Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 4
Friedrich von Raumer

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Achtzehntes Hauptstück.

Nachdem Innocenz IV einen sichern, von kaiserlichem Einflusse unabhängigen Aufenthalt gefunden hatte, zeigte sich bald, daß er die Absicht hege, die päpstliche Herrschaft noch weiter auszubreiten und noch siegreicher zu begründen, als irgend einer von seinen Vorgängern. Diese neue Ansicht und Wendung schloß indeß andererseits auch größere Gefahren in sich, und mußte über kurz oder lang zu argen Mißbräuchen führen. Anstatt mit der Besonnenheit Innocenz des dritten die Wirksamkeit der Priester, Äbte, Bischöfe, Erzbischöfe u. a. m. in ihren natürlichen Kreisen unangetastet zu lassen, und nur als Schlußstein dieser wohlgeordneten Pyramide, dieses starken Gewölbes, die höchste und würdigste Stellung zu behaupten; anstatt nach dem oft wiederholten Gleichnisse von Haupt und Gliedern, die eigenthümlichen Geschäfte der letzten zum Vortheile des Hauptes zu benutzen: verfielen die Päpste seit Innocenz dem vierten in den Fehler mancher späteren Könige, welche in der Zerstörung aller ständischen Verhältnisse, in der unbedingten Alleinherrschaft und übermäßigem Regieren einen Gewinn sahen, und ihre festgegründete Wohnung unvorsichtig mit diesem schwankenden Luftschlosse vertauschten.

Von nun an zog der Papst immer mehr Dinge zu seiner unmittelbaren Entscheidung, griff immer häufiger und 154 willkürlicher in alle kirchlichen Kreise hinein, hielt seinem unbegränzten Rechte gegenüber jedes fremde Recht nur für ein nach Belieben zu änderndes Gnadengeschenk; und gleichzeitig stiegen die Bedürfnisse, die Ausgaben, die Forderungen des römischen Hofes auf eine bis dahin unerhörte Höhe. Allerdings war es natürlich und billig, daß die christliche Geistlichkeit für ihr Oberhaupt zu nöthigen und löblichen Zwecken etwas leistete oder zahlte, und dasselbe am wenigsten in Zeiten der Verfolgung sinken und darben ließ: allein das Übermaß der neuen Forderungen, die willkürliche Art des Ausschreibens, die Schlechtigkeit der Hebungsbeamten u. s. w. trieben sogar kirchlich Gesinnte zu der Behauptung: keineswegs sey jede Fehde des Papstes, auch eine Fehde der ganzen christlichen Kirche. Hierüber wenig bekümmert, meinte Innocenz: da die Milde Honorius III, so wie die strenge Festigkeit Gregors IX nicht zu vollem Siege über den Kaiser geführt hätten; so müsse er ihn auf seinem eigenen Boden angreifen, indem er zu den bisherigen Mitteln auch die List und das Übergewicht des Geldreichthums geselleDitior Innocentio IV - papa nunquam fuit.  Mellic. chr. zu 1245..

Selbst guelfische Städte, wie Bologna, wurden streng nach diesen neuen Grundsätzen behandeltSavioli III, 2, 635.; selbst in Lyon wollte Innocenz seine überall bis zur Ungebühr begünstigten Verwandten mit Pfründen des Hochstifts begaben. Allein die Stiftsherrn schwuren ihm ins Angesicht: sie würden jeden, der sich auf so ungesetzmäßige Weise eindrängte, unfehlbar in die Rhone werfen. Ohne Rücksicht auf diese Einrede ernannte der Papst, aus eigener Macht und um äußerer Gründe willen, den Grafen von Savoyen zum Erzbischof; einen Mann, der mehr als Ritter denn als Geistlicher lebte und sich nie die kirchlichen Weihen geben ließGallia christ. IV, 142.. Hierüber und über das barsche, anmaaßliche und trotzige Gefolge des Papstes zürnten die Bürger von Lyon dergestalt, daß es bis zum 155 Blutvergießen kam, und die Ruhe nur mit Mühe hergestellt ward, ohne die Abneigung und den Haß gegen die Fremden zu vertilgen.

Diese Verhältnisse brachten wohl den Papst dahin, die Könige von Aragonien, Frankreich und England um Aufnahme in ihre Länder zu ersuchen: allein der erste lehnte das Gesuch ab; Ludwig IX erklärte: er müsse hierüber mit seinen Ständen Raths pflegen, und auch diese widersprachen, nicht ohne Mitwirkung kaiserlicher Gesandten, dem Antrage. Der König von England endlich, welcher sich anfangs durch ein wohlgesetztes Schreiben der Kardinäle über die ihm zugedachte Ehre hatte locken und täuschen lassen, wurde von seinen Großen dahin zurechtgewiesenMath. Paris 424, 434, 440, 444, 445.: »die Reinheit Englands ist durch Wucher, Raub und Pfründenkauf der Italiener und Römer schon übermäßig befleckt; itzt fehlte es nur noch, daß der Papst selbst käme und die Güter der Kirche und des Reichs plünderte und verschleuderte.« Und Matthäus Paris setzt hinzu: »dies hatte der päpstliche Hof verdient, von dem abscheulicher Dunst und Gestank bis zu den Wolken aufstiegMath. Paris 443.

