Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 4
Friedrich von Raumer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebentes Hauptstück.

{1261} Beim Tode Papst Alexanders IV waren nur noch acht Kardinäle am LebenMonach. Patav. 715.  Amalrici vitae 407.. Weil nämlich einige derselben behaupteten, daß nur wahrhaft tüchtige Männer diese hohe Würde erhalten dürften, andere aber aus Nebenabsichten ihre Verwandten und Freunde angelegentlich empfahlen; so ernannte Alexander lieber gar keinen Kardinal, als daß er entschieden durchgegriffen und dadurch Unfrieden erregt hätte. Dieser blieb indeß nach seinem Tode nicht aus: denn trotz der dringenden Verhältnisse verflossen an drei Monate unter vielfachem Streite, ehe jene Kardinäle sich darüber einigen konnten, wer den päpstlichen Stuhl besteigen solle. Endlich wählten sie, auf den Vorschlag des Kardinals Johann UrsiniWadding IV, 169.  Salisburg. chron.  Nach Vaillani VI, 88, beschlossen die Kardinäle, weil sie sich nicht einigen konnten: welcher Geistliche zuerst an die Thür des Conclaves klopfe, solle Papst seyn; Urban klopfte und ward es. Siehe noch Saba Malaspina II, 5.  Guil. Nang. 371.  Malespini 175.  Memor. Reg. 1122.  Bullar. Roman. I, 121.  Dandolo 369.  Labbé biblioth. I, 402., am 29sten August 1261 den damals am römischen Hofe anwesenden Jakob Pantaleon ans Troyes in Champagne, welcher den Namen Urban IV annahm. Er war von sehr geringer Herkunft, der Sohn eines 467 {1261} Schuhstickers; aber durch Anlagen, Fleiß und Tüchtigkeit allmählich zum Bischof von Verdun, hierauf zum Patriarchen von Jerusalem emporgestiegen. Gesandtschaften nach Deutschland, Liefland und Preußen hatten seine Geschäftskenntniß gegründet und bewiesen; und auch in den eigentlichen Wissenschaften, wie sie damals auf der Universität Paris gelehrt wurden, stand er keinem oder nur wenigen nach. Trotz der gewaltigen Dicke seines Körpers und ursprünglicher Vorliebe für bequeme MußeWadding IV, 233., finden wir doch nicht, daß während seiner Regierung Unthätigkeit und Unentschlossenheit obgewaltet habe. Vorwürfe, welche man ihm über seine niedere Geburt machte, wies er mit der Antwort zurück: »edle Geburt ist Gabe der Natur; edel zu werden, Werk der Tugend und EinsichtWadding IV, 169..« Sonst fühlte er aber das Schwierige der damaligen Verhältnisse und äußerte bei Gelegenheit von Glückwünschen zu seiner Erhebung: »der äußere Glanz falle jedem in die Augen und erscheine beneidenswerth: aber die innern Pflichten, Sorgen und Verlegenheiten kenne niemand und möge keiner theilen.«

Um seine Partei zu verstärken und die Verwaltung zu erleichtern, ernannte er bald nach seiner Erhebung um so lieber neue KardinälePtolem. Lucens. XXII, 14., als einige der ältern mehr den Kirchenfeinden, als der Kirche zugethan waren. Überhaupt bedrängten nicht bloß die großen Angelegenheiten des Morgen- und Abend-Landes, sondern auch das Allernächste und scheinbar Kleine. Parteiung in Rom zum Beispiel, zwang den Papst sich nach Orvieto zu begeben; Kaufleute aus Rom, Florenz und Siena, welche seinem Vorgänger viel Geld geliehen hatten, wollten selbst nach Rückzahlung des Darlehns die ihnen verpfändeten Grundstücke nicht räumen, Urban hingegen die ungeheuren Zinsen nicht bezahlenAmalr. vitae 407-408.. Raynald Rubens, ein Verwandter Alexanders IV, behauptete, daß ihm dieser eine große Zahl Güter geschenkt habe, 468 {1261} und war durchaus nicht zur Rückgabe zu bewegen. Der mächtigste, wie der gefährlichste Gegner blieb indeß, – obgleich größtentheils durch eigene Schuld der Päpste –, König Manfred. Denn abgesehen von augenblicklichen oder bloß persönlichen Streitigkeiten, war ein von Deutschland und den deutschen Hohenstaufen getrennter König Apuliens ganz dem frühern Systeme der Päpste angemessen: wenn er ihnen aber zu mächtig wurde, so kam dies hauptsächlich daher, daß sie das Gegengewicht des deutschen Königthums selbst zerstört hatten. Seit dem Siege bei Foggia stand des Königs Übermacht im südlichen Italien, seit dem Siege bei Montaperto in Tuscien fest; Ezelins Fall hatte ihm durch Palavicinis Erhöhung und Freundschaft mehr Vortheil als Nachtheil gebracht, und die Grafen von Savoyen, von Montferrat und einige andere zerstreute Guelfen waren viel zu schwach, als daß sie etwas erhebliches gegen die Ghibellinen ausrichten konnten. – So finster und ängstlich wie sich deshalb alles am päpstlichen Hofe gestaltete, so freudig und lebenslustig war König Manfred und seine Umgebungen.

Nach dem Tode seiner Gemahlinn Beatrix heirathete er Helena, die Tochter Michaels, des Beherrschers von Ätolien und Epirus. Als die erst siebzehnjährige JungfrauRegesta Caroli I, 111.  Saba Malasp. II, 4.  Rocchus Pirrus chronol. regum Siciliae 56. Helene bekam große Mitgabe in Gelde und Gütern.  Davanzati 2, 12, 14., welche zu großer Schönheit noch größere Anmuth und Herablassung gesellte, am zweiten Junius 1259 bei Trani landete, stieg die Freude so hoch, daß man sie unter Gesang, Tanz, Erleuchtung und Festen aller Art im ganzen Lande umherführte. Der neue Hof ward noch mehr als ehemals ein Sammelplatz für Sänger und Dichter, Tänzer und TonkünstlerHornek 17.. In Kleidern, Geräthen und Schmuck jeder Art zeigte sich Reichthum wie Geschmack. Die reizendsten Frauen und Mädchen umgaben die Königinn, welche vor 469 {1261} allen glänzte; und der König, immerdar in grün, der Hoffnungsfarbe gekleidet, theilte den Ruhm der Schönheit mit seiner GemahlinnMalespini 148.  Villani VI, 46.; er übertraf alle übrigen in Erfindung und Vortrag mannigfacher Gesänge. »Das Paradies ist wieder auf die Welt gekommen,« riefen die Begeisterten; und war es ein Wunder, daß die Neuvermählten im Frühlinge ihres Lebens der Sorgen vergaßen und sich arglos der in diesem Augenblicke, wie es schien, allgemeinen Theilnahme hingaben? Doch fanden sich Abgeneigte, welche äußerten: »jenes Paradies ist der Garten des Teufels und der Sinnenlust, wo man Göttinnen der Liebe und Götter der Eitelkeiten erwählt, um den übrigen alle Arten von Zuchtlosigkeit recht eigentlich beizubringenIbi erat Dea sive ministra amoris et qui dicebatur Deus vanitatum, qui docebat homines et puellas ad omnes actus amoris.  Jacob. de Aqui bei Moriondus II, 158..« – Diese Anklagen müssen wir übertrieben nennen, weil Manfreds Thätigkeit für große Angelegenheiten nicht aufhörte, und (um Beispiele zu geben) der Hafenbau von Salerno, die Anlage von Manfredonia, die Gründung vieler Schulen u. a. m.Den Hafenbau von Salerno leitete Johann von Procida.  Mazza 8.  Signorelli II, 494.  Manfredonia trat an die Stelle des ungesunden Sipontum, und es wurde der Stadt ein schönes Gebiet zugelegt.  Spinelli 1087.  Giustin. Dizion.  Martene coll. ampl. II, 1218., eine Aufmerksamkeit für das Innere beweisen, wie wir sie bereits für äußere Verhältnisse kennen lernten; weil er ferner, keineswegs geneigt Willkür zu begünstigen, selbst Ritter, welche unnütze Händel anfingen, hart bestrafte, Vornehme, welche sich mit Mädchen niedern Standes eingelassen hatten, zwang sie zu heirathen, und überhaupt in Hinsicht auf Vergehen gegen die Keuschheit sehr streng verfuhrE da l'ora innanti, tutti li Cortisciani de lo Re, tennero la bracchetta legata a sette nodeche.  Spinelli 1093.. Daß ihm jedoch bei jener jugendlich-fröhlichen und dichterisch-begeisterten Richtung des Hofes, ernste 470 {1261} Geschäfte bisweilen lästig dünkten, und würdige Geschäftsmänner und Krieger, um jener äußerlich glänzenderen Schaar willen, bisweilen zurückgesetzt wurden, ist wohl nicht zu bezweifeln.

Manchem erschien es auch unpassend, sich solcher Heiterkeit hinzugeben, während der Kirchenbann noch auf dem Reiche lasteSpinelli 1097, zum September 1261.; weshalb die Neapolitaner Gesandte an den König schickten und ihn um baldige Abschließung des Friedens mit dem Papste baten, weil ihr Erzbischof bis dahin keine Messe lesen wolle. Manfred antwortete: »der Papst ist Urheber des Streites, und wäre ich auch der Schuldige, was straft er euch und das Land um meinetwillen? Ich will euch aber 300 Saracenen schicken, die sollen den Erzbischof zwingen Gottesdienst zu halten.« Diesen Vorschlag lehnten die Neapolitaner ab, entweder weil sie ihn für unchristlich hielten, oder die Last solcher Einlagerung fürchteten. Ein Theil des Kirchenstaates blieb jedoch besetztSpinelli 1097 u. Patavin. chron. 1143., um dem Papste zu zeigen, daß die weltliche Macht nicht von allen Mitteln entblößt sey, Mißbräuche der Geistlichen zu bestrafen. Über dies Verfahren klagte Urban nach seiner Erhebung sehr laut, und Manfred, welcher sich gern mit der Kirche versöhnt hätte und vom neuen Papste größere Billigkeit erwartete, {1262} schickte sogleich Bevollmächtigte an dessen Hof, und machte für die Lösung vom Banne und die Bestätigung im Reiche große AnerbietungenRymer I, 2, 69.. Allein die Unterhandlung blieb fruchtlos: theils, weil Urban noch mehr verlangte, als Manfred aus den schon dargelegten Gründen glaubte bewilligen zu können; theils, weil jener sich während der Friedensunterhandlungen nach andern Seiten hin aufs feindlichste gegen den König benahm, und alles Zutrauen in die Milde und Aufrichtigkeit seiner Gesinnungen untergrub; theils endlich, weil um diese Zeit Ereignisse eintraten, welche Manfreds Macht sehr zu schwächen drohten.

471 Friedrich Malekta, Graf von Bizano, der Statthalter Siciliens, ward von Goblus, einem Deutschen und ehemaligen Anhänger Bertolds von Hohenburg, ermordetSaba Malaspina II, 5.  Histor. Sarac. Sicula 279; nur ist das hier angegebene Jahr, 1257, unrichtig.. Man fürchtete, daß dieser Frevel einen allgemeineren Aufruhr veranlassen werde: allein Malektas Nachfolger, Friedrich Lancia, eroberte Trapani, wohin sich der Thäter mit seinen Anhängern geflüchtet hatte, und zog sie zur gerechten Strafe. – Bald nachher zeigte sich unerwartet eine neue Veranlassung zu Unruhen. Johann von Kokleria, niedrigen Herkommens und arm, suchte sein Brot bettelnd vor den Thüren. Da hörte er zufällig von einigen, daß er dem verstorbenen Kaiser Friedrich II sehr ähnlich sehe, und schnell ergriff ihn der Wunsch, durch künstlichen Betrug sich ein angenehmeres Leben zu verschaffenSaba Malaspina II, 6.. Er stellte sich geheimnißvoll und beantwortete alle Fragen über seine Herkunft unverständlich, aber andeutend. Je weniger er sagte, desto mehr meinte die leichtgläubige Menge vermuthen und annehmen zu müssen; je mehr er sich listig zurückzog, desto mehr ward er aufgesucht. Verwiesene und Mißvergnügte, welche sich zeither still und verborgen gehalten hatten, freuten sich dieser zweideutigen Veranlassung neuer Thätigkeit und förderten das Unternehmen, indem sie selbst den Ungeschickten für die neue Rolle einübten. Öffentlich ward nunmehr verkündet: zum Heil seiner Seele habe Friedrich II mehrjährige Pilgerungen unternommen und sey endlich zurückgekehrt. – In seinem Namen und unter verfälschtem kaiserlichen Siegel erließen die Verbündeten, von der Burg Konturbio aus, Aufforderungen an die Städte zu Gehorsam und Unterwerfung, und fanden mehr Eingang, als der ungeschickte Betrug hätte vermuthen lassen. Jetzt ergriff aber Richard Graf von Marsika, der neue Statthalter Siciliens, so schnell die nachdrücklichsten Maaßregeln, daß die Verbreitung des 472 {1262} Übels gehemmt, Johann in klug gelegtem Hinterhalte gefangen und mit eilf Anhängern zum Tode verurtheilt wurde. – Manfred kam hierauf nach Sicilien und fand die freundlichste und theilnehmendste Aufnahme, sowohl bei den einzelnen, als auf einer gehaltenen feierlichen Reichsversammlung; mithin war seine Macht durch die erzählten mißlungenen Unternehmungen mehr gestärkt, denn geschwächt worden.

Als ein nicht geringerer Gewinn erschien es, daß Peter, der erstgeborne Sohn des Königs Jakob von Aragonien, KonstanzeDante Purgat. c. 3., die schöne Tochter Manfreds von seiner ersten Frau Beatrix, zur Gemahlinn verlangte. Die Verbindung mit einem so mächtigen Hause war dem Könige Manfred, die Ehe mit Konstanzen, der wahrscheinlichen Erbinn von Apulien und Sicilien, dem Aragonesen sehr erwünscht; nichts hingegen konnte dem Papste unangenehmer seyn, als daß Manfred mit andern christlichen Königshäusern in Verwandtschaft komme, welche die bereits angeknüpften Unterhandlungen über Apulien und Sicilien, als ihrem Vortheile und ihren Rechten widersprechend, auf alle Weise angreifen und hintertreiben würden. Deshalb erließ Urban am 27sten April 1262 ein weitläufiges Schreiben an den König von Aragonien, dessen wesentlicher Inhalt sich in der folgenden Abkürzung hinreichend ausspricht:

»Geliebter Sohn! Dein AbgesandterRaynald zu 1262. §. 9.  Davanzati 3-4.  Nach Ferreras VI, §. 496, war der Abgesandte Raymund von Pennaforte., ein überaus besonnener Mann, welcher, in Betracht der Person und der unwandelbaren Frömmigkeit des Senders, von uns mit väterlicher Liebe aufgenommen ward, hat die Beschwerden vorgetragen, welche Manfred, der ehemalige Fürst von Tarent, auf falsche Weise darüber führt, daß die römische Kirche seine wiederholten mannigfachen und dringenden Friedensgesuche (die doch ohne Zweifel nie aufrichtig waren) 473 {1262} immerdar mit Härte zurückgewiesen habe. So sehr wir nun auch deine Gutmüthigkeit in dem Anerbieten erkennen, Vermittler der Aussöhnung zu werden, so sehr wir auch im Innersten unseres Herzens durch vielfache Betrachtung und Erinnerung, deine und deiner Vorfahren Demuth und Verdienste bewahren und auf ferneren Liebeseifer vertrauen; so hat es uns doch in Verwunderung, ja in Erstaunen gesetzt, daß deine königliche Vorsicht, vielleicht in Folge zu großer Reinheit und Unschuld, den betrügerischen Einflüsterungen Manfreds ihr Ohr leiht. Denn seine Bosheit ist allen Völkern des Erdkreises bekannt, obgleich er, in einen Abgrund von Übeln versunken, Gott und Menschen verachtet; mit einer Stirn, welche frecher ist als die Stirn einer Hure, seine nichtswürdigen Thaten gegen jeden zur Schau trägt und augenfällig zeigt, daß alle Friedensgesuche unaufrichtig und eine Frucht doppelzüngiger Falschheit sind. Damit du also die Wahrheit erkennest, müssen wir (nicht ohne vielen und bittern Schmerz unseres Herzens) dir einige von den vielfachen und unerträglichen Beleidigungen und Abscheulichkeiten auseinandersetzen, welche er gegen Gott und seine Mutter, die Kirche, ununterbrochen vermehrt und vermehrend aufhäuft.«

»Nach dem Tode seines Bruders Konrad hat ihn die Kirche mit größter Milde und Freigebigkeit behandelt und ihm das Fürstenthum Tarent, worauf er kein Recht hatte, überwiesen; aber, seines Eides und aller Dankbarkeit vergessend, hat er Aufruhr erhoben, den Getreuen der Kirche, Burello von Anglone, fast unter den Augen unseres Vorgängers ermordet, sich mit Ungläubigen zur Verfolgung des christlichen Namens verbunden und zuletzt, – ohne Rücksicht auf seine Geburt und alles Recht seines Neffen verrätherisch bei Seite setzend –, den königlichen Namen dadurch geschändet, daß er ihn annahm. An solche Frevel reiht er dann ohne Bedenken Verfolgung der Geistlichen, Ketzerei, Grausamkeit, Wollust. Und wenn sich die Kirche in unerschöpflicher Milde mit dieser sich listig windenden 474 {1262} Schlange in Friedensunterhandlungen einließ, so benutzte er diese Zeit, um die keine Nachstellung fürchtende desto eifriger und wirksamer zu verfolgen. Auf solche Weise wurde durch seine Trabanten, Bussarius, ein Abgeordneter Konradins, mitten im Kirchenstaat ermordet, das Land feindlich überzogen, Tuscien verheert: und wegen all dieses ungestraften Erfolges zeigte er sich täglich übermüthiger, hielt sich, wie das Füllen eines Waldesels, für frei geboren und brach alle Unterhandlungen mit der Kirche ab, welche diese freilich ihrer Pflicht gemäß nicht angenommen hatte. So ist endlich auch das, was er uns seit unserer Erhebung durch Abgeordnete antragen ließ, nur täuschend, verwerflich und der Erzählung nicht werth.«

»Und mit diesem Menschen wolltest du dich verbinden, uneingedenk der Macht deines Geschlechts, der Hoheit deiner Vorfahren, uneingedenk deines eigenen Ruhmes und Rufes? Wird etwa dein Erstgeborner von allen Fürsten der Christenheit verachtet? Kann es ihm an einer würdigern Gemahlinn aus königlichem Geschlechte fehlen? Müßte es dich nicht bitter schmerzen, wenn dir von einer solchen Schwiegertochter Nachkommen geboren würden, welche deinem ganzen Hause, allen deinen Verwandten, am meisten aber dir zur Schande gereichten? Fern also, fern sey von dir eine solche Befleckung deiner Ehre, fern eine Maaßregel, welche den boshaftesten Gegner Gottes und der Kirche so sehr verstärken und dich unsern Feinden zugesellen würde!«

Ungeachtet dieser so dringend rednerischen Abmahnung beharrte König Jakob bei dem Entschlusse, seinen Sohn mit der Enkelinn eines großen Kaisers, der Tochter eines glücklichen Königs, der Erbinn eines herrlichen Reiches zu vermählen. Nachdem man über Aussteuer und Witthum das Nöthige festgesetzt hatteKonstanze erhält 50,000 Unzen Goldes Aussteuer, welche, im Fall sie vor Peter stirbt, zurückgegeben werden. Überlebt sie ihren Gemahl, so wird sie in den Besitz mehrer Güter gesetzt, um daraus ein jährliches Wittwengehalt von 2000 Pfund tourscher Währung zu beziehen, die überschießende Einnahme aber auf jenes Kapital abzurechnen. Ferreras VI, §. 505.  Hist. de Langued. III, preuv. 341.  Dachery spicil. III, 644., ward Konstanze von ihrem Oheim 475 und mehren Baronen bis Montpellier geführt und daselbst nach feierlichem Empfange, am 13ten Junius 1262, die Trauung mit Don Pedro vollzogen.

