde gefangen nach Venedig geführt und lebte daselbst bis an seinen Tod in großen EhrenSalinguerra starb am 25sten Julius 1244 und ward in S. Rikolo di Lido begraben.  Moschini guida II, 384.; wogegen Hugo Ramperti, wie Salinguerra geweissagt hatte, bald allen Parteien verdächtig ward und zuletzt in größter Armuth und Verachtung starb. – Die Milde, mit welcher die Sieger nach einigen Zeugnissen 61 {1240} Ferrara behandelten, kann nicht groß gewesen seyn, wenn anders 1500 Familien die Stadt, hauptsächlich um deswillen verließenFerrar. chron. 486.  Rym. foed. I, 1, 135., weil sie nicht in die Bedingungen willigen wollten, welche der neue Podesta Stephan Badoer zum Vortheil Venedigs erzwang. Zwei Jahre nachher kam jene Würde an Azzo von Este, welcher sich das damit verknüpfte Gehalt von 3000 bologneser Pfunden, selbst nach Niederlegung derselben, fortzahlen ließ; außerdem, zu großem Mißfallen der Bürger, noch andere Geldabgaben beitrieb und wo diese nicht hinreichten, auch Ochsen, Schweine u. dergl. zu liefern befahl.

Den Verlust Ferraras hatte Ezelin nicht hindern können; wohl aber schreckte er die von ihm abhängigen Städte durch strenge, ja grausame Maaßregeln, ließ den Markgrafen von Este, welcher sich bis Monteroso vorgewagt hatte, durch Tebaldo, den Podesta von Padua zurücktreiben und nahm Jakob von Karrara, der sich des Kaisers Feinden wieder zugesellt hatte, bei einem Ausfalle aus dem Schlosse Agna gefangenRoland. Patav. V, 2-4.  Verci Ecel. II, 197.  Agna ward eingenommen im August 1240.. Als die mitbelagerten Frauen dies von der Höhe sahen, eilten sie zu dem benachbarten See und bestiegen, um sich zu retten, ein Schiff. Allein es war so übermäßig beladen, daß es unterging und alle jene Frauen ertranken; seitdem heißt jener See bis auf den heutigen Tag, der See der Frauen. Vier Tage nach diesem Unfall wurde Jakob als Majestätsverbrecher in schwarze Kleider gehüllt und hingerichtet.

Ereignisse und Maaßregeln dieser Art schadeten der kaiserlichen Partei eben so viel, als sie ihr halfen; ein wahres Übergewicht schien sie erst wieder zu bekommen, als Friedrich durch rastlose Anstrengungen ein neues Heer in Neapel zusammengebracht hatte und mit unerwarteter Schnelligkeit bis Ravenna vordrang. Anfangs blieben die Einwohner 62 {1240} unbekümmert und verließen sich auf die unzugängliche Lage ihrer Stadt: als aber binnen vier Tagen das Wasser abgeleitet, die Brücken hergestellt und eine Vorstadt erstürmt und angezündet wurde, so eilten sie, Gnade flehend, ins kaiserliche LagerSavioli III, 2, Urk. 623.  Fantuzzi III, 54.  Ravenn. hist. spicil. 578.  Fabri effemer.  Bonon hist. misc.  Monach. Patav. 679.  Cereta zu 1240.  Petr. Vin. codex Nr. 953.  Palatin. in Bibl. Vatic. p. 40.  Caesen. annal.. Eingedenk, daß Ravenna sonst immer getreu gewesen und der Haupturheber des Abfalls, Paul Traversaria, gestorben war, bewilligte Friedrich jene Bitte, zog am 22sten August 1240 in die Stadt ein und wandte sich dann nach Faenza, in der laut ausgesprochnen Hoffnung, auch hier binnen wenig Tagen obzusiegen.