Um dieselbe Zeit langte Walter von Okra als Gesandter Friedrichs in England an, erläuterte dessen Schreiben über den bisherigen Gang der Dinge mit großer Geschicklichkeit, gewann viele Gemüther durch das Erbieten, die letzte Entscheidung des Streites zwischen Reich und Kirche in die Hände Englands zu legen, schreckte manche durch die Drohung, der Kaiser werde alles dem Papste gesandte Geld wegnehmen und die Sender als Feinde behandeln, oder gab ihnen doch hiemit einen Vorwand, nicht zu zahlen. Diejenigen endlich, welche bei dieser Gelegenheit die schmachvolle Lehnspflichtigkeit Englands vernichten und den römischen Zins ersparen wollten, bewachten die Häfen und Eingänge des Reichs, damit kein päpstlicher Gesandter oder Hebungsbeamter unentdeckt anlange. Als aber König Heinrich die Loslassung 156 der von jenen Ergriffenen bewirkte, glaubte der päpstliche Legat Martin völlig obgesiegt zu haben. Da trat plötzlich ein Ritter Namens Fulko in seine Stube und sagte ihm mit großem Nachdrucke: »wenn du nebst deinem Anhange nicht binnen dreien Tagen das Reich verlässest, so werdet ihr alle in Stücke gehauen. Dies ist der Beschluß vieler verbündeten Ritter und Barone.« Erschreckt lief Martin zum Könige und fragte, ob er diesem Beschlusse seine Beistimmung gegeben habe? Keineswegs, erwiederte der König, allein ich kann meine Barone nicht mehr in Zaum halten oder vermögen, daß sie die, Maaß und Recht übersteigenden Erpressungen länger dulden.

Der Legat erhielt jetzt sicheres Geleit bis zum Meere; aber sein Unterhelfer Meister Philipp, welcher im Lande blieb, wußte den Furchtsamen um so eher Geld abzupressen, da auf die Hülfe Heinrichs (obgleich er im Zorn den Legaten zum Teufel und zur Hölle wünschte) mit Sicherheit gar nicht zu bauen war. Folgenreicher zeigte sich der Zorn des Papstes: der Abt von Burg z. B., welcher sich der unrechtmäßigen Vergabung einer Pfründe durch den Legaten widersetzt hatte, wurde später in Lyon angeklagt, zum Palaste hinausgeworfen und so behandelt, daß körperlicher und geistiger Schmerz ihn in Krankheit, dann ins Grab stürzte. Mehre Geistliche fanden es daher aus Furcht oder Ehrfurcht gerathen, dem Papste Geschenke darzubringen; und wo jene Triebfedern fehlten, verführte auch wohl die eigennützige Hoffnung, bessere Pfründen zu erhalten, bis zur Vergeudung des KirchengutsMath. Paris 447.. Selten war ein Patron so wachsam, fromm und mächtig, wie König Ludwig IX welcher in einem solchen Falle den Abt von S. Denys unter harten Vorwürfen zum Ersatze zwang.

Als um diese Zeit Feuer in der päpstlichen Kleiderkammer auskamMath. Paris 445., sagte man laut: es sey vorsätzlich angelegt, damit Innocenz einen Vorwand erhalte, den zur 157 Kirchenversammlung kommenden Prälaten Geld abzunehmen. Spottbriefe gingen umher folgenden InhaltsCodex epist. Vatic. 4957, S. 44, höchst wahrscheinlich aus dieser Zeit.: »Pekunia, die Kaiserinn der Römer und des ganzen Erdkreises, allen ihren geliebten Söhnen und Bevollmächtigten Heil und Überfluß am Thaue des Himmels und am Fette der Erde. Ich wohne auf allen Höhen, ich lasse meine Stimme hören auf allen Straßen, ich habe den Kreis des Himmels durchgangen, ich allein lasse die Tauben hören und die Stummen reden. Wahrlich ich sage euch, ehe denn Abraham war, war ich, gekleidet in Golde, umgeben von mannigfaltigem Schmucke. – O ihr alle, die ihr vorübergehet, gebt Acht und sehet, ob eine Ehre der meinen gleich sey. Zu mir fliehen alle Könige der Erde und alle Völker, mir dienet der römische Hof. Hier will ich wohnen bis ans Ende der Zeiten, den römischen Hof habe ich mir auserwählet. Welch größere Freude konnte mir widerfahren, als daß alle Kardinäle mir ihren Nacken beugen und dem Geruche meiner Salben und meines Weihrauchs nachlaufen? Mir verschließt die Kirche nie ihren Schooß, mir eröffnet der Papst willig seine Arme. Ich will euch Überfluß geben, zu dessen Erhaltung sich dann auch unser süßester Freund gern einfinden wird, – der Geiz!«

{1245} Bei solchen Umständen und solcher Stimmung konnte Innocenz nicht darauf rechnen, daß ihm alle zur Kirchenversammlung berufene Prälaten unbedingt gehorchen würden; und noch größern Widerspruch mußten bei allen Königen und Fürsten die neuen Grundsätze finden, welche er, seine Vorgänger überbietend, in Hinsicht des Verhältnisses der weltlichen und geistlichen Macht hegte. Deshalb sagte er, mit Bezug auf die abschlägigen Antworten der Könige von England, Aragonien und Frankreich: »wir müssen uns mit dem Drachen (dem Kaiser) vergleichen, oder ihn zertreten; dann werden wir diese kleinen Schlangen, diese widerspenstigen KönigleinRegulos. Math. Paris 446. leicht bändigen.«

158 {1245} Ohne sich durch Absendung eines eigenen Gesandten etwas zu vergeben, ließ er im April des Jahrs 1245 dem Kaiser nochmals durch den Patriarchen von Antiochien verkünden: er sey geneigt ihn vom Banne zu lösen, wenn er den Kirchenstaat räume, alle gefangenen Geistlichen freilasse, und über die Erfüllung der andern Forderungen genügende Bürgschaft stelle. Friedrich, der in diesem Anerbieten nur eine wenig verschleierte Unterwerfung oder einen unsichern Waffenstillstand sah, verlangte, daß wenigstens etwas über den Frieden mit den Lombarden gesagt würde, die im konstanzer Frieden bestätigten Rechte unangetastet bliebenSo verstehe ich den Ausdruck: excipit pacem Constantiae. Rayn. zu 1245, §. 3., und alle ihm bisher treu anhangende Laien und Geistliche gleichfalls, wie es seine Ehre fordere, vom Banne gelöset würden. Hierauf wollte sich aber der Papst um so weniger einlassen, da die Zeit der Kirchenversammlung bereits herangekommen war.