Daß Manfred den Frieden mit der Kirche aufrichtig wünschte und gern alles irgend Erträgliche dafür bewilligt hätte, ist nicht allein nach seinen Versicherungen glaublich, sondern auch aus innern Gründen außer Zweifel: denn jede nahe und ferne Gefahr wäre ja hiedurch für ihn verschwunden, er hätte das Ziel, welchem er sich darohne mit Sicherheit kaum nähern konnte, völlig erreicht. Mithin ist die wiederholte Voraussetzung des Papstes: Manfred gehe nur auf Betrug aus, entweder eine unbegreifliche Selbsttäuschung, oder wahrscheinlicher eine vorsätzliche Erfindung, um damit wo möglich seinem Ablehnen aller Erbietungen den Schein einer hinreichenden Begründung zu verschaffen. Die Fassung und der Inhalt jenes Briefes, die ununterbrochen und eifrig fortgesetzte Verhandlung wegen Übergabe des apulischen Reiches an einen Dritten, beweisen so augenscheinlich den Vorsatz, jenen nie und unter keiner Bedingung als König anzuerkennen, daß selbst der amtliche Geschichtschreiber des römischen StuhlesRaynald zu 1262, §. 15. sagt: Manfred habe sich aller Verzeihung der Kirche unwürdig gemacht, und ihm ein durch Verbrechen erworbenes Reich für eine heuchlerische Unterwerfung zuzusprechen, würde unvernünftig gewesen seyn.

Allerdings blieb, wenn Manfred auch wider alle jene Vorwürfe fest und gerüstet war, doch ein Punkt übrig, wo man ihn angreifen und verwunden konnte, nämlich sein Benehmen gegen Konradin. Und zu dem Unleugbaren wurde dann von Feinden noch vieles hinzu erfunden und gefabelt. So erzählen z. B. guelfische Schriftsteller: »Manfred schickte 476 {1262} Abgeordnete mit Geschenken an KonradinSaba Malaspina I, 5.  Malespini 147.  Villani VI, 45.; dessen Mutter zeigte ihnen aber, Nachstellungen fürchtend, einen andern Jüngling, der am Genusse jener Geschenke starb; und nun hinterbrachten die Gesandten, nach dem Befehle ihres Fürsten, die falsche Nachricht von dem Tode seines Neffen. Zur Widerlegung dieses Gerüchts gingen deutsche Bevollmächtigte, Krokkus und BonscianusBussarus und Groffius lauten andere Lesarten., nach Italien, zu deren Ermordung Manfred sogleich mehre römische Große, obgleich ohne Erfolg, aufmunterte; endlich übernahm Raoul, der Neffe des reichen und angesehenen Kardinals Hannibal, den Mord.« – Abgesehen davon, daß diese Nachrichten von Feinden herrühren, welche Unrichtigkeiten in großer Zahl über die Ghibellinen erzählen, fehlt ihnen alle Bestätigung von deutscher Seite her; so daß in Hinsicht der ersten Hälfte jener Erzählung nur die Frage stehen bleibt: ob Manfred nicht, wie wir schon oben bemerkten, das Gerücht von Konradins Tode zu seinem Nutzen verbreiten halfAnonym. chron. No. 98.  Dandolo zu 1256.. Das zweite Verbrechen wäre noch fruchtloser gewesen, als das erste; und es ginge über das Maaß selbst der ärgsten Entartung hinaus, wenn man in Rom mit den angesehensten, obenein zur kirchlichen Partei gehörigen Edeln, wie mit Banditen hätte über Ermordungen hin und her handeln können. Endlich berichten Guelfen in amtlichen Schreiben an KonradinGebauer Leben Richards 591.: jene Gesandten hätten sich mit anderer Mannschaft zu ihnen begeben und gegen Manfred kriegen wollen, wären aber unterwegs von Leuten, die König Manfred durch Gold für seine Zwecke gewonnen habe, angefallen und erschlagen worden. Dies zeigt die Umgekommenen nicht als Gesandte, sondern als thätige Feinde, und verwandelt die angeblichen Mörder wohl in Söldner; oder wenn uns auch über die Beweggründe der letzten volle Gewißheit mangelt, so wäre es doch sehr übereilt und unnatürlich, wenn wir 477 {1262} Manfred ohne Rücksicht auf seine fröhliche Jugend und sein großartiges Mannesalter, auf den Grund so einseitiger Beschuldigungen zu einem Banditenhauptmann und Giftmischer herabwürdigen wollten. Wie leichtgläubig die Parteiung machte, wie verleumderisch die Zeit war, erhellt daraus, daß selbst Papst Urban später schreibt: »Manfred trachte ihm nach dem Leben, und habe einen Ritter des heiligen Jakob nebst zwei andern Personen aus Assisi mit nicht weniger als funfzig Arten Gift abgeschickt, um Karl von Anjou umzubringenMartene thesaur. II, 86. Ganz auf ähnliche Weise beschuldigten später einige den Grafen von Anjou: er habe die Könige Alfons und Richard vergiften lassen.  Andr. et Craft. chron. 2085.

Das Wahre über jene Dinge erfahren wir nicht aus all diesen Erzählungen, sondern durch den besser unterrichteten SpinelliSpinelli 1087.: Konradins Mutter schickte Gesandte an Manfred, welche auch glücklich ankamen, erzählten, daß jener lebe, und verlangten, daß ihm Apulien und Sicilien abgetreten werde. Hierauf antwortete Manfred: »ich habe dies Reich durch die Waffen von zweien Päpsten erobert, welche Konradin freiwillig auch keinen Fuß breit eingeräumt hätten. Mir ist das Reich ferner durch allgemeine Zustimmung übertragen; deshalb verlange ich die Herrschaft für mich auf Lebenszeit. Nach meinem Tode folge der Neffe dem Oheim: will er aber dereinst ein tüchtiger und tauglicher König dieses Landes werden, so möge er herkommen und sich bilden und leben nach den Sitten des Landes.«

So natürlich es nun auch von einer Seite her erscheint, daß Manfred sein Reich und sein Glück, daß er den mit Zustimmung aller Stände ihm übertragenen großen Beruf nicht eilig in die Hände eines fernen, minderjährigen Neffen legen wollte, daß er selbst sein Recht nicht geringer als das Konradins achtete; so fühlt man doch, wie innere und äußere Vorwürfe sich hier anreihen ließen; – nicht aber an jene ersonnenen Verbrechen, nicht an seine Fehden gegen 478 {1262} die Kirchenherrschaft. Denn der Papst hatte diejenige Hoheit, welche früher, auch bei den heftigsten Kämpfen gegen Friedrich I und Friedrich II nie ganz verschwindet, selbst preis gegeben; er hatte sich selbst des Rechtes und der Ehre beraubt, für das Recht aufzutreten. Seitdem er Konradin von Apulien ausschloß und in Deutschland seiner Würden und seines Gutes zu berauben suchte, schwand sogar der Schein der Mäßigung, Unparteilichkeit und Gerechtigkeit; nur von äußerem Erfolge gegen die Hohenstaufen konnte noch die Rede seyn. – Nicht einmal das Lehnrecht billigte solche Härte gegen unschuldige Nachkommen; wie viel weniger das heiligere Gesetz, woraus der Papst seine höhere Stellung ableitete. Eben so nichtig war der Einwand: der minderjährige ohnmächtige Konradin biete keine Hülfe gegen Manfred dar; – in größerem Sinne und mit überlegenern Herrschergaben hatte einst Innocenz III den dreijährigen Friedrich (auch eines gebannten Vaters Sohn), dem Rechte vertrauend, gegen mächtigere Feinde erhoben und in seinem nächsten Erbtheile geschützt.

Größer und zugleich zarter als UrbanEpist. ad reg. Franc. 33, Responso devoto, sed non pro voto. –, benahm sich König Ludwig der Heilige von Frankreich. Anerbietungen nämlich, daß er für einen seiner Söhne das apulische Reich in Besitz nehmen möge, wies er ganz von der Hand; und als jetzt der Papst die Verhandlungen seiner VorgängerSchon vierzehn Jahre vor der Ausführung sey mit Karl von Anjou von Innocenz IV verhandelt worden.  Descr. vitae Caroli 829. mit des Königs Bruder, Karl von Anjou, aufs neue ernstlicher anknüpfte und Zustimmung und Hülfe verlangteMartene thes. II, 219.; so erklärte der fromme und gerechte König mehre Male: »sich fremdes Eigenthums anmaaßen, gebe allgemeinen Anstoß und sey schändlichBerard. di Napoli 4.  Non sine multorum scandalo, jus invadere alienum.. Konradins ursprüngliches Recht auf 479 {1262} Neapel erscheine unbestreitbar; oder wenn er dessen wirklich verlustig gegangen sey, so wäre es, nach urkundlichem Vertrage, bereits übertragen auf Edmund, den Sohn des Königs von England. Ohne sein Gewissen und seine Pflichten gegen Gott und Menschen zu verletzen, könne er sich also nicht in die sicilischen Angelegenheiten mischen. Überhaupt sey es das Erste und Nächste: Friede zu erhalten innerhalb der Christenheit, damit das lateinische Kaiserthum hergestellt und das heilige Land endlich einmal gebührend unterstützt werden könne.« – Anstatt hiedurch zu tieferer Selbsterkenntniß zu gelangen, schrieb Urban dem Meister AlbertRaynald zu 1262, §. 20.  Albert war aus Parma.  Descript. vitae Caroli 829.  Des Papstes Darstellungen blieben indeß nicht ohne Wirkung auf den König; weshalb Kaiser Balduin warnend an Manfred schrieb und ihm rieth, seine Sache in Ludwigs Hände zu legen, oder sich mit der Kirche auszusöhnen. Der Brief ward aber von Malatesta dem Podesta von Rimini aufgefangen und dem Papste übersandt.  Martene thes. II, 23., seinem Bevollmächtigten in Paris: »dergleichen Bedenken könnten nur entstanden seyn, weil der König arglistigen Einflüsterungen ein leichtgläubiges Ohr leihe. Hievon möge er ihn abbringen, und dessen löblich zartes Gewissen damit beruhigen: daß der Papst und seine Brüder, die Kardinäle, die Sachen bereits genau überlegt hätten, daß sie alles auf ihr Gewissen nähmen und der König unbezweifelt glauben könne, nichts werde von ihm verlangt, was seiner Ehre nachtheilig sey!« – Diese Berufung, nicht auf eine, in Staat und Kirche zur Entscheidung vieler Angelegenheiten nothwendige höchste Gewalt, sondern auf eine Unfehlbarkeit, welche das Gewissen der einzelnen da vertilgen will, wo es entscheiden soll, konnte den wahrhaft christlich gesinnten König, trotz aller Verehrung der Kirchenherrschaft, nicht in seiner Überzeugung wankend machen. Leichteres Spiel hatte der Papst bei Karl von Anjou.

Karl von Anjou.

Selten sind vollbürtige, derselben Erziehung genießende Brüder in körperlicher und geistiger Hinsicht so durchaus 480 {1262} verschieden gewesen, als Ludwig und Karl. Diesem wird von gleichzeitigen Geschichtschreibern eine große gebogene Nase, olivenfarbige Haut, ein strenger wilder Blick und eine finstere Stirn beigelegt; und noch jetzt erschrecken und entfremden die damit vollkommen übereinstimmenden Züge seiner gleichzeitigen Bildsäule auf dem KapitolDie Römer setzten die Bildsäule, nachdem sie Karln zum Senator gewählt hatten. – Dante Purgat. c. 7.. Überall zeigte er Muth, Verstand und große Thätigkeit: aber sein Muth trieb ihn keineswegs immer zu edlen Unternehmungen, sein Verstand entbehrte aller höhern Richtung und Verklärung, und seine Thätigkeit zerstörte mehr, als sie erzeugte. Er schlief wenig, denn im Schlafe verliere man nur Zeit; die Jagd mit ihrem scheinbaren und halben Ernste machte ihm Langeweile. Dichter, Sänger und Tonkünstler waren ihm zuwider, und er wußte sie schon dadurch von sich abzuhalten, daß er sie nie beschenkte. Er war einfach im Essen und Trinken, und der Kleidung nach kaum von einem gemeinen Soldaten unterscheidbar. Nur wenig sprach er und immer ernstHilaris vel jocosus vix autem nunquam.  Chron. imper. et pontif. Laurent. Villani VII, 1.  Chron. mscr. No. 1836, in bibl. Riccardiana.; niemand erinnerte sich, ihn freundlich oder lächelnd gesehen zu haben. Schönheit und Jugend machte auf ihn nicht den mindesten Eindruck: er war seiner Frau getreuDescript. victor. Caroli 833 seq., weniger wohl aus Pflichtgefühl, als weil dem durch und durch Unliebenswürdigen nichts liebenswürdig erschien. Man möchte seine Strenge gegen Diebe, Räuber und andere Störer der gesetzlichen Ordnung für Gerechtigkeitsliebe halten; bewiese nicht das gleiche Verfahren gegen Irrende, ja gegen ganz Unschuldige, daß er auch dort nicht gerecht war, sondern nur seiner Grausamkeit freien Lauf ließVom Spätern nicht zu reden, so strafte er das unterjochte Marseille, welches die alte Freiheit wieder zu gewinnen suchte, aufs härteste, ließ den Troubadour Bonifaz von Kastellan nebst andern hinrichten (Millot II, 40, 133.  Vie de S. Louis, mscr. 48) und verjagte eidbrüchig die kaiserlichen Statthalter aus Arles.  Martene coll. ampliss. II, 1186.. Zu 481 {1262} dem allen kam nun Ehrgeiz, Ländergier und Habsucht im höchsten Grade: kein Mittel erschien ihm zu schlecht, kein Weg verwerflich, wenn er anders zu jenen Zielen führte. – So war, nach guelfischen Berichten, der Mann, welchen die Päpste auserkoren, um die Kirche von dem angeblich verruchten Geschlechte der Hohenstaufen zu erlösen!

Und hätte Karl, welcher damals bereits zweiundvierzig Jahre zählte, etwa aus berechnender Klugheit noch gezweifelt, so trieb seine jüngere Gemahlinn, Beatrix, mit weiblicher Ungeduld vorwärts. Sie war die Tochter RaymundsRaymund war auch ein Dichter, nach damaliger leichter Weise. Er starb am 19ten August 1245.  Quadrio II, 123.  Bouche hist. de Provence II, 251.  Labbé nova biblioth. I, 342., des letzten Grafen von Provence, brachte dies Land nach dessen Tode als Erbgut ihrem Gemahle zu und dünkte sich nicht wenig mit ihrer äußeren Würde. Weil aber ihre Schwester MargaretheChron. mscr. No. 1836.  Pecorone II, 180.  Villani VI, 91.  Malesp. 177-178. Auch Peter von Aragonien suchte früher ihre Hand, aber Karl siegte ob.  Bouche hist. de Provence II, 251.  Ja zufolge einer Nachricht in Bartholom. ann. zu 1245, ließ Friedrich II um sie für Konrad IV werben. den König Ludwig IX von Frankreich, Eleonore den König Heinrich  III von England, und Sanktia den König Richard von Deutschland geheirathet hatten; so mußte Beatrix als die geringste, zu ihrem großen Verdrusse, bei einer feierlichen Gelegenheit um eine Stelle tiefer sitzen. Seitdem war eine Königskrone ihr höchster, alle andern Neigungen verdrängender, alle Rücksichten vernichtender Wunsch, und Karl ihr Gemahl, so erzählte man, hatte gesagt: »sey ruhig, Gräfinn, ich werde dich bald zu einer größern Königinn machen, als sie alle sind!«

{1263} In solcher Stimmung trafen die päpstlichen Gesandten Karln und Beatrix, und es ist nicht zu verwundern, daß sie Gehör fanden, obgleich Urbans Entwurf der Bedingungen, 482 unter welchen das apulische Reich ihnen überlassen werden solle, noch weit härter lautete, als die von Alexander IV dem Könige von England vorgelegtenSiehe oben S. 381 ff. Dieser neue Entwurf ist vom 17ten Junius 1263.  Martene thesaur. II, 12.  Einen andern vom 23sten März 1262 hat Murat. antiq. Ital. VI, 105.. Es heißt in denselben:

Erstens: das apulische Reich wird, innerhalb der näher zu bestimmenden Gränzen, dem Grafen von Provence als Mannlehn überlassen.

Zweitens: sobald der Graf vom Reiche so viel inne hat, daß man ihn für den Herrn desselben halten kann, zahlt er (ohne Rücksicht darauf, daß einige Orte etwa noch widerstehn) der Kirche jährlich 8000 UnzenEs ist zweifelhaft, ob gleich anfangs außer dem jährlichen Zinse, eine Kapitalzahlung von 50,000 Mark ausbedungen ward, oder ob eine von beiden Forderungen voranging und welche nachfolgte. Nach dem spätern Vertrage bei Dachery III, 650, scheint anfangs nur ein jährlicher Zins und später erst eine Kapitalzahlung gefordert zu seyn., und sendet alle drei Jahre zur Anerkenntniß der Lehnsoberherrschaft einen weißen Zelter. Versäumniß einer Zahlungsfrist wird mit persönlichem Banne, zweier Fristen mit Bannung des ganzen Reiches bestraft.

Drittens: der Graf stellt dem Papste auf Verlangen unentgeltlich drei Monate lang 300 Ritter. Auf jeden Ritter werden mindestens vier Pferde und die nöthige DienstmannschaftQuatuor equitaturas. gerechnet. Die drei Monate beginnen mit dem Tage, wo sie die neapolitanische Gränze überschreiten. Sofern der Papst es wünscht, wird statt des Landheers, eine verhältnißmäßige Flotte ausgerüstet und überlassen.

Viertens: alle Verwiesenen werden zurückberufen, alle Geißeln befreit, allen Geistlichen und Kirchen ihre Rechte und Besitzungen zurückgegeben. Gesetze Friedrichs II und Manfreds, welche den kirchlichen Vorschriften widersprechen, verlieren ihre Gültigkeit, und Zwiespalt, welcher über diese 483 {1263} Dinge entstehen könnte, kommt zur Entscheidung an päpstliche Bevollmächtigte.

Fünftens: der König von Apulien und Sicilien darf, bei Verlust des Reiches, nie römischer Kaiser oder deutscher König, nie Herr von Tuscien oder der Lombardei werden, nie hohe öffentliche Würden in diesen Ländern oder dem Kirchenstaate annehmen, oder einen Bund zum Nachtheile des Papstes schließen. Er wird seine Tochter nie ohne dessen Erlaubniß und überhaupt nicht an jemand verheirathen, der jene Länder oder Würden besitzt.

Sechstens: alle Barone und Stände des Reichs beschwören diese Bedingungen, und daß sie dem Papste gehorchen wollen, sobald der Graf dieselben übertritt. Alle zehn Jahre wird dieser Eid wiederholt.

Siebentens: wenn Karl nicht ein Jahr nach Vollziehung des Vertrags mit wenigstens 1000 Rittern und 4000 Pferden die Provence verlassen hat, und nicht drei Monate nachher bis Apulien vorgerückt ist, so kann der Papst den Vertrag für nichtig erklären.

So lauteten die Bedingungen; und in Bezug auf den ersten Punkt sollte der päpstliche Abgesandte auf jede Weise durchzusetzen suchen, daß alles Land abendlich von Sarno, Palma, Avellino, Nola und Kastellamare (mithin Gaeta, Kapua, Montekassino, S. Germano, NeapelMartene thes. II, 19, 23. u. a. m.) vom apulischen Reiche getrennt und mit dem Kirchenstaate vereinigt würde. Alsdann wolle Urban dem Grafen auch den Zehnten von allen geistlichen Gütern in seinen Ländern, ja in ganz Italien, auf drei Jahre bewilligen; er wolle Manfred und seine Anhänger nochmals bannen und sie aller Besitzungen verlustig erklären; er wolle das Kreuz gegen jenen predigen und das Lösegeld der Bekreuzten Karln überlassen; er wolle versprechen, daß weder Konradin, noch ein anderer seiner Verwandten von ihm jemals zu Gnaden angenommen werde!

484 {1263} Ehe man über diese Vorschläge und Bedingungen einig wurde, geschah mancherlei, was auf die Ansichten beider Theile von bedeutendem Einflusse war. Noch vor dem Erneuen der Unterhandlungen mit Karl, hatte Urban, um nicht alle durch kirchliche Gesetze vorgeschriebenen Formen in Bezug aus Manfred zu verletzenSaba Malaspina II, 7., Vorladungen an die Hauptkirche von Orvieto anschlagen lassen, ohne jedoch den König durch Gesandte oder Schreiben hievon zu benachrichtigen. Desungeachtet schickte Manfred, damit er jeden Schein von Stolz oder Hartnäckigkeit vermeide, Bevollmächtigte an den Papst und ließ ihn bitten: er möge Ort und Zeit bestimmen, wo er sicher vor ihm erscheinen und sich rechtfertigen könne. Urban hatte sich aber unterdeß bereits zu weit mit Karl von Anjou eingelassen, und erklärte den Gesandten ganz kurz: da Manfred sich der Verzeihung unwürdig gemacht habe, könne der Bann nicht aufgehoben werden! So schlechthin auf Krieg angewiesen, ließ der König die an der nördlichen Gränze seines Reichs versammelte Mannschaft in den Kirchenstaat und die Mark Ankona einrückenAm 28sten Julius 1263 klagt Urban darüber bitterlich in einem Schreiben an den König von England.  Rymer foed. I, 2, 80.  Saba Malasp. II, 8., ohne daß der Papst Mittel gehabt oder Hülfe gefunden hätte, sie daraus zu vertreiben.

