Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 4
Friedrich von Raumer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

König Ludwig IX.

 

Achtes Buch.

Vom Tode Kaiser Friedrich II. bis zum Tode Konradins und Ludwig des Heiligen.

(Von 1250 bis 1270.)

 

Erstes Hauptstück.

Die Geschichte Kaiser Friedrichs II ist an sich so reich, und entwickelt sich ohne Ruhepunkt in so genauem Zusammenhange, daß es nicht rathsam erschien, ohne dringende Veranlassung von andern Staaten zu reden. Darum haben wir unsere Darstellung ununterbrochen bis zu des Kaisers Tode hinabgeführt, und die große Begebenheit kaum erwähnt, welche, nach sehr freudigen Hoffnungen, der Christenheit vielfachen Kummer verursachte. Jetzt aber muß der Kreuzzug Ludwigs IX erzählt, und von diesem Könige überhaupt mehr gesagt werden, als das strenge Verhältniß unsers Werkes zu erfordern scheint. Denn wir erhalten dadurch einen neuen und sehr gewichtigen Beweis von dem Reichthume jener Zeiten an großen Männern und eigenthümlichen Entwickelungen. Wäre es nicht über allen Zweifel gewiß, vermuthen oder errathen würde schwerlich jemand, daß Friedrich II und Ludwig IX in demselben Jahrhunderte lebten: so vollkommene Gegensätze zeigen sie fast in jeder Beziehung, so ganz verschiedenen Zeitaltern und Bildungsweisen scheinen sie anzugehören, so von einander abweichende Weltansichten liegen ihrem gesammten Thun zum Grunde. Dennoch sollen wir keinen um des andern willen verdammen oder 270 übermäßig erheben: in beiden offenbaren sich mit ihrem Innersten verwachsene Mängel und Schwächen; in beiden erkennt man aber auch einen ehrenwerthen Zusammenhang und eine löbliche Einheit ihrer Ansichten, Bestrebungen und Thaten. Jeder schien zu besitzen was dem andern fehlte, und man möchte dem Gedanken nachhängen, daß die guten Eigenschaften beider vereint, das höchste Ideal menschlicher Vollkommenheit erzeugt hätten; wenn es nicht bedenklich wäre, selbstgeschaffene Schattenbilder solcher Art übereilt wahrhaft lebendigen Personen voranzustellen. Auch dürften sich jene beiden Männer in ihrer wesentlichen Tüchtigkeit zuletzt doch näher stehen, als die entgegengesetzte Richtung anfangs ahnen läßt. Seiner Zeit war der Kaiser um Jahrhunderte vorausgeeilt, sie verstand ihn selten; unserer Zeit ist der König fremdartiger, und es bedarf recht bestimmter Hinweisungen auf seine großen Eigenschaften, wenn das Urtheil über ihn nicht zu streng ausfallen soll.

Ludwig IX geboren am 25sten April 1215 (also einundzwanzig Jahre jünger, als Kaiser Friedrich II) war der Sohn König Ludwigs VIII und Blankas von KastilienJoiville 14.  Du Fresne ad Joinv. 43.. Jener starb im Jahre 1226 während eines Feldzuges gegen die Albigenser, worauf diese die Vormundschaft für ihren eilfjährigen Sohn übernahm; nicht ohne Unzufriedenheit mancher Großen, welche dem ausländischen Weibe solchen Einfluß nicht zugestehen wollten. Blanka aber beendete siegreich alle Unruhen: denn sie war, wie die Schriftsteller einstimmig bezeugen, nicht bloß die schönste, sondern auch die klügste Frau ihrer ZeitBlanca omnium mulierum sui temporis prudentissima.  Guil. Nang. 328.  strenue, juste, potenter, industrie regnum administravit.  Belloloc. 445.  Du Fresne zu Joinv. 98 erzählt: daß Blanka Sohn oder Schwiegertochter wohl zur Thür hinauswies, oder ihnen untersagte sich zu sehen, zu besuchen u. s. w., und besaß außerdem eine so große Thätigkeit und Willenskraft, daß manchem dieser königliche Sinn zu 271 königlich und gewaltig erschien und erzählt wurde: sie leite ihren Sohn selbst nach der Großjährigkeit, ja sie behandele ihn und seine Gemahlinn, Margarethe von Provence, mitunter hart und willkürlichBonifacii bulla canonis. 487.. Wie dem auch sey, als Regentinn des Reichs und als Erzieherinn ihres Sohnes, hatte sie große Verdienste.

Im vierzehnten Jahre erhielt dieser einen eigenen Lehrer, damit er in wissenschaftlichen Kenntnissen und guten Sitten Fortschritte mache. Als dennoch das Gerücht entstand, Ludwig stelle einigen Mädchen nach, schwur Blanka: sie wolle lieber daß er sterbe, denn solche Todsünde begeheBelloloc. 445.. Jenes Gerücht war aber ungegründet, und eher verdient das entgegengesetzte Glauben: er würde, wenn man ihn nicht früh verheirathet hätte, nach dem Verdienste einer steten Keuschheit gestrebt habenNisi ei nexus accessisset uxorius, candore virgineo rutilasset.  Bonifac. l. c.  Er heirathete im Jahre 1234.  Guil. Nang. 331.. Wenigstens suchte er diese, oder doch die Herrschaft über den mächtigsten aller Triebe, mit dem Ehestande zu verbinden, und enthielt sich des Umgangs seiner Frau im Advent und in der Fastenzeit, an hohen Festtagen und bestimmten Wochentagen. Wenn er, so erzählen die Geschichtschreiber, an solchen Tagen zur Königinn kam und durch ihre Nähe, nach menschlicher Schwachheit, Begierden rege wurden, so stand er aus dem Bette auf und ging in der Stube hin und her, bis der Aufruhr des Fleisches sich legteCum ex vicinitate uxoris pro humana fragilitate quandoque motus carnis inordinatos sentiret, surgebat de lecto, per cameram deambulans, donec carnis rebellio quievisset.  Guil. Nang. 368-369.Que il fut refroidi, et cette rebellion de char, se tenoit en pais.  Vie de S. Louis, mscr. 45..

Ludwigs Gesicht war äußerst einnehmendLudovicus erat subtilis et gracilis, macilentus, convenienter et longus, habens vultum anglicum et faciem gratiosum.  Salimbeni 302., sein Körper 272 aber nicht allzukräftig, sondern fein und schlank; so daß eine regelmäßige Lebensart zur längern Erhaltung seiner Gesundheit nothwendig seyn mochte. Bisweilen übertrieb er es mit selbst aufgelegten Entbehrungen und Fasten, bis ihn die Beichtiger davon entbanden, oder eine mildere Weise vorschlugen.

So trug er lange in bestimmten heiligen Zeiten ein härenes Kleid auf bloßem Leibe und wollte sich, – gleich einem hochgerühmten Mönche –, des Essens aller Früchte enthalten und nur ein einziges Mal im Jahre, zum Zeichen des Dankes gegen Gott, davon kosten. Nach dem Rathe der Beichtiger ward jedoch, da der König durch diese Lebensweise zu sehr litt, das härene Kleid abgelegt, und nur beim ersten Reifen der jährigen Früchte einmal gefastet, dann aber unbedenklich gegessen.

Eben so blieben die Fleischspeisen nur am vierten und sechsten Wochentage und in gewissen heiligen Zeiten, nicht aber am Montage verboten. Doch glaube man deshalb ja nicht, daß der König nur den Schein einer angeblich verdienstlichen Strenge zu erwerben gesucht, höfische Beichtväter ihn aber sogleich davon entbunden hätten. – Wöchentlich ging er zum Abendmahl, und wöchentlich gab ihm der Geistliche die Geißelung (Disciplin) mit zusammengebundenen eisernen Kettchen, welche der König in einer elfenbeinernen Büchse am Gürtel trug. Solche Ketten und Büchsen schenkte er seinen Kindern und Freunden zu ähnlichem Gebrauche. Inwieweit diese seinem Beispiele folgten, wird nicht berichtet; wohl aber, daß ihn einer von seinen Beichtigern jedesmal auf fast unerträgliche Weise schlug. Doch schwieg Ludwig bis zum Tode des strengen Mannes, und wagte es erst seinem Nachfolger gleichsam im Scherze zu verstehen zu geben, wie übel es ihm ergangen sey.

Täglich hörte er zwei, ja zuweilen drei bis vier Messen, und besuchte außerdem geistliche Übungs- und Bet-Stunden; täglich pflegte er ein Todtenamt zu halten, oder, wenn er 273 daran gehindert wurde, selbst zu Pferde, die vorgeschriebenen heiligen Worte herzusagen. Außerdem las er sehr fleißig in einer lateinischen, mit Erläuterungen versehenen Bibel, und übersetzte seinen, der Sprache unkundigen Dienern, oft die wichtigsten Stellen zur Erbauung ins Französische.

Die Schriften der KirchenväterBelloloc. 460.  Gesta Ludov. IX, 395., besonders des heiligen Augustinus, kannte er genauer, als viele Geistliche; wogegen er an weltlichen Büchern wenig Gefallen fand. Täglich unterhielt er sich mit gelehrten Männern über Gott und göttliche Dinge, das Leben der Heiligen und ähnliche Gegenstände. Heitern Gesprächen, denen er keineswegs abgeneigt war, suchte er gewöhnlich eine lehrreiche Wendung zu geben; müßige oder gar unzüchtige Reden durften hingegen in seiner Gesellschaft gar nicht geführt werden, und eben so wenig fanden weltliche Gesänge, Musik und Darstellungen der Schauspieler, welche damals den Adel so sehr erfreuten und beschäftigten, Gnade vor seinen Augen und OhrenCantilenas varias saecularium et inanes fabulas histrionum abominans et detestans, et instrumentorum musicorum oblectamenta recusans, in quibus delectari solent plerique nobiles.  Vita Ludovic. IX, 467.Joinville 6..

Desto größer war seine Verehrung heiliger Reliquien. Er lösete, wie wir bereits anderwärts erzählt haben, von Kaiser Balduin für große Summen einen Theil des heiligen Kreuzes, des Schwammes und der Krone Christi einVie de S. Louis mscr. fol. 7.  Alberic. zu 1239. Für 10,000 librarum argenti  Medardi chron zu 1240. Als ein sehr großes und heilig zu haltendes Geschenk überließ er einem Minoritenkloster einen Dorn aus Christi Krone.  Martene coll ampliss. I, 1348., und ließ sie, unter feierlichen Gesängen und Aufzügen, nach Paris bringen. Alle Donnerstage pflegte er barfuß ihrenthalben die Kirche zu besuchen, auf den Knien bis zum heiligen Kreuze hinaufzurutschen und es, selbst in Gestalt eines 274 Kreuzes auf den Boden ausgestrecktAd modum crucis extensus.  Gesta Ludov. IX, 402., zu küssen. In Hinsicht der Beobachtung solcher äußern Formen war er überhaupt so ängstlich genau, daß er aus eigener Macht mehre, z. B. Kniebeugungen, Neigen des Hauptes und dergleichen, bei dem Gottesdienst in seiner Kapelle einführte.

Die größte Sorgfalt zeigte er für Arme und Kranke. Sehr oft lud er jene zu Tische, wartete ihnen auf, wusch ihnen die Füße und küßte sie. Ja er ließ sich Tadel gefallen, wenn er das Fußwaschen den Bettlern nicht ganz zu Danke machteEin Armer (der den König nicht gekannt haben soll) verlangte, er solle ihn gehörig zwischen den Zehen reinigen, und Ludwig that es.  Vita Ludov. 472.  Bonif. bulla canon. IX, 489.. Als er einst in Compiegne zur Austheilung von Almosen in den Kirchen barfuß umherging, bat ihn ein Aussätziger jenseit der morastigen Straße um eine Gabe; der König ging hinüber, erfüllte sein Verlangen und küßte ihm die Hand. In den Krankenhäusern übernahm er mehre Male die persönliche Pflege, und ließ sich nicht stören, wenn ihm die Hände aus Mund und Nase der Leidenden verunreinigt wurden.

In Hinsicht der Bettelmönche soll Ludwig gesagt haben: er liebe und ehre beide Orden so sehr und so gleich, daß, wenn er sich in zwei Theile theilen könnte, er jedem einen Theil geben würdeBelloloc. 448 sq.  Salimbeni 302.. Ja einige wollten wissen: ohne den wohlbegründeten Widerspruch seiner Frau, dürfte er wohl selbst Franziskaner oder Dominikaner geworden seyn.