Zu dieser fanden sich in Lyon ein: die Patriarchen von Konstantinopel, Antiochien und Aquileja, Kaiser Balduin von KonstantinopelGuil. de Podio 47.  Am 17ten Junius war Kaiser Balduin noch bei Friedrich in Verona.  Bazano 561., die Grafen von Provence und Toulouse, die Gesandten der meisten weltlichen Mächte und an 140 Erzbischöfe und Bischöfe; – für die gesammte Christenheit eine sehr geringe Zahl: allein der Norden war zu entferntDoch waren einige dänische Bischöfe gegenwärtig. Münter Beitr. I, 109., in Ungern hauseten noch die Mongolen, der einzige Bischof von Berytus vertrat die Stelle der sonst so zahlreichen morgenländischen KirchenDie Hauptquelle für die Geschichte der Kirchenversammlung von Lyon ist Math. Paris, den wir deshalb im einzelnen nicht weiter citiren.  Rymer foed. I, 1, 153.  Append. ad Malaterram zu 1245. Murat. script. I, 2, 278.; Deutschland war zwiespaltigen Sinnes, und aus allen Staaten Friedrichs hatte 159 {1245} sich mit dessen Beistimmung nur der Erzbischof von Palermo eingefunden. An der Spitze der kaiserlichen Gesandtschaft stand, vor allen ausgezeichnet, Thaddäus von Suessa: ein Mann von durchdringendem Verstande und ergreifender Beredsamkeit, des Krieges nicht minder kundig, als der Gesetze, und so gerecht, daß ihm seine Feinde freiwillig die Untersuchung und Entscheidung ihrer Streitigkeiten übertrugen. Zu jenen Anlagen, zu dieser Gesinnung gesellte sich eine solche Gegenwart des Geistes und eine solche Festigkeit des Willens, daß der große Kaiser keinem würdigeren Manne die Vertheidigung seiner Rechte anvertrauen konnteNoch werden als Bevollmächtigte genannt: der deutsche Ritter Hugo, der Rechtsgelehrte Rikuperio von Miniato, und Walter von Okra.  Malespini 132.  Villani VI, 24.  Ghirard. I, 167..

Am Montage nach Johannis zog der Papst an der Spitze aller Prälaten, Fürsten und Abgeordneten, feierlich zur Kirche des heiligen Johannes. In der Mitte saß er selber auf erhöheter Stelle, rechts von ihm der Kaiser von Konstantinopel, links die Kardinäle und einige Laienfürsten, seitwärts der Kardinal Vicekanzler Martinus mit mehren Schreibern und Notaren. Das Schiff der Kirche füllten in bestimmter Folge die Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte, die Abgeordneten der Stifter und der weltlichen Fürsten. An ihrer Spitze, dem Papste gegenüber, standen die Stühle der Patriarchen von Konstantinopel und Antiochien. Gleiche Ehre verlangte der Patriarch von Aquileja: aber unter großem Lärm wurde sein Stuhl umgeworfen, und er mußte in die zweite Reihe zurücktreten. Nach Beseitigung dieser Ungebührlichkeit wurde das »komm heiliger Geist« gesungen, gekniet und gebetet; dann erzählte der Patriarch von Konstantinopel, daß ihm von dreißig Sprengelbischöfen nur noch drei geblieben wären, und die, schon bis zu den Thoren der Hauptstadt vorgedrungenen Griechen, das ganze lateinische Kaiserthum zu zerstören drohten. Als der Papst, welcher dem Patriarchen 160 {1245} zwar das Wort nicht hatte versagen wollen, jedoch keineswegs geneigt war diese Gegenstände zuerst und vor allen andern hervorzuheben, nach Beendigung jener Rede schwieg; so brachten englische Bischöfe mit weitläufig frommer Rede die Heiligsprechung des Erzbischofs Edmund von Kanterbury in Antrag. Dies führte indeß noch mehr und so weit von den Hauptzwecken hinweg, daß Innocenz erklärte: »zu seiner Zeit könne und solle davon auch die Rede seyn, jetzt aber wären wichtigere Angelegenheiten zu berathen.«

Dem gemäß und seines Rechtes sich bedienend, trat nunmehr Thaddäus von Suessa an der Spitze der kaiserlichen Gesandten hervor, entschuldigte seines Herrn Abwesenheit mit Krankheit, bot aber in dessen Namen Frieden und Freundschaft, Herstellung des lateinischen Kaiserthums, Hülfe gegen die Mongolen, Befreiung des heiligen Landes, Rückgabe der kirchlichen Besitzungen und Genugthuung für etwanige Beleidigungenvillani und Malespini l. c.. »Habt ihr,« fragte hierauf Innocenz, »auch genügende Vollmacht zu solchen Anerbietungen?« Als aber Thaddäus gegen die Erwartung des Papstes die Frage bejahte, eine mit goldener Bulle versehene Urkunde emporhielt, fuhr Innocenz geschickt ausweichend fort: »o wie groß und herrlich sind des Kaisers Versprechungen! aber nie und nirgends werden sie erfüllt. Jetzt, da das Beil der Wurzel nahe ist, möchte er gern die Kirchenversammlung täuschen, auflösen und Zeit gewinnen. Möge er den in seiner Seele beschwornen Vertrag halten, und ich bin zufrieden. Und dennoch, wenn ich ihm alles verwillige, wer wird mir bürgen, daß sein wandelbarer Sinn sich nicht ändere, wer wird den Weigernden zur Vollziehung anhalten?« – Die Könige von Frankreich und England, fiel hier Thaddäus von Suessa ein, mögen bürgen und ihn anhalten zur Erfüllung. – »Die mag ich nicht,« erwiederte Innocenz: »denn wenn der Kaiser, wie ich voraussehe, sein Wort nicht hält, so müßte die Kirche auch die Bürgen strafen; sie hätte statt eines Feindes, deren alsdann drei, und obenein von solcher 161 {1245} Macht, daß sich ihnen in der Christenheit niemand gleichstellen kann.«