Gleichzeitig mehrten sich die Kräfte der Anhänger Manfreds dergestalt in Tuscien, daß Lukka, seit der Schlacht bei Montaperto der Zufluchtsort und Sammelplatz der GuelfenMalespini 173.  Ptolem. Lucens. zu 1262., (um den weitern Verwüstungen der übermächtigen Ghibellinen zu entgehen) einen Vertrag mit dem Statthalter Manfreds schloß, des Inhalts: »die Gefangenen und die etwa genommenen Schlösser werden zurückgegeben, und Lukka in den ghibellinischen Bund aufgenommen; Personen und Güter bleiben ungefährdet, eine deutsche Besatzung wird aber die Ruhe und Ordnung in Lukka erhalten helfen. 485 {1263} Binnen drei Tagen verlassen alle eingewanderte Guelfen die StadtDie einheimischen Guelfen blieben ungestört.  Memor. di Lucca III, 33.  Malavolti II, 2, 29..« – So streng wurde der letzte Befehl vollzogen, daß mehre edle Florentinerinnen sich gezwungen sahen, auf den Alpen von S. Pelerino, zwischen Lukka und Modena, Wochen zu halten. Ganz Tuscien war nunmehr ghibellinisch, und während dieser unerwarteten Umkehrung aller Verhältnisse geschah das früher ganz Undenkbare: Guelfen wandten sich um Beistand gegen den Hohenstaufen Manfred, an den Hohenstaufen KonradinGebhardi Leben Richards 590.! Für jetzt freilich ohne Wirkung; und einer eigentlichen Heimath entbehrend, sahen sie sich genöthigt, bald dahin, bald dorthin zu ziehen, um für geleistete Kriegsdienste bei Gleichgesinnten günstige Aufnahme zu finden.

Unfälle solcher Art und die Bitten der Guelfen veranlaßten den Papst eine große Versammlung zu berufen, und unter Aufzählung aller Beschwerden gegen Manfred und das ganze Geschlecht der Hohenstaufen, jenen abzusetzen und die Übertragung des Reichs auf Karl von Anjou feierlich auszusprechen.

In diesem Augenblicke, wo das Geschäft seinem völligen Abschlusse ganz nahe zu seyn schien, trat unerwartet ein Ereigniß ein, welches den Gesichtspunkt gar sehr veränderte. Die Römer, welche immer unzufrieden waren und ein oberflächlich haltungsloses Streben nach Wechsel und Veränderung für Beweis großer Kraft und ächter Freiheitsliebe ansahen, geriethen in heftigen Streit, wem sie, zur Begründung eines besseren Zustandes, die Senatorwürde übertragen sollten. Einige waren für Manfred, andere für dessen Schwiegersohn Peter von Aragonien, noch andere für Karl von AnjouTutini disc. 71.  Saba Malasp. II, 9.. Die letzten siegten ob, und der Graf (welcher vielleicht selbst dabei die Hand im Spiele hatte) nahm die Wahl unbedenklich und freudig an: denn er glaubte 486 {1263} hiedurch mitten in Italien festen Fuß zu fassen, und nöthigenfalls sich auch wohl gegen Urbans Willen erhalten zu könnenRaynald zu 1263, §. 3. Am 11ten August 1263 war Karl bereits zum Senator erwählt.  Martene thes. II, 27-29.. Dieser hingegen erschrak sehr, und bei einer feierlichen Berathung waren mehre Kardinäle der Meinung: man solle die ihnen ohnedies widerwärtigen Unterhandlungen mit Karl von Anjou, zur Vermeidung größeren Ärgernisses und größerer Gefahr, sogleich abbrechen; die Überzahl dagegen beschloß: man wolle dem Grafen verschiedene Vorschläge machen, unter denen er die Wahl haben solle. Nämlich er müsse entweder versprechen: die Würde nur drei, höchstens fünf Jahre zu behalten, bei Strafe des Bannes und bei Verlust des apulischen Reiches; oder daß er sie nach Eroberung dieses Reichs, oder auch nur des größten Theils desselben niederlegen, und sich alsdann redlich bemühen wolle, des Papstes Herrschaft über Rom wiederum herzustellen. Sollte der Graf die Annahme der Senatorwürde auf Lebenszeit beschworen haben, so sey Urban bereit ihn von diesem Eide zu entbinden; weise er aber alle diese Vorschläge von der Hand, so möge die ganze Unterhandlung über das sicilische Reich auf sich beruhen, weil die Gründung einer weltlichen Herrschaft in Rom die geistliche Herrschaft untergrabe, und der Papst nicht, die Scylla vermeidend, in die Charybdis gerathen wolle. Der Kardinal Simon ging, mit großen Vollmachten versehen, nach der Provence, machte dem Grafen obige Ansicht bekannt und unterstützte sie mit vielen GründenEs hieß, auch Richard von Kornwall, dem die Kirche früher die Senatorwürde abgeschlagen habe, werde es übel nehmen.  Martene thes. II, 27-29.  Raynald §. 9.  Amalrici vitae Pontif. 416.. Als Karl solchen Ernst sah, beschloß er, zwar in Hinsicht der Senatorwürde nachzugeben, für dieses Nachgeben aber die Milderung einiger Punkte über die Annahme des apulischen Reiches zu erzwingen. König Ludwig IX und viele provenzalische BaroneMartene the. II, 40. 487 {1263} hatten längst ihr Mißfallen darüber laut werden lassen, und nur Karls und Beatricens Begier nach dem Throne minderte das Gewicht ihrer Widersprüche. Jetzo hieß es: auf Schmälerung der alten Gränzen Apuliens könne man gar nicht eingehen; der jährliche Zins sey bei so vielen bevorstehenden Gefahren, Ausgaben und Belohnungen, in der geforderten Höhe unbillig, ja unerschwinglich; das Erbrecht müsse auf mehre Glieder der Familie Karls ausgedehnt, das Erwerbungsrecht in Tuscien und der Lombardei bestimmter, jedoch minder streng abgegränzt werden; über die angemessene Größe des Heeres könne nur der Graf entscheiden; man dürfe keine Wiederholung des Eides verlangen, weil darin der Argwohn eines Eidbruches zu liegen scheine u. s. w. – {1264} Kardinal Simon erkannte aber sehr gut die innere Begehrlichkeit Karls und Beatricens, und wußte sie durch die Bemerkung einzuschüchtern: dem Papste stehe der Abschluß auf weit vortheilhaftere Bedingungen mit Peter von Aragonien noch täglich freiMartene thes. II, 27-33; 60-74.. – Schwerer war die französische Geistlichkeit zu beruhigen, welche mit großem Unwillen vernahm, daß sie nach Urbans Befehle den Zehnten von ihren Einnahmen zum apulischen Zuge geben solle. Päpstliche Schreiben, worin Lob, Bitten, Ermahnungen und Befehle geschickt verbunden, und es als Ehrensache dargestellt wurde, die christliche Kirche gegen den in Freveln versunkenen Saracenen Manfred zu schützen, erzeugten zwar keine allgemeine Beistimmung, wirkten aber doch so viel, daß es nicht zu offenem, allgemeinem Ungehorsam kam; und zugleich ergingen Vorstellungen ähnlichen InhaltsEpist. ad reg. Franciae 33-38.  Cod. mscr. Vatican. No. 3977, fol. 5.  Martene thes. 40-47, 56. an König Ludwig, dessen Gemahlinn, den Grafen von Poitou u. a. Den letzten, als ehemaligen Theilnehmer eines Kreuzzuges, erinnerte Urban noch insbesondere an die vorgeblich durch Manfred herbeigeführte Vernachlässigung des heiligen 488 {1264} Landes; die Königinn ermahnte er, ihre Streitigkeiten mit Karl von Anjou bald zu beseitigen und zu vergessen; den König forderte er auf, diesem, weil die Zehnten so langsam eingingen, Geld vorzustrecken, wofür er gewiß hundertfältigen Lohn und das ewige Leben gewinnen werde!

In der That bedurfte der Papst auch eiliger und ernstlicher HülfeSaba Malaspina II, 10.: denn Manfred hatte eine Reichsversammlung über die Reichsvertheidigung gehalten und untersuchen lassen, was jeder Lehnsmann zu stellen und zu leisten verbunden und im Stande sey. Mit der hiernach gesammelten Macht wollte er durch die Kampagna in den Kirchenstaat einrücken, während eine zweite Abtheilung von Tuscien, eine dritte dem adriatischen Meere entlang vordringen, und gleichzeitig Unruhen in Rom ausbrechen sollten. Dieser zur völligen Umschließung des Papstes und zur völligen Vernichtung seiner weltlichen Macht wohl berechnete und zusammenstimmende Plan fand jedoch in der Ausführung große Hindernisse. Zuvörderst verweigerten die Einwohner der Kampagna den Durchzug und noch mehr die Verpflegung des königlichen Heeres; worauf Manfred umkehrte, und durch seinen Feldherrn, den Genueser Parzival von Oria, versuchen ließ, über die Berge östlich von Tivoli in den Kirchenstaat einzudringen. Dies gelang und ob man gleich das Bergschloß Kolle, welches den Eingang und Ausgang sicherte, nicht sogleich erobern konnte, zog Parzival doch ungehindert vorwärts gen Spoleto. Schon hatte der größte Theil seiner Mannschaft bei der Burg Arrone durch die Nera gesetztSaba Malaspina II, 8-14.  Martene thes. II, 82., als er, einem Reiter freundlich Hülfe leistend, mit dem Pferde stürzte und von allen allein im Wasser umkam. Dieser Unfall erschreckte manchen, anderen war es ein willkommener Vorwand sich zu entfernen; so daß Johannes von Maneria, der Nachfolger Parzivals, mit dem geschwächten Heere nicht weiter vorzudringen wagte. – 489 {1264} Mehr Erfolg hatte, wie es scheint, die andere längs des adriatischen Meeres vorrückende Schaar: wenigstens wird erzählt, daß ein päpstlicher Herzog von Ankona in diesem Jahre gefangen, Sinigaglia erobert und gutentheils zerstört worden seyBenigni I, Urk. 37.  Siena 103, 111..

Gleichzeitig hatte sich Petrus von Viko, einer der mächtigsten Barone des Kirchenstaates, öffentlich für Manfred erklärt und von ihm deutsche Reiter zur Unterstützung erhalten. So verstärkt und im Einverständnisse mit dem aus Tuscien hervorbrechenden Grafen Jordanus, eroberte er Sutri und schlug, nach manchem Glückswechsel, die zum Widerstande sich versammelnden Guelfen beim Schlosse Vetralla, südlich von Viterbo. Kühner durch diesen Erfolg hoffte Petrus selbst Rom einzunehmen: denn Gantellino, welcher daselbst als Stellvertreter Karls von Anjou befehligte, war kaum im Stande mit dessen und des Papstes Söldnern die, aus Eigennutz und WankelmuthRomanorum obstinata dissensio et natura invicem ad dissentiendum proclivior, quum nunquam commune commodum, sed proprium duntaxat affectat.  Saba Malasp. II, 11. überall sich anspinnenden, Unruhen zu unterdrücken. Einer geheimen Verabredung zufolge, sollte nun Petrus mit all seinen Freunden in einer bestimmten Nacht vor Rom zusammentreffen: er kam indeß früher an, als die andern, und setzte sich, in der Überzeugung, man dürfe keinen Augenblick verlieren, sogleich in den Besitz mehrer Häuser, welche ihm sonst gehört hatten, und suchte die Insel zu gewinnen, welche die Tiber in der Stadt bildet. Hiebei ward aber das ganze Vorhaben entdeckt, und Petrus, den seine vor der Stadt harrenden Genossen nicht unterstützen konnten, nach langer und tapferer Vertheidigung von den Guelfen so bedrängt, daß er es für ein Glück halten mußte, mit wenigen Begleitern zu entkommenNach der Descript. vict. Car. 830 ertrank Peter in der Tiber.. Hiedurch kehrte jedoch Ruhe und Einigkeit nicht zurück, sondern es bereiteten sich 490 {1264} neue Bewegungen vor, welche den Papst in große Sorge setztenSaba Malasp. II, 15.. Seine heftige Kreuzbulle gegen Manfred hatte freilich mehre vermocht, sich bei den päpstlichen Fahnen einzufinden: aber da es wenig Beute zu machen gab und der Sold ausblieb, so konnte die baldige Zerstreuung dieser angeblich frommen Krieger nicht lange ausbleiben. Schon 200,000 Pfund, schrieb der PapstMartene thesaur. II, 82., koste ihm die Fehde gegen Manfred, und wenn Karl von Anjou nicht bis Michaelis mit Heeresmacht anlange, so werde er nothgedrungen ganz andere Beschlüsse fassen. Auch war Urban in der That fast rings von Feinden umgeben und von der übrigen christlichen Welt abgeschnitten; er mußte fürchten, daß ihn die Ghibellinen in Orvieto belagernMarat. annal.  Auch mit dem mächtigen, sonst so guelfisch gesinnten Bologna war der Papst wegen einiger Besitzungen zerfallen.  Savioli III, 2, 730, 744., oder daß ihn die aus mehren Ursachen unzufriedenen Bürger verjagen, wo nicht gar den Feinden überantworten dürften. In solcher Noth beschloß er, sich nach dem wenigstens in etwas sicherern Perugia zu begeben, erkrankte aber unterwegs, und starb am Tage nach seiner Ankunft, am zweiten Oktober 1264Raynald §. 70.  Bular. Roman. I, 121.  Concil. coll. XIV, 305.  Pappenh. zu 1264..

Dies unerwartete Ereigniß störte die Plane Karls und erhöhte die Hoffnungen Manfreds. Da so vieljährige, so mannigfache Versuche, ihm Feinde zu erwecken, immerdar gescheitert waren, so machten dem letzten natürlich die Gefahren der Zukunft jetzt weniger Sorge. Könne der nächste Papst, durch frühere Erfahrungen belehrt und unverblendet über die widerrechtliche Härte seiner Vorgänger, nicht einer billigen Aussöhnung geneigter seyn? Der Hauptzweck so vieler Bemühungen, Deutschland und Neapel nicht in eine Hand kommen zu lassen, sey ja erreicht und besser erreicht, 491 {1264} als wenn ein mächtiger überalpischer Fürst nach Italien berufen, und die alte Gefahr nur von einer andern Seite her erneut werde. Die Kirche solle dabei nichts von ihren Rechten verlieren, sondern nur ihrem innersten Berufe gemäß, für den Frieden wirken und von einer Fehde ablassen, die unnatürlich, gefährlich, mit Anstrengungen und Erpressungen verbunden sey und die gerechte Unzufriedenheit aller Gläubigen nach sich ziehe. Gottes Zorn habe der furchtbare Komet in diesem Jahre klärlichst angedeutetSichtbar vom Julius bis September. Später auch auf Manfreds Fall gedeutet.  Guil. de Podio 49.  Salvi I, 204.  Patavin. chron. 1143., und des Papstes plötzlicher Tod erweise nun, wer die Strafe wahrhaft verdient, und wem die Warnung gegolten habe.

Wie die Kardinäle über dies alles auch denken mochten, die Nothwendigkeit, den päpstlichen Stuhl in so gefährlicher Zeit schnell wiederum zu besetzen, mußte jedem einleuchten; dennoch zögerten sie in schädlicher Uneinigkeit fünf Monate lang, bis die französisch gesinnte Partei die Oberhand gewann. {1265} Klemens IV, so nannte sich der am fünften Februar erwählte PapstDandolo 372.  Bullar. Roman. I, 133.  Saba Malaspina II, 15.  Malespini 175.  Memor. Regiens. 1124.  Guil. Tyr. 738.  Guil. Nang. 374.  Vitae Pontif. 594.  Villani VI, 92.  Monach. Patav. 723., war der Sohn eines toulousischen Edeln Fulkadius Grossus und einer deutschen MutterDonius 323 erwähnt der deutschen Mutter. Die Hist. de Langued. III, Note 43 sucht zu beweisen, daß die Familie von Klemens nur Fulcadi und nie Grossus hieß. Eben so Gallia christ. II, 717; VI, 75.. In seiner Jugend legte er sich mit solchem Eifer auf Erlernung des weltlichen und geistlichen Rechtes, daß er bald als Gerichtsbeistand gesucht und berühmt, ja hierauf von Ludwig IX zu seinem geheimen Rath ernannt, und in wichtigen Geschäften gebraucht wurde. Als ihm aber (denn er hatte sich verheirathet) seine Frau starb, 492 ergriff ihn darüber der Schmerz so sehr, und er wurde des bloß weltlichen Treibens so müde, daß er in den geistlichen Stand tratNach Tromby V, 247 ward Klemens Karthäuser, andere sagen dies von seinem Vater.  Donius 323.  Rayn. §. 2.. Desungeachtet blieb seine Kraft und seine Anlage zu äußerer Wirksamkeit nicht unbenutztMath. Par. 672 und Concil. collect. XIV, 325.: als Bischof von Puy, als Erzbischof von Narbonne, als Kardinal der heiligen Sabina, als Abgeordneter in fremden Ländern, zeigte er sich den immer schwieriger werdenden Aufgaben gewachsen, und sollte nun, in gefahrvoller Zeit, die schwerste lösen. Seine Strenge und Redlichkeit von der einen, seine Welt- und Geschäfts-Kenntniß von der andern Seite mache ihn, so meinte man, doppelt geschickt den päpstlichen Stuhl zu besteigen: aber gerade jene Eigenschaften mußten seine Bedenklichkeiten erhöhen und wenige haben vielleicht bei anfänglichem Ablehnen der Wahl so ihre wahre Meinung ausgesprochen, wie er. Dies ergiebt sich unter anderem aus einem Briefe an seinen Neffen PetrusRaynald §. 10.  Martene thesaur. II, 110., wo er nicht nöthig hatte, um einer herkömmlichen Förmlichkeit willen sein Innerstes zu verbergen oder umzugestalten. »Während sich viele,« so schreibt er ihm, »über meine Erhebung freuen, fühle ich aufs bestimmteste das Unermeßliche dieser Last, und was andern Freude erweckt, erweckt mir Furcht und Sorge. Damit du aber wissest, wie du dich bei jener Nachricht zu benehmen habest, so sage ich dir, du sollst noch demüthiger werden, als zuvor: denn ich will nicht, daß ein Ereigniß, welches mich so niederdrückt, die meinen erhebe; daß man vergesse, die Ehre dieser Welt sey vergänglich wie der Morgenthau. Weder du, noch irgend einer meiner Verwandten komme zu mir, ohne meinen ausdrücklichen Befehl; sonst wird er sich in seinen Hoffnungen getäuscht sehen und beschämt zurückkehren müssen. – Suche für deine Schwester keinen Mann, erhaben über 493 {1265} ihren Stand; nur im Fall sie den Sohn eines gewöhnlichen Ritters heirathet, will ich sie mit dreihundert Mark ausstatten; trachtet ihr dagegen nach Höherem, so erhaltet ihr von mir keinen Pfennig. Überhaupt sollt ihr leben und handeln, als wäre ich noch ein geringer Priester, ihr sollt für niemand bitten, von niemand um etwaniger Vorworte willen Geld nehmen: denn dies würde euch und den Bittenden nur zu großem Schaden gereichen.«

Klemens, welcher bei seiner Wahl nicht gegenwärtig, sondern auf einer Gesandtschaftsreise nach England begriffen war, kehrte, sobald er die Kunde erhielt, nach Italien zurück; durfte sich aber nicht, wie einst Alexander III und Innocenz IV, öffentlich und feierlich in den Städten zeigen; sondern reisete, damit die Ghibellinen ihn nicht erkennen und fangen möchten, still und in Mönchskleider gehüllt bis PerugiaDandolo 372.  Cod. Vindob. No. 61, p. 29; No. 70, p. 28; No. 305, p. 55.. Kaum hatte er hier sein Amt angetreten, so wurde seine Thätigkeit und Hülfe von allen Seiten her in Anspruch genommen, und nach allen Seiten hin zu wirken erheischte die Noth nicht minder, als die Pflicht. Im heiligen Lande ging eine Besitzung nach der andern verloren, Griechen herrschten wiederum in KonstantinopelSo schildert Raynald §. 11., mongolische Horden durchzogen Polen und Ungern, in England und Dänemark wüthete innerer Krieg, Deutschland schwankte unsicher zwischen kraftlosen HerrschernVon Deutschland wird weiter unten im Zusammenhange die Rede seyn., und in Italien endlich war fast alle Macht bei den Feinden der Kirche. – Daß Klemens dies letzte Übel für das wichtigste hielt, darf keine Verwunderung erregen; doch kann man anklagend behaupten: er hätte Deutschland, schon seines eigenen Vortheils halber, schnell einigen, die Sühne mit Manfred versuchen, oder Recht über Berechnung setzen und Konradin erheben sollen. Hierauf ließe sich andererseits antworten: wenn auch das Betragen des Papstes nicht über alle 494 {1265} Zweifel und Vorwürfe erhaben ist, so treffen diese doch seinen Vorgänger in weit größerem Maaße, als ihn. Die Voraussetzung, daß Manfred keinen Frieden wolle, war nun einmal von Urban als Grundsatz aufgestellt, das Bedenken wegen Konradins Anrecht als überflüssig verworfen, und mit Karl von Anjou alles bis zum völligen Abschlusse vorbereitet worden. Sollte nun Klemens plötzlich alle Ansichten und Maaßregeln Urbans preis geben und die Kirche dadurch öffentlich beschämen? Sollte er den Worten des übermächtigen Manfred vertrauen und Konradin mittelbar fallen lassen, oder diesen Ohnmächtigen als Kronbewerber hinstellen und, der französischen Hülfe beraubt, mit Manfred in Fehde bleiben? War es doch kaum gelungen von England eine förmliche Entsagung des apulischen Reiches zu erlangenErst im Junius 1265 hatte König Heinrich die Vollmacht ausgestellt, dem sicilischen Reiche ganz zu entsagen.  Rymer foed. I, 2, 97.; aus welchen Gründen und mit welchen Hülfsmitteln hätte man nun ähnliches vom Grafen Karl fordern können? Auf kein Oberhaupt der Christenheit durfte sich der Papst verlassen, keines blieb ihm treu verbunden, wenn er sein persönliches Verhältniß der Anhänglichkeit und Dankbarkeit gegen das französische Königshaus auflösete, oder wenigstens empfindlich verletzte. – Diese und ähnliche irdische Bedenken hätte der Papst, ungeachtet ihres Gewichts auf keine Weise über die unbedingten Gebote der christlichen Sittenlehre hinaufsetzen sollen; auf dem Standpunkte bloß staatskluger Betrachtung und Berechnung blieb ihm indeß freilich keine Wahl zwischen zwei verschiedenen Wegen mehr offen, und es war nicht die Frage: was er thun solle oder wolle, sondern was er thun könne und müsse.