Diese Hoffnung täuschte aber aus mehren GründenTonduzzi 279.  Griffò zu 1240.  Bussi 405.  Martin da Canale 33.: Faenza war nicht, wie Ravenna, durch ein fast zufälliges Ereigniß, von der kaiserlichen Seite abgewandt worden, sondern seit langer Zeit in fester Verbindung mit den guelfischen Städten; jeder Ghibelline hatte auswandern müssen, so daß keine innern Unruhen eintreten konnten; endlich war die Stadt stark befestigt und zählte 36,000 Einwohner, an deren Spitze der tapfere Podesta Michael Morosini aus Venedig stand. Freilich kostete die hartnäckige Vertheidigung große Aufopferungen: aber man wußte, daß auch Friedrich sehr in Noth sey, aus Mangel an Gold und Silber ledernes Geld ausgebeMalespini 130, oben Hauptstück VI, S. 542 und Reg. 314., kostspielige Anleihen abschließe und von dem einbrechenden, ungewöhnlich harten Winter bedrängt, wahrscheinlich bald abziehen werde. Der Kaiser war indeß nicht weniger standhaft, als die Bürger. Seine ledernen Münzscheine behielten, im Vertrauen auf deren baldige Umwechselung, vollen Werth, und rasch erbaute hölzerne Häuser schützten die Belagerer hinreichend gegen Kälte. 63 {1240} Deshalb begannen die Bürger schon Unterhandlungen, als Bettelmönche, im Namen des Papstes, zu längerem Widerstande anfeuerten und erzähltenPetr. Vin. II, 38.  Bullae Pont. ap. Hahn. XV, XVIII., daß die Lombarden und insbesondere die Bologneser von ihm zu schleunigem Beistande Faenzas aufgefordert seyen. Dieser unmittelbare Beistand blieb jedoch aus, und nur die Venetianer leisteten ihn mittelbar. Sie verbrannten ohne Kriegserklärung, unter Johann Tiepolos Anführung, mehre Küstenstädte in Apulien, führten die Einwohner gefangen hinweg und warfen Feuer in kaiserliche Schiffe, daß deren Besatzung durch die Flammen umkam. Sobald Friedrich diese Nachricht erhielt, hob er nicht, wie man hoffte, die Belagerung von Faenza auf; sondern ließ (in Verbindung mit den Ankonitanern) mehre Kreuzer gegen Venedig auslaufen, begünstigte den Abfall Zaras, forderte, daß der König von Tunis allen Handel mit ihnen abbreche, und veranlaßte seinen Schwiegersohn Vatatzes die morgenländischen Besitzungen der Venetianer anzugreifen. Ja als diese Johann Tiepolos Verfahren billigten und lobten, befahl Friedrich in heftigem Zorne, den bei Kortenuova gefangenen Peter Tiepolo am Meeresufer in der Gegend aufzuknüpfen, wo sein Bruder so arge Zerstörungen angeordnet hatteDaß die grausamen Feindseligkeiten ohne Kriegserklärung vorgenommen und in Venedig gebilligt worden, erzählt der Venetianer Martino da Canale 30-35; und Sandi II, 653 sagt übereinstimmend mit Giannone XVII, c. 2, p. 241: Peter Tiepolo sey getödtet worden: in vendetta dei Danni, che sul mare avea inferito Giovanni il fratello.  Dandello 352 schweigt ganz von Peters Hinrichtung; Corio läßt ihn in der Schlacht umkommen, und nur Sanuto vite 552 sagt: die Venetianer begingen jene Grausamkeiten, weil der Kaiser Petern hatte aufhängen lassen. – Seit dem Bündnisse mit dem Papste und der Belagerung Ferraras, war Venedig ohne weitere Erklärung im Kriege mit dem Kaiser, und manche von dessen Gegenmaaßregeln wurde schon früher ergriffen. Im übrigen aber ist es viel wahrscheinlicher, daß Friedrich Petern (wenn er anders noch lebte) strafen ließ, weil dessen Bruder jene Grausamkeiten beging, als daß er ihn nach dreijähriger Haft, ohne alle Veranlassung und Zusammenhang mit neuen Ereignissen, am Meeresufer habe aufknüpfen lassen..