Wie viel nun aber auch von all dem Erzählten vollkommen wahr, wie viel in wohlmeinender Absicht übertrieben seyn mag; aus jeden Fall nahmen manche einen Anstoß an dieser Sinnes- und Handlungs-Weise des Königs. Deshalb widersprachen seine Räthe, als er in Clairvaux den Mönchen die Füße waschen wollte: denn mancher stolze, eben nicht günstig gesinnte Baron dürfte dies gar übel aufnehmen und deuten. Ja selbst ein Dominikaner predigte 275 einst vor Ludwig: er solle es mit der äußerlichen Demuth nicht zu weit treiben, nicht den ganzen Vormittag mit Beten und in der Kirche zubringen, täglich nur eine Messe hören, und überall seiner königlichen Würde gemäß auftretenNotices et extraits IX, 406.. Wer ihm anders rathe, sey ein Thor und begehe eine Todsünde. Auf solchen Tadel erwiederte LudwigBelloloc. 454.. »wenn ich doppelt so viel Zeit auf Würfelspiel und Vogelsang wendete, so würde niemand darüber sprechen!« Diese Antwort enthält indeß mehr einen Vorwurf gegen andere, als eine Rechtfertigung seiner selbst; weshalb jetzt, nachdem wir mit Vorsatz zuvörderst von dem mehr Äußerlichen gesprochen haben, zu untersuchen bleibt: wie dies mit Wichtigerem und Wesentlichem in Zusammenhang trat und darauf wirkte.

Ludwig war höflich gegen Vornehme, wie gegen Geringe, und redete jeden in der Mehrzahl anLoquens cuilibet in Plurali.  Gesta Ludov. IX, 395.. Nie übermannte ihn der Zorn. Gern hörte er Rath und die Wahrheit, selbst in strenger Form; wo es aber darauf ankam eilig zu handeln, fehlte es ihm auch nicht an eigener Kraft des Entschlusses. Bei aller Mäßigkeit seiner Lebensweise, hielt er einen anständigen Hofstaat; bei aller Milde strafte er schlechte Beamte mit gebührendem Ernste. Unnöthiges, häufiges Schelten war ihm dagegen verhaßt. Als ihm einer von seinen Dienern ein brennendes Wachslicht auf seinen verwundeten Fuß fallen ließ, sagte er bloß: »ihr solltet doch daran denken, daß mein Großvater euch aus viel geringern Ursachen wegjagteVelly V, 46..« Nie fluchte oder schwur er, sondern betheuerte etwas höchstens »bei seinem Namen,« und als ein frommer Mann diese Formel bedenklich fand, bediente er sich derselben auch nicht mehr. Diese Ängstlichkeit erhält einen großartigen Charakter, wenn die Geschichtschreiber versichern und alle Thatsachen beweisen: daß der König nie logJoinville 4, 120., sondern überall, selbst gegen seine Feinde, als ein 276 durchaus redlicher, wahrhafter Mann handelte. Daher ward ihm ein Triumph zu Theil, größer als über Besiegte: man erkor ihn zum Schiedsrichter zwischen den englischen Baronen und König Heinrich dem dritten; und Ludwig kam dem ehrenvollen, freiwilligen Auftrage so verständig und unparteiisch nach, daß beider Theile Wohl und Recht vollkommen berücksichtigt wurde. Weit entfernt die Unruhen des so lange feindlichen Nachbarstaates eroberungssüchtig zu benutzen, wollte er durch Gerechtigkeit und Milde den Grund zu einer tiefern Einigkeit, zu einem recht natürlichen und desto dauerhaftern Frieden legen. Seinen Räthen, welche eigennützig gesinnt, einer billigen Abtretung an den König von England widersprachen, weil diesem die Macht fehle das Angesprochene zu erobern, gab Ludwig zur AntwortJoinville 14.: »unsere Weiber sind Schwestern, unsere Kinder sind Vettern, der Lehnseid verbindet uns zu wechselseitiger Liebe und Treue, und ich sollte Frieden und Billigkeit verschmähen, weil auf meiner Seite die größere Macht ist? Das sey ferne!«

Ein ander Mal sagte man ihm: eine wichtige Verleihungsurkunde sey ungültig und beweise nichts, weil das der Form nach unentbehrliche Siegel zerbrochen worden: aber Ludwig entschied, die Form sey gleichgültig, sobald die Wahrheit nicht bezweifelt werden könne.

Den Charfreitag, an welchem Ludwig den ganzen Psalter durchzulesen pflegte, wählten die Verwandten eines vornehmen Verbrechers, um für ihn Gnade zu erbitten. Der König hielt mit Lesen inne, legte den Finger auf den zu beginnenden Vers und antwortete günstig. Dann sah er wieder ins Buch und fand den SpruchNotices II, 217.: »selig sind die, welche die Gerechtigkeit bewahren und sie üben an jeglichem Tage.« Hiedurch gewarnt, berief er den Oberrichter (prevôt) von Paris, hörte von ihm, wie arg der Gefangene gefrevelt habe, und ließ ihn dann ohne Rücksicht auf den 277 heiligen Tag jenem heiligen Spruche gemäß strafen. Den zeither gebräuchlichen Verkauf jener oberrichterlichen Stelle untersagte Ludwig, und gab sie an Stephan Boileau, welcher ihm als der gerechteste Richter in Frankreich gepriesen worden. Durch ihn nahmen Raub und Übelthaten in und um Paris fast ganz ein EndeJoinville 124..

Obgleich der König gegen die Großen nicht besonders freigebig war, ob er es gleich verschmähte sie durch Schmeicheleien anzulocken, ehrten sie ihn doch, weil er ihre Rechte nie eigenmächtig zu verkürzen suchte; sie fürchteten ihn, weil er den Mißbrauch ihrer Gewalt gegen Niedere nachdrücklich rügte. An Sitte und Tugend, darauf drang er, müsse der Vornehme dem Geringen vorangehn; deshalb sollten jene ihre Beischläferinnen abschaffen, schlechte Zerstreuungen vermeiden, und keineswegs ihre Größe in Unterdrückung des Volkes suchenVita Ludov. 471.. Zwar konnte Ludwig nicht alles das in den Besitzungen der Barone durchsetzen, was er Heilsames in den königlichen Landschaften einführte; doch brachte er es dahin, daß jeder Unterthan vor dem königlichen Gerichte gegen seinen nächsten Herrn Recht suchen durfte, mithin der fast recht- und hülflose Zustand der letzten Klasse des Volkes aufhörte. Und unter einem so uneigennützigen, gegen seine Beamten so strengen, in ihrer Wahl so vorsichtigen König, dachte man nicht sehr an entfernte mögliche Folgen dieser Maaßregel; man fand bei dem königlichen Gerichte vielmehr eine Bestätigung der unbezweifelten Vorrechte und eine doppelt strenge Bestrafung unnütz Klagender.

Daß Ludwig sich endlich den Geistlichen nicht so willenlos hingab, als man nach obigem wohl vermuthen sollte, ergiebt sich aus vielen Zeugnissen. Einst kamen (um nur ein Beispiel, aber ein schlagendes anzuführen) viele französische Prälaten zu ihm, und der Bischof Guido von Auxerre hub feierlich an: »wisset, Herr, alle hier Gegenwärtige lassen euch durch mich sagen, daß ihr die Christenheit zu Grunde 278 gehen laßt, daß sie unter euren Händen zu Grunde geht.« Erstaunt machte der gute König das Zeichen des Kreuzes und sprach: »Bischof, saget mir denn, wie dies geschieht und aus welchen Gründen?«

»Weil man,« antwortete dieser, »keine Achtung mehr hat vor dem Banne. Mancher stirbt jetzt lieber, als daß er sich daraus löse und der Kirche Genugthuung gäbe. Deshalb, Herr, verlangen wir einstimmig um Gottes willen, ihr möget, eurer Pflicht gemäß, alle eure Beamten anweisen die Güter eines jeden einzuziehen, der sich binnen Jahresfrist nicht aus dem Banne zieht.«

Der König erwiederte: er wolle dies gern in Hinsicht solcher thun, welche erweislich an der Kirche und ihren Nebenmenschen gefrevelt hättenJoinville 13.; worauf aber der Bischof erklärte: der Geistlichkeit allein stehe es zu, in allen Sachen zu urtheilen, welche sie beträfen. Lebhafter sagte jetzt Ludwig: »ich will und werde nicht anders handeln, denn es wäre wider Gott und die gesunde Vernunft, wenn ich diejenigen zwänge sich lossprechen zu lassen, gegen welche die Geistlichen Unrecht haben, und die mit ihrem guten Rechte nicht gehört worden sind. Unterlag nicht der Graf von Bretagne sieben Jahre dem Banne, führte aber zuletzt seine Sache so wohl, daß ihn der heilige Vater lossprach und die Prälaten verurtheilte? Wenn ich nun im ersten Jahre, wie ihr verlangt, weltliche Zwangsmittel angeordnet hätte, welch ein Frevel gegen Gott und meinen getreuen Lehnsmann!« – Nach einer so bestimmten Antwort des Königs wagten die Prälaten nicht, diese Sache wieder zu berühren.

Bei seiner Natur und Sinnesart konnte Ludwig nie in ein der Kirchenverfassung und den Päpsten durchaus feindliches Verhältniß gerathen, oder Kaiser Friedrich dem zweiten zu seinen durchgreifenden Planen die Hand bieten: daß er aber, besonders in spätern Jahren bei gemehrter 279 Erfahrung, übertriebenen Anmaaßungen der Kirche mit Besonnenheit entgegentrat, beweiset vor allem sein Gesetz vom Jahre 1268Leibnitz mantissa 157. Velly VI, zu 1263. Näheres in den kirchlichen Alterthümern., dessen Ächtheit mit ungenügenden Gründen angefochten wird. Die Unmittelbarkeit des Reichs, die Freiheit der geistlichen Wahlen, die herkömmlichen Rechte der Stifter und Kirchen werden aufs bestimmteste bestätigt und gegen alle Angriffe in Schutz genommen. Jede Besteuerung von Seiten des Papstes ohne königliche Genehmigung, wird hingegen als ungültig, und diese nur für höchst dringende Fälle als ertheilbar bezeichnet.

Ludwigs gemäßigter Widerstand gegen kirchliche Eingriffe führte eher zum Ziele, als des Kaisers Kampf auf Tod und Leben; doch darf man nicht vergessen, daß in Italien unzählige Veranlassungen zu diesem Kampfe reizten, während sich die Päpste, trotz mancher einzelnen Uneinigkeit, sehr hüteten jemals mit dem Könige völlig zu brechen und dadurch Friedrichs Partei zu verstärken. Sie ließen ihm stillschweigend manches Recht, worüber sie mit andern haderten und der König übte dasselbe auf tadellose Weise. So vergab er nie eine geistliche Stelle ohne vorhergegangene genaue Prüfung der Personen, erlaubte keine Häufung mehrer Pfründen in einer Hand, ertheilte keine Anwartschaften auf unerledigte Stifter u. dergl.

Heilsame Einwirkung auf die Sitten des Volks galt ihm für eine Hauptpflicht der Geistlichen, auf die Sitten der Kinder für eine Hauptpflicht der Ältern. In diesem Sinne handelnd, versammelte er am Abende, wenn wissenschaftliche, ritterliche und kirchliche Übungen beendet waren, seine Kinder um sich, ermahnte sie zum Guten, erzählte ihnen geschichtliche Beispiele von Tugenden und Lastern, guten und schlechten Fürsten, Belohnungen und Strafen des HimmelsJoinville 121, 4, 8.  Vie de S. Louis, mscr. 72. u. s. w.

280 »Ich will lieber (sagte er seinem Erstgebornen), daß ein Schotte oder irgend ein Fremder herkomme und Frankreich gut regiere, als daß du es dereinst schlecht regierest;« und ein ander Mal hielt er ihm, ungeachtet seiner eigenen Neigung zu den Bettelmönchen, ernstlich vor: wie sehr er irre, wenn er glaube, Gaben an dieselben befreiten von Sündenschuld.

Daß ein solcher König den Kampf gegen die Ungläubigen als eine heilige Pflicht ansehen mußte, versteht sich von selbst; ehe wir jedoch von der nähern Veranlassung seines ersten Kreuzzuges reden, sey es verstattet mit wenig Worten nochmals an die Lage der Albigenser zu erinnern.