Gegen das Ende des Februars 1265 übernahm Klemens seine WürdeKlemens Schreiben über seine Erhebung sind vom 22sten Februar 1265 (Raynald §. 4), und um Ostern (5ten April) verließ Karl Paris (Malespini 177)., und vierzehn Tage nachher brach Karl bereits von Paris auf, um, wie er versprochen hatte, 495 {1265} Rom spätestens am Pfingstfeste zu erreichen. Nach vergeblichem Widerspruche hatte sich König Ludwig vielleicht um so eher beruhigt, als seines ehrgeizigen Bruders Gegenwart auch in Frankreich mancherlei Unannehmlichkeiten herbeiführtePtolem. Lucens. XXII, 26.; und nach anfänglichem Zögern gingen Karls Barone und Lehnsmannen um so eifriger auf den Plan ein, da ihnen Lohn über Lohn vorgespiegelt wurde und mit der wachsenden Begierde die Furcht vor der Schwierigkeit des Unternehmens abnahm. Am thätigsten war BeatrixChron. mscr. No. 1836.  Pecorone II, 180.: sie verpfändete ihre sämmtlichen Kostbarkeiten und wußte, wo Geschenke nicht ausreichten, durch Bitten und Schmeicheleien, durch Scherz und Ernst einzuwirken und das als unbezweifelte Ehren- und Ritter-Sache darzustellen, was bei ruhiger Betrachtung und der Wahrheit nach sehr unritterlich erschienen wäre. Mittlerweile hatte auch der geistliche Zehent manches eingebrachtSaba Malasp. II, 15., durch des Papstes Vermittelung wurden dem Grafen ansehnliche Darlehne auf Kirchengüter bewilligt, und gern verwandelten viele Kreuzfahrer das schwere Gelübde, nach Palästina zu gehen, in das leichtere des Krieges gegen den Kirchenfeind Manfred. – Weil aber desungeachtet das französische Heer noch nicht so gerüstet war, daß es wagen durfte in die meist ghibellinische Lombardei und in Tuscien einzurücken; weil Karl sich noch weniger mit schwacher Begleitung vorwagen durfte und der Landweg auch im günstigsten Falle viel Zeit erforderte: so entschloß er sich über das Meer nach der Tiber zu segeln und durch persönliches Erscheinen den Wankelmuth der Römer, die etwanigen Bedenklichkeiten des Papstes, und die Verhandlungen oder Angriffe Manfreds zu beseitigen oder zu besiegen.

Dieser hatte, Urbans Wünsche berücksichtigend, den mit Waffen in der Hand gefangenen Bischof von Verona frei gegeben und bei dieser Gelegenheit nochmals erklärtMartene thesaur. II, 90.: 496 {1265} »daß er, sobald man ihm nur sein Erbtheil lasse, zu jedem Frieden mit der Kirche bereit, und aufrichtiger bereit sey, als der Papst, welcher sich freundlich gesinnt und friedenslustig nenne, während er und die Kardinäle dem Könige überall Feinde zu erwecken suchten, und ihn als den größten Sünder und Verbrecher schilderten.« Diese Erklärung führte nicht weiter als alle übrigen, und da nun Klemens, ein geborner Unterthan Karls von Anjou, gewählt war, sah Manfred wohl ein, daß Ernst und Gefahr sich verdoppele.

Auch hatte Karl den Ferrerius, einen Mann von großem Leibe und heftigem SinneSaba Malaspina II, 16., mit Söldnern bereits nach Rom vorausgeschickt, welcher im Vertrauen auf seine und der Römer Tapferkeit sogleich beschloß, Jakob Napoleon, den ehemaligen Führer der römischen Ghibellinen anzugreifen, weil er, in Verbindung mit Manfreds deutschen Reitern, von Vikovaro am Teverone aus die Gegend beunruhigte. Alle riethen, nicht ohne Aufzählung mancher Gründe, von dem Unternehmen ab: allein Ferrerius beharrte bei seinem übereilten Beschlusse, wurde gänzlich geschlagen und gefangen nach Apulien geschickt. – Dieser Unfall brachte indeß den Feinden Manfreds zuletzt mehr Vortheil, als ihm: denn jene wurden besonnener und vorsichtiger in allen Einrichtungen und Beschlüssen, während er zwar nicht an dem Spotte seiner Anhänger Theil nahm, (welche den Grafen von Anjou nur KarlottoMalespini 175., den großen ungeschlachten Karl, nannten) doch aber durch günstigen Anfang getäuscht, auf stetes Glück rechnete. In der That aber schien dieses sich bereits von ihm zu wenden und die besten Vorkehrungen zu vereiteln!

Manfred hatte sich nämlich, das Unausbleibliche erkennend, mit Gelde und Waffenvorräthen versehen, deutsche Hülfsvölker geworbenAllerdings warb Manfred in Tuscien und hob auch Steuern (Excerpta Magliab. tom. XLIII, p. 42), aber er strebte nach allgemeiner Aussöhnung und befahl z. B., daß die vertriebenen Guelfen höflich sollten in Siena aufgenommen werden.  Malavolti II, 2, 20., durch mildes Benehmen die 497 Abgeneigten in Tuscien beschwichtigt, für die Lombardei den mächtigen und thätigen Palavicini zum Statthalter ernannt, die Einfahrt in die Tiber durch Steine, Balken und Mittel anderer Art gesperrt, und seine Flotte ausgeschickt, damit sie in Verbindung mit pisanischen Schiffen jede Landung der Franzosen verhindere. Hievon erhielt Karl, welcher in Marseille angekommen war, umständliche Nachricht, und die Besonnenern riethen ihm die Seefahrt aufzugeben, da er achtzig Schiffen nur zwanzig bis dreißig entgegenstellen könne. Allein die Gefahren der Zögerung erschienen ihm größer, als die des Meeres, und er gab zur AntwortBuono studio rompe ria fortuna.  Malespini 177.  Ventura c. 6.: »verständiger Eifer überwindet schlechtes Glück; ich will und muß zur festgesetzten Frist in Rom seyn.« – Bei günstigem Winde schiffte er sich ein und hatte die Küsten Italiens fast erreicht, als ein Sturm seine Schiffe so zerstreute, daß er mit nur dreien bei Porto Pisano Schutz suchen mußte. Graf Guido Novello, damals Manfreds Statthalter in Pisa und aufmerksam auf alle Ereignisse, bekam hievon sogleich Kunde und wollte in höchster Eile mit seinen deutschen Schaaren dahin ziehen, um den Grafen zu fangenVillani VII, 3.  Pecorone II, 189.  Codic. di Volterra Urk. 813, 821, 827, über Guido Novellos Statthalterschaft und Camici zu 1264, Urk. XI, p. 101.  Malavolti II, 2, 31.; aber die Pisaner schlossen ihm die Thore, bis er ihnen erst dies und jenes bewillige, – und während der hiedurch entstandenen Zögerungen war es Karln möglich geworden wieder auszulaufen und sich zu retten. Welche Zufälle! Wie konnte das den Hohenstaufen immerdar getreue Pisa in diesem entscheidenden Augenblicke mit so kurzsichtiger Thorheit verfahren! Jahrhunderte lang hat es dafür gebüßt, und steht jetzt da, wie eine trauernde Ruine größerer Zeiten; während Florenz, – einst geringer als Pisa, 498 {1265} jetzt seine Herrinn –, noch immer in frischem Leben pranget!

Ohne Unfall erreichte Karl die Tiber und räumte leicht alle Hindernisse der Landung hinweg. Sein Wort erfüllend kam er Donnerstags vor Pfingsten, den 21sten Mai 1265Martene thesaur. II, 134, 136.  Vie de S. Louis, mscr. S. 52.  Malaspina II, 17., bei S. Paolo vor den Thoren Roms an, und wurde zwei Tage nachher von Geistlichen und Laien, von Männern und Frauen mit höchster Feierlichkeit in die Stadt eingeholt. Je weniger man ihn schon itzt erwartete, desto größer war der Eindruck: seine Kühnheit und Mannhaftigkeit ward allgemein gerühmt, an seinem fernern Glücke nicht gezweifelt, und ihm die Senatorwürde nochmals mit so vielen Rechten übertragen, daß die Gründung der Macht des Grafen ein höherer Zweck zu seyn schien, als die Sicherung der römischen Freiheit. – Nicht minder beeilten sich die vom Papste beauftragten Kardinäle, den Vertrag zwischen jenem und dem römischen Stuhle endlich abzuschließen.

Dieser VertragRaynald §. 14-20 hat das Wesentliche; Giannone, Buch XIX, c. 2, S. 569, zählt mehre Bedingungen auf, welche aber schwerlich alle zu gleicher Zeit gemacht und bewilligt wurden, sondern aus verschiedenen Entwürfen herrühren, oder erst später hinzutraten. Wir übergehen Nebenbestimmungen. unterschied sich hauptsächlich darin vom ersten Entwurfe, daß dem Grafen das ganze apulische Reich nach seinen frühern Gränzen (nur mit Ausnahme des immerdar päpstlichen Benevent) überlassen wurde. Außerdem verdienen noch folgende Abänderungen Erwähnung:

Erstens: das Erbrecht geht auf des Grafen eheliche und rechtmäßige Söhne und Töchter, und zwar so, daß der Erstgeborne den Nachgebornen, und der Sohn die Tochter ausschließt. Stirbt der Graf ohne Kinder, so soll ihm sein Bruder Alfons oder dessen Sohn oder einer der Söhne Ludwigs IX folgen; deren Anrecht ist aber nur persönlich und erstreckt sich nicht auf ihre Erben. Überhaupt sind alle 499 {1265} andern Seitenverwandten Karls und deren Nachkommen von der Thronfolge ausgeschlossen; und eben so alle Nachkommen des Grafen, sobald ihre Verwandtschaft in der Seitenlinie den vierten Grad übersteigtGuil. Nang. 373..

Zweitens: heirathet eine Erbtochter ohne Beistimmung des Papstes, so verliert sie das Reich.

Drittens: dieses wird nie getheilt und kann nie mit der Herrschaft von Deutschland und dem übrigen Italien vereint werden; ja kein König von Neapel darf sich auf irgend eine Weise in die öffentlichen Angelegenheiten Deutschlands, Tusciens und der Lombardei mischen.

Viertens: wenn Bann und Interdikt nicht genügen, nach zwei und aber zwei Monaten die Zinsreste beizutreiben, so fällt nach sechs Monaten das ganze Reich an den römischen Stuhl zurück.

Fünftens: das gesammte Kirchenrecht Kaiser Friedrichs II wird vernichtet: mithin soll der König weder vorher noch nachher bei den Wahlen der Prälaten mit Rath und That einwirken, keinen Geistlichen vor weltliche Behörden ziehen, oder den Umfang der kirchlichen Gerichtsbarkeit beschränken, keine Berufung nach Rom hindern, kein Bündniß mit Saracenen, Ketzern, Abtrünnigen oder Kirchenfeinden schließen.

Sechstens: alle Schenkungen und Vergabungen Friedrichs, Konrads und Manfreds, seit der Kirchenversammlung von Lyon, sind nichtig.

Siebentens: der Graf wird als Senator nichts gegen die Kirche thun und dulden, die Würde nur bis zur Eroberung des apulischen Reiches behalten, und nachher weder durch einen andern versehen lassen, noch einem andern dazu helfen; sondern sich bemühen, daß sie nebst dem Rechte der Vergabung wieder an den Papst komme.

Achtens: sobald der Graf den größten Theil des Reichs gewonnen hat, übernimmt er (außer dem jährlichen 500 {1265} Zinse der 8000 Unzen) bei Vermeidung kirchlicher Strafen, die Zahlung von 50,000 Mark Sterling in festzusetzenden Fristen. Doch will der Papst (wofür der Graf zum Danke verpflichtet ist) dereinst die Bitte um Erlaß eines Theils dieser Summe anhörenEx parte saltem aliqua, de qua comes ipse nobis ad gratias teneri debeat, - audiemus.  Dachery spicil. III, 650..

Auf diese Bedingungen (welche theils strenger, theils gelinder waren, als die frühern) vollzogen die Kardinäle und der Graf den Vertrag am 28sten Mai 1265, fünf Tage nach jenes Ankunft in Rom. Beiden Theilen erschien, bei so gestellten Sachen, eine längere Zögerung nicht rathsam; doch blieb die letzte päpstliche Bestätigung bis in den November ausRaynald §. 20., entweder, weil Klemens hoffte dadurch im allgemeinen des Grafen Meister zu bleiben, oder um einzelner Ursachen willen. Schon vor Karls Ankunft hatte nämlich sein Statthalter den Lateran erbrochen, Geistliche gefangen gesetzt, Unbilden mancher Art verübt, und in einem mehr als dringenden Tone Geld vom Papste verlangt. Dieser wies ihn dafür zurecht und äußerteMartene thesaur. II, 108.: in der päpstlichen Kasse habe er kein Geld vorgefunden, und wolle nicht auf ungebührliche Weise das Kirchengut antasten; der Graf müsse Rom aus den gewöhnlichen, ihm zufließenden Stadteinnahmen vertheidigen. Nach Karls Ankunft besserten sich diese Verhältnisse nicht; vielmehr nahm er ohne Anfrage und ohne Rücksicht auf Widerspruch seine Wohnung im Lateran, worüber Klemens sehr ungehalten war und bestimmt erklärte: selbst von dem über alle andern begünstigten Senator werde er, der Zukunft eingedenk, solche Anmaaßung nicht dulden, und nie die Rechte der Kirche ohne Noth preis geben. Es wären noch genug Häuser in Rom, wo der Graf mit seinen Begleitern Platz finden könne, er solle alle päpstlichen Gebäude und Paläste räumenMartene thesaur. II, 108.  Raynald §. 12..

501 {1265} Es scheint, daß Karl in dieser Sache nachgab; aber einen wichtigern Grund der Klage und Sorge konnte er nicht so leicht und eilig beseitigen. Die erste Freude über seine Ankunft und das große Vertrauen auf seine Macht schwand nämlich nur zu bald, weil sich gar nicht verbergen ließ, daß die Zahl seiner Begleiter höchst unbedeutend und er, wie man sagte, zwar im Glauben stark, in Hinsicht aller andern Dinge aber gar schwach und schlecht vorbereitet seyPromptus fide, quoad alia nimis imparatus.  Martene thesaur. II, 188.. Insbesondere wuchs der Geldmangel von Tage zu Tage, und niemand wollte Karln in Rom ohne päpstliche Bürgschaft etwas vorstrecken. Gern hätte Klemens diese geleistet, allein er war selbst schon aufs höchste verschuldet, und schrieb über all diese Dinge seinen Vertrauten: »Palavicini macht für seinen Beistand so hohe Forderungen, daß wir sie nicht bewilligen können; die Mailänder sprechen viel, thun aber nichts, oder gar ungerechtes und kirchenwidriges, was wir leider in dieser Zeit kaum rügen dürfen. Der aus Frankreich sehnlichst erwartete Zehent bleibt aus, während die Habsucht der Gläubiger und das Übermaaß der Zinsen Darlehen unmöglich macht, oder das Dargeliehene sogleich verschlingt. Kirchengefäße, heilige Kleider, kurz alles ist schon verpfändet ohne hinreichenden Erfolg, und während niemand auf unsere kümmerliche Lage Rücksicht nimmt, hat Manfred durch Geschenke die meisten auf seine Seite gebracht. So unglaublich ist die Noth, daß Graf Karl sein Hausgeräth verkaufen, Kleider und Nahrung erbetteln, und doch zuletzt verhungern oder entfliehen mußRegem oportet vel fame deficere, vel aufugere.  Marthene thesaur. II, 136-139, 172, 179.! Möchte doch das apulische Reich lieber nicht in der Welt seyn! Möchte doch der Graf die Unternehmung lieber von sich gewiesen, als auf so klägliche Weise begonnen haben! Desungeachtet halten sich viele immer nur an den Papst und rufen: »»vorwärts, gieb, 502 {12365} hilf!«« – Kann man denn etwa vom Winde lebenNumquid etiam de vento creditur posse vivere?  Martene thesaur. II, 178, 180-219. u. s. w.? Unehrbare Mittel wollen wir nun einmal nicht anwenden, und halten manches für unehrbar, was andern erlaubt scheint. Nirgends thun sich die Hände milder Geber auf, und Erpressungen verschmähen wir. Die Gefahr der Unternehmung, die Folgen des etwa unglücklichen Ausgangs theilen wir mit jedem; uns allein würden aber außerdem Gewissensbisse ängstigen und ewige Schande treffen, wenn wir (nach dem Verlangen so vieler) alles Gut der Kirche vergeuden und sie in jämmerliche Armuth stürzen wollten.« Dreimal schrieb der Papst vergebens an Ludwig IXTernam repulsam invenimus, schreibt Klemens Martene thesaur. II, 219, 267.  Cod. msc. Vatic. No. 3977, p. 8.  Epist. ad reg. Franc. ep. 36-38.; dieser wollte schlechterdings mit der ganzen Unternehmung nichts zu thun haben, und zürnte seinem Bruder überdies wegen einer willkürlich eingeführten, auch die französischen Unterthanen treffenden Salzabgabe.

Als König Manfred die Nachricht von Karls Landung vernahm, erschrak er sehr und zürnte heftig über seinen Flottenführer; welcher indeß zur Rechtfertigung angab: daß ein gewaltiger Sturm ihn gezwungen habe die hohe See zu suchen, und es überhaupt fast unmöglich sey, eine Landung auf der sich weit hinstreckenden Küste Italiens zu verhindern. Als dagegen später die Kunde über jene traurige Lage Karls nach Neapel kam, erneute sich der Muth, und Manfred besetzte alle Bergpässe, welche aus seinem Reiche in den Kirchenstaat führenMartene thesaur. II, 166.  Saba Malasp. II, 19.. Eine förmliche Belagerung Roms schien ihm indeß nicht rathsam und würde seine, für die letzte Entscheidung aufzubewahrende Macht wahrscheinlich ohne Erfolg geschwächt, und ihn mit den belästigten Einwohnern des Kirchenstaates verfeindet haben. Wichtiger war es die Gemüther, als das Land zu gewinnen; und gründliche 503 {1265} Darstellungen, freundliche Bitten und große Geschenke wirkten in allen Theilen Italiens nicht ohne Erfolg zu demselben Zwecke. Hiedurch sollten, das hoffte Manfred, die schweren Gewitterwolken zerstreut werden, welche sich im Norden sammelten und über ihn loszubrechen drohten. – Alles kam nämlich darauf an, ob das in der Provence gebildete französische Heer nach der Lombardei vorrücken und wie man es daselbst empfangen würde!