Mit dem Verwerfen dieses friedlichen Vorschlages schloß die erste Sitzung; vier Tage nachher eröffnete Innocenz die zweite mit noch größerer Pracht und Feierlichkeit. Dem beendigten Gottesdienst folgte eine lange Stille; endlich erhob sich der Papst, bitterlich weinend, und sprach: »o ihr, die ihr vorübergehet, gebt Acht und sehet, ob ein Schmerz gleich sey dem meinigenKlaglieder Jerem. I, 12.  Math. Paris l. c.  Conc. collect. XIV, 44.! So wie Christus mit fünf Wunden durchbohrt wurde, so bin auch ich von fünffachem Schmerze ergriffen. Erstens, daß die Mongolen mit unmenschlicher Grausamkeit christliche Länder verwüsten; zweitens, daß die Griechen den Schooß der Mutterkirche verschmähen, ja sie gleich einer Stiefmutter anfeinden; drittens, daß die Ketzer besonders in den lombardischen Städten überhand nehmen, und Mißbräuche mannigfacher Art allerwärts emporwachsen; viertens, daß die gottlose Brut der Chowaresmier das heilige Land besitzt, und Christen und Christenthum daselbst ausrottet; endlich der fünfte Schmerz betrifft – den Kaiser. Dieser, das Haupt aller weltlichen Macht und der angebliche Beschützer der Kirche, ist ihr heftigster Widersacher und ein offenbarer Feind aller Diener Christi geworden. Stets suchte die Kirche den Frieden, immerdar zeigte sie sich bereit dasjenige wieder gut zu machen, was sie (obgleich dies nicht glaublich ist) etwa versehen hättePipinus II, 33.  Guil. Nang. 343.  Corner 889.: aber Friedrich verhärtete sein Gemüth und stürzte sich aus Verbrechen in Verbrechen. Er ist erweislich ein Meineidiger, ein Friedensbrecher, ein Kirchenräuber, ein Heiligthumsschänder, ein Ketzer. Er leistete Innocenz dem dritten den Lehnseid für Apulien und Sicilien, versprach jährlichen Zins, bestätigte die Rechte des römischen Stuhles auf Ankona, Ravenna, Spoleto und andere Orte; er gelobte Honorius III treulichen Schutz; er schwur bei der Aussöhnung mit Gregor IX den Befehlen 162 {1245} der Kirche nachzukommen, ihre Anhänger nicht zu verfolgen, ihre Freiheiten nicht zu kränken; er ließ noch im vorigen Jahre alle diese Versprechungen durch seine Bevollmächtigten eidlich erneuernConcil. collect. XIV, 45, 49.  Murat. antiq. Ital. VI, 86.. Aber welche von diesen feierlich ausgestellten Urkunden (der Papst hielt sie bei diesen Worten in die Höhe) ist irgend geachtet, welcher Friedensschluß ist von ihm nicht übertreten, welcher Eid nicht gebrochen worden?«

»Mit Gewalt nimmt er Kirchengüter und Kirchenschätze in Besitz, läßt aus Eigennutz und Gottlosigkeit die Bisthümer und Pfarreien zum Verderben der Seelen unbesetzt, besteuert die Geistlichen und zieht sie vor weltliche Gerichte, zwingt kirchliche Lehnsmannen ihm zu huldigen und beeinträchtigt die für das Christenthum fechtenden Ritterorden. Prälaten, die sich der päpstlichen Ladung, mithin ihrer Pflicht gemäß, zu heiligen Berathungen versammeln wollten, hat er gefangen nehmen und in hartem Gefängnisse schmachten lassen; ja selbst die Päpste entgingen nicht seiner Schmähung und Verfolgung!«

»Trotz des Bannes läßt er Gottesdienst halten und behauptet laut, gegen Jesu Christi unseres Herrn unzweifelhaftes Wort: daß der Nachfolger des Apostels Petrus kein Recht habe zu binden und zu lösen. Dennoch hat die Kirche, vermöge ihrer überall versöhnenden Natur und Bestimmung, diesem Fürsten, oder vielmehr diesem Heiligthumsschänder angeboten: sie wolle ihm das Mitleid und die Milde erweisen, welche mit ihrer und Gottes Ehre irgend verträglich sey; sie wolle sich, sobald er nur die gefangenen Geistlichen freilasse, über alle andere Punkte gütlich einigen, oder dieselben zu unparteiischer Entscheidung geistlicher Prälaten und weltlicher Fürsten bringen. Allein je mehr dem Kaiser freiwillig geboten wird, desto mehr steigen seine anmaaßlichen Forderungen, und niemand verkennt seinen letzten Zweck, nämlich, die Kirche und allen Gottesdienst auf Erden auszurotten, damit er allein, ein 163 {1245} verabscheuungswürdiges Götzenbild, von dem elenden, verlassenen Geschlechte angebetet werdeCodex Vindob. philol. No. 61, fol. 68; No. 305, fol. 63.