Bei dem Ausspruche der lateranischen Kirchenversammlung von 1215Buch VI, S. 303., hatte sich Graf Raimund VI von Toulouse nicht beruhigt, und noch weniger dessen Sohn und Nachfolger Raimund VII. In dem wiederausbrechenden grausamen Kriege wurde Graf Simon von Montfort 1218 erschlagen, und sein Bruder und Nachfolger Amalrich so bedrängt, daß er alle seine Ansprüche an König Ludwig VIII abtrat. Dessen größere Macht fürchtend, wandte sich Raimund VII an den Papst, und es kam, nach der Weisung des milden Honorius III im Jahre 1224 eine völlige Aussöhnung mit der Kirche zu StandeGesta Ludov. VIII, 285.  Ricard. mon. 62.  Guil. Nang. zu 1223.. Theils aber ward es dem Grafen schwer, alle Bedingungen derselben genau zu erfüllen, theils schien den Heftigern nicht genug für die völlige Ausrottung der Ketzer gethan zu seyn, theils wollte der König von Frankreich aus den Abtretungen Amalrichs Vortheil ziehen: daher erneuten sich die FehdenNicolaus de Braia a. h. a.  Corner 861.  Vitae Pontif. 570.  Alberic. 514.  Concil. XIII, 1087, 1099.  Notices VII, 11.  Regest. Greg. Jahr I, S. 432.  Raynald zu allen diesen Jahren., in 281 welchen Avignon, nach tapferer Vertheidigung, der französischen Übermacht erlagAvignon ward im Herbst 1226 erobert.  Flassan I, 116.  Über die Behandlung Avignons, Iperius 706.  Chron. Sim. Montf. zu 1226., und Ludwig VIII bis in die Gegend von Toulouse vordrang. Sein Tod (er fällt auf den siebenten November 1226) unterbrach die Fortschritte; aber nach zwei Jahren wechselseitiger Verfolgung, sah sich Raimund nebst den seinen wiederum so bedrängt und war der fast zwanzigjährigen Leiden so überdrüssig, daß er sich entschloß im Jahre 1229 mit Ludwig IX und Blanka, und was noch schwerer schien, auch mit päpstlichen Bevollmächtigten Friede zu schließenGuil. de Podio 40-51.  Duchesne V, 810-817.  Mscr. de comitib. Tolosanis 268b.  Flassan I, 118.  Velly IV, 135.  Alberic. 528.. Bis auf die Besitzungen in den Bisthümern Toulouse, Cahors und Agen, verlor Raimund alle seine Länder. Was auf dem linken Ufer der Rhone lag, nahm der Legat, was auf dem rechten, der König. Johanna des Grafen Tochter, heirathete Alfons den Bruder Ludwigs, und ihren Kindern wurde die Erbfolge in jenen erst genannten Landschaften zugesichert. Über die Entschädigung der Geistlichen, die Rechte der Kirche und die Vertilgung der Ketzer lauteten die Bedingungen äußerst streng und veranlaßten, wenn auch keinen größern Krieg, doch noch manche Unruhen.

Raimunds Hoffnung, Beatrix die Erbtochter des Grafen von Provence, zu ehelichen, schlug durch den Widerspruch ihrer Schwester fehl. Karl von Anjou, der Bruder König Ludwigs trug ihre Hand davon; ein Ereigniß, das in seinen mittelbaren Folgen uns noch öfter beschäftigen wird. Nie wäre Raimund, wie Karl, ein eigennützig grausamer Vollstrecker päpstlicher Befehle gewordenRaimund starb, als er eben nach dem Morgenlande aufbrechen wollte.  Baluzzi miscell. I, 206.! Kinderlos starb er im Jahre 1249, kinderlos 282 seine Tochter Johanna, das ganze Land fiel nunmehr an Frankreich.

Innerhalb der Staaten König Ludwigs ward auf diese, für heilsam geachtete Weise, Ketzerei und Unglauben allmählich vertilgt; daß er aber seine Blicke nicht sogleich nach dem Morgenlande richtete, verhinderten manche andere Ereignisse und das Gefühl der Pflicht, seinen nächsten Beruf nicht über einen entfernten zurückzusetzen. {1244} Gerade um die Zeit, wo die Chowaresmier das heilige Land furchtbar verwüstetenBand IV, S. 152. und die Christen besiegten, erkrankte Ludwig so heftig in Pontisere, daß man fast allgemein die Hoffnung seiner Herstellung aufgab. In ganz Frankreich ertönten die aufrichtigsten Wehklagen: durch Ausstellen und Umhertragen heiliger Reliquien, durch öffentliche Gebete hoffte man die Gnade des Himmels zu erlangen, und siehe in dem Augenblicke wo, nach Entfernung der durch Schmerz erschöpften Königinnen Blanka und Margarethe, eine Wärterinn ihn schon als einen Gestorbenen mit einem Tuche zudecken wollte, schlug er die Augen auf und sagte: »das Licht des Orients hat sich durch die Gnade des Herrn vom Himmel herab über mich verbreitet und mich von den Todten zurückgerufen!« Zu gleicher Zeit ließ er den Bischof von Paris kommen und verlangte, daß er ihn mit dem Kreuze bezeichneKurz vor Weihnachten 1244, nahm Ludwig das Kreuz.  Simon Montf. chron.  Iperius 723.  Guil. Tyr. 730.  Sanut. 217.  Guil. Nang. 341.  Guiart. 139.. Vergebens erinnerte ihn dieser an die Gefahren eines so schweren Gelübdes, vergebens baten ihn Frau, Mutter und Brüder: er möge seine gänzliche Herstellung abwarten, und dann thun, was nach einer ernsten Prüfung rathsam erscheine, – Ludwig beharrte auf seinem Willen. Als nun aber vielfache Hindernisse im Innern des Reiches entstanden, als die auswärtigen Angelegenheiten sich nicht minder bedenklich zeigten, erneuten Blanka und mehre Bischöfe und Barone 283 {1245} ihre Vorstellungen gegen den Kreuzzug: denn unverträglich sey er mit einer aufmerksamen Regierung, unsichern Erfolgs im Morgenlande, zweifelsohne unheilbringend für Frankreich. Das Gelübde könne übrigens nicht binden, denn es sey gethan worden in einem Zustande mangelhafter Besinnung, ohne vorhergegangene Prüfung und wahrhafte Entschließung. Ludwig hörte aufmerksam zu und schien bewegt; er nahm das Kreuz von der Schulter, überreichte es dem Bischofe von Paris und sagte: »da ihr also meint, ich sey in dem Augenblicke wo Gott mich vom Tode errettete, nicht im Stande gewesen, mit voller Besinnung zu seinen Ehren ein dankbares Gelübde auszusprechen, so gebe ich euch hier das Kreuz zurück. Jetzt aber, wo ihr nicht leugnen könnt, daß ich bei vollem Verstande sey, fordere ich, daß ihr mir nochmals dies heilige Zeichen ertheilet, damit ich zum Kampfe wider die Ungläubigen ziehe. Wenn ihr meine Freunde seyd und ich irgend etwas über euch vermagVelly IV, 339., so fördert das Unternehmen, statt ihm ferner zu widersprechen: denn wahrlich, ich werde nicht eher einen Bissen Speise genießen, bis ihr mich für einen Krieger des Herrn anerkannt habt.« – Der König setzte seinen Willen durch, und zu dieser Beharrlichkeit vermochten ihn, neben der Überzeugung, daß er eine heilige Pflicht erfülle, auch wohl manche, inzwischen über die Lage des heiligen Landes eingegangene Nachrichten, und die Beschlüsse der Kirchenversammlung von Lyon.

Die letzten wiederholten, was schon öfter über den Ablaß und die Rechtswohlthaten der Pilger, über den Handel mit Ungläubigen u. s. w. festgesetzt wordenConcil. coll. XIV, 58.. Sie bestimmten: »binnen vier Jahren soll innerhalb der Christenheit kein Krieg erhoben, kein Turnier gehalten, sondern jede Kraft zur Vertilgung der Ungläubigen aufgespart werden. Binnen drei Jahren soll niemand vereinzelt nach Palästina pilgern, sondern alles zu einem gemeinsamen Hauptzuge vorbereitet werden. Der Papst und die Kardinäle 284 {1245} geben drei Jahre lang ein ZehntelRymer I, 1, 155.  Math. Paris 454-458.  Raynald zu 1245, §. 51. Auch Ludwig schrieb einen Beitrag von 1/10 der Einnahmen, wahrscheinlich aller Laien, aus; aber schwerlich konnte er etwas von den Mächtigeren beitreiben. Von Abteien zog er 40 bis 1500 Pfund, doch unter der Bedingung, daß er wirklich den Kreuzzug antrete, und andere Auflagen von Seiten des Papstes darauf abgerechnet würden.  Cod. reg. christ. No. 189, S. 16., die übrigen Geistlichen ein Zwanzigstel ihrer Einnahmen.« – So nothwendig diese Bestimmungen zur Herbeischaffung des erforderlichen Geldes auch seyn mochten, erregten sie doch großes Mißvergnügen; vor allem aber beleidigte der Zusatz, daß päpstliche Abgeordnete die Beiträge einsammeln sollten. Uneigennütziger, hieß es mit Recht, habe sich Innocenz III bewiesen; jetzt sey man nur des Verlustes, nicht aber der Verwendung zu dem vorgesteckten Ziele gewiß.

Eben so wenig Neigung als zum Zahlen, zeigte sich zum Pilgern. Der Norden Europas und Spanien blieben aus den alten Ursachen, Deutschland und Italien der bereits erzählten Fehden halber unthätig; der König von England entschuldigte sich mit seinen unsichern Verhältnissen zu Schottland und Wales, und selbst in Frankreich fand Ludwigs IX Eifer nur wenig Beifall. Da bediente er sich einer List. Es war herkömmlich, daß der König den am Weihnachtsfeste um ihn versammelten Großen und Rittern eine Art Mantel schenkte. Solcher Mäntel ließ er weit mehr als gewöhnlich verfertigen, und traf Maaßregeln, daß sich auch mehr Männer als gewöhnlich einfanden. Vor Sonnenaufgang begann man aus dem königlichen Palaste den Zug zur Kirche, und jeder empfing in diesem Augenblicke den für ihn bestimmten Mantel. Während der Messe entdeckte beim Anbruche des Tages einer nach dem andern, daß seinem Mantel das Zeichen des Kreuzes, nach Ludwigs heimlicher Anordnung aufgeheftet war. Manche erschraken und zürnten, andere sahen darin einen Finger Gottes, alle schämten 285 {1245} sich das Kreuz wiederum abzulegen, und nannten den König einen Menschenfischer.

In größerem Maaßstabe und mit größerem Ernste ward über den Kreuzzug auf der Reichsversammlung verhandeltGuil. Nang. 345., welche der König im Oktober des Jahrs 1245 zu Paris hielt. Seine und des Kardinalgesandten OttoKardinal Otto ging als Legat mit; auch ein Neffe des Papstes Jakob Fiesko als französischer Marschall. Ob aber bei dem ersten oder zweiten Kreuzzuge Ludwigs, sagt Costa 58 nicht. dringende Vorstellungen fanden itzt so viel Eingang, daß das Gelübde ablegten: die Brüder des Königs, Karl von Anjou, Robert von Artois und Alfons von Poitou, die Erzbischöfe von Rheims und Bourges, die Bischöfe von Beauvais, Laon und Orleans, der Herzog von Bourgogne, die Grafen von Bretagne, Flandern, St. Paul, Bar, Marche, Montfort, Dreux, Soissons, Vendome, die Herren von Bourbon, Courtenai, Coucy und viele andere, unter denen Johann von Joinville noch eine namentliche Erwähnung verdient, weil er die Geschichte dieses Kreuzzuges mit einfacher Treue und einer Geschicklichkeit erzählt hat, welche die bloße Kunst weder zu erzeugen, noch zu ersetzen vermag.