Um die hierauf Bezug habenden Ereignisse zu verstehen, müssen wir kurz das Wichtigste erzählen, was seit Ezelins Tode im nördlichen Italien geschah; woraus sich unter anderem auch ergeben wird, daß, wie gesagt, der Sturz dieses Tyrannen so wenig sichern Frieden und geordnete Freiheit herbeiführte, als das frühere Sinken der kaiserlichen Macht.

Venedig nahm geringen Theil an den Angelegenheiten des festen Landes, da es noch immer im Kriege mit Genua begriffen und außerdem beschäftigt war seine, durch die Zerstörung des lateinischen Kaiserthums unterbrochenen, Handelsverhältnisse wieder anzuknüpfen. Im Jahre 1265 schlossen die Venetianer mit dem Kaiser Michael Paläologus einen Vertrag auf fünf JahreNavagiero 1000., wonach sie ihre Besitzungen behielten, frei nach dem griechischen Reiche handeln durften, und über Gerichtsbarkeit, Freilassung der Gefangenen u. a. m. vortheilhaftes ausbedungen wurde. Nur der Alleinhandel kam nicht wieder in ihre Hände, sondern die Genueser blieben, als ältere Verbündete des Kaisers, in dem Besitze der ihnen bewilligten noch größeren Vorrechte. Im allgemeinen wollte Paläologus, daß beide Freistaaten sich das Gleichgewicht halten möchten, um so allen aus einseitiger Übermacht entstehenden Gefahren zu begegnen. Diese Lage der Dinge führte in Venedig zu ungewöhnlichen Anstrengungen und SteuernMan hatte die Abgabe vom Mahlen des Getreides erhöht.  Molituram frumenti, la macina.  Es beruhigte, als mehre aus dem Volke in den großen Rath aufgenommen wurden.; indeß wurde das sich hieran reihende Mißvergnügen leicht 504 {1265} beseitigt, während ähnliche Übel in Genua eine weit gefährlichere Höhe erreichten. – Bokkanegra, der Hauptmann des Volkes, mehrte seine Gewalt so über alles gebührliche Maaß, daß er dem Podesta, den Konsuln und allen Edeln nach Willkür befahl, die Beschlüsse des größern Rathes verachtete, öffentliche Bedienungen eigenmächtig besetzte, die Rechtspflege störte und Bündnisse ohne Rückfrage schloßBarthol. ann. zu 1262–1264.. Hiefür ward er allen Bessern verhaßt, und bloß der geringere Haufe (welcher nur zu oft in einer übermüthigen Behandlung jener seine eigene Freiheit zu erkennen wähnt) blieb ihm geneigt. Dennoch erlag er im Jahre 1262 seinen Gegnern, woraus aber nicht Ruhe und Ordnung, sondern Parteiung der mächtigsten Familien hervorging: die Grimaldi standen auf einer, die Fiesko, Doria und Spinola auf der andern Seite. Durch die Formen der neu geordneten Verfassung ließ sich Obertus Spinola nicht abhalten, unter dem Namen eines Volkshauptmannes mit Hülfe des Pöbels (eben so wie vorher Bokkanegra) seine Willkür an die Stelle aller Obrigkeiten zu setzen. Erst nach manchen Verwirrungen und Freveln ward er im Jahre 1265 von seinen Gegnern zu einem Vergleiche genöthigt, welcher indeß so wenig lange hielt, als unzählige frühere.

In Verona blieb nach Ezelins Falle, der von ihm gegebenen Verfassung zufolge, die Übermacht nicht bei dem Adel, sondern bei dem VolkeCereta zu 1261–1264.  Carli Verona III, 337.  Joh. de Mussis 596.; aber es fehlte in dieser Volksherrschaft keineswegs an argen Mißbräuchen, bis, wie fast allemal, Einer Herr aller wurde. Martinus della Skala vertrieb im Jahre 1263 den Grafen S. Bonifaz und alle Guelfen aus der Stadt und wußte, klüger und gemäßigter als Ezelin, die Obergewalt trotz aller Gegenversuche zu behaupten und auf seine Nachkommen zu vererben. 505 {1265} Dieser Übergang aus häufigem nachtheiligem Wechsel zu erblicher Herrschaft einer einheimischen Familie, wäre dem Beharren auf der alten Bahn noch öfter vorzuziehn gewesen, wenn nicht die Emporkömmlinge, beim Mangel alles eigentlichen Rechtstitels, in der Regel allein der Gewalt vertraut und alle die Formen der Verfassungen aufgelöset hätten, in denen man früher so lang alleinige Hülfe suchteSiehe hierüber den Abschnitt in den Alterthümern über die Verfassung der italienischen Städte..

Ähnliches bereitete sich, nur auf mehren Umwegen, in Mailand vor. Nach Ezelins Tode wurden die vertriebenen Adlichen nicht zurückberufen; sondern Martinus della Torre suchte sich und die Volkspartei im alleinigen Besitze der Regierung zu erhalten, bis wachsende Gefahren ihm nur die Wahl ließen, sich mit jenen zu vertragen, oder durch fremde Hülfe zu verstärken. So groß war der Haß gegen ursprüngliche Mitbürger, daß Martinus, den ersten löblichen Ausweg verschmähend, Palavicini den Herrn von Cremona, im November 1259 auf fünf Jahre zum Oberhaupte von Mailand erwählte, und ihm für seinen kriegerischen Schutz eine jährliche Belohnung von 5000 Pfund zusichern ließJohann. de Mussis zu 1259.  Galvan. Flamma 295.. – Um Ezelins wilde Tyrannei zu brechen, hatte sich Palavicini allerdings den Guelfen angeschlossen: sonst aber stand er, seiner Überzeugung nach und seines Vortheils wegen, innerlich auf der Seite der Ghibellinen. Dem gemäß, – und selbst im Einverständnisse mit Martinus, welcher dem Papste zürnte, weil er seinen Bruder Raymund nicht als Erzbischof von Mailand bestätigen wollte –, hörten in dieser Stadt nicht bloß alle Verfolgungen der Ketzer aufMedio. ann.  Tiraboschi stor. d. Lett. IV, 143.; sondern sie durften sogar ihre Ansichten durch Schulen und besondere Lehrstühle verbreiten. Geistliche, welche dem widersprachen und die frühere Strenge geltend machen wollten, wurden verjagt und ihre Güter eingezogen. Aus gleicher Ansicht ging der schon 506 1260 bis 1265} obenSeite 451. erwähnte Bund mit Manfred hervor; und statt des nach Ezelins Tode erwarteten Untergangs aller Ghibellinen in der Lombardei, sah man (fast unbegreiflich) das mächtige seit undenklichen Zeiten guelfische Mailand an ihrer Spitze! Hieraus entsprangen natürlich in den nächsten Jahren mannigfache Fehden, welche jedoch im ganzen für Palavicini glücklich ausfielen, solange er mit den Torre einig blieb. Und diese wurden wiederum zu jenem hingedrängt, weil der Papst den Otto Viskonti, aus einer ihnen feindlichen, dem Adel anhangenden Familie, zum Erzbischof von Mailand erhoben, und sie wegen ihres Benehmens wider die Geistlichen und Ketzer gebannt hatte.

Mithin verbanden sich eigentlich, – ein neuer Beweis von willkürlicher Unbestimmtheit der Parteien –, der Papst und die Geistlichen mit dem Adel und den alten Ghibellinen gegen das guelfische Volk und die Torre. Martinus, päpstlicher wie kaiserlicher Übermacht abgeneigt, hätte um diese Zeit wahrscheinlich am liebsten Adel und Bürgerschaft ausgesöhnt, und alsdann das Ganze statt der Hälfte geleitet, (wenigstens widersprach er mit Recht dem grausamen VorschlageMediol. ann. zu 1261 und 1262., die im Kriege gefangenen mailändischen Edelleute hinzurichten): aber der Tod übereilte ihn vor Ausführung weiterer Plane am 18ten December 1263Diesen Tag nimmt Murat ann. an, die Annal. Mediol. nennen den 18ten Januar 1263 (oder 1264?).. – Palavicini, welcher zeither nur durch die höchste Geschicklichkeit seine schwierige Stellung zu den Torres behaupten, die Spannung mildern und den Argwohn beschwichtigen konnte, hoffte jetzo seinen Einfluß auszudehnen: aber Philipp Torre, Martins Bruder und Nachfolger, gewann so die Oberhand, daß Palavicini genöthigt wurde, nach Ablauf des mit ihm geschlossenen Vertrages, im Jahre 1264 Mailand zu verlassenPlacent. chron. mscr.  Mediol. ann. zu 1264..

Aus diesem Ereignisse folgte eine allgemeinere 507 {1260bis 1265} Umstellung der Parteien. Der ghibellinische Adel schloß sich wieder an Palavicini an; Mailand hingegen söhnte sich zwar noch nicht völlig mit der Kirche aus, neigte sich aber um so mehr zu den Guelfen, weil Gerüchte über die baldige Ankunft eines französischen Heeres deren Muth und Einfluß erhöhten. Daher entstanden im Jahre 1264 Unruhen in Mantua, daher wurden die Ghibellinen aus Vicenza, Modena und Reggio vertriebenMaffei annal. zu 1264, S. 616  Smeregus zu 1262, 1265..

Sehr thätig war bei all diesen Bewegungen der Markgraf Azzo von EsteFerrar. chron. 486.  Monach. Patav. 718.  Bonon. hist. misc. und Griffò 1264l, und nach dessen Tode (er starb am 17ten Februar 1264) blieb sein Enkel und Nachfolger Obizzo nicht allein gleich seinen Vorfahren der Kirche getreu, sondern hatte als Gemahl von Jakomina Fiesko, einer Nichte Papst Innocenz des vierten, dazu eine neue Veranlassung. Am sechsten August 1265 schloß er mit Karl von Anjou ein BündnißMurat. antiq. Estens. II, 26-29.  Dumont I, 222., welchem auch der mächtige Graf Ludwig für sich und die Stadt Mantua beitrat. Das französische Heer (dahin ging der Hauptinhalt) solle frei durch die Lombardei ziehen, Manfred, Palavicini und Boso von Doaria (der jetzige Herr von Cremona) aus allen Kräften bekriegt, und von keinem einzelnen Theilnehmer ein besonderer Friede geschlossen werdenIm Mai 1264. Ventura c. 6.  Murat. annal. zu 1264.  Benev. di S. Georg. 390.. Schon früher hatte sich der Markgraf von Montferrat zu einem ähnlichen Vergleiche bereit finden lassen, und außerdem durfte Karl, mit mehr oder weniger Bestimmtheit, wo nicht zu seinen Freunden, doch zu den Parteilosen zählen: Savoyen, Genua, Bergamo, Lodi, Mailand, Novara und BresciaMurat. antiq. Est. II, 26-29.. Hiezu kam, daß die von gefährlichen Nachbarn bedrängten Orte, Alba, Kunco, Monteviko, Piano und Chierasko, sich bereits im 508 {1265} Jahre 1259 in seinen Schutz begebenBarthol. annal. zu 1259., und dadurch die Alpenpässe nach Piemont geöffnet hatten.

Die Ghibellinen konnten sich über die Lage der Dinge nicht länger täuschen. Insbesondere suchte Palavicini, der angesehenste und tüchtigste unter ihnen, zu beweisen: »wie nöthig es sey, daß sich alle, der frühern Streitigkeiten vergessend, gegen die neue und größere Gefahr verbänden: denn sobald es den Franzosen einmal gelungen sey, sich wie ein verheerender Strom von den Alpen herab über das schöne Land zu ergießen, so dürfte Hoffnung und Begier zu steten Wiederholungen anreizen, und statt der Deutschen und des Kaisers (welche man ungeachtet ihres bessern Anrechts, wegen der Einmischung in die italienischen Angelegenheiten so oft verwünsche) würde sich jenes Volk herandrängen, leichtsinniger, unbesonnener und eigennütziger, es würde das größere Übel an die Stelle des kleineren treten, und Italien in den Kämpfen zwischen Deutschen und Franzosen zu Grunde gehn oder beiden dienen!« – Wer aber hatte Augen zu sehen, Ohren zu hören?

Vergeblich schrieb Palavicini halb bittend, halb drohend an König Ludwig IX: er möge seinen Bruder von einem Einfall auf das nördliche Italien abhalten; vergeblich hoffte er, die Armuth Karls und seiner Ritter werde, wie so lange, so für immer die Rüstung eines Heers unmöglich machen. Der päpstliche Gesandte vertheilteVelly V, 374., des endlosen Zögerns ungeduldig und selbst im Widerspruch mit päpstlichen Befehlen, den Ertrag des geistlichen Zehnten zur Bestreitung, wenigstens der unerläßlichen Ausgaben; denn im übrigen waren alle entschlossen auf Kosten Italiens zu leben. In dem, größtentheils wie zu einer heiligen Unternehmung mit dem Kreuze bezeichneten, Heere befanden sich Guido von Mello Bischof von Auxerre, Robert von Bethüne ältester Sohn des Grafen von Flandern und Schwiegersohn Karls, Burkard Graf von Vendome, Johann 509 {1265} Graf von Soissons, Guido Marschall von Mirepoir, Philipp und Guido von Montfort und viele andere Ritter und EdleVie de S. Louis, mscr. fol. 54.  Descr. vitae Caroli 834.  Guil. Nang. 374.  Math. Paris 673..

Im Junius 1265 zog das Heer über den Col di Tenda und andere Bergpässe nach Piemont hinabCosta I, 161.; ungehindert, denn die alten Parteien standen in einem solchen Gleichgewichte, daß keine irgend Kraft zu außerordentlichen Zwecken frei und übrig behielt, daß jede durch ein Auftreten außerordentlicher Feinde unbezweifelt zur schwächern wurde. – Die piemontesischen Städte welche noch nicht in Karls Schutze waren, bezahlten jetzt seine Gunst; der Markgraf von Saluzzo wurde sein Lehnsmann; die Lancia, Manfreds Verwandte und sonst angesehen in diesen Gegenden, konnten nicht einmal versuchen einer solchen Macht zu widerstehenHahn bullae Pontif. 48-50, hat ein Schreiben, welches vermuthen ließe, die Lancia wären nicht immer einig mit Manfred gewesen. – 1262 stand Alessandria noch auf dessen Seite.  Moriondus I, Urk. 227.. In Asti vereinigte der Graf von Montferrat seine Mannschaft mit den Franzosen, und Abgeordnete gingen nach Genua mit dem Auftrage: sie sollten die Stadt wo möglich für Karl gewinnen, Hülfe gegen Manfred auswirken und Antheil an dem Eroberten versprechenPignoli zu 1264–1265.. Die Genueser waren jedoch abgeneigt, sich in entfernte Unternehmungen einzulassen und für Karl oder Manfred aufzuopfern: sie antworteten höflich ablehnend, wodurch indeß die Franzosen schon viel gewannen, weil ihnen kein mächtiger Feind im Rücken blieb. Vercelli ward hierauf mit Gewalt eingenommen, der Übergang über die Sesia erzwungen und manche Burg im Novaresischen zerstört. Am Ticino harrte das französische Heer der Vorkehrungen zu freiem Übergang und Durchzug, welche, wie es hieß, Mailand bereits vorläufig versprochen hatteDescript. vict. Caroli 835.  Estense chron. zu 1265.  Bonon. hist. misc.  Monach. Patav. 725..

510 {1265} Allein von Ansichten, Bedenklichkeiten und Parteiungen mancher Art bewegt, zögerten Bürger und Obrigkeit eilf Tage lang, ohne sich für oder wider die Franzosen zu erklären; – da zogen diese ohne weitere Anfrage vorwärts. Palavicini, solchen Ausgang vielleicht vorahnend, hatte alle Macht der Ghibellinen bei Soncino am Oglio aufgestellt und hoffte, – auf der linken Seite durch Cremona, auf der rechten durch Brescia gedeckt –, die Franzosen hier, wo nicht zu besiegen, doch lange aufzuhalten. Allein Boso von Doaria, durch Aussichten künftiges Gewinnes verblendet, oder auf ganz gemeine Weise durch Geld bestochenMalespini 177-178.  Villani VII, 4.  Dante inferno XXXII.  Denina XIII, 2., hinderte mit scheinbar ehrlichem, der Wahrheit nach aber treulosem Rathe jede kräftige Maaßregel, und unterrichtete die Franzosen von allem für sie vortheilhaften. Daher ging die Zeit hier ungenützt verlorenMaffei annal. 618.  Descr. vict. Carl. 835.  Memor. Regiens. 1124.  Murat. antiq. Estens. II, 26-29., bis sich, unter thätiger Mitwirkung eines päpstlichen Bevollmächtigten und des Markgrafen von Este, im Rücken der Ghibellinen bei Mantua eine bedeutende guelfische Macht gesammelt hatte. Nunmehr zogen die Franzosen, wahrscheinlich nach Bosos verrätherischer WeisungDoch muß man zweifeln, daß die Ghibellinen, wenn auch kein Verrath eingetreten wäre, lange würden die Franzosen aufgehalten haben., oberhalb Soncino bei Pallazolo ungehindert über den Strom, und eroberten in raschem Anlaufe mehre für unersteiglich gehaltene Burgen. Gleichzeitig drangen die Guelfen von Mantua aus gen Kastiglione vor: und so von allen Seiten bedroht, ja fast umringt, mußte es Palavicini für ein Glück halten, daß ihm und den Ghibellinen der Rückzug nach Cremona frei blieb. Erst später ward Bosos schändliches Benehmen offenbar und gestraft: Dante hat ihn in der Hölle den Verräthern zugesellt.

511 {1265} Durch diese Ereignisse und die Vereinigung der Franzosen mit den Guelfen war der Weg bis Rom eröffnet. Über Parma, Ferrara, BolognaÜber die innern Unruhen Bolognas zu sprechen, fehlt es an Raum. Siehe Griffò, Bonon. hist. misc. zu diesen Jahren. (nur das ghibellinische Tuscien vermeidend) erreichten die Franzosen um Weihnachten 1265 jene Stadt. Niemand war hierüber mehr erfreut, als Karl: denn den ganzen Sommer und Herbst hatte er, wegen Mangel an Gelde und Mannschaft, in den traurigsten Umständen und, wie wir sahen, im steten Mißverhältnisse zum Papste verlebt.

Und auch jetzt waren mit den Nachrichten, über die Fortschritte der Franzosen Berichte eingelaufen, welche neue Sorgen und Zweifel erzeugen mußten. Überall nämlich hatten jene nach Willkür Schatzungen eingetriebenMalvec. 941.  Fano zahlte z. B. 1500 Silberliren.  Amiani I, 215. und Kirchen und Geistliche keineswegs verschont, sondern wohl am strengsten und übermüthigsten behandelt. Aller Orten klagte man über Raub, Plünderung, Mord und Brand. Wurden doch, weil man in Kavrioli einen Soldaten Karls, ungewiß warum, aufgehängt hatte, bei der Eroberung des Orts ohne Ausnahme alle Bewohner, Männer, Weiber und Kinder umgebrachtAlferius zu 1161.  Memor. Regiens. 1124.  Tam viri, quam mulieres et pueri.  Salimbeni 406.! Mit Recht erschrak Klemens über diese und ähnliche, von guelfischen Schriftstellern bestätigte Frevel und schrieb dem GrafenMartene thesaur. II, 106.: er möge, als angeblicher Vertheidiger der Kirche, nicht so gräulichen Anstoß geben, sondern dem Übel, damit sich die Zahl seiner Feinde nicht mehre, ernstlich steuern.

Trotz dieser Ermahnungen wurden viele Unbilden solcher Art, selbst nach der Ankunft der Franzosen in Rom, verübt: denn alle waren arm und erschöpft durch die 512 {1265} Anstrengungen des langen ZugesSaba Malaspina II, 23 sq.  Descr. vict. Caroli 837., rauh und heftig in Worten und Thaten, abgeneigt und ungeschickt Gemüther zu gewinnen, oder neue Verbindungen anzuknüpfen. In dieser Lage drangen manche auf schnellen Krieg: damit man sich durch ernste Thaten über die Noth des Tages erhebe, oder die drückende Armuth auf ehrbarem Wege in Reichthum verwandele. – Die meisten fingen dagegen an, ohne Scheu zu stehlen und zu raubenSaba Malaspina II, 23 sq. u. III, 1.. Und das Geld, welches einige römische Kaufleute dem Grafen für die Zusicherung ansehnlicher Handelsvortheile im apulischen Reiche darliehen, wurde schwerlich von ihm verwendet, die ärgste Noth zu lindern und den frevelhaften Ausschweifungen vorzubeugen.