»Dieser Götze ist aber auch ein Götzendiener. In seinem Reiche gründet er nicht fromme Klöster, sondern muhamedanische Städte; er giebt das heilige Land, wie aus seinem Anerbieten baldiger Rücknahme und Rückgabe desselben hervorgeht, zu Spott und Verderben der Christenheit, einem muhamedanischen Fürsten zum Lehen; er hält muhamedanische Verschnittene zur Bewachung seines christlichen Weibes, vermählt seine Tochter dem gebannten Ketzer Vatatzes, verehrt muhamedanische Sitten und Gebräuche, und entblödet sich nicht, er – das Haupt der Christenheit – mit ungläubigen Dirnen vertrauten Umgang zu pflegen!«

Als der Papst seine Rede hiemit geendet hatte, erhob sich Thaddäus von Suessa und sprach mit fester Stimme und festem MutheThaddaeus pro Friderico elegantissime allegavit, ita ut plurimorum sibi audientiam conquireret et favorem. .Alb. Stad. zu 1245.  Thaddaeus mult estoit sage home, ne peut si bel repondre.  Martin da Canale 39.: »wären diese Beschuldigungen so wahr, als sie schwer sind, wahrlich, übel stände es dann um die Sache des Kaisers, meines Herrn! Hier aber sind die Bullen der Päpste, deren sorgfältige Prüfung jedem offenbaren wird, wer die Eide brach, die Verträge nicht hielt und den neuen Streit veranlaßte. Wie kann man den Kaiser beschuldigen, er verfolge die Päpste, da ihm aus tausend Gründen mehr am Frieden gelegen ist, als ihnen? Wie darf man ihn einen Kirchenräuber schelten, da er von den Geizigen nur verlangt was des Kaisers ist, da er die Ungehorsamen nur zu der Ordnung anhält, ohne welche jedes Reich zu Grunde geht? Wie darf man ihm verdenken, daß er diejenigen, welche sich, berufen von seinem Hauptfeinde, zu seiner Unterdrückung versammeln wollten, als Feinde betrachtete und behandelte? Wer kann ihn tadeln, daß er sich 164 {1245} durch einen ungerechten Bann nicht wollte von der beseligenden Gemeinschaft der christlichen Kirche ausschließen lassen? Wer hat ein Recht, das, was Beweis seiner frommen Gesinnung ist, in ein Zeichen gottloser Gesinnung umzudeuten? – Ob mein Herr ein Ketzer sey, das kann niemand wissen, als er selbst; er allein kann durch sein Bekenntniß darüber entscheiden. Doch spricht augenfällig gegen jene Behauptung: daß er in seinen Reichen keine Wucherer duldet, während der römische Hof bekanntlich sehr arg an diesem Übel leidet, daß er die ketzerischen Lombarden nicht beschützt, wie zu allgemeinem Anstoße der Papst. Die von Gott eingesetzte weltliche Herrschaft will dieser mit solcher Hülfe zerstören, ihm sind die Ketzer lieber als der Kaiser, das Haupt der Christenheit! – Wie darf er von diesem fordern, er solle die seit undenklicher Zeit in seinen Ländern wohnenden Saracenen grausam ausrotten? Wie kann er ihn, sich selbst widersprechend, zu gleicher Zeit tadeln, daß er sich ihrer im gerechten Kriege bedient, und hiedurch dem Vergießen von Christenblute vorbeugt? – Die Freundschaft muhamedanischer Fürsten gereicht ihm eher zum Lobe, als zum Vorwurfe: denn sie gründet sich auf die freiwillige Anerkenntniß seiner herrlichen Eigenschaften. Gern hätten die Päpste jene Fürsten für sich und gegen den Kaiser gewonnen: allein selbst Ungläubige fühlten das Unrecht, was man ihm anthat, und blieben ihm treu. Abgesehen aber hievon scheint der Papst vergessen zu haben, wie oft im Morgenlande Bündnisse zwischen Christen und Saracenen geschlossen, und selbst von der Kirche gebilligt wurden. – Saracenische Mädchen endlich sind allerdings am kaiserlichen Hofe gewesen, keineswegs aber (wie der Papst, man weiß nicht auf welche Weise ausgespürt haben will) unkeuschen Umganges, sondern ihrer weiblichen Geschicklichkeit halber. Um indeß einem so ängstlichen Sittenrichter, wie Innocenz ist, völlig zu genügen, sind auch diese unwiderruflich entfernt worden. Damit nun aber mein Herr, der Kaiser, mich über alle diese großentheils unerwarteten Vorwürfe mit Vollmacht und 165 {1245} Weisung versehe, oder damit er selbst zu vollständiger Rechtfertigung herkomme, bewillige man eine genügende Frist.« – »Das sey ferne«, fiel in diesem Augenblick der Papst ein. »Ich fürchte die Schlingen, denen ich kaum entronnen bin; wenn er kömmt, so gehe ich. Noch habe ich nicht Lust, ein Märtyrer zu werden, oder mich einsperren zu lassen.«