Schon im Sommer 1246 wurden Verhandlungen mit Genua angeknüpftBarthol. annal. zu 1246 und 1248., und sechzehn Schiffe zur Überfahrt nach Asien ausbedungen; der Antritt des Zuges verzögerte sich indeß aus manchen Gründen. Kaiser Friedrich versprach z. B. daran Theil zu nehmen, oder wenigstens die Unternehmung aufs nachdrücklichste zu fördern, wenn Ludwig seine Lossprechung beim Papste auswirke, und glaubte, als dies mißlang, zwar nicht gegen den frommen König, wohl aber gegen die theilnehmenden, seinem Reiche feindlichen Genueser Sicherheitsmaaßregeln ergreifen zu müssen.

Da es ferner noch unentschieden war, welche Gegend des Morgenlandes man eigentlich angreifen wolle, so schrieb 286 {1246} der Papst an den Sultan Eyub von Ägypten über die Bedingungen, unter welchen der Friede mit ihm könne erneut werden. Eyub antwortete: »den Frieden habe ich immer gewünscht, mag aber darüber nichts ohne den Rath des Kaisers beschließen, welcher meines Vaters Kamel Freund war und auch noch der meine ist. Sobald ich eure Vorschläge mit ihm geprüft habe, mögen weitere Unterhandlungen eingeleitet werden.« Dieser Vermittler mißfiel dem Papste aber so sehr, daß von einer friedlichen Verständigung nicht weiter die Rede war.

Nachdem Ludwig das Nöthige über die Regierung des Reiches angeordnet hatte, brach er am 12ten Junius 1248 von Paris auf und ging nach Lyon, um sich beim Papste zu beurlauben. Von diesem Augenblicke an trug er keine hellfarbigen, bunten oder prächtigen Kleider mehr, sondern nur einfache und dunkele; den Armen aber, welche sonst seine abgelegten Kleider erhielten, ließ er für den Ausfall und Minderwerth eine baare Summe auszahlen. Von einer Burg an der Rhone überfiel und schatzte Roger von Klorege die Pilger; er wurde gebührend bestraft. Von dem böswilligen Sinne der Bürger in Avignon und Marseille nahm aber Ludwig keine Kenntniß, damit der heilige Zug nicht durch unheilige Rache gestört werde. Am 27sten August schiffte er sich in Aiguesmortes ein, und landete am 28sten September in CypernEs finden sich Abweichungen über die Tage.  Epitome bell. sacror. 439.  Chron. S. Steph. Cadom. 1121.  Alfons von Poitou folgte mit seiner Gemahlinn später.  Dandolo 357.  Guil. de Podio 48.  Lyrense chron. zu 1248.  Waverleiens. annal.. Alle Barone des Landes huldigten ihm; viele nahmen das Kreuz. Weil aber die europäischen Pilger noch nicht beisammen waren, es auch an Lastschiffen und Kriegswerkzeugen fehlte, so beschloß man den Winter über in Cypern zu bleiben, und während der Zeit alle irgend nöthigen Vorbereitungen zu treffen.

Hieher kamen Gesandte des Mongolen Erkalthai, der 287 {1248} in Ostpersien mächtig, jedoch von dem obersten Khan Batu abhängig war. Sie meldeten, daß ihr Herr mit dem größten Theile seiner Untergebenen ein Christ geworden sey, und Freundschaft suche wie anbiete. Mit Freuden ging man auf seine Vorschläge ein, und schickte auch ihm Gesandte und Geschenke, unter denen sich ein Zelt befand, worin die Leidensgeschichte Jesu gestickt war. Zugleich bezeigte ihm der päpstliche Legat Otto seinen Beifall, daß er die bösen Irrlehren verlassen habeDachery spic. III, 625.; nur möge er auch keine Ketzereien dulden, sich dem Statthalter Christi unterwerfen, und an die vier allgemeinen Kirchenversammlungen glauben. – Weit duldsamer hatte Erkalthai geäußert: so wie er unter Christen und Nichtchristen keinen Unterschied mache, alle gleich besteuere, allen freien Gottesdienst verstatte; so möchten auch die Franken verfahren, weil vor Gott kein Unterschied der Person statt finde.

Wichtiger, als das Verhältniß zu so entfernten Stämmen, war das zu den Sultanen Nodschmeddin Eyub von Ägypten und Joseph von Aleppo. Beide lebten zeither in Zwist; jener eilte aber, die von den Christen drohende Gefahr richtig würdigend, nach Damaskus, um sich mit diesem zu versöhnen und ihn für eine gemeinsame Vertheidigung zu stimmen. Ungeachtet der überwiegenden, in die Augen fallenden Gründe und der Ermahnungen des Alten vorn Berge und des Chalifen von Bagdad, beharrte der Sultan von Aleppo in seiner Feindschaft gegen den Ägypter; weshalb dieser Chamela belagerte, bis sein Erkranken und ungünstige Witterung zum Rückzuge nach Gaza zwang. Nicht ohne Grund fürchteten die Ritterorden, daß jene Abziehenden im Vorbeigehen etwa Joppe oder Cäsarea einnehmen möchten, und ließen sich, die europäische Hülfe gering achtend, gern in neue Unterhandlungen ein, welche die Fortdauer des Friedens bezweckten. Ludwig nahm aber dies einseitige Vorschreiten sehr übel: die zum Angriffe 288 {1248} hinreichend starken Pilger wären nicht gekommen um des Friedens, sondern um des Krieges willen, und er suche am wenigsten einen Vorwand oder eine Gelegenheit wieder heimzuziehen. Sonst fehlte es leider nicht an Gründen, der Rückkehr zu gedenken. Viele Streitigkeiten unter den Christen selbst, so z. B. zwischen dem Fürsten von Antiochien und dem Könige von Armenien, konnte Ludwig nur mit höchster Mühe beseitigen; eine durch die Anwesenheit so vieler Fremden in Cypern entstehende Hungersnoth wäre ohne die schnelle Hülfe Kaiser Friedrichs und der Venetianer höchst verderblich geworden; endlich brachen ansteckende Krankheiten aus, woran, die Geringern ungerechnet, 240 Ritter, Edle und Prälaten starben, und gegen welche man kein Mittel wußteManche Geistliche sahen eine Art von Ersatz darin, daß sich die Einwohner Cyperns dem römischen Stuhle unterwarfen, und viele saracenische Gefangene taufen ließen. Guil. Nang. 346.  Guil. de Podio 48.  Simon Montf. chron.  Guil. Nang. chron. zu 1248.  Vincent. specul. XXXI, 95.. Zu spät erkannte Ludwig: er habe sogleich nach dem gesundern, fruchtbarern Ägypten segeln und den Sultan überraschen sollen. {1249} Bei seinem jetzigen Bemühen Frachtschiffe zu miethen, fand er unerwartet neue Schwierigkeiten: denn die Venetianer, Genueser und Pisaner, sonst in stetem Zwiste, waren darin einig, daß sie übertrieben hohe Forderungen machtenGuil. Nang. 352.  Guil. Tyr. 733.; auch hatten alle wohl nur wenig Vertrauen zu dem ganzen Unternehmen, und befürchteten eine bloß nachtheilige Störung ihres Handels nach Ägypten.

Endlich, am 15ten Mai 1249, waren 1500, oder, wie andere berichten, gar 1800 größere und kleinere Schiffe versammelt und man ging bei Limisso unter Segel. Ein Sturm warf aber die Flotte gen Paphos zurück, und als den 23sten Mai, nach Sammlung der Zerstreuten, die Fahrt zum zweiten Male begonnen wurde, fehlten 150 Schiffe. Am fünften Tage rief ein der Gegenden kundiger Späher vom Mastkorbe herab: »er sehe Damiette«; und bald darauf erblickte 289 man vier wohlbemannte ägyptische Galeeren, welche, die fränkischen Feldzeichen mißkennend, der Flotte nahten.

Drei derselben wurden versenkt, und vom Ertrinken gerettete Ägypter sagten aus: Damiette sey, weil man den Angriff in Alexandrien erwartet habe, ganz von Vertheidigern entblößt. Da diese Aussage indeß nicht sehr zuverlässig erschien, auch noch Menschen und Schiffe am Ufer gesehen wurden, so wandte sich die christliche Flotte seitwärts nach einer, anscheinend gegen feindliche Angriffe mehr gesicherten StelleAbulf. zu 1249.  Sanut. 218.  Math. Par. 515.  Vergleichungen mit der jetzigen Örtlichkeit, bei Tott, Denkwürdigkeiten III, 160. Nach Iperius 725, sprang Ludwig selbst ins Wasser und eilte voran.. Hier konnten aber die größern Schiffe, des flachen Wassers halber, nicht bis zum Ufer gelangen, und die kleineren genügten nicht zur schnellen Ausschiffung. Da sprangen viele auf des Königs Wink ins Wasser und schwammen zum Lande; während er selbst mit seinen Brüdern und dem Kardinalgesandten, unter Vortragung des heiligen Kreuzes und der Fahne des heiligen Dionysius, hinanschiffte. Zu spät und mit ganz unzureichenden Mitteln, wollten die Ägypter jetzt die Landung verhindern; sie wurden ohne Mühe geschlagen, und wenn die Pilger nicht Hinterhalt und Verrath befürchtet hätten, so wären sie beim Nachsetzen wohl bis in die Stadt gedrungen. Der nächste Tag verfloß ohne Kampf unter mannigfachen Vorbereitungen; dann versammelte der König die Pilger und sprach zu ihnen: »meine Freunde und meine Getreuen! Unüberwindlich werden wir seyn in den Schlachten, wenn wir unzertrennlich sind in der LiebeInsuperabiles, si inseparabiles.. Mit uns ist der Beistand des Herrn: denn wir fechten ja für seine Sache und die Sache seines Sohnes, zu seiner Ehre und nicht zu eigenem Ruhme. Darum werden wir siegen, die ganze Christenheit durch unsere Thaten erfreuen, und den Abtrünnigen Rettung bringen durch die Lehre Christi, in welcher allein alles Heil ruht. Der Entschluß, das Kreuz zu nehmen, ist in uns durch Gottes Einwirkung entstanden, 290 {1249} und durch seine wunderbare Fügung sind wir hier gelandet, und nicht da, wo wir früher wollten und große Gefahren unser warteten. Sollte aber auch Unglück eintreffen, so bleibt dennoch unser Schicksal glorreich und herrlich: – wir werden als Märtyrer aufgenommen unter die Heiligen des Herrn und können, in solcher Hoffnung und Überzeugung, mit erhöhter Kraft und verdoppeltem Muthe den Kampf beginnen. Ich bin nicht mehr als einer von euch, und was mir auch widerführe, es beträfe ja nur einen einzelnen Mann und könnte das unwandelbare Ziel nicht verrücken, das ihr allein im Auge und im Sinne behalten sollt.«

Muthig erwartete das Heer den nächsten Morgen; dann wurden, unter Leitung entflohener Christensklaven, die Ufer und festen Plätze vorsichtig besetzt, und jeder geheime Eingang in die Stadt erforscht. Von weiterem Vordringen hielt griechisches Feuer ab, und die Ermordung aller in Damiette wohnenden Christensklaven ließ auf den Vorsatz einer äußerst hartnäckigen Vertheidigung schließen. Am vierten Tage nach der Landung erschienen aber zwei Überläufer im christlichen Lager und erzählten: daß die Saracenen sämmtlich aus der so stark befestigten und mit so großen Vorräthen versehenen Stadt entflohen wären. Obgleich dieser Bericht unglaublich schien, zog man doch sogleich vorwärts, stellte eine, in der Eil nur zum geringen Theil zerstörte Schiffbrücke wieder her, und siehe – die Überläufer hatten durchaus die Wahrheit geredet! Mit bloßen Füßen zog Ludwig, begleitet vom Kardinalgesandten, dem Könige von Cypern und allen Prälaten, Fürsten und Pilgern, in die Stadt und zur Hauptmoschee. Sie ward sogleich gereinigt, zur Marienkirche geweiht, Messe gelesen, und die erforderliche Zahl von Stiftsherrn ernannt. Alle priesen Gott, daß er durch seine Gnade die Stadt auf so wundervolle WeiseOperante divina potentia, - dei largitate, - dei dono - miraculose etc.  Vergleiche bei Abulfar. 170 eine ähnliche Einnahme der Stadt durch die Griechen im Jahre 852. – Vinvent. spec. XXXI, 97.  Waverl. annal.  Posaune 79.  Joinville 30. – Das Feuer, was die Abziehenden angezündet hatten, wurde leicht gelöscht.  Iperius 725.. – Einnahme den fünften Junius, nach der Epitome bell. sacror. 439. habe einnehmen lassen; 291 {1249} aber der durch Krankheit noch immer von größerer Thätigkeit zurückgehaltene Sultan hatte wohl ganz Recht, wenn er die Befehlshaber Damiettes wegen dieses Wunders verantwortlich machte, und als Feige oder als Verräther betrachtete und bestrafteAbulfarag. 323. - Bonon. hist. miscella.  Michaud VII, 720..