Unterdeß wuchs die Noth und der Mangel in Faenza so sehr, daß man beschloß alle Frauen, Kinder, Mägde, 64 {1240} kurz alle zur eigentlichen Vertheidigung Unfähige aus der Stadt zu treiben. Der Kaiser nahm sie aber ungeachtet ihres Flehens nicht auf, sondern sprach: »soll ich die Weiber ernähren, damit sich ihre Männer retten, welche ich vor Gott und aller Welt als Hochverräther anklagen muß? Haben sie nicht einst, als ich in ihrer Stadt war, plötzlich alle Thore und Ausgänge verschlossen, um mich zu fangen? Haben sie nicht einen, mir ähnlichen und mit kaiserlicher Kleidung angethanen Mann erschlagen und voller Freuden geglaubt, ich, ihr Herr und Kaiser, sey auf so schändliche Weise ermordet? Haben sie nicht meiner MutterMath. Par. 375., als sie durch Faenza reisete, vielfache Schmach angethan, ihr Geschlecht und ihre Würde verachtet und, selbst gegen Thiere sinnlos wüthend, ihr Saumroß unanständig verstümmelt? Dafür soll ihnen zu Theil werden, was Recht ist; erst die Strafe kann sie von der Schuld befreien.«

Bald nachher erschien, der unerträglich wachsenden Noth halber, eine zweite Gesandtschaft und flehte: der Kaiser möge ihnen erlauben nackt und bloß auszuwandern, und ihnen irgend eine Gegend anweisen zu anderweitiger Niederlassung. Friedrich aber antwortete: »sie haben mich in ihrem Hochmuth verworfen und ihr Vergehen so weit als irgend möglich getrieben; dafür muß mir überlassen bleiben, ob ich aufs äußerste strafen will.«

Unterdeß war schon ein Theil der Mauern niedergestürzt, es waren unterirdische Eingänge in die Stadt eröffnet worden. Nach fast achtmonatlicher Belagerung, am 14ten April 1241, mußte sich die Stadt auf Gnade und Ungnade ergeben. Alle gingen hervor, wie zum gewissen 65 TodeRymer foed. I, 1, 138.  Zanetti II, 455.  Petr. Vin. I, 8; II, 4.  Patav. chr. 1136. Die Florentiner hatten dem Kaiser Hülfe geleistet.  Sanese chr. 26.  Salimbeni 282.  Martene coll. ampliss. 1148.  Estense chr.  Ravenn. hist. spicil. 578. Ferner dienten vor Faenza: Uri, Schwytz, Unterwalden und erhielten Freibriefe vom Kaiser.  Zapf. monum. I, 377-379.  Tschudi I, 134.: Friedrich aber ließ ihnen unerwartet Heimath, Leben und Güter; ein Beweis, daß die scheinbare Härte nicht aus innerer Liebe zur Grausamkeit hervorging, sondern daß er sich nur von Aufrührern das nicht wollte abzwingen lassen, was, lediglich als freie Gabe, Würde und Werth behalteMath. Par. 376.  Rich. S. Germ. 1046.  Doch blieb wahrscheinlich eine kaiserliche Besatzung in der Stadt. Anderweite Strafen sind nicht erwiesen..

Fast gleichzeitig mit Faenza ergab sich auch Benevent; die Mauern der Stadt wurden geschleift und die Bürger entwaffnet. Ungehindert zog der Kaiser durch das Gebiet von Bologna immer näher gen Rom, und der Krieg schien eine rasch entscheidende Wendung zu nehmenRayn. zu 1241, §. 46.  Rich. S. Germ. l. c.  Ghirard. I, 163., als aus den nördlichen Ländern Nachrichten einliefen, welche für den Kaiser und den Papst gleich schmerzhaft waren. Wir müssen deshalb den Faden unserer Erzählung unterbrechen und wie es die Zeitfolge verlangt, von den weltverwüstenden Zügen der Mongolen sprechen. 66

 


 


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