Ehe man hierüber zu einem Beschlusse kam, trat, um gegen den Kaiser noch mehr aufzureizen, der Bischof von KatanaDie Collect. concil. lieset Calmensis oder Caliensis; die Annal. Caesen. Catanensis; Giannone hat Carinola in terra di Lavovo, wo allerdings ein Bisthum war. hervor und behauptete: des Kaisers Lebenslauf sey von Kindheit an verwerflich und schändlich gewesen, und seine Hauptabsicht gehe dahin die Kirche so arm zu machen, als in ihrer ersten Zeit. Ihm fiel Thaddäus in die Rede und sagte: »du redest nicht aus Liebe zur Gerechtigkeit, sondern aus Haß und Bosheit: denn dein Vater ist vor Gericht der Verrätherei überführt, durch förmlichen Rechtsspruch zum Tode verurtheilt und aufgehängt worden. Du selbst folgtest dem väterlichen Beispiele, und hast dich nur durch die Flucht von der Strafe gerettet. Schweig also, damit deine Schande und deine Lügen nicht noch offenbarer werden!« – Der Bischof wagte nicht zu antworten, aber ein spanischer Erzbischof stand auf, ließ sich noch breiter über die Verbrechen des Kaisers vernehmen, schalt ihn (weil er Prälaten habe gefangen nehmen lassen) einen Majestätsverbrecher, und forderte den Papst auf, streng gegen ihn zu verfahren. Diesem Spanier trat aber Thaddäus, damit Darstellungen solcher Art nicht die Unkundigen täuschen möchten, noch kühner und fester entgegen. »Welche Anmaaßung,« so sprach er, »daß jemand aus fernen Landen, dem alle Kenntnisse mangeln, über den Gang der Vorfälle aburtheilt! Welche Unwürdigkeit, daß ein Geistlicher statt zum Frieden, zu kriegerischer Strenge auffordert! Welcher Wahnsinn, den Kaiser, die Quelle aller Majestät, wegen Bestrafung seiner Feinde, 166 {1245} einen Majestätsverbrecher zu nennen!« – Ungeachtet diese Zurechtweisungen manchen Einwurf ganz entkräfteten, machte doch das Andenken an die Unfälle der gefangenen Prälaten so großen Eindruck auf die Versammlung, und es fielen darüber von mehren Seiten so bedenkliche Worte, daß Thaddäus nochmals auftrat und sprach: »auch meinem Herrn hat dies Ereigniß leid gethan; es geschah zufällig und gegen seinen Willen. Wer konnte aber in jener Verwirrung der Seeschlacht Freunde von Feinden, und würdige Prälaten von boshaften Gegnern unterscheiden? Gern würde mein Herr, wenn er gegenwärtig gewesen wäre, die Unschuldigen befreit haben.« – »Warum hat er denn,« fiel hier der Papst ein, » die Unschuldigen nicht freigelassen und von den angeblich Schuldigen gesondert?« – »Alle«, erwiederte Thaddäus, »waren gewarnt. Keinem war sicheres Geleit zu einer Kirchenversammlung bewilligt, welche nur Parteiische besuchen durften, zu welcher man nur offenbare Feinde des Kaisers geladen hatte. Gott gab sie in die Hände dessen, den sie in ihrem Stolze verachteten. Und dennoch, nach kurzem Zorne gedachte er der Milde und wollte alle Prälaten entlassen: aber der Kardinalbischof von Präneste und einige andere fluchten ihm ins Angesicht, und vergaßen jenes heilsamen Rathes, sich unter die Hand des Mächtigen zu beugen. So verwandelte sich ihr Aufruhr in Ohnmacht, ihre Ohnmacht in Thorheit, und mit Recht blieben Feinde solcher Art in der Haft.« – »Dein Herr,« entgegnete Innocenz, »hätte voraussetzen sollen, daß eine Versammlung so vieler trefflichen Männer ihn eher würde losgesprochen, als verurtheilt haben; aber sein böses Gewissen verkündete ihm den nothwendigen Ausgang.« – »Sein Gewissen,« antwortete Thaddäus, »war rein: aber wie konnte er hoffen, daß diejenigen, welche gefesselt ihn noch mit Unverschämtheit bedrohten, frei und unter dem Vorsitze seines Hauptfeindes, Gerechtigkeit üben würden?« – »Wenn auch einer,« schloß der Papst, »durch Ungebühr seine Gnade verscherzt hätte, warum ließ er die Unschuldigen auf gleiche Weise leiden? 167 {1245} Für dies und unzähliges andere verdient er eine schmähliche Absetzung.«

Diese Äußerung erschreckte insbesondere die englischen Gesandten, welche fürchteten, daß auch die Kinder des Kaisers von der englischen Prinzessinn Isabelle durch solchen Spruch leiden dürften. Gemeinsam mit den französischen Gesandten und Thaddäus, drangen sie wiederholt auf die Bewilligung einer Frist, damit der bereits in Turin angelangte Kaiser zu persönlichem Erscheinen oder zu weiterer Rechtfertigung aufgefordert werde. Die Templer und Johanniter, die zum Schutze des Papstes versammelte Mannschaft und wenige heftig gesinnte Prälaten widersprachen jedem Aufschube; allein Innocenz wußte seinen Vortheil geschickter mit dem Scheine der Mäßigung zu vereinigen: er bewilligte nämlich eine Frist, aber nur auf zwölf Tage, welche kaum hinreichten den Kaiser zu benachrichtigen und Antwort einzuholen.