Dem Könige ließ Eyub itzt antragen: den Krieg an einem bestimmten Tage und bestimmten Orte durch eine Schlacht zu entscheiden; Ludwig aber antwortete: »nicht an einem Tage, nicht an einem Orte will ich kämpfen, sondern täglich und überall, bis der Sultan sich zum Herrn bekennt, welcher alle erretten will und allen den Schooß seiner Gnade eröffnet.« – Weiter ließ der Sultan spöttisch fragen: warum denn die Franken Pflüge und Ackergeräth mitgebracht hätten? Er wolle sie für die kurze Zeit ihres Aufenthalts in Ägypten recht gern mit Getreide versehen. Ludwig erwiederte: »ich habe geschworen hieher zu ziehen, ich habe aber nicht geschworen zurückzukehren; deshalb sind jene Werkzeuge mitgenommen worden.«

Ernste, vortheilhafte Friedensvorschläge, welche allerdings neben dem Erzählten hergingen, wies man hauptsächlich auf den Betrieb des Grafen von Artois zurück; einer raschen Benutzung des über die Saracenen gekommenen Schreckens, standen aber nach Eroberung Damiettes manche Hindernisse entgegen.

Zuvörderst ergaben sich viele Pilger einem üppigen WohllebenJoinville 32.  Guil. Nang. 354., so daß Ludwig kaum die gehörige Ordnung herzustellen vermochte; ferner erwartete er seinen Bruder Alfons von Poitou, welcher, nach einer sehr gefährlichen Überfahrt, erst am 28sten Oktober mit vieler neuen Mannschaft 292 {1249} landete; endlich machte die gewaltig heiße Jahreszeit und das sommerliche Anschwellen des Nils ein früheres Vordringen in das Innere des Landes unmöglichJoinville 33.. Einzelne zwar wagten sich hinein, verloren aber gewöhnlich ihr Leben, da der Sultan für jeden abgelieferten Christenkopf ein Goldstück auszahlen ließ.

Dieser Verlust an Menschen ward jedoch mehr als ersetzt durch die Ankunft vieler Templer und Johanniter, und durch die unerwartete Landung einer großen Zahl von englischen Pilgern. König Heinrich III hatte nämlich beim Papste um das Verbot nachgesucht, daß niemand ohne ihn den Kreuzzug antreten solle, und Innocenz hatte es ihm in der Überzeugung bewilligt, daß er sich an die Spitze stellen werde. Die wahre Absicht des Königs ging aber nur dahin, unter diesem Vorwande Geld zu erpressen, und dem Könige von Frankreich alle außerordentliche Unterstützung zu entziehen; weshalb sich die Ungeduldigern und Eifrigern, unbekümmert um päpstliche und königliche Befehle, einschifften und glücklich Ägypten erreichten. Hier geriethen sie aber sogleich in großen Streit mit den Franzosen. Ludwigs milde Ermahnungen zur Einigkeit blieben ohne Erfolg, und strenge Mittel wollte er, aus Furcht das Übel zu vermehren, nicht anwenden; so daß, als endlich der Anführer der Engländer, Graf Wilhelm Langspeer von SalisburyTrivet zu 1249., mit ihnen nach Akkon absegelte, kaum zu sagen war, ob mehr durch den innern Frieden gewonnen, oder an Macht verloren sey. Daß man die auf genuesischen Schiffen ankommenden Gelder und Lebensmittel nicht unter eine noch größere Zahl vertheilen müsse, erschien den Empfängern als ein erheblicher Vortheil; dennoch reichte beides nicht aus, und überhaupt verführte die täglich wachsende Noth zur Abtrünnigkeit, oder zur Rückkehr, oder doch zu lautem Tadel des unnützen Verweilens in Damiette.

Der Graf von Bretagne schlug also vor, gen 293 {1249} Alexandrien, der Graf von Artois gen Kairo zu ziehenMath. Paris 519-525.  Dandolo 359.  Joinville 35., und des letzten Meinung behielt, wahrscheinlich aus folgenden Gründen, die Oberhand. Die vom Sultan befohlene Hinrichtung des feigen Befehlshabers von Damiette bewog dessen Bruder, den Statthalter von Kairo, zu heimlichem AbfallMath. Paris 527.  Ludov. regis epist. 1196.. In seinem Namen versprachen freigelassene christliche Ritter dem Könige die Übergabe der Stadt und aller Schätze Eyubs. So erfreut auch Ludwig über diese glänzende Aussicht war, wollte er doch einen so entfernten Zug nicht ohne Theilnahme der Britten antreten, sondern schrieb an den Grafen von Salisbury: »er möge schnell mit den seinen wiederkehren und Theil nehmen an vollständiger Genugthuung, an höchst erwünschten Dingen, am längst ersehnten Erfolge.« Nach Empfang dieser geheimnißvoll befeuernden Worte, zögerte Wilhelm keinen Augenblick; er erfuhr nach seiner Ankunft die Lage der Dinge, und am 20sten November 1249 brach man von Damiette auf gen Kairo.

Der Sultan erstaunte über diese Kühnheit und bot nochmals, für Damiette und die saracenischen Gefangenen, die Rückgabe Palästinas und der christlichen Gefangenen. Man wies indeß, um jener übertriebenen Hoffnungen und der heftigen Widersprüche des Kardinalgesandten willen, diese billigen Anträge zurück. Mittlerweile äußerten mehre des Geheimnisses Kundige zu unvorsichtig ihre Freude, es verbreiteten sich Gerüchte, als sey schon beendet, was man erst unternehmen wollte: da entdeckten die aufmerksam gemachten Kundschafter des Sultans den Verrath, der Statthalter ward überrascht und gefangen genommen.

Von diesem Ereignisse, welches alle Plane hätte verändern müssen, erhielten die Franken keine Nachricht; vielmehr traf zur Erhöhung ihrer Hoffnungen die Botschaft ein: der Sultan sey am 22sten November 1249 gestorben, und sein Sohn und Nachfolger Moattam noch in Asien 294 abwesendImperius 725.  Du Fresne zu Joinville 62. Fakardin führte bis zur Ankunft des neuen Sultans den Oberbefehl.  Guiart 143.. Sie rückten deshalb vor und lagerten sich zwischen zwei Armen des Nils, wovon der kleinere nach Tanis floßSieben Meilen von Damiette.  Vitriac. hist. orient. 274.. So gesichert diese Stellung aber auch gegen Angriffe erschien, so wenig geeignet war sie, von da aus angriffsweise zu verfahren. Alle Versuche mit großem Aufwande von Kräften und Gelde, eine Brücke über den nach Tanis fließenden Nilarm zu schlagen, blieben ohne Erfolg: denn die Saracenen zerstörten leicht alle begonnenen Arbeiten mit griechischem Feuer. Endlich zeigte ihnen am 23sten Januar 1250 ein Beduine für 500 Byzantiner eine Fuhrt; leider aber war sie tiefer als man glaubte, oder ward von dem Durchwaten schnell so vertieft, daß selbst die Pferde den Grund verloren, und man nur unter großen Gefahren das jenseitige Ufer erreichte. Doch überraschte man hiedurch die Saracenen so sehr, daß sie sich auf die Flucht begaben und erst in Mansura sicher glaubtenSimon Montf. chron. zu 1250. Mansura hat noch jetzt das Ansehen eines ziemlich beträchtlichen Fleckens. Verschiedene Beys besitzen daselbst Lusthäuser. Binos Reise 133..

Ohne des Königs Befehl zu erwarten, oder seine Erlaubniß zu erbitten, setzte ihnen der Graf von Artois in Begleitung Wilhelms von Salisbury, mehrer Templer und etwa eines Drittels vom Heere nach. Seit dem letzten glücklichen Gefechte hielt der Graf nichts für unmöglich, und wünschte ehrgeizig das Schwerste ohne Theilnahme seines Bruders zu vollbringen. Der Großmeister der Templer hingegen rieth ernstlich zum Rückzuge: denn Pferde und Reiter wären durch Kampf, Hunger und Durst erschöpft, und bei weiterem Vorrücken müsse man immer heftigern Widerstand und endliches Abschneiden vom Hauptheere befürchten; während ein Angriff mit der ganzen ungetheilten Macht den günstigsten Erfolg verspreche. Heftig erwiederte der Graf: »es bestätige sich die alte Klage, daß Templer und 295 {1250} Johanniter im Morgenlande stets jeden entscheidenden Erfolg verhinderten, damit kein wohlgegründetes christliches Reich ihre Habsucht und Willkür beschränken könne.« Vergeblich bemühte sich Wilhelm von Salisbury den Grafen von Artois zu beruhigen, und dem weiseren Rathe des Großmeisters das Übergewicht zu verschaffen; auch ihn trafen dafür Schmähungen ohne Maaß. Um nun nicht, außer dem Scheine des Ungehorsams, auch den schwerern der Feigheit auf sich zu laden, folgten alle dem kriegslustigen Anführer; allein nach einigem Erfolge war, der größten Tapferkeit ungeachtet, der Ausgang des Gefechts noch trauriger, als man befürchtet hatte: Wilhelm von Salisbury ward kämpfend erschlagen und der Graf von Artois nie wieder gesehenRobertus perditus nec inventus.  Guil. de Podio 49.  Simon Montf. chron.  Chron. Normann. 1008.  Vitae Pontif. 591.  Nach Barthol. ann. zu 1249 und Ibn Alatsyr 558 ward Mansura genommen, worauf sich aber die Christen unvorsichtig zerstreuten, angegriffen und besiegt wurden. – Math. Par. 529.  Ludov. reg. epist. 1197.; es sey nun, daß er auf der Flucht mit seiner schweren Rüstung im Nile untersank, oder seine Leiche von den Saracenen, in der Meinung es sey die des Königs, hinweggebracht wurde. Von allen Rittern entkamen nur zwei Templer und ein Johanniter; und einige gemeine Soldaten, welche nackt durch den Nil schwammen, brachten dem übrigen Heere die erste Nachricht von diesem großen Unfalle. Weinend hob Ludwig die Hände gen Himmel und sprach: »des Herrn Wille ist geschehen, der Name des Herrn sey gelobet.« Dann berief er alle Vornehme zur Berathung, und man beschloß: die Schwächeren und Unbewaffneten sollten zu Schiffe nach Damiette gebracht werden, alle übrigen aber einen Angriff wagen, oder Angriffen nachdrücklich widerstehn.

Die Saracenen ließen ihre Gegner so ungestört vordringen, daß diese wiederum Hoffnung faßten und kühne Plane entwarfen; als sie aber bei dem frühern Schlachtfelde ankamen, erneute und verdoppelte sich ihr Jammer. Keiner 296 {1250} war im Heere, der nicht den Tod eines Freundes oder Verwandten zu beklagen hatte, der nicht wünschte, diesen wo möglich wieder zu erkennen und ihm die letzte Pflicht zu erzeigen! Aber viele Leichname waren schon von den Siegern in den Nil geworfen worden; alle andern fand man unkenntlich und um der Belohnungen willen, welche die Saracenen für jedes christliche Haupt und jede abgehauene Hand erhielten, auf schreckliche Weise verstümmelt. Die Franken zerrissen ihre Kleider und stürzten vor Wehmuth zur Erde nieder; aber das Maaß ihres Unglücks war noch nicht voll.