Höchst wichtig erschien es dem Grafen, daß der Papst ihn jetzt zum Könige von Neapel kröne; bisher war nämlich Klemens diesem Antrage mit gar vielen, theils aufrichtigen, theils gesuchten Gründen ausgewichen. Zuerst antwortete er dem Bittenden: in der Hitze des Sommers möge er sich nicht nach dem ungesunden Rom begebenMartene thes. II, 154-164.; dann entschuldigte er sich mit der Unsicherheit der Wege; hierauf lud er Karln zur Krönung nach Perugia ein, fügte aber hinzu: wenn er sich gegen Manfreds Vorkehrungen und andere Feinde nicht ganz sicher wisse, oder sicher stellen könne, so dürfte es besser seyn die Reise auszusetzen. Karl entgegneteMartene thes. II, 252.  Cod. Vatican. 3977, p. 6.  Malespini 177.: die Römer würden, sofern er sich außerhalb Rom krönen lasse, einen gewaltigen Lerm erheben; worauf indeß der Papst noch am 20sten Dezember 1265 ganz ruhig antwortete: darüber stehe jenen gar kein Urtheil und keine Mitrede zu. – Klemens wollte sich keineswegs in die Hände der Wankelmüthigen und Leidenschaftlichen geben, er wollte 513 {1266} (und dies war, ob er ihn gleich verschwieg, wohl der wichtigste Grund) den Grafen nicht krönen, solange dieser in so kläglichen Umständen war und der Ausgang so ungewiß erschien. Jetzt, nach Ankunft des französischen Heeres, wurde Karls Andringen heftiger und der Grund der Weigerung geringer; dennoch übernahm der Papst die Krönung nicht selbst, sondern bevollmächtigte dazu fünf Kardinäle, welche Karln endlich am sechsten Januar 1266, nebst seiner Gemahlinn Beatrix feierlichst und unter lautem Beifalle des Volkes kröntenVenture l. c.  Pappenh. zu 1266.  Guil. de Podio 49.  Desc. victor. Caroli 837.  Vitae Pontif. 595.  Baron. de mon. Sicil. 358.  Spinelli zu 1266.  Villani VII, 5.. Um seine fromme Dankbarkeit zu zeigen, versprach Karl jährlich der vatikanischen Kirche funfzig Unzen Goldes: wie wenig er aber in diesem Augenblicke wirklich etwas geben konnte, beweisen seine ungestümen Geldforderungen an den Papst und dessen Antworten. »Ich besitze,« so schrieb ihm dieserRaynald §. 9., »weder goldene Berge, noch goldene Flüsse und begreife nicht, wie du, nachdem ich alles mögliche für dich gethan habe, nachdem alle Kräfte erschöpft, alle Kaufleute ermüdet und verdrießlich sind, mich auf solche Weise noch weiter belästigen kannst; – wenn du anders nicht etwa verlangst, daß ich Wunder thun und Erde und Steine in Gold verwandeln soll!« Diese Mißstimmung zwischen Karl und Klemens giebt sich noch mehr in andern Briefen des letzten kund, worin es heißtMartene thesaur. II, 264: »die Ausrede, daß du die täglich vorfallenden Frevel nicht anbefohlen habest, ist bei deiner Pflicht sie zu verhindern und zu bestrafen, durchaus unzureichend. Auch erscheint vieles, was du unleugbar selbst anordnest und durch das Beispiel früherer Senatoren rechtfertigen willst, schlechthin verwerflich, und wir wollen solch Verfahren keineswegs länger dulden, oder die Klagen überhören, welche von Kirchen, Baronen, Rittern und Gemeinen über das in der That nicht geringe Unrecht ergehenMartene thesaur. II, 267, das du von deiner 514 {1266} Heimath an bis hieher gegen alle geübt hast. Du sollst wissen, daß wir dich nicht beriefen, damit du die Verkehrtheiten anderer nachahmest und die Rechte der Kirche an dich reißest, sondern dich mit deinem Rechte begnügest, und zunächst und vor allen die römische Kirche, dann aber auch jede andere schützest und vertheidigest.«

»Wenn ein Fürst (so schreibt KlemensSchreiben vom 11ten Januar 1266.  Raynald §. 7. in einem andern Briefe) zum Kriege ausziehen will, muß er auf jede Weise den Frieden im eigenen Lande sichern, damit keine heimische Fehde ihn überrasche und den äußern Feinden verächtlich mache. Unter allen innern Fehden ist aber die innerlichste und gefährlichste, welche allein vor Gottes Augen geführt wird: wenn das böse Gewissen ängstet, martert, zu Boden wirft und die Ruhe und Kraft des Gemüthes vernichtet.«

Warnungen und Vorwürfe solcher Art, Erinnerungen an Eid und Pflicht scheinen auf den ob des neuen Königthums stolzen Grafen keinen Eindruck gemacht zu haben; weshalb Klemens, geängstet über seine und der Kirche StellungMartene thes. II, 279., noch am 21sten Februar den Kardinälen die Frage vorlegte: »ob nicht die Kirche mit Manfred wegen seiner Aussöhnung als Ketzer weiter verhandeln solle?« – Was hätte sich nicht an diese Verhandlung knüpfen lassen! – Aber es war zu spät: nur sechs Tage jünger, vom 27sten Februar 1266, ist der Bericht Karls an den Papst über die Schlacht bei Benevent!

Die hier entwickelten geheimern VerhältnisseSavioli III, 2, 747, 748. erschienen, obgleich Klemens öffentlich auf alle Weise für Karl sprach und wirkte, diesem doch sehr bedenklich und drängten, nicht minder als die äußere Noth, zu einer schnellen Entscheidung. Das Heer, sagt ein guelfischer SchriftstellerSaba Malaspina III, 3., mußte Rom verlassen, weil es nicht hungern konnte, weil Mangel an Kriegsbedürfnissen, an Gelde, ja an allen Dingen es 515 {1266} vorwärts trieb. Nachdem Karl sich mit mehren römischen Ghibellinen ausgesöhnt, das Kreuz wiederholt genommen und von den Kardinälen Vergebung seiner Sünden empfangen hatte, brach er in der zweiten Hälfte des Monats JanuarAcht Tage nach der Krönung, sagt die Descr. victor. Caroli 837; doch scheint die Frist bis zur Ankunft vor Rokka d'Arce am neunten Februar dann etwas sehr lang. (Vergl. Bonon. hist. misc.) Auch soll diese, was wahrscheinlicher ist, nur acht Tage nach dem Ausmarsche statt gefunden haben. gen Neapel auf.

Während des Sommers hatte Manfred durch mehre Einfälle in den Kirchenstaat seinen Gegner vergebens zu einer Schlacht gereiztRaynald zu 1265, §. 25.  Monach. Patav.  Camici zu 1264, S. 78.  Spinelli 1099.: denn außer der eigenen Einsicht hielten ihn bestimmte Warnungen des Papstes von jedem übereilten Wagstücke ab. Nachdem es dem französischen Heere gelungen war durch die Lombardei vorzudringen, verdoppelte sich unerwartet die Gefahr für Manfred, und er mußte aller Kriegführung im Kirchenstaate theils deshalb, theils aus dem Grunde entsagen, weil viele seiner Vasallen nicht Lust hatten, oder es nicht für ihre Pflicht hielten, länger außer Landes zu kämpfen. Auch schien es, hievon abgesehen, dem Könige am leichtesten und rathsamsten, daß er seine Macht hinter der gewaltigen Bergreihe aufstelle, welche sich von dem adriatischen Meere bis Terracina und die pontinischen Sümpfe hinstreckt und den Kirchenstaat vom Neapolitanischen so scheidet, daß, wenige Pässe ausgenommen, ein Übergang mit Heeresmacht schlechthin unmöglich scheint. Nur gegen zwei dieser Pässe konnte sich Karl wenden: entweder über Tivoli und Vikovaro zu dem von Tagliakozzo; oder über Frosinone nach Ceperano am Flusse Garigliano. Manfred hatte mit großer Thätigkeit für die Sicherung beider Stellen, besonders der letzten gesorgt, weil man aus mehren Gründen vermuthen mußte, 516 {1266} daß die Franzosen hier angreifen würdenSobald Manfred seine Mannschaft aus der Mark Ankona herauszog, nahm ein päpstlicher Abgeordneter die Städte in Besitz.  Baldassini 76.  Camici zu 1364, S. 78.. Um indeß mildere Auswege jetzt so wenig bei Karl unversucht zu lassen, als früher bei dem Papste, schickte Manfred Abgeordnete nach Rom, um mit jenem über einen für beide Theile annehmlichen Frieden zu unterhandeln. Der neue König gab aber, ganz seiner Weise gemäß, zur Antwort: »saget dem Sultan von Nocera, ich werde ihn zur Hölle senden, oder er mich zum HimmelMalespini 179.  Chron. mscr. No. 1836, in der bibl. Riccard.

Hierauf berief Manfred nach Benevent: alle Barone und Lehnsmannen seines Reichs, ferner Abgeordnete der Landschaften und wichtigsten Städte, endlich die Anführer des Heers und der deutschen Kriegsleute. Zu den Versammelten sprach erNach Saba Malaspina II, 21.:

»Ein Feuer, welches lang in der Ferne brannte, hat sich mit Blitzesschnelle genaht; eine Gefahr, die oft nur der Gegenstand überflüßiger Berathung zu seyn schien, droht uns zu verderben, wenn wir ihr nicht widerstehen mit höchster Anstrengung und Einigkeit! Jenes fremde Volk, das auf uns eindringt, herbeigerufen durch den, welcher aller Welt den Frieden vermitteln sollte, schmückt sich mit vielfachen Vorwänden geistlicher Zwecke und uneigennütziger Absichten: wer aber sähe nicht durch das Gewebe trügerischer Künsteleien hindurch, die wahren Triebfedern, Eigenschaften und Zwecke? – Ihr habt von der Milde des Königs von Frankreich und seiner Umgebungen gehört; glaubt nicht hier ähnliches zu finden: ein hartes Herz, ein finsterer Geist, ein unerbittliches Gemüth leitet diese Schaaren, und sie selbst stehen an Wildheit, an Geldgier, an Blutgier keineswegs hinter ihrem Führer zurück. Wähnt nicht, die ganze Unternehmung sey nur gegen meine Person gerichtet: 517 {1266} sie ist gerichtet gegen die Unschuld und das Recht. Wäre Karl von Anjou irgend verwandt mit den Hohenstaufen, wäre des Papstes Blick auf eine große neapolitanische oder sicilische Familie gefallen, so möchte sich noch ein scheinbarer Vorwand für die Unternehmung erklügeln lassen: jetzt aber sollt ihr, das ist der Zweck, aller Dankbarkeit gegen den großen Kaiser, meinen Vater, und gegen dessen ganzes Haus vergessen und euch, eines freien Volkes ganz unwürdig, jenen durchaus fremden Herrscher aufdringen lassen! – Glaubt nicht, daß ich, der König, allein könne gestürzt werden, ihr aber alle in Besitz und Würden ungefährdet bleiben: der eröffnete Thron wird kaum den ehrfüchtigen und geldgierigen Grafen von Anjou befriedigen; seine nicht minder ehr- und habsüchtigen Helfer und Helfershelfer wird er hingegen durch euren Untergang erheben wollen und müssen. Laßt euch nicht durch Versprechungen täuschen, sondern erkennt: daß jeder, der widerrechtlich einen Thron gewinnt, sich nur durch eine Partei erhalten kann und jede übertriebene Begünstigung bloß einer Partei nothwendig das Ganze ins Verderben stürzt. Laßt uns also für gemeinsamen Nutzen, für gemeinsames Recht, für gemeinsame Ehre dem Unrecht und den Freveln entgegentreten und aus aller Kraft dahin wirken: daß dies fremde, wildgierige Volk beim ersten Versuche für immer abgeschreckt werde, selbständige Könige, Reiche und Völker des schönen Italiens nach sündhafter Willkür zu behandeln.«

So sprach Manfred warnend und weissagend; und alle schienen eines Sinnes und begeistert zu seyn für die Vertheidigung ihres Vaterlandes und ihres Königs. In der That aber waren weit mehr Gründe zu Besorgnissen vorhanden, als dieser selbst glaubte oder in seinen Worten andeutete. Schreiben des Papstes und des Grafen von AnjouSaba Malaspina II, 22. wurden insgeheim angesehenen Baronen und Prälaten durch Abgeordnete überbracht und den dringenden 518 {1266} Aufforderungen zum Abfall lockende Versprechungen hinzugefügt. Bei einigen überwog diese eigennützige Aussicht jeden durch Manfred erweckten edleren Vorsatz; andere meinten, dessen zweifelhaftes Recht stehe dem Ausspruche der Kirche nach; noch andere waren geneigt, in jeder Veränderung eine Besserung zu sehen; viele endlich, – denn der unentschlossenen Gemüther ist immer die größte Zahl –, blieben ganz unthätig und vergaßen, daß nur derjenige Zustand für gut zu achten sey, in welchem sie beharrten aus eigener Kraft.

So war die geheime Lage der Dinge, öffentlich dagegen keine Spur des besorglichen Übels. Aller Orten zeigte sich Manfred und that, was in seinen Kräften stand: die Brücke über den Garigliano bei dem wichtigen Engpasse von Ceperano deckten mit auserlesener Mannschaft der Oheim des Königs, Graf Jordanus Lancia, und sein Schwager der Graf Richard von Kaserta; für das, die Gegend nächstdem schützende Bergschloß Arce hatte man nicht minder gesorgt; S. Germano, von der einen Seite durch Berge, von der andern durch Moräste eingeschlossen und vermöge seiner Lage bei weitem der wichtigste OrtMalespini 179.  Pecorone II, 193., zählte eine Besatzung von mehren tausend Mann und war mit Lebensmitteln und allen Bedürfnissen auf zwei Jahre versehen. Hinter diesen Pässen und Festungen stellte endlich Manfred sein Heer auf, damit er, überall wo es Noth thue, zu Hülfe eilen könne. Daß dies Heer noch nicht vollzählig war, lag nicht an ihm, sondern an dem langsamen Gehorchen der Berufenen. Doch liegt die Frage nahe: warum er nicht mit der versammelten Mannschaft weiter, bis zur Gränze vorrückte? Wahrscheinlich weil er die gegen jede Überzahl leicht zu vertheidigenden Stellen für hinreichend besetzt hielt; weil man ein Heer bequemer in den Ebenen um Kapua verpflegen und einlagern kann; weil die Straße über Fondi, welche nicht ganz unberücksichtigt bleiben durfte, vielleicht nur durch eine mehr rückwärts genommene Stellung 519 {1266} zugleich mit gedeckt werden konnte; weil er endlich diese Stellung den Regeln der Kriegskunst ganz angemessen halten mochteUnd noch jetzt billigen Kriegsverständige dies Verfahren.. Vermuthungen solcher Art über die Gründe seines Verfahrens heben jedoch eine andere nicht auf: daß Manfred den Angriff der Franzosen keineswegs so früh erwartet hatte.

Als diese von Frosinone her bei Ceperano anlangten und die nach allen Seiten sich thürmenden Felsen, den in der Tiefe rauschenden Strom und den schmalen Eingang zur Brücke so wohl befestigt als besetzt sahen, mochten sie erschrecken und sehr am Erfolge zweifeln: allein niederträchtiger Verrath, geschickt die Hülle besonnener Vorsicht annehmend, kam ihnen (aber wohl nicht dem Könige Karl) unerwartet zu Hülfe! – »Was nützt es uns,« sprach der Graf von Kaserta zu Jordanus Lancia, »daß wir die Brücke vertheidigen? Dabei bleibt die Macht der Franzosen ungeschwächt, der Krieg dauert ohne Ende, oder jene finden wohl gar anderwärts einen offenen Eingang in das Reich. Der Hauptzweck ist, sie zu vertilgen: wenn wir also einen Theil ihrer Mannschaft ruhig über die Brücke ziehen lassen und dann die Abgeschnittenen rasch angreifen, so wird keiner von ihnen dem Tode entgehen«Malespini 179.. – Ungeachtet mancher Zweifel, willigte Graf Jordanus endlich ein, im Vertrauen auf Richards Einsicht, oder ihm in streitigen Fällen zu gehorchen verpflichtetCostanzo 36.: als er aber, nachdem eine Abtheilung der Franzosen ungestört auf dem linken Ufer angekommen war, laut jener Verabredung angreifen wollte, behauptete der Graf von Kaserta: es wären ihrer schon zu viele und das Gefecht zu gefährlich! Er floh mit den seinen, der Paß war verloren!

Zur Erklärung dieses an sich fast unbegreiflichen Verrathes ist erzählt worden: »um die Zeit, als Graf Richard schon zur Deckung des Engpasses bei Ceperano stand, 520 {1266} berichtete ihm ein Diener: seine Gemahlinn Violante lebe unterdeß mit König Manfred im Ehebruche. Der Graf, entschlossen seine Ehre zu wahren, schickte hierauf insgeheim einen Abgeordneten nach Rom und ließ, ohne jedoch Namen zu nennen, den Grafen von Anjou und die französischen Ritter befragen: ob in solchem Fall ein Lehnsmann seinem Lehnsherrn ungetreu werden dürfe? Nach Empfang der bejahenden Antwort willigte er in jenen Verrath.«

Zur Würdigung dieses Berichtes dient folgendes:

Erstens: ist er in solcher Umständlichkeit von gar keinem Schriftsteller jener Zeit beglaubigtCostanzo ein Schriftsteller des 16ten Jahrhunderts erzählt die Sage von der Gesandtschaft nach Rom u. s. w.  Malespini c. 179, erwähnt ganz kurz des Ehebruchs, und auf ähnliche Weise Bonon. hist. misc.  Anon. Ital. histor., sondern nur, ungewiß woher, von Munde zu Munde weiter getragen worden. Guelfische Schriftsteller erwähnen zwar jenes Mißverhältniß zwischen Manfred und dem Grafen, allein ohne nähere Erläuterung und nur als ein Gerücht, dem das zweite: der Graf sey von Karl mit Geld und Gut gewonnen worden, mit gleichem Gewichte gegenüber steht. Ghibellinische Schriftsteller endlich halten sich an die letzte, mit Übergehung der ersten Nachricht.

Zweitens: wäre es die thörichtste Übereilung, wenn Richard, ohne Rückfrage und Beweis, auf einseitige Aussage an die Schuld seiner Gattinn geglaubt; es wäre der sonderbarste Ausweg, wenn er, rathlos, bei den französischen Rittern Rath gesucht hätte!

Drittens: im Fall Manfred dergestalt am Grafen frevelte, so würde ihn, wenn auch nicht Tugend und Gewissen, doch Klugheit und Mißtrauen bestimmt haben, diesem keineswegs die Vertheidigung des wichtigsten Einganges in sein Reich anzuvertrauen.

Viertens: König Manfred war sehr streng in Bestrafung von Vergehen solcher ArtSiehe oben Seite 469. und lebte damals in zärtlicher, glücklicher Ehe mit der wunderschönen Helena.

521 {1266} Fünftens endlich: war Violante, des Grafen Frau, – die Schwester ManfredsPeter Vin. III, 61.  Salimbeni 206.! Und wenn auch leidenschaftliche Gegner das Unnatürlichste bei diesem Fürsten am glaublichsten finden, so sollte doch Geschwätz solcher Art nicht hinreichen, auch die verheirathete Tochter eines Kaisers kurzweg der Blutschande zu zeihen, oder in ekelhafter Entschuldigung Nothzucht der Blutschande hinzu zu gesellenAvea per forza giacuto etc. Malespini c. 179..

Aus diesen Gründen müssen wir den in seinem Zutrauen zum Grafen bitter getäuschten König für unschuldig erklären; wenn sich gleich nicht mit völliger Gewißheit ausmachen läßt, ob Argwohn, Ehrgeiz, Geldgier, Furcht, oder dies alles zusammen genommen, den Grafen zu jenem unnatürlichen Frevel verführte. Nur so viel läßt sich noch erläuternd beibringen: daß er schon zur Zeit Friedrichs II in den, wahrscheinlich nicht ungegründeten, Verdacht einer Verrätherei kamMartene coll. ampl. II, 1192.  Peter Vin. II, 53-58., und ein anderes Mal harte Vorwürfe über Mangel an Muth hören mußte.

Nach dem Falle von Ceperano drangen die Franzosen auf der Hauptstraße vorwärts bis Aquino; sie überraschten die solch Unglück und solchen Anfall gar nicht ahnende Besatzung von Arce, erstürmten die Burg und ernannten Ägidio Grosso, den Bruder des Papstes, zum BefehlshaberGrossi lettere II, 39..