Als Walter von Okra, welcher nach Turin eilte, diesen umständlichen Bericht vom Hergange auf der Kirchenversammlung erstattet hatte, rief Friedrich aus: »so ist es denn klarer als das Tageslicht, daß der Papst nur damit umgeht mich zu verderben, hauptsächlich weil ich seine Verwandten, offenbare Reichsfeinde und Seeräuber, gefangen nehmen ließ.« – Ob sich nun aber der Kaiser selbst nach Lyon begeben solle oder nicht, darüber waren zwiefache Meinungen an seinem Hofe. Diejenigen, welche jene Frage bejahten, führten an: das viele Hin- und Hersenden, die vielen Rückfragen und Antworten brächten nicht zum Ziele. Wenn sich hingegen der Kaiser seinem Feinde, dem Papste, persönlich gegenüber stelle, so werde das Ansehen der Majestät und die Gerechtigkeit der Sache auf jeden Unbefangenen siegreich wirken und zu dem Frieden führen, welchen die kriegsmüde Welt so sehnlich herbeiwünsche. Diesen widersprechend behaupteten andere: das Recht des Kaisers könnten auch Bevollmächtigte einleuchtend vortragen; bedenklich aber sey es, daß er sich mitten unter seine Feinde begebe, 168 {1245} oder doch der Gefahr aussetze, auf eine Weise behandelt zu werden, welche kaiserlicher Majestät nicht angemessen sey. Auch schließe das persönliche Erscheinen, um Recht zu nehmen, ein unbedingteres Unterwerfen unter die Kirchenversammlung in sich, als wenn Friedrich nur durch Gesandte verhandeln lasse. Bei den ohnehin täglich wachsenden Anmaaßungen der Geistlichkeit, dürfe man ihnen freiwillig nicht noch mehr einräumen, und die von Gott den weltlichen Fürsten verliehenen Rechte nicht ganz von ihrer Willkür abhängig machen.

Anfangs war der Kaiser jener ersten Ansicht geneigt, und traf alle Anstalten zur Reise nach Lyon. Vielleicht geschah dies aber nur um den Papst zu schrecken, oder um Vertrauen zur Kirchenversammlung anzudeuten. Denn eine wiederholte Prüfung führte zu dem Glauben: Innocenz werde sich durch Friedrichs persönliche Anwesenheit in Lyon weder einschüchtern, noch die Kirchenversammlung umstimmen lassen; mithin sey es rathsamer, daß Friedrich im obern Italien bleibe und dringende Angelegenheiten ordne. Dem gemäß ertheilte er dem Bischofe von Freisingen, dem Großmeister des deutschen Ordens und dem Großrichter Peter von Vinea unbeschränkte Weisung und Vollmacht, für ihn, mit Zuziehung der frühern Gesandten, zu reden und abzuschließenMath. Paris 472..

Während dessen benutzte Innocenz die bewilligte Frist mit großer Gewandtheit, um die Mehrzahl der versammelten Prälaten auf seine Seite zu bringen. Sie wurden aufmerksam gemacht, daß alle urkundlichen Versprechungen des Papstes bedingt, die des Kaisers hingegen unbedingt lauteten, mithin nur bei diesem von Wortbruche die Rede seyn könne; sie wurden daran erinnert, daß es ihre Pflicht sey sich ihres Oberhaupts, von dem Lohn und Strafe ausgehe, treulich anzunehmen, und nicht die Kirche der weltlichen Macht preis zu geben; sie überzeugten sich leicht von ihrem 169 {1245} unzweifelhaften Rechte, über den Kaiser zu sprechen, und von seinem Unrechte gegen ihre Brüder, die gefangenen Prälaten.

Sobald Innocenz dieser Gesinnungen sicher war, erschien es ihm nicht gerathen, die Ankunft Friedrichs oder seiner neuen Gesandten abzuwarten; und obgleich Thaddäus von Suessa dringend bat, wenigstens noch drei Tage zu bewilligen, binnen welcher Zeit jene gewiß ankommen würden, hielt er nach Ablauf der zu kurzen Frist am 17ten Julius 1245 die dritte Sitzung. Sie begann indeß nach vollendetem Gottesdienste ganz friedlich damit, daß der Papst einige Bestimmungen über die Unterstützung des heiligen Landes und über das Fest der Geburt Marias mittheilte. Hierauf legte er den Prälaten Abschriften der Urkunden über die Rechte und Besitzungen des römischen Stuhles zur Unterschrift vor. Hierin sahen viele Unbefangene gar nichts Bedenkliches: allein Thaddäus von Suessa, welcher mit Recht fürchtete, daß man dies Unterschreiben als Anerkenntniß der Ächtheit und des Inhalts geltend machen und zum größten Nachtheile des Kaisers benutzen werde, widersprach laut und nachdrücklich einem so einseitigen unredlichen Verfahren. Dennoch beharrte der Papst auf seiner Forderung, und die Prälaten gehorchten. Da rief Thaddäus laut: »ich appellire von dieser Kirchenversammlung, auf welcher so viele Prälaten und weltliche Abgeordnete fehlen, an eine allgemeinere unparteiische Versammlung; ich appellire von diesem, meinem Herrn feindlich gesinnten Papst, an den künftigen, milder und christlicher gesinnten PapstDie Annal. Caesen. und Concil. collect. erwähnen bestimmt auch der Berufung an den künftigen Papst; Math. Paris hingegen nur der Berufung an eine andere Kirchenversammlung. Überhaupt ist zwischen beiden Hauptquellen (denn die Erzählung in der Conciliensammlung und in den Annal. Caesen. ist dieselbe) manche unvereinbare Abweichung. Nach Math. Paris war die erste Sitzung im Kloster des heiligen Justus, und es ist undeutlich, ob dann noch zwei oder noch drei Sitzungen folgten. Die Annal. Caesen. sprechen bestimmt nur von drei Sitzungen. Nach Math. Paris war die erste Sitzung den 26sten Junius, die zweite den 29sten, der Tag der spätern ist nicht genau angegeben. Nach den Annal. Caesen. war die erste Sitzung den 29sten Junius, die zweite den fünften Julius, die dritte den 17ten Julius. Dafür daß die Bannbulle vom 17ten Julius sey, stimmen Raynaldus, Barthol. Annal., Dandolo 356, Dumont I, 190, Urk. 369. Den 22sten Julius hat Vie de S. Louis msc. fol. 17; den 24sten Roland. Patav. V, 14; den 25sten Albert. Stadens.; den VI Calend. Aug. für den XVI schreiben irrig Simon Montfort chr. und Guil. Nang. 342.. Corner 888 hat Montags vor Maria Magdalena. Eine genaue Prüfung aller Abweichungen würde die Gränzen einer Note überschreiten; wir stellten so dar, wie es uns am wahrscheinlichsten dünkte..« Innocenz antwortete: »alle Prälaten sind geladen zur Versammlung, und die Fehlenden werden größtentheils durch Friedrichs Tyrannei selbst fern gehalten. Schon zu lange, und nicht ohne 170 {1245} Aufopferungen mancherlei Art warten Patriarchen, Erzbischöfe, Bischöfe, Fürsten und fürstliche Gesandte vergebens auf dessen demüthige Unterwerfung; sein Stolz, seine Bosheit, seine Betrügereien sollen das verdiente Strafurtheil nicht länger verzögern.«