Botschaft traf ein, daß die mit den Kranken, Schwachen und Unbewaffneten nach Damiette hinabfahrenden Schiffe, von einer feindlichen Flotte waren angegriffen und besiegt worden: wen die Geschosse nicht trafen, den ergriff griechisches Feuer; wer diesem entrinnen wollte, ertrank im Flusse. Von itzt an war den Pilgern die so dringend nöthige Zufuhr gänzlich abgeschnitten, und zu dem Hunger gesellten sich ansteckende KrankheitenDolor maxillarum et dentium, tibiarum tumor.  Simon Montf. chron.  Nach Joinville 57, schwarze Flecken auf der Haut, Zusammentrocknen der Beine, Mundfäule, Nasenbluten und dann gewisser Tod., welche nach schmerzhaften und schrecklichen Erscheinungen, dem Leben binnen wenig Tagen ein Ende machten. Neue Unterhandlungen zerschlugen sich, weil man es für unwürdig hielt, dem Verlangen des Sultans zufolge, den König selbst als Bürgen oder Geißel zu überantworten. Wer hätte jetzt noch an Eroberung gedacht! Damiette glücklich zu erreichen, war der höchste und dennoch zu kühne Wunsch. Kaum traten nämlich die Pilger den Rückzug an, so wurden sie auf allen Seiten von den Saracenen angegriffen. Tapferer Widerstand gegen solche Übermacht brachte Ehre, aber keine RettungVillani VI, 36.; und die Gewässer, welche aus durchstochenen Dämmen des Nils herzudrangen, drohten mit einer für Ritter und Kämpfer ganz unwürdigen Todesart. Es blieb nichts übrig, als sich zu ergeben; von 2300 Rittern und 15000 Pilgern entkamen 297 {1250} nur wenige durch die Flucht; alle andere wurden niedergehauen, oder am fünften April 1250 gefangenBei Minia Ben Abdallah, vermuthlich am östlichen Nilufer, vielleicht Miniat-es-schiuih.  Posaune 79.  Vincent. spec. XXXI, 100.  Vie de S. Louis, msc. 31.. Der König und seine Brüder, die Grafen Alfons von Poitou und Karl von Anjou, theilten das letzte Schicksal. Jener war, obgleich vom Schmerze tief gebeugt, doch durch den Glauben an Gott und Christus gegen Verzagtheit, oder wilde Verzweiflung so geschützt und beruhigt, daß mancher darin irrig Geistesschwäche oder Gleichgültigkeit erblickteLudwig habe gebetet, als sey das nöthiger, quam fugae et evasionis praesidium praepararet.  Guil. Nang. 356.  Er war sehr betrübt, daß er sein Gebetbuch verloren hatte.  Guiart. 144.. Auch bedurfte er um so mehr eines solchen höheren Trostes, da er schwer erkrankte und täglich sehen mußte, wie grausam die Saracenen ihren Sieg mißbrauchten, und wie bitter und unanständig sie alles den Christen Heilige verspotteten und verhöhnten.

Endlich ward ihm sogar erzählt: der Sultan wolle ihn zur Schmach durch alle Lande des Orients umherführen und den Völkern zeigen lassen. Es ist ungewiß, ob man diesen Vorsatz je ernstlich gefaßt hatte, oder ob man ihn ausgab weil Ludwig entschlossen schien lieber zu sterben, als den Ungläubigen solchen Triumph zu bereiten. Daß der Sultan dem Könige seine Ärzte sandte, welche, mit den ägyptischen Krankheiten besser bekanntBellol. 456., ihn bald herstellten, würde man edelmüthig nennen und darin eine Widerlegung des obigen finden können, wenn nicht die spätere harte Behandlung Ludwigs auch hier versteckten Eigennutz vermuthen ließe.

Die Saracenen hofften nämlich, sich in dem ersten Schrecken über ihren vollständigen Sieg auch Damiettes in Güte oder mit Gewalt zu bemächtigen. Dies mißlang: denn obgleich die hochschwangere Königinn fast die Besinnung verlor und vorzeitig einen Sohn gebar, welchen man, 298 {1250} den Jammer andeutend, Tristan nannte; so ließen sich doch der Herzog von Bourgogne, der päpstliche Gesandte und mehre angesehene Männer nicht einschüchtern; sondern beschlossen die wichtige Stadt bis auf das äußerste zu behaupten, überzeugt, daß dies für den Abschluß eines irgend billigen Friedens höchst nothwendig sey. – Der Sultan verlangte von den Gefangenen für ihre Befreiung die Übergabe aller christlichen Besitzungen in Syrien, erhielt aber zur Antwort: theils gehörten sie dem Kaiser, theils den Orden; über jene habe man kein Recht zu schalten, und diese dürften nach den Gesetzen nie für Lösung von Gefangenen weggegeben werden.

Vergeblich bedrohte man den König mit der Folter, und die übrigen mit dem Tode; sie blieben bei ihrer Rede. Ein neuer Vorschlag des Sultans ging nunmehr dahin: die Franken sollten Damiette räumen und für die Lösung der Gefangenen 500,000 Pfund (Livres) zahlen. Ludwig antwortete: »Gott ist mein Zeuge, daß ich nicht hieher gekommen bin, um zu erobern und Schätze zu erbeuten: denn ich besitze (obgleich ein Unwürdiger und Sünder) schöne, reiche und gesunde Länder. Nur um des Heils eurer Seelen willen, habe ich den mühseligen Zug unternommen und so vieles erduldet. Euch möge das Unglück genügen, das Christus mir zürnend sendet; nimmer aber werde ich Damiette zurückgeben, das durch ein göttliches Wunder in unsere Hände gefallen ist.« – Als ein anderer Versuch mißlang, Damiette durch Saracenen, welche sich als Christen verkleidet hatten, einzunehmen; so erneuten sich die Drohungen gegen den König und die Anstalten zu einer ernsten Belagerung, deren Erfolg zuletzt für die Christen nachtheilig ausfallen mußte.

Weil indeß der Sultan seinerseits auch Gründe genug hatte, lieber das Billige vertragsweise anzunehmen, als das Äußerste mit kriegsmüder Mannschaft zu erzwingen; so einigte man sich endlich über folgende Bedingungen:

1. Es soll Waffenstillstand seyn auf zehn Jahre und 299 den Christen alles verbleiben, was sie in Syrien bei der Ankunft König Ludwigs besaßen.

2. Alle Gefangenen, welche seit dem zwischen Sultan Kamel und Kaiser Friedrich geschlossenen Frieden gemacht wurden, werden ausgewechselt, und die Christen mit ihrer beweglichen Habe sicher bis zu einer christlichen Stadt geleitet.

3. Für die Freilassung aus der Haft giebt König Ludwig Damiette zurück, und zahlt 800,000 ByzantinerDiese Summe hat Joinville, einige lesen 8000, oder 30,000.  Guil. Nang. 356.  Vinc. specul. XXXI, 101.  Wickes zu 1250.  Le Blanc 177 berechnet die Lösungssumme auf 3,879,000 Livres..

Von der anfänglichen Forderung einer Million Byzantiner hatte der Sultan, auf Ludwigs Erklärung, daß sich handeln und dingen für ihn nicht schicke, freiwillig 200,000 erlassen.

Sobald die Königinn und die Befehlshaber in Damiette versichert waren, daß dem Könige keine Nachstellung drohe, stimmten sie dem Vertrage bei; in dem Augenblick aber, wo er zur Vollziehung kommen sollte, trat ein schreckliches Ereigniß hemmend dazwischen.

MoattamJoinville 56.  Abulfar. 324.  Abulfeda.  Haithon. c. 52.  Ibn Alatsyr 563.  Er ließ viele Gefangene hinrichten.  Mackritzi in Michaud VII, 729., der neue erst fünfundzwanzigjährige Sultan, hatte aus seiner asiatischen Statthalterschaft viele Freunde und Anhänger mitgebracht und ihnen, unter Zurücksetzung der alten Beamten, nicht wenig bürgerliche und Kriegs-Stellen eingeräumt. Er war bei den Verhandlungen mit Ludwig nur seiner Ansicht gefolgt, unbekümmert um strengere Vorschläge und gleichgültig gegen den Tadel, daß er mehr den Gewinn schnöden Geldes, als den Ruhm und die Ehre des Islam im Auge behalte. Endlich fürchteten die zahlreichen von Moattam nicht ohne Mißtrauen behandelten Mamelucken, er werde sie nach völliger Beendigung des Krieges mit den Franken plötzlich entlassen oder allmählich beseitigen. So erhebliche Übel müsse man vertilgen, so großen Gefahren 300 {1250} zuvorkommen – durch Mord! Deshalb überfielen die Verschwornen eines Nachmittags den Sultan, und Bibars, der nachmalige Mameluckensultan, brachte ihm die erste Wunde bei; doch gelang es dem jungen tapfern Manne, ihnen zu widerstehen und sich in die von Holz erbaute Burg Fareskur zu retten. Aber die Flammen des von den Meuterern angelegten Feuers trieben ihn wieder hervor, und ehe er im raschen Laufe den Nil erreichen und ein Fahrzeug besteigen konnte, trafen ihn zum zweiten Male türkische Pfeile. Aller andern Mittel beraubt, sprang er jetzt in den Strom, um sich durch Schwimmen zu retten; aber rastlos in ihrer Wuth eilten mehre nach, tödteten ihn im Wasser, schleppten seinen Leichnam aufs Ufer und rissen ihm das Herz aus dem Leibe! – Mit noch blutigen Händen und Schwertern eilten die Missethäter zu Ludwig und einer sprach: »was giebst du mir dafür, daß ich deinen Feind tödtete, der dich, bei längerem Leben, gewiß umgebracht hätteVie de S. Louis, mscr. 30-40.  Joinville 70.  Guil. Nang. 357. Am dreiundzwanzigsten Tage sollte Ludwig frei gelassen werden, da ward der Sultan ermordet und 127 Emirn erwählten einen Türken zum Anführer. So erzählt Guil. de Tripolis c. 15.?« Der König antwortete keine Silbe, und jener fuhr fort: »ich werde dich aus den Gefahren befreien, schlage mich aber mit diesem Schwerte zum Ritter.« »Nur wenn du Christ wirst,« entgegnete Ludwig, »will ich dich zum Ritter schlagen, mitnehmen und dir Lehn geben.« – Gleichzeitig drang ein anderer Haufen zu den übrigen Gefangenen und rathschlagte, ob man nicht am besten thue alle umzubringen; – endlich aber siegte die Scham oder der Eigennutz, und der alte Vertrag ward mit einigen Zusätzen nochmals bestätigt.

Unerwartet fand sich jedoch ein neues Hinderniß. Die Emirn verlangten nämlich, vielleicht nach dem Rathe einiger abtrünnigen Christen, daß Ludwig zu desto größerer Beglaubigung des Vertrages schwöre: »wenn ich das Versprochene nicht halte, so soll man mich betrachten als einen Meineidigen, als einen Christen welcher Gott, dessen 301 {1250} Gesetz und seine Taufe verleugnet, welcher zur Verachtung Gottes das Kreuz bespuckt und es mit Füßen tritt.« Ihrerseits wollten die Emirn dann auch beschwörenGesta Ludov. IX, 404.  Bonif. bulla canonis. 488.  Vita Ludov. 469.  Vie de S. Louis, mscr. 33., daß sie, im Fall der Wortbrüchigkeit, Muhamed und dessen Gesetze entsagten. Als dem Könige jene Formel vorgelegt wurde, so erklärte er: nie werde er nach derselben einen Eid leisten. Hierauf stellten seine Brüder und manche andere, selbst Geistliche vor: dadurch entstehe Verdacht gegen die Aufrichtigkeit seiner Gesinnung und Gefahr für so viele ihm theure Personen; er könne, da er ja fest entschlossen sey den Vertrag zu erfüllen, auch jedwede Bekräftigung desselben annehmen und aussprechen. Ludwig antwortete: »ich liebe euch alle wie meine Brüder, aber ich hasse nicht minder die Sünde. Was auch daraus entstehen möge, bei Gott, nie sollen Worte solcher Art aus dem Munde eines Königs von Frankreich kommen.« Als ihm nunmehr der saracenische Befehlshaber ganz deutlich zu verstehen gab: es könne ob dieser Weigerung wohl dahin kommen, daß man ihm den Kopf abschlage und seine Gefährten kreuzige, so erwiederte er: »geh hin und sage deinen Herrn, sie könnten verfahren nach Belieben; ich aber wolle weit lieber sterben wie ein guter Christ, denn leben in Feindschaft mit Gott, seiner Mutter und seinen Heiligen.« Hievon benachrichtigt kamen mehre Emirn mit gezogenem Schwerte in sein Zelt und sprachen: »du bist unser Gefangener und verfährst, als wären wir die deinen; du mußt schwören, oder sterben!« Ludwig antwortete ruhig: »Gott hat euch zu Herren meines Leibes gemacht, aber ihr vermöget nichts über meine Seele; sie ist in seinen Händen.« – Jetzo wandten jene ihren Zorn gegen den achtzigjährigen Patriarchen Guido von Jerusalem, in der Meinung, daß er den König in seiner Ansicht bestärke, und banden ihm die Hände so fest auf den Rücken, daß sie anschwollen und Blut aus den Fingerspitzen hervordrangDu Fresne zu Joinville 62.. 302 {1250} »Ach Herr,« rief der von Schmerzen geängstigte Greis, »da ihr aufrichtig euer Versprechen erfüllen wollt, so schwört immerhin; ich nehme die Sünde auf mich und meine Seele.« So sehr aber auch dem milden Könige dies Leiden zu Herzen ging, er blieb standhaft: denn er wollte, bei der Möglichkeit, daß trotz dem besten Willen ein Hinderniß gegen die Vollziehung des Vertrages eintrete, weder die Seele eines andern um seinetwillen ins Verderben stürzen, noch überhaupt um eines zeitlichen Zweckes willen eine unwürdige Gotteslästerung aussprechen und sich von seinem Heilande lösen. – Und zuletzt siegte Ludwig ob: denn die Saracenen entsagten jener Eidesformel; ja mehre von ihnen sollen, seine Fassung und Standhaftigkeit bewundernd, gemeint haben: er sey der Mann, den sie zu ihrem Sultane machen müßten. »Glaubst du,« sagte später einmal Ludwig zu seinem treuen Leidensgefährten Joinville, »daß ich den ägyptischen Thron angenommen hätte, wenn er mir wäre angeboten worden?« – »Keineswegs,« antwortete Joinville, »denn wie durftet ihr, ohne die größte Thorheit, den Mördern ihres rechtmäßigen Herrn vertrauen!« »Und dennoch,« fuhr Ludwig fort, »hätte ich die Krone angenommen.« So sehr wünschte und hoffte er die Ungläubigen zu bekehren; so sehr hielt er es für Pflicht, keine dafür sich bietende Gelegenheit von der Hand zu weisen.