Sowohl hier, als in allen Orten, welche von ihnen besetzt wurden, begingen sie theils aus Noth, theils aus Übermuth und Zuchtlosigkeit, die ärgsten GewaltthatenMutin. ann.  Malespini c. 179.  Villani VII, 6.  Saba Malaspina III, 4.. Zwischen den Fuhrleuten z. B., welche gezwungen wurden dem Heere das Belagerungszeug nachzuführen, und den zu ihrem Schutze mitgegebenen Söldnern kam es auf solche Veranlassung erst zu Streit, dann zu Schlägereien, wobei über hundert von jenen aus dem Platze blieben, alle übrigen 522 {1266} entflohen und Wagen und Kriegszeug stehen ließen. – Die Reiter und Fußgänger langten darum früher bei S. Germano an, dessen Besatzung Manfred noch sehr verstärkt, hiedurch aber vielleicht Veranlassung gegeben hatte, daß zwischen Saracenen und Christen höchst nachtheiliger Zwist entstand. Nur in Verspottung der Franzosen waren alle einig, und in der That erschien es thöricht, eine so liegende und so befestigte Stadt bloß mit Fußvolk und Reiterei einnehmen zu wollen. Jener Spott von den Mauern herab wurde von unten erwiedert, hiernächst folgten Steinwürfe, von Steinwürfen kam es zu Schlägereien zwischen französischen Pferdeknechten, welche sich beim Wasserholen vorwagten, und zwischen einzelnen Kriegern, welche aus der Feste herausgekommen warenVie de St. Louis, mscr. fol. 53.  Guil. Nang. 375.  Guiart. 148.. Von beiden Seiten eilten mehre ihren Landsleuten zu Hülfe, das Gefecht wurde gegen alle Erwartung immer allgemeiner und allgemeiner. In dieser Verwirrung vergaßen die sich zum Theil erst rüstenden Neapolitaner eine geöffnete Thür hinreichend zu besetzen; Burkard und Johann von Vendome gewahrten dieses, stürmten mit tapferen Begleitern hinan, gewannen den Eingang und pflanzten die französische Fahne an einer Stelle der Mauer auf. Das befeuerte die Angreifenden und erschreckte die Angegriffenen, so daß viele nur der Flucht gedachten und der übrige Theil der Besatzung, besonders die Saracenen, nach tapferem Widerstande und einem Verluste von mehr als 1000 Mann, endlich der Übermacht erliegen mußten. So ging S. Germano am 10ten Februar 1266 auf ähnliche Weise, wie Ceperano, verlorenMartene thes. II, 302.!

Ein allgemeiner Schrecken kam itzt über das ganze Land, und sowohl diejenigen, welche früher zu viel Selbstvertrauen besaßen, als die, welche zu kleinmüthig gefürchtet hatten, glaubten nur in der Ergebung Hülfe zu finden. Mehre Orte, darunter Gaeta und Montekassino, 523 {1266} geriethen in Karls Gewalt, der durch seine Beamten gleichzeitig die Huldigung einnehmen und mit höchster Strenge große Abgaben beitreiben ließWer nicht gleich zahlte, ward eingesperrt.  Gattula III, 353..

Diese raschen und ungeheuren Unfälle hatte Manfred nicht voraussehen, nicht zu Hülfe eilen können; anstatt aber dadurch die Besinnung zu verlieren, erhöhte sich seine Thätigkeit. Nachdem man vom Garigliano weggedrängt und jede Festung des vordern Landes in den Händen der Franzosen war, mußte die Vertheidigung der Linie des Vulturnus als Hauptzweck erscheinen. Deshalb vereinte Manfred sein Heer bei KapuaSaba Malaspina III, 5., welches stark befestigt, und wo insbesondere die Brücke über den Vulturnus durch zwei von Kaiser Friedrich II angelegte Thürme aufs vollkommenste gedeckt war. Sehr gern hätten sich die Franzosen hieher gewandt, um in der fruchtbaren Terra di Lavoro Erholung von Mangel aller Art zu finden: allein nirgends bot der angeschwollene Fluß gangbare Fuhrten, und ein Angriff jener Brücke selbst erschien den Führern, trotz des bisherigen Erfolgs, immer noch zu gewagt. Man solle, so riethen Einsichtige, diese furchtbare Stellung Manfreds durch Umgehen derselben ganz unnütz machen und ihn zwingen sie ohne Schwertstreich aufzugeben. Dem zufolge verließen die Franzosen S. Germano am 15ten FebruarDescript. vict. Car. 838 sq.  Trutta 376.  Martene thes. II, 284., gingen, sich links in das Innere des Landes wendend, bei Taliverno über den daselbst noch ganz kleinen Vulturnus und hofften nun durch die Grafschaft Molisi, über Alise und Telesia, leicht und noch vor ihren Gegnern in die Ebene von Benevent hinabzukommen.

Sobald Manfred hievon glaubhafte Nachricht erhielt, verließ er die jetzt allerdings unbedeutend gewordene Stellung bei Kapua und erreichte, rechts abziehend, mit seinem Heere Benevent vor den Franzosen. Denn so richtig deren 524 {1266} Beschluß, Manfred zu umgehen, auch nach den Regeln der Kriegskunst mochte gewesen seyn; so hatten sie sich doch von den örtlichen Verhältnissen zu wenig unterrichtet, oder die erhaltenen Nachrichten zu wenig beachtet. Anstatt nämlich rasch und leicht bis Benevent vorzudringen, konnten kaum die Fußgänger, wie viel weniger die Pferde in den bergigen, unwegsamen Gegenden von der Stelle kommenMalespini l. c.  Pecorone II, 197.. Alles Gepäck mußte zurückbleiben, Lebensmittel für Menschen und Futter für Pferde ließen sich weder in hinreichender Menge mitnehmen, noch mit Gewalt auftreiben; so daß manches Pferd aus Hunger umkam, manches aus Hunger verzehrt wurde. Und von solchen Tagen der höchsten Anstrengung und Noth konnte man sich nicht in bequemen Nachtlagern einigermaaßen erholen; sondern die Nächte des Februar mußten größtentheils unter freiem Himmel zugebracht werden. Ja, wäre statt der höchst günstigen die gewöhnliche Witterung dieser Jahrszeit eingetreten, jener zehntägige Zug der Franzosen würde noch weit länger gedauert und sie fast ganz aufgerieben habenCostanzo 39..

Am 26sten Februar 1266, als sie gegen Mittag den Gipfel eines vor ihnen liegenden Bergrückens erreicht hatten, erblickten sie auf einmal das Ziel ihrer mühsamen Wanderung, die Ebene von BeneventEstense chron.  Parmense chron.  Marangoni Memor. di Civit. 284.  Baluz. miscell. I, 442.  Guil. de Podio 49.  Sicil. chron. 32.; gleichzeitig aber auch das wohlgeordnete Heer König Manfreds. Sogleich wurde laut und mit großem Eifer verhandelt: ob man dasselbe ohne den geringsten Verzug angreifen, oder die Schlacht bis zum folgenden Morgen verschieben solle. Nicht wenige vertheidigten das letzte, weil Mittag schon vorüber und es thöricht sey, mit hungrigen und ermüdeten Menschen und Pferden Feinde anzugreifen, welche sich lange ausgeruht und reichlich gegessen hätten, welche zahlreicher und besser 525 {1266} gerüstet erschienen, als man nach den bisherigen Erfahrungen hätte vermuthen können. Noch mehre aber sprachen: »wir müssen auf der Stelle angreifen, denn heute haben wir doch noch etwas gegessen, morgen dagegen fehlen die Lebensmittel vielleicht ganz. Und wer darf überhaupt geordnete Feinde muthlos aus der Ferne beobachten? Ein plötzlicher Angriff wird sie überraschen, erschrecken und den Sieg erleichtern.« – Als man hiegegen noch einige Zweifel erhob, rief Giles le Brun (Konnetable von Frankreich und Erzieher des Grafen von Flandern): »thut ihr andern was ihr wollt; ich werde, und wäre ich auch ganz allein, im Namen der heiligen christlichen Kirche gewiß angreifen und mit ihrer Hülfe gewiß siegenGuil. Nang. 376.  Descript. vict. Caroli 842.  Villani VII, 7.

Als König Karl diesen mit Beifall aufgenommenen und von ihm sehr gebilligten Eifer sah, sprach er von einem Hügel zu den um sich VersammeltenSaba Malaspina III, 6.: »der Tag der Schlacht, welchen wir alle herbeiwünschten, ist endlich gekommen; wir müssen siegen oder sterben! Denn nur weil wir siegten, haben uns die Städte und Völker Italiens äußerlich ehrenvoll aufgenommen; werden wir besiegt, so bricht dagegen unfehlbar ihr innerer Haß und ihre gewohnte Treulosigkeit dergestalt hervor, daß keiner von uns den offenen Angriffen und den heimlichen Nachstellungen entgeht, kein einziger die ferne Heimath glücklich wieder erreicht. Besser also, wir sterben alle ehrenvoll und in derselben Stunde, als daß wir elendiglich und vereinzelt umkommen auf schmachvoller Flucht. Fürchtet eure Feinde nicht: bei Ceperano, bei S. Germano hätten wenige leicht einem ganzen Volke widerstehen können; da flohen sie feige, woher sollte ihnen nun jetzt der Muth kommen? Ihr seyd aus einem Volke, dessen Name in aller Welt furchtbar geworden ist und jedem fremden Volke als ein zermalmender Hammer erscheintEt est aussi comme mail du monde, en tout estrange peuple.  Vie de S. Louis, mscr. 55.; sie 526 {1266} dagegen sind weder eines Stammes, noch eines Landes. Wir fechten als gute Christen, begleitet vom Segen der Kirche, und für eine heilige Sache; sie sind nicht einmal desselben Glaubens, von Sünden zu Boden gedrückt und der Verdammniß bereits übergeben.«

Dieser Anrede folgten noch einige nähere Befehle des Königs über die Art und Weise zu fechten; hierauf gab er mehren den Ritterschlag als Belohnung für vollbrachte, als Ermunterung zu künftigen Thaten; endlich ertheilte der Bischof Guido von Auxerre, als päpstlicher Bevollmächtigter, feierlich allen die Lossprechung von ihren Sünden, sofern sie als Buße den Kampf mit den Feinden siegreich vollführtenMalespini c. 180.  Hist. episcop. Antissiod. in Labbé Bibl. II, 502.  Gallia christ. XII, 308..

Ebenmäßig fanden in Manfreds Heere Überlegungen statt, ob man sogleich schlagen müsse oder nicht. Unvortheilhaft erschien jenes, weil der König aus Apulien, Kalabrien und Sicilien noch Verstärkungen erwartete, und weil die Franzosen ohne Schwertstreich vor Hunger umkommen müßten, wenn man im Stande sey, sie nur noch ein Paar Tage in diesen Gegenden festzuhalten. – Für den Angriff sprach andererseits der schon erwähnte Umstand: daß der Kampf mit den jetzt Überraschten, Hungrigen und Ermüdeten leichter sey, als in irgend einem andern Augenblick, und daß man die Verwüstung des VaterlandesBoetio Aquilano 537.  Ferretus 947. ohne Schande nicht einen Tag länger dulden dürfe. Zu diesen, aus der Lage der Dinge hergenommenen Gründen kamen aber noch manche unreine und geheime; und man rieth zur Schlacht oder zum Aufschube, nicht bloß aus innerer Überzeugung, sondern je nachdem Eigennutz, Feigheit, oder schon beschlossener Verrath dabei seinen Vortheil zu finden schien. Insbesondere stellten mehre sich an, als erlaube ihnen ihre Vaterlandsliebe nicht, an den verkehrten Maaßregeln 527 {1266} Manfreds Theil zu nehmen, als sey es höhere Pflicht, ihre eigenen Besitzungen zu decken, als zürnten sie dem Könige, weil er die Schlacht lediglich auf den Rath eines Sterndeuters wünscheSaba Malaspina III, 8.! – Manfred war tiefbewegt, als er diese Erscheinungen bemerkte, welche zu vertilgen oder zu strafen über seine Kräfte ging; er mußte es erleben, daß einige ihm zur Treue Verpflichtete nicht bloß in Bezug auf den gegenwärtigen Augenblick, sondern ganz allgemein hin den Rath gaben: »er möge fliehen und seine Sache aufgebenBonon. hist. miscella.  Chron. mscr. No. 911, S. 214..« Da rief er in zornigem Schmerze: »lieber will ich heute hier sterben als König, denn fliehend und bettelnd als ein Elender in der Fremde umherirren!« Kalte Berechnung und Gemüthlosigkeit hatten indeß nicht ganz die Oberhand behalten, die Grafen Lancia, der Römer Theobald von Annibalis und mehre andere traten begeistert hervor und sprachen: »Herr, dein Leben ist unser Leben, dein Heil unser Heil, ohne dich wartet unser nur Schande und Elend. Für dich wollen wir kämpfen und siegen, oder sterben, sogleich in dieser Stunde!« Diesen Worten stimmten manche bei, welche den Verdacht, daß sie bei S. Germano übereilt geflohen wärenGuil. Nang. 375., von sich abwälzen wollten; Manfred endlich sehnte sich nach einem schnellen entscheidenden Ausgange. Er sprach zu den jetzo in größerer Zahl um ihn VersammeltenSaba Malaspina III, 6-8.:

»Unsere Feinde sind endlich erschienen, aber nicht an Kraft und Schönheit dem frühern Rufe entsprechend. Wie klein, wie abgemagert sind die Pferde; wie leicht muß der Sieg seyn, wenn wir ihnen keine Zeit lassen zur Erholung. Nur der erste Angriff der Franzosen ist heftig und furchtbar; finden sie unerwartet ausharrenden Widerstand, so verwandelt sich ihre Tollkühnheit in fast unglaubliche Feigheit. Und wir, deren Vorfahren so oft die Gallier schlugen, 528 {1266} sollten uns fürchten vor denselben Gegnern? Wir, zeither frei und unabhängig, sollten ihrer schnöden Tyrannei den Nacken beugen, oder von der Gnade dieser Fremden entehrende Lebensfristung erbetteln? Wahrlich dagegen wäre der Tod ein Gewinn und mannhaft wollen wir, wo nicht den Sieg erkämpfen, doch im Tode Befreiung finden.«

Unmittelbar nach diesen Worten ordnete Manfred sein Heer in drei Treffen. Das erste bestand aus 1200 deutschen ReiternMalaspina c. 280.  Rudolf von Habsburg, der im Jahre 1254 als Anhänger der Hohenstaufen war gebannt worden (Gerbert histor. nigrae silvae III, 160), lieh am 6ten April 1266 Geld in Bologna, und soll nach Savioli für Manfred gefochten haben.  Savioli III, 2, 749., auf deren Treue und Tapferkeit er sich am meisten verließ; an ihrer Spitze stand sein Oheim, Graf Galvan Lancia. Das zweite zählte etwa 1000 Reiter aus Tuscien und der Lombardei, und ward angeführt von seinem zweiten Oheime, dem Grafen Jordanus Lancia. Das dritte bildeten 1400 apulische und saracenische Reiter, an deren Spitze sich der König selbst stellte. Sein weit zahlreicheres Fußvolk und die, ihm vor allen zugethanen, mit Bogen bewaffneten Saracenen wurden auf ähnliche Weise vertheilt oder den Ritterschaaren zugeselltDescript. vict. Car. 847.  Tutini discorsi 41.. Die Franzosen schätzten die Stärke dieses ganzen Heeres auf 5000 gerüstete Reiter und 10,000 Saracenen. Ob und wie viel sonst noch Fußvolk vorhanden war, wird nicht mit Bestimmtheit angegeben. Im Rücken Manfreds lag Benevent und der Fluß Kalore, rechts der Bach Tammaro; links streckte sich die Ebene von Roseto bis zu dem Wege, welcher nach S. Germano führtManetti 1610.  Villani VII, 7.  Umständlicher verbreitet sich Borgia Memor. di Benev. II, 228 und III, 247 über die Örtlichkeit, worauf es indessen hier nicht weiter ankömmt..

Auch Karl von Anjou theilte sein Heer in drei Schaaren: die erste, geführt vom Grafen Philipp von Montfort 529 {1266} und dem Marschalle von Mirepoir, zählte 1000 französische Reiter; die zweite, geführt von ihm selbst und dem Grafen Guido von Montfort, bestand aus 900 provenzalischen Reitern; die dritte, befehligt von Giles le Brun und dem Grafen Robert von Flandern, etwa 700 Reiter stark, war zusammengesetzt aus Flamländern, Brabantern, Pikarden und SavoyernMalespini l. c. u. 174.  Guiart 149, giebt die Anordnung etwas abweichend an.. Außer diesen drei Abtheilungen des eigentlichen Heeres, bildeten aber die Guelfen aus Toskana unter dem Grafen Guido Guerra eine vierte, welche sich auf 400 Reiter belief. Schon in der Lombardei hatten sich diese (seit Besiegung der Ghibellinen in Modena und Reggio, reich und wohl gerüstet) den Franzosen zugesellt, hoffend durch deren Hülfe einst ihr Vaterland wieder zu beherrschenVillani VII, 2.  Malespini 178.. Zwischen den Reitern war auf Karls ausdrücklichen Befehl das Fußvolk vertheilt, um jenen, bei der Ermattung ihrer Pferde, im Fall übermächtigen Angriffs zu Hülfe zu kommen, und die feindlichen Reiter oder Pferde zu erschießen oder zu erstechen. Über die Zahl des gesammten französischen Heeres weichen die Nachrichten sehr von einander abNach Guiart 149, zählte die erste Abtheilung Karls mit dem dazu gehörigen Fußvolke allein 10,000 Mann. Die Mutin. annal. sprechen von 5000 Reitern, 15,000 Fußgängern und 10,000 Balistarii.; auch nach der geringsten Angabe war es stärker, als das Heer Manfreds.

Die Schlacht begann damit, daß die leichten französischen Fußgänger sich gegen die Saracenen vorwagten, welche ihnen ihres ungeordneten Zuges halber nicht gefährlich, ihres Unglaubens wegen verächtlich und hassenswerth erschienen: und wiederum warteten diese, durch spöttische Aufforderung gereizt, höhere Befehle nicht ab, sondern eilten auch ihrerseits vorwärts und erlegten mit geschickt abgeschossenen Pfeilen so viele ihrer Gegner, daß die übrigen in große Unordnung geriethen. Als aber die erste französische Reiterschaar 530 {1266} unter Philipp von Montfort und dem Marschall von Mirepoir zu deren Unterstützung anrückte, geriethen die Saracenen um so mehr in Noth, als ihre Pfeile den gerüsteten Reitern keinen Schaden thaten. Dies erblickend, setzte sich Graf Galvan, ebenfalls ohne weitere Befehle abzuwarten, mit seinen Deutschen in Bewegung; welches alles zeigt, daß von beiden Seiten kein zusammenhängender Plan entworfen und ausgeführt wurde, ja daß überhaupt keine gleichzeitige allgemeine Schlacht statt fand, sondern diese sich in eine Reihe von einzelnen Gefechten auflöseteMalespini und Saba Malaspina sind die Hauptquellen, deren etwanige Abweichungen ich geprüft und danach, mit genauer Rücksicht auf andere Zeugnisse, die Erzählung gefaßt habe..

Die französischen Reiter griffen mit gewohnter Lebhaftigkeit an, aber die Deutschen, besser gerüstet, besser beritten und ausharrend tapferer, schlugen sie mit großem Verluste gänzlich in die Flucht. Als Karl sah, daß dies denen widerfuhr, welchen er am meisten vertraut hatte, wandte er sich (den anfangs beschlossenen Angriff der zweiten Schaar Manfreds aufgebend) zu ihrer Unterstützung; aber auch er war nicht im Stande den Sieg herbeizuführen, weil die Deutschen mit längeren Schwertern und Keulen schon in der Ferne trafen, und alle etwa glücklich angebrachten Streiche auf ihren starken Rüstungen ohne den geringsten Erfolg blieben. Da rief Karl, Besonnenheit nie verlierend: »stecht die Pferde nieder, stecht mit der Degenspitze unter die Achseln und in die Fugen der RüstungenVie de S. Louis 55-60.  Descript. vict. Caroli 247.!« – Mit so großer Gewandtheit ward diese Vorschrift befolgt, daß viele Deutsche verwundet zu Boden stürzten, und sich in ihrer schweren Rüstung nicht schnell wiederum aufrichten und am Gefechte Theil nehmen konnten.