Man schiffte jetzt den Nil hinab und Damiette ward am siebenten Mai 1250 übergeben. Es fand sich aber, daß das gemeine Volk, in zügellosem Zorne über den Verlust der Stadt, alle Lebensmittel verderbt und alle Wein- und Öl-Fässer zerschlagen hatte. Ihrerseits begingen die Saracenen itzt noch ärgere Gewaltthaten: sie vernichteten das Kriegszeug, zündeten Häuser an und brachten viele christliche Kranke ums LebenJoinville 74.; ja selbst die Anführer begannen neue höchst gefährliche Berathungen. Einige sagten: »wir sind im Besitz von Damiette, laßt uns jetzt alle Christen 303 {1250} umbringen, dann haben wir Ruhe, wenigstens auf vierzig Jahre.« Andere widersprachen: »es würde Schande bringen über uns und unser Land, wenn wir erst unsern Sultan und nun auch den Frankenkönig gegen unser Wort umbrächten.« Die ersten aber fuhren fort: »jenes freilich war Sünde, dies hingegen ist den Befehlen Muhameds gemäß;« – und sie befahlen die Anker zu lichten, und mit allen Christen wieder stromaufwärts gen Kairo zu fahren. Da entstand unermeßlicher Jammer! Am Abend aber gewannen die redlicher gesinnten Emirn die Oberhand und setzten den Beschluß durch: der Vertrag solle gehalten werden.

Die Zahlung des ersten Theils der Lösungssumme begann, und die damit Beauftragten erzählten dem Könige freudig, wie es ihnen gelungen, die Saracenen beim Zuwiegen des Geldes um 10,000 Livres zu übervortheilen. Hierüber zürnte Ludwig sehr und befahl, man solle aufs gewissenhafteste verfahren. Nun aber reichte, wie jene vielleicht vorausgesehen hatten, das Geld nicht; weshalb der Vorschlag geschah, man solle es bei den damit noch reichlich versehenen Tempelherrn leihen. Eigennützig behaupteten diese: ihr Eid verbiete ihnen Geld auszuleihen; allein der edle Seneschall Joinville ging mit Erlaubniß des Königs hin und nahm die fehlende Summe, ohne Rücksicht auf weitere Einreden, zu allgemeiner Freude aus ihren Kisten.

Endlich schiffte Ludwig sich einJoinville 79. und zwar, neue Gefahren fürchtend, mit solcher Eile, daß es an manchem Nöthigen fehlte, wie er denn z. B. nur zwei Kleider besaß, welche ihm der Sultan hatte machen lassen. Die Fahrt gen Akkon war glücklich; doch blieb der König betrübt und niedergeschlagen über all das Unglück und den Tod seines Bruders Robert von Artois. Karl von Anjou hingegen kümmerte sich wenig um den todten und um den lebenden Bruder; sondern vertrieb sich die Zeit durch Würfelspiel mit Wilhelm von Nemours. Über solche Gleichgültigkeit, 304 {1250} Vernachlässigung und eitele Sinnesart zürnend, ging der König in Karls Gemach und warf, unter nachdrücklichen Zurechtweisungen, Tisch, Würfel und Geld ins Meer. In Akkon hofften Ernstere, wie Leichtsinnige, das Ende ihrer Leiden zu finden: allein die Pest wüthete daselbst dergestalt, daß man vor Joinvilles Wohnung täglich wohl zwanzig Leichen vorbeitrug, und mancher, der dem Schwerte entgangen war, hier unerwartet seinen Tod fand.

Während die Pilger in Afrika und Asien so von Unglücksfällen aller Art heimgesucht wurden, glaubte man in Frankreich, sie wären nicht bloß im Besitz von Damiette, sondern auch von Alexandrien und Kairo. Die ersten, welche ohne weitere Beweise als ihr Wort, Nachricht von den großen Niederlagen überbrachten, hielt man für boshafte Lügner und strafte sie, einigen Berichten zufolgeMath. Paris 534.  Corner 900.  Belloloc. 457., sogar am Leben. Bald aber gingen der Bestätigungen nur zu viele ein, und nun entstand in dem ganzen Abendlande eine allgemeine Wehklage; jeder nahm den herzlichsten Antheil an Ereignissen, welche die gesammte Christenheit betrafen. Der Papst erließ Trostschreiben an Ludwig und ermahnte ihnConcil. collect. XIV, 30-33.  Innoc. IV, epist. 412-416.: er möge ausharren und die unerforschlichen Rathschlüsse Gottes in Demuth verehren; er forderte die Königinn Blanka auf, nicht wegen ihres, für göttliche Zwecke abwesenden Sohnes zu verzweifeln; er befahl, man solle in allen französischen Kirchen Gottes Gnade für die Gefangenen erflehen, und rief dabei aus: »o betrügerisches Morgenland, o unselig verfinstertes Ägypten! O Jerusalem, Jerusalem, für dessen Befreiung so Unzählige umgekommen sind! wann wirst du der heiligen Kirche, statt herber Trübsal, endlich die ersehnte Freudigkeit zu Theil werden lassen!« – Gleichzeitig ergingen in alle Reiche, selbst nach Norwegen, päpstliche Aufforderungen, dem Morgenlande persönlich oder auf andere freigebige Weise Hülfe zu leistenWadding III. 498.. Diese 305 {1250}Maaßregeln erschienen aber vielen unzureichend, und als die Brüder des Königs, Karl und Alfons, aus Akkon in Frankreich ankamen, traten sie den lauten Anklagen gegen Innocenz bei: »er habe das Verderben der Pilger herbeigeführt durch Geiz, Unterschlagung oder anderweite Verwendung der eingegangenen Gelder, durch freventliches Entbinden von dem Gelübde, und vor allem durch seine Halsstarrigkeit und unchristliche Feindschaft gegen Kaiser Friedrich II.«

Von solchen Klagen und Vorwürfen kam es zu der Drohung: Lyon solle für den Papst nicht lange mehr ein sicherer Aufenthalt seyn. Deshalb ersuchte dieser den König von England, ihn in Bordeaux aufzunehmenMath. Par. 534-538.; welche Bitte Heinrichen in große Verlegenheit setzte: denn wenn er sie abschlug, so ernannte der Papst (größerer Besorgnisse nicht zu gedenken) den Bruder des Königs nicht, wie er es doch sehnlich wünschte, zum Bischof von Winton; wenn er sie bewilligte, so entstand unfehlbar allgemeine Unzufriedenheit der Prälaten und Barone und offene Feindschaft mit dem Kaiser, welcher den Engländern, im Fall eines noch viel besprochenen Kreuzzuges nicht erlaubt haben würde, seine Länder zu berühren.

Von Anfang an hatte Friedrich II große Theilnahme an dem Kreuzzuge des frommen Königs gezeigtPetr. Vin. III, 22-24.; zugleich aber, seiner Erfahrung und Unbefangenheit gemäß, auf die Verhältnisse hingewiesen, welche einen glücklichen Ausgang zweifelhaft machen mußten.

Er versprach, sobald nur Italien irgend beruhigt und der Papst zur Mäßigung und Besonnenheit zurückgekehrt sey, thätigen Beistand, und gab dem Grafen Alfons von Poitou bei seiner Fahrt nach Ägypten, ungeachtet der Mißärnten im apulischen Reiche, tausend Salm Getreide und funfzig StreitrosseDu Fresne zu Joinville 55.. Hiefür dankte Blanka, und schrieb (obwohl vergeblich) an den Papst: er solle einen, für das Heil der 306 {1250} Christenheit so thätigen Monarchen nicht länger verfolgen. Jetzo, nach der Gefangennehmung Ludwigs, schickte der Kaiser diesem sogleich ansehnliche Geldsummen und verwandte sich bei dem Sultan, welchen er noch am Leben glaubte, in eigenen Schreiben dringend für die Loslassung aller PilgerGesch. der Hohenst., Band IV, S. 261. Joinville selbst ward als Gefangener besser gehalten, weil er behauptete, er sey mütterlicherseits mit dem Kaiser verwandt. Joinville 64, 84.. Aber, so wie ihm seine Feinde selbst das Wohlgemeinteste mißdeuteten, so äußerten sie auch hier: er möge der Wahrheit nach wohl nur eine härtere Haft gewünscht und bezweckt haben; – eine Meinung, wofür sich nicht der geringste wahrscheinliche oder vernünftige Grund anführen läßt.

Am betrübtesten, zugleich aber auch am thätigsten war die Königinn Blanka; doch zeigte sich im Volke ebenfalls ein so lebendiger Eifer, daß man an die Zeiten des ersten Kreuzzuges erinnert wurde und sich gern der Hoffnung eines ähnlichen Erfolgs hingab. Sogar Peter der Einsiedler schien in einem Haupturheber dieser Bewegungen, Namens Jakob, wiederzukehren: einem Manne von etwa sechzig Jahren, mit langem herabhangenden Barte, bleichem Angesichte, tiefliegenden aber feurigen Augen und einer Beredsamkeit, die bald zum Zorne befeuerte, bald zu Thränen rührte. Das niedere Volk, hiedurch und durch den Schein großer Demuth angezogen, folgte ihm schaarenweise nach; bald aber ergab sich, daß er ein verrückter Schwärmer, oder ein boshafter Betrüger, oder beides in einer doppelt verderblichen Mischung war. Die Engel, ja die heilige Jungfrau selbst (dies gab er vor) seyen ihm erschienen und hätten ihm aufgetragen, das Kreuz zu predigen; aber nur den Geringen, weil Gott den Adel und die Geistlichkeit wegen ihres Stolzes und ihrer Sünden verworfen habe. Und nun sammelten sich um den angeblichen Seher, der, wie man später fand, aus einem Cistertienserkloster entsprungen war, nicht bloß Bauern, Hirten und Kinder; sondern auch 307 {1250} Diebe, Landläufer, Huren, kurz, Gesindel aller und jeder Art. Anfangs glaubte man in diesen Bewegungen den Finger Gottes zu erkennen, und wollte sie keineswegs hemmen. Ja nicht einmal regeln; bald aber wuchs der Haufe auf viele Tausende, und von ungebührlichen Worten fand sich leicht der Übergang zu sträflichen Thaten. Als in Orleans ein Priester den argen Lehren Jakobs, welcher sich jetzt den Meister aus Ungern nannte, laut und pflichtmäßig widersprach; spaltete ihm einer von dessen Anhängern den Kopf, und die übrigen plünderten hierauf die Häuser aller Geistlichen, verwundeten mehre, warfen einige in die Loire und ermordeten an fünfundzwanzig. Bald fanden sich Vorwände, auch die Laien zu berauben und zu mißhandeln; wider die Juden und deren Gesetzbücher eben so zu verfahren, nannte man gerecht und verdienstlich! Solch Übermaaß von Freveln enttäuschte endlich auch die Abergläubigsten: das Volk stand unter tüchtigen Führern und obrigkeitlichen Personen gegen die Rotten auf, welche sich aus Mangel an Lebensmitteln zerstreuten; Jakob ward in der Gegend von Bourges erschlagen, andere Häupter wurden gefangen und die übrigen so auseinandergesprengt, daß binnen kurzem gar keine Spur mehr von ihnen zu finden warGuil. Nang. 358.  Sim. Montf. chron. zu 1250.  Erfurt. chr. S. Petrin.  Vie de S. Louis, mscr. 34.  Velly V, 7.. Manche glaubten, die ganze Sache sey von den Saracenen angestiftet, um viele Christen ins Verderben zu stürzen und ihnen jeden Kreuzzug zu verleiden; und arabische Briefe, welche man bei einigen Theilnehmern entdeckt haben wollte, galten für eine Bestätigung jener Annahme.

Unterdessen hatte die Königinn Blanka ihren Sohn dringend aufgefordert, nach Frankreich zurückzukehren: denn Gefahren von außen her und bedenkliche Anzeichen im Innern machten es nöthig, daß ein Mann, ein König an der Spitze der Regierung stehe. Ludwig berief seine, damals noch im Morgenlande anwesenden Brüder und alle Barone, 308 {1250} trug ihnen, ohne selbst eine Meinung zu äußern, die Lage der Dinge vor und verlangte binnen acht Tagen ihren Rath. In dieser zweiten Versammlung trat Guido von Mauvoisin hervor und sprach: »Herr, eure Brüder und sämmtliche Häupter eures Heeres sind der Meinung, daß eure Ehre und das Wohl Frankreichs einen längern Aufenthalt in Syrien nicht erlauben. Von 2800 Rittern, die ihr übers Meer führtet, blieben euch kaum hundert, und diese sind größtentheils krank, ohne Rüstung und ohne Geld. Ihr selbst seyd hier in Akkon, wie in einer gemietheten Wohnung, und ohne Heer und Festungen. Was könnt ihr der Würde eines großen Königs angemessenes unternehmen? Mithin scheint es am besten, ihr kehrt nach Europa zurück und bereitet daselbst alles vor, um bald an den Feinden Gottes und seines Gesetzes Rache üben zu können.«

Sehr wenige, unter ihnen JoinvilleJoinville 81., waren entgegengesetzter Meinung: es sey unschicklich, daß man besiegt und ohne die Lösung der Gefangenen von den wortbrüchigen Ägyptern erzwungen zu haben, der Rückkehr gedenke. Noch fehle es dem Könige nicht an Gelde, wofür man leicht Soldaten werben könne. Zwist unter den Feinden erhöhe jetzt die Hoffnung des Erfolgs; wogegen bis zur Zeit einer ganz neuen Unternehmung, und schon um einer solchen willen, Ordnung und Einigkeit bei ihnen hergestellt seyn dürfte.

Diese und ähnliche Gründe bewogen keinen der Barone von seiner ersten Meinung abzugehen, ja sie überhäuften Joinville mit Spott und Vorwürfen, bis der König in einer neuen Versammlung sich dahin erklärte: »er sey überzeugt, daß jeder nach Pflicht und Gewissen gestimmt habe, trete aber den Gründen derjenigen bei, welche seine längere Anwesenheit in Palästina für nothwendig hielten. Denn die Königinn Blanka könne die Regierung, so wie bisher, mit Verstand und Kraft führen, und es fehle ihr nicht an Menschen und Gelde, um sich den Reichsfeinden 309 {1250} nachdrücklich zu widersetzen. Jetzo das heilige Land in schlechtern und gefährlichern Umständen zu verlassen als er es gefunden, streite mit seiner Ehre und seinem Gelübde; doch wolle er diese Ansicht niemandem aufdringen, sondern stelle es in die Willkür eines jeden, zu bleiben, oder nach Frankreich zurückzukehren.« Manche hielten es nach dieser unerwarteten Erklärung des Königs für ritterlicher und großmüthiger, bei ihm auszuharren; andere hingegen schifften sich ein, denn er habe es ja erlaubt, und dringendere Pflichten lägen ihnen in der Heimath ob.

Der König ließ itzt mit großem Aufwande einige Städte in SyrienMonach. Patav. 684.  Bonon. hist. misc.  Iperius 728., insbesondere Cäsarea, Joppe und Sidon befestigen, und wäre sehr gern nach Jerusalem gepilgert. Seine Räthe aber wandten ein: die von den Saracenen dargebotene Sicherheit sey ungenügend; auch dürfe sich kein christlicher König in so dürftigen Umständen daselbst sehen lassen und andern hiedurch den Vorwand verschaffen, als löse ein solches Erscheinen in der Gottesstadt von dem Gelübde, sie aus den Händen der Ungläubigen zu befreienJoinville 104.. Daß er sich diese Freude, diesen Trost versagen sollte, schmerzte ihn gewiß nicht weniger, als ehemals den König Richard Löwenherz, ob er sich gleich weniger heftig darüber äußerte. – In härenem Kleide und beinah immer fastendBelloloc. 456., pilgerte Ludwig wenigstens bis Nazareth, und ließ daselbst feierlichen Gottesdienst halten.

Um diese Zeit langte ein Gesandter des Alten vom Berge an und fragte den König: »du kennst doch meinen Herrn?« Ludwig gab zur AntwortJoinville 86.: »nein, denn ich habe ihn nicht gesehen.« – »Du hast,« fuhr jener fort, »aber doch von ihm gehört?« – »Allerdings.« – »Warum suchst du seine Freundschaft nicht, wie einst Kaiser Friedrich, der König von Ungern, der Sultan von Babylon? Dein Leben, das weißt du, steht in seiner Hand; indeß will er 310 {1251} deinen Tod nicht, sondern ist zufrieden, wenn du den Erlaß des Zinses bewirkest, welchen er an die Templer und Johanniter zahlt. Auch deren Großmeister könnte er leicht umbringen lassen; da aber ihre Stellen durch den ersten besten leicht wieder besetzt werden, mag er seine treuen Diener ihretwegen nicht so oft in Gefahr bringen.« – Ludwig war in Zweifel, was er auf diese bedenkliche Sendung antworten solle: aber die Großmeister, welche jene Einnahme nicht verlieren wollten und das Sinken der Macht des Alten vom Berge kannten, sagten dem Gesandten harte Dinge und drohten ihn sogar ins Wasser zu werfen. Wenn sein Herr sich nicht binnen vierzehn Tagen für einen Freund des Königs erkläre, werde man ihn zu strafen wissen. Der Alte gab nach, schickte und erhielt Geschenke; seine Herrschaft hatte die ehemalige Furchtbarkeit verloren, denn wo die Tugend ganz fehlt, giebt es keine Bürgschaft für die Dauer der Macht.

Wichtiger blieben die Verhältnisse Ludwigs zu Ägypten und zu dem Sultan Nasr Joseph von Aleppo. Dieser, höchst aufgebracht über die Ermordung des Sultans seines VettersMath. Paris 541, 552; addenda 119.  Ludov. reg. epist. 1198., erklärte sich feindlich gegen die verschiedenen Parteien, welche jetzt in Ägypten auftraten, und suchte des Königs Freundschaft. Aber die Bedingungen, welche Nasrs Gegner diesem anboten, erschienen noch günstiger: Friede auf funfzehn Jahre, Rückgabe Palästinas bis an den Jordan, Erlaß des noch schuldigen Theils der Lösungssumme, und Befreiung aller Gefangenen. Indeß kamen nur die letzten, nicht die ersten Versprechungen zur Vollziehung: denn der Sultan von Aleppo war mächtiger durch den Beistand der Turkumannen, als die Ägypter durch ihr Bündniß mit den Christen; und als ihnen endlich im Frieden von 1253 das Land westlich vom Jordan verblieb, fanden sie nicht mehr für gut, den ohnmächtigen Franken etwas abzutretenAbulfeda z. d. Jahren.  Joinville 101.  Guil. Nangis 357..– Verwerflicher noch, als dies Benehmen der 311 {1253}Ungläubigen, erscheint es, daß Pisaner und Genueser die syrischen Häfen bewachten, um alle herbeieilenden Franzosen zu fangen und zu plündern. Die schnelle Rückgabe der ihnen so wichtigen Handelsstadt Damiette, und die frühere Weigerung Ludwigs, einige tausend ihrer Mitbürger und Unterthanen unter seinem Schutze mit nach dem Morgenlande zu nehmen, war der Vorwand für dies feindselige Betragen.

Erfahrungen solcher Art mußten dem Könige jeden längern Aufenthalt in Syrien verleiden; doch ging der endliche Beschluß, nach Frankreich zurückzukehren, nicht aus einer bloß verdrießlichen Stimmung, sondern aus ernstem Pflichtgefühle hervor. Blanka die Königinn nämlich war am ersten December 1253 gestorben und niemand vorhanden, der ihre Stelle mit gleicher Geschicklichkeit und gleicher Kraft einnehmen konnte. Die erste Nachricht von jenem Unfalle erhielt der Kardinalgesandte. Sogleich begab er sich zu dem Könige, führte ihn aus einem Zimmer in das andere bis in seine Kapelle, ließ die Thüren hinter sich schließen, und setzte sich mit ihm auf die Stufen des Altars. Hier begann er gar weise und andächtig über all das Gute zu sprechen, was Gott dem Könige seit seiner Kindheit erwiesen, wie ihn seine Mutter so fromm und sorgsam erzogen, und jetzt sein Reich so klug verwaltet habe. Nun aber konnte der Kardinal sich nicht länger halten, sondern fing an zu weinen und sagte: »Herr, eure Mutter ist gestorben!« Als der König diese Worte hörte, schrie er laut auf und warf sich vor dem Altare niederVie de S. Louis, mscr. 35-37.  Guil. Nang. 260.. Dann ermannte er sich wieder und sprach betend: »mein Herr und mein Gott! ich danke dir, daß du mir meine liebe Mutter so lange gelassen hast. Ich liebte sie mehr, als alle Kreaturen dieser Welt; du aber hast sie abgefordert in dein Reich, dein Wille sey gepriesen!« – Was die heiligen Gebräuche der Kirche für Verstorbene vorschrieben und billigten, wurde zunächst angeordnet; dann mit allen Baronen Rath 312 {1254} gepflogen und beschlossen, aus Besorgniß vor innern Unruhen und äußern Feinden, nach Frankreich zurückzukehren. Hierüber erschraken nicht mit Unrecht alle syrischen Christen; doch blieb der Kardinal mit einiger Mannschaft im Morgenlande, und die neu befestigten Städte gewährten mehr Sicherheit, als vor Ludwigs Ankunft.

Auf dem Schiffe, welches dieser am 25sten April 1254 bestieg, wurde regelmäßig Gottesdienst gehalten; und als ein Matrose die Messe nicht besuchte und sich gegen Ludwig damit entschuldigte, daß erst der Schiffsdienst zu besorgen sey, erbot sich dieser einstweilen für ihn zu arbeiten. Durch ein solches Vorbild aufgeregt und beschämtBelloloc. 457.  Epit. bellor. sacror. 439., beichteten manche, die es seit Jahren nicht gethan; ja als bei Cypern das Schiff auf einen Felsen stieß und die größte Gefahr entstand, glaubten viele: nur Ludwigs Gebet habe den Untergang abgewendet.

Am 10ten Julius erreichte man die hierischen Inseln, und über Beaucaire, Nismes und Clermont kam der König nach Paris. Aller Orten zeigte sich die größte Theilnahme, die höchste Freude über seine Rückkunft. Und zu dieser Freude hatte man einen doppelten Grund: da Ludwig mit Nachdruck für die äußere Sicherheit, und mit großem Erfolge für die Handhabung der Gerechtigkeit im Innern sorgteSiehe seine Gesetze und Guil. Nang. 362.; da es ihm gelang, Zucht, Ordnung und Friede zu erhalten, während andere Reiche, insbesondere Deutschland und Italien, den ärgsten Zerrüttungen aller Art preis gegeben waren. 313

 


 


 << zurück weiter >>