Dem Könige Manfred entging diese ungünstige Wendung der Schlacht nicht, weshalb er, Karls Beispiel nachahmend, mit seiner Abtheilung nun auch zur Unterstützung der 531 {1266} Deutschen herbeieilte. In demselben Augenblicke sah er, daß eine dritte Schaar der Feinde nach derselben Stelle hinzog, und fragte: »wer sind jene, so ausgezeichnet an Pferden und Waffen?« Es sind, antwortete man ihm, die Guelfen aus ToskanaSozom. 148.. Da rief er laut: »welch löbliche Treue für ihre Partei! Wo leisten mir die Ghibellinen solche Hülfe, die ich unterstützte mit aller Anstrengung, mit Gut und BlutManetti 1010.!« Auch Ghibellinen, fuhren jene fort, sehen wir im feindlichen Heere; und der König erwiederte: »die treulos Undankbaren, sie denken sich zu sichern, möge ich siegen oder Karl von Anjou!«

Manfreds rascher und kräftiger Angriff ermuthigte indeß die noch immer heldenmüthig widerstehenden Deutschen, und er erwartete, daß sich, seiner verständigen Anordnung zufolge, auch die übrigen Abtheilungen schnell hieher wenden und durch Richtung aller Kräfte auf den wichtigsten Punkt obsiegen würden. In diesem entscheidenden Augenblicke rief ihm ein Krieger zu: »o Herr, seht, welch eine große Schaar eures Volks zu den Feinden übergeht, seht, wie so viele dort verrätherisch fliehen!« Als Manfred erschreckt sich umwandte, stürzte ihm sein mit silbernem Adler geschmückter Heim vom Haupte auf den SattelMalespini cap. 180.  Ähnliches wird erzählt von Karl dem Kühnen in der Schlacht bei Nancy. Müller Gesch. d. Schweiz V, 117. und er sprach: »das ist ein Zeichen Gottes: denn ich hatte den Helm mit meinen Händen so befestigt, daß er niemals von selbst herabfallen konnte!« Dann, den hochbejahrten Okkursius anredendHagen chron. 1072.  Manfred war nicht von Anfang an ohne Schmuck und Abzeichen, und so paßt Hagens Erzählung sehr gut zu der Malespinis., fuhr er fort: »gedenke, daß du des Kaisers, meines Vaters, Mundschenk warest, daß er mich dir vor allen empfahl; rathe mir treulich!« – »Das ist wohl zu spät,« antwortete dieser in wehmüthigem Zorne. »Wo sind nun 532 {1266} eure Geiger und Dichter, die ihr mehr als Ritter und Knechte liebtet, daß sie versuchen könnten, ob Karl auch nach ihrem süßen Getöne tanzen möchte. Euer Leben aber will ich euch erhalten mit meinem Tode!« – Er nahm den Helm und des Königs Abzeichen und stürzte sich in die Schlacht; der getreue Knecht ward erschlagen, sein Herr aber nicht gerettet. Denn als dieser rings um sich nur Flucht und Verrath sah, fühlte er, es sey die Stunde gekommen, welche nie zu überleben er längst beschlossen hatte. Auch er drang hinein in das wildeste Getümmel und ward nicht wieder gesehen!

Getödtet wurden: 3000 Reiter, Fußgänger und SöldnerNach den Vit. Pontif. 595, blieben aus Manfreds Heere 2000, aus Karls Heere: Einer! ^ 3000 Todte haben Memor. Regiens. 1125, u. Salimbeni 406. Fast 3000 Todte, sagt Karl selbst.  Martene thes. 284, 288, 302.  Laut dem Cron mscr. N. 911, S. 213 kam auch Friedrich von Antiochien in der Schlacht um.; gefangen wurden: die Grafen Jordanus und Bartolomäus Lancia, Pietro Uberti, Bernardo Kastagna und viele andere Edle aus verschiedenen Theilen Italiens. Der Sieg schien vollkommen; als aber Karls Barone ihm dazu Glück wünschten, zeigte er fast keine Freude, sondern sagte: »dem Tapfern genügt kaum die Welt; was ist es weiter einen Mann zu besiegenChron. imper. et Pontif. Laurent. mscr.!« – Daran lag ihm aber doch viel, zu wissen, wo dieser eine Mann sey, ob er lebe oder ob er umgekommen.

Nach zweien Tagen hatte man von Manfred noch keine Spur; endlich sahen die gefangenen Grafen Jordanus und Bartolomäus Lancia, daß ein Pikarde dessen Pferd ritt, und fragten ihn erschreckt: »woher er das Pferd habe und was er von dessen früherem Besitzer wisse?« Jener sagte hierauf aus: »während der Schlacht stürzte ein Ritter mit einem Begleiter (es war der edle Römer Theobald von Annibalis gewesen) unter unsere Schaaren, laut die seinen zum Kampfe anfeuernd. Wären jene treu und tapfer, wie 533 {1266} er, gefolgt, wahrlich sie hätten gesiegt; so aber traf meine Lanze den Kopf seines Pferdes, es bäumte sich und stürzte mit dem Reiter zu Boden. Diesen ergriffen Knechte aus unserem Heere, plünderten ihn ganz aus und erschlugen ihn mit vielen StreichenExutum armis, innumeris ictibus mallearunt. Saba Malaspina III. 13. – Ich habe auch hier die im einzelnen abweichenden Erzählungen zu vereinen gesucht.  Sicil chron. 32.. Mir wurde dies Pferd und dieser Gürtel zu Theil.« – Die Beschreibung des Getödteten stimmte ebenfalls dergestalt, daß die Sorge der Theilnehmenden immer höher stieg; unter den Franzosen aber die Rede, Manfred sey todt, sich schnell verbreitete und bis zum Könige drang. Viele eilten mit dem Pikarden zur Stelle, wo jener gefallen war: man fand den nackten Leichnam und neben ihm den edlen Theobald.

Im Siegesübermuthe hingen einige den erschlagenen König über einen Esel, und einer von ihnen rief laut: »wer kauft Manfred?« – aber ein französischer Baron züchtigte ihn, in richtigem Gefühle, hart wegen dieser Frechheit. – Als der Leichnam, welcher zwei tödtliche Wunden am Haupte und in der Brust zeigteDante Purgar. c. 3., vor den König Karl gebracht war, ließ er alle gefangenen Barone herbeirufen und fragte jeden einzeln: »ob dies Manfred sey?« Sie antworteten furchtsam: ja. Nur Graf Jordanus rief, als er ihn erblickte, in ungemessenem Schmerze: »o mein Herr, o mein König!« und bedeckte laut weinend sein Gesicht mit den Händen. Die Franzosen achteten und ehrten Jordanus für solche Treue und Anhänglichkeit; Graf Richard von Kaserta hingegen, der Verräther, welcher auch herbeigerufen ward, um über seinen getödteten Schwager ein trockenes Ja auszusprechen, fand für so beschämende, vernichtende Stellung darin wohl keinen hinreichenden Ersatz, daß ihn König Karl seinen Getreuen nannteDas Schreiben Karls vom ersten März (Tutini discorsi 43) sagt, daß der Graf Manfreden erkannt habe, und nennt ihn ausdrücklich: fidelem nostrum..

534 {1266} Die französischen Großen baten jetzo, daß für Manfred ein ehrenvolles Begräbniß bewilligt werde; Karl aber schlug es streng ab: denn ein Gebannter, ein Ketzer dürfe nicht in geweihter Erde liegen. Daher vergrub man ihn in aller Stille nahe bei der Brücke von Benevent. Allein nicht bloß das Volk, sondern selbst die Franzosen häuften ihm theilnehmend dadurch ein Ehrendenkmal, daß jeder einen Stein zu seinem Grabe trug, und der Ort selbst hatte oder erhielt den bedeutenden Namen: Fels der RosenPetra Roseti oder Campus Rosarum hieß der Todes- und Begräbniß-Platz.  Bartolom. de Neocastro c. 7.! Nachmals fand jedoch der Kardinalgesandte, Erzbischof von Kosenza: diese Stelle sey zu gut, der Boden kirchliches Eigenthum und Manfred verdiene überhaupt keine Ruhestätte in seinem ehemaligen Reiche. Darum ließ er ihn wieder ausgraben und nach der Gränze von Abruzzo und Picenum bringenMalespini 180.  Troyli V, 1, 232.  Capacelatro II, 112.  Compagnoni reggio Picena I, 134.  Manfred war 34 Jahr alt.. Hier, in einem abgelegenen, von düstern Felsen eingeschlossenen Thale, welches der Fluß Verde kurz vor seiner Vereinigung mit dem Tronto bildet, wurde Manfred, ohne Beobachtung kirchlicher Gebräuche, zum zweiten Male begraben. In der Nähe steht eine einsame Mühle; unter den benachbarten Landleuten lebt bis auf den heutigen Tag die Sage von dem schönen, geistreichen, unglücklichen Könige Manfred!

Die Königinn Helena erfuhr den Tod ihres Gemahls in Luceria, und erlag fast bewußtlos dem ersten Schmerze. Als sie wieder zu sich kam, fand sie sich von Edeln, Hofleuten, Dienern (welche alle gemüthlos dem bloßen Glück anhingen) gänzlich verlassen. Nur ein Bürger Munualdu aus TraniAus einer gleichzeitigen Chronik von Trani, in Davanzati dissertazione sulla seconda moglie del Re Manfredi e su loro figliuoli  Napoli 1791, fol. einem an Umfang nicht großen, aber so scharfsinnigen und gründlichen Werke, daß es alle ähnlichen neapolitanischen Untersuchungen weit übertrifft., dessen Frau Amundilla und ein gewisser Amerusio blieben ihr getreu und riethen: sie möge mit ihren 535 {1266} vier Kindern fliehen und sich in Trani nach Epirus einschiffen. Lupone, ein redlicher Freund der Genannten und der Königinn, wurde durch Boten heimlich benachrichtigt, und setzte auch sogleich ein Schiff in Stand: allein der Wind blieb so lange ungünstig, daß Helena sich mit den ihrigen dem Burgvogt anvertrauen mußte, welcher sie auch treulich aufnahm und zu retten versprach. Bettelmönche aber, welche nach des Papstes Befehl das Land durchstreift hatten, um Empörungen gegen Manfred anzuzetteln, erhielten hievon Nachricht und redeten dem Burgvogte so viel vor von dem geistlichen Segen der Kirche und den irdischen Belohnungen Karls, daß er, seines Wortes und der alten Treue vergessend, die Königinn festhielt und mit ihren Kindern und vielen Schätzen am sechsten März, am neunten Tage nach der Schlacht von Benevent, den hingesandten Reitern Karls auslieferte. Helena erlag nach wenigen JahrenWahrscheinlich im Jahre 1271.  Davanzati 30. der harten Behandlung und dem innern Schmerze. Beatrix, ihre Tochter, lebte (gleichwie die Tochter des Grafen Jordanus) achtzehn Jahre in der neapolitanischen Burg dell' Uovo als Gefangene und ward erst im Jahre 1284Noch 1284 wies Karl Geld zu ihrem Unterhalte an.  Regesta IV, 151.  Sie ward in Kapri den Sicilianern übergeben, mit Jubel auf der Insel empfangen und an Manfred, den Sohn des Marchese von Saluzzo, verheirathet.  Davanz. 48. ungern von Karl freigelassen, um seinen Sohn aus aragonischer Haft zu lösen. Manfreds drei Söhne, Heinrich, Friedrich und Anselino, (zur Zeit ihrer Gefangennehmung unschuldige kleine Kinder) blieben einunddreißig Jahre lang in FesselnDavanz. 66, LXXXIII.  Das in den Text Aufgenommene ist erwiesen, ob die Kinder auch geblendet wurden, wie einige behaupten, bleibt zweifelhaft.  Mscr. Riccard. No. 1836., kümmerlicher ernährt und gehalten, als die meisten andern Gefangenen, und ohne daß irgend einem 536 {1266} Menschen der Zutritt zu ihnen gestattet wurde. Erst im Jahre 1297 ließ Karl ihnen die Fesseln abnehmen und erlaubte, daß ein Geistlicher und ein Arzt sie besuche. Wann jeder von ihnen starb, ist nicht genau bekannt; gewiß lebte der blind gewordene Heinrich noch im Gefängnisse dreiundvierzig Jahre nach der Schlacht bei BeneventDavanz. S. 71.  Nach Malespini 187, erblindete dieser vor Alter. – Wahrscheinlich ward auch Manfreds Schwester Anna oder Konstanze, welche früher Vatatzes Gemahlinn war, in Luceria gefangen und sehr spät nach Aragonien ausgewechselt.  Davanzati 17. Surita und Vie de S. Louis, mscr. 56.!

So verfuhr Karl von Anjou, der angebliche Vorkämpfer des Feindesliebe gebietenden Christenthums, gegen die schuldlose Familie Manfreds; weil man indeß sagen könnte, Haß und Furcht hätten hiebei mitgewirkt, wollen wir zur vollständigern Übersicht sogleich berichten, wie er sich gegen seine neuen Unterthanen benahm.

Als die Einwohner von BeneventCirillo 5-7.  Saba Malasp. III; 11-13. den Ausgang der Schlacht gewahrten, zogen sie, an ihrer Spitze die Geistlichkeit mit Reliquien und Heiligthümern, den Siegern entgegen und hofften um so mehr, daß Karl sich freundlich zeigen werde, weil die Stadt seinem Bundesgenossen und Lehnsherrn, dem Papste gehörte und diesem, bis zur unabwendbaren Besetzung durch die Hohenstaufen, immer treu gewesen war. Allein wie sehr sie sich getäuscht sahen, welche furchtbare Behandlung sie erlitten, würde man trotz den zusammenstimmenden Erzählungen einzelner Schriftsteller bezweifeln, wenn nicht des Papstes amtliche Schreiben an König Karl bestätigend hinzuträten.

Vom Schlachtfelde aus hatte dieser an Klemens einen Siegesbericht erstattetRaynald §. 13., welcher große Freude erregte; als nun aber gleich darauf die Nachrichten über die Behandlung 537 {1266} Benevents einliefen, verwandelte sich die Freude in Schmerz, und der Papst konnte Gewissensbisse über die Vergangenheit, Sorge wegen der Zukunft nicht unterdrücken. Er schrieb, dem wesentlichen nach, folgendes an König KarlMartene thes. II, 298, 306.: »der Sieg, welchen du mit Hülfe der Kirche erfochtest, hätte dich zur Milde, selbst gegen die Besiegten, wie viel mehr aber dahin bringen sollen, das der Kirche zugehörige, ihr immer getreue Benevent zu ehren und zu belohnen. Statt dessen hat sich nichts gezeigt, als Habsucht, Wollust, Blutdurst! Ihr verschontet weder geistliches noch weltliches Gut, weder Stand noch Alter noch Geschlecht! Kreuzfahrer, welche Kirchen und Klöster beschützen sollten, haben sie erstürmt, ausgeplündert, Heiligenbilder verbrannt, und selbst gottgeweihten Jungfrauen Gewalt angethan. Und dies Rauben und Morden, diese entsetzlichen Frevel aller Art wurden nicht etwa geübt im ersten Eifer der Schlacht; sondern acht Tage lang dauerten sie unter deinen Augen, und es geschah nichts um die Ordnung wieder herzustellen. Ja obenein wird laut gesagt: mit Vorsatz sey man so verfahren, weil die Stadt nicht dem Könige verbleibe, weil sie dem Papste gehöre! Wahrlich, so arg hat Kaiser Friedrich II als Feind der Kirche nie gehandelt! O des unseligen Feldzuges, der unseligen Aussicht, wenn man von demjenigen was am grünen Zweige geschieht, auf den dürren schließen muß! Für so viel Gutes, was ich dir erzeigt habe, empfange ich gleich anfangs so üble, ja die ärgste Vergeltung; worüber alle Frommen sich entsetzen müssen, und alle Abgeneigten sich freuen werden. Die Klugheit aber und die Pflicht gebieten, keineswegs Ungebühr solcher Art zu dulden, sondern ihr im ersten Beginnen kraftvoll entgegenzutreten: mithin fordere ich, daß jeder Frevel gestraft, jeder Raub ersetzt und Buße gethan werde.« – Allein das Entwendete wollte man nicht auffinden, die Mißhandelten konnte man nicht entschädigen, und noch weniger die 538 {1266} Todten erwecken; mithin geschah nichts, und als Karl endlich nach sechs Jahren mit scheinbarer Frömmigkeit auf dem Schlachtfelde eine Kirche errichteteRegesta Caroli II, 209., sahen die Einwohner von Benevent darin nur das Wahr- und Erinnerungs-Zeichen ihres gränzenlosen Elendes!

Kapua eröffnete geschreckt dem Könige die Thore; in Neapel hielt er einen feierlichen EinzugSpinelli 103.. Voran ritten vierhundert schön gekleidete, mit Federhüten geschmückte, französische Edelleute; dann folgte eine Schaar von auserwählten Brabantern; hierauf sechzig französische Große mit goldenen Ketten um den Hals, an ihrer Spitze der König selbst; endlich die KöniginnNach einigen kam die Königinn zu Wasser, nach andern zu Lande mit dem Heere.  Descr. vict. Carol. 833.  Monach. Patav. zu 1265. in einem, mit blauem Sammte ausgeschlagenen, mit goldenen Lilien gestickten Wagen. Franz von Roffredo übergab die Schlüssel der Stadt, und hielt dabei dem Könige eine Lobrede in – französischer Sprache! So schnell lernte dies Volk, welches den einheimischen Herrscherstamm nicht ertragen wollte, dem fremden zugleich fein und gemein schmeicheln; – weshalb sogar ein französischer Chronist jener Zeit den, von der frühern und spätern Geschichte nur zu oft bestätigten, Ausspruch fällt: »es ist Gebrauch und Natur der Einwohner dieses Landes, daß auf sie, wenn es gilt, kein Verlaß ist, und sie an jedem Tage einen neuen Herrscher haben möchtenChauscun jor voudroient avoir noveau seignor.  Livre dou conquest. 304.

König Karl war indeß keineswegs ein Mann, der sich durch Mittel jener Art hätte rühren, oder nur um ein Haar breit von seiner Natur und seinem Wege abbringen lassen. Diejenigen, welche man unter Manfreds Herrschaft gefangen gesetzt hatteMalespini c. 181.  Villani VII, 10., (gewiß die meisten erwiesene Verbrecher) wurden befreit: alle hohe und niedere Richter, alle 539 {1266} Beamte im ganzen Reiche dagegen abgesetzt, und überall neue angestellt; großentheils habsüchtige FranzosenPirri Sicilia II, 1199., oder solche die, wie Pandolfus Fasanella, der Graf von Kaserta u. a. an den Hohenstaufen zu Verräthern geworden waren. Nur Manfreds Oberkämmerer oder Finanzminister, Gezolin von Marra, blieb im Amte: denn seine Kenntnisse konnte man nicht entbehren; auch hatte er sich bereit erklärtSaba Malaspina III, 16., auf die Ansichten seines neuen Herrn einzugehen und ihm die SchätzeManfred hatte in keinem Theile Italiens Geld gespart, wo er dafür Anhänger gewinnen konnte; zu einem längern Kriege mußte er aber Geld vorräthig halten, und einen solchen und so schnellen Ausgang hatte er nicht erwartet.  Guil. Nang. 373. Manfreds zu übergeben. Karl war über den neuen Reichthum hoch erfreut, und ließ das Gold in Gegenwart seiner Gemahlinn und mehrer Ritter zur Augenweide auf einen Teppich schütten. Dann sagte er dem Ritter Hugo von Baur: »nimm die Wage, und wäge und theile mir das Geld.« Aber Hugo, innerlich erzürnt über diesen Götzendienst mit dem Mammon, sprach: »was habe ich zu schaffen mit dem Wägen eures Goldes!« Mit dem Fuße stieß er es in drei Haufen auseinander und fuhr fort: »einen Haufen möget ihr, einen die Königinn, einen eure Ritter nehmen.« – Der König, – dies behaupten einige, während andereGeleugnet von Ciarlanti 356. es leugnen –, ernannte Hugo zum Grafen von Avellino. Auf jeden Fall wäre dies, wie alles vorhergehende und folgende zeigt, mehr geschehen weil er solche Gesinnungen scheute, als weil er sie ehrte.

Nach allen Seiten verbreiteten sich itzt Abtheilungen seines Heeres, auch nach SicilienAm 13ten März steckte Messina Karls Flagge auf, und am ersten April landete Philipp von Montfort, der neue Statthalter.  Histor. Sarac. Sicula 279.  App. ad Malaterr.  Er war von Reggio aus auf einem genuesischen Schiffe hinübergesegelt.  Pignoli zu 1266.. Und obgleich der willkürliche Druck, welcher gleich anfangs zu dem 540 {1266} unausweichbaren der Verpflegung und Einlagerung hinzukam, nicht bloß die Erwartung der Hoffenden, sondern auch die Besorgniß der Fürchtenden überstieg; so schwiegen doch alle und gehorchten, vom plötzlichen Sturme übertäubt und niedergeworfen, den siegestrunkenen Fremden. 541

 


 


 << zurück weiter >>