In diesem Augenblicke, wo der Papst zum äußersten vorschreiten wollte, erhob sich aber, ihm sehr unerwartet und sehr unbequem, Wilhelm von Povveria als Bevollmächtigter des gesammten Königreichs England, und legte Schreiben vor, in welchen die ungeheuren Bedrückungen des päpstlichen Gesandten Martin und der unzähligen nach England gesandten, Italiener mit größtem Nachdrucke geschildert und durch unleugbare Thatsachen erwiesen waren. »Unkundig der Sprache und der Sitten (so hieß es in dem laut verlesenen Schreiben) drängen sich jene Italiener, auf den Grund päpstlicher Empfehlungen oder Befehle, in die Pfründen; unbegnügt mit dem ohnehin schon drückenden Peterspfennig, schleppen sie jährlich mehr als sechzigtausend Pfund aus dem armen Lande hinweg und stellen, ohne Rücksicht auf Rechte, Besitzstand und Herkommen, ihre Willkür als alleiniges heiliges Gesetz auf. Unser König verehrt, als ein rechtgläubiger Fürst, die katholische Kirche und wünscht ihr 171 {1245} Heil und ihren Vortheil, jedoch ohne Verkürzung seiner Rechte. Wir aber, die wir in seinen Geschäften die Last und Hitze der Tage tragen müssen, und denen es zugleich mit dem Könige obliegt, über die Erhaltung des Reichs sorgsam zu wachen, wir können und wollen die vor Gott und Menschen verabscheuungswürdigen Erpressungen, die unerträglichen Beschwerden nicht länger ruhig ertragen. Wir glauben und hoffen vielmehr, daß eure Milde dagegen schnelle und angemessene Mittel anwenden, daß es eurer Väterlichkeit gefallen werde unsere Bitte zu erhören, damit die Barone und ganz England euch mit Recht zum Danke verpflichtet bleiben.«

Während des ganzen Vortrags hatte der Papst kein Auge aufgeschlagen; er schwieg lange nach beendigter Lesung. Endlich sagte er: »die Sache erfordere längere Überlegung;« und obgleich die Bevollmächtigten itzt noch mehre Klagen vortrugen und noch ernstlicher auf augenblickliche Hülfe drangen, beharrte er bei seinem Entschlusse und brachte die ungern unterbrochene Berathung über den Kaiser wieder in Gang. Hiebei erzählte er anfangs gar milde, wie er diesen von jeher geliebt habe, wie er ihn noch ehre, wie er auf alle Weise die Aussöhnung mit ihm wünsche, wie ungern er zu harten Maaßregeln schreite; so daß mehre glaubten, er wolle, nachdem er dem Kaiser die drohende Gefahr gezeigt habe, gemäßigtere Wege einschlagen. Plötzlich aber theilte er der Versammlung eine Bulle mit, deren Inhalt wenige kannten, und viele wohl kaum ahneten. Sie begann damit: »er, Innocenz, habe durch Gottes Rathschluß, obgleich unwürdig, die höchste Würde der Christenheit empfangen, welche ihn verpflichte, mit rastloser Wachsamkeit für alle Gläubigen zu sorgen, ihre Thaten und Worte nach innerer unbefangener Prüfung zu beurtheilen, die Würdigen zu erhöhen, die Schuldigen aber mit gerechter Strafe zu belegen. Vor allem sey die Beendigung der zeitherigen Unruhen und Kriege sein eifrigster Wunsch gewesen; weshalb er sich zuerst an den größten Urheber derselben, an den damals 172 {1245} gebannten Kaiser gewandt habe.« Hier folgte nun eine Darstellung aller Verhandlungen, eine Herzählung aller Klagpunkte, so wie wir sie bereits mitgetheilt haben; nur verschmähte der Papst nicht hier aufzunehmen: daß der Kaiser, wie man als gewiß versichere, seinen Verwandten den Herzog von Baiern, durch Meuchelmörder habe umbringen lassen! Am Schlusse hieß es: »um dieser und vieler andern verabscheuungs- und verfluchungswürdigen Frevel und Missethaten willen haben wir, nach reiflicher und sorgfältiger Berathung mit unsern Brüdern, den Kardinälen, und der heiligen Kirchenversammlung, und vermöge der von Christo, unserem Herrn, den Nachfolgern des heiligen Petrus ertheilten Macht, jenen Fürsten, der sich des Kaiserthums und der Königreiche, der sich aller Würden und Ehren unwürdig gezeigt hat, der seiner Ungerechtigkeit und Verbrechen halber von Gott verworfen ist, – aller seiner Würden und Ehren beraubt und entsetztEigentlich that der Papst, nach einer andern Quelle, als bestätige er nur einen göttlichen Ausspruch. Merkwürdig ist die Art, wie er sich doch auch als wichtig bezeichnete: Volentes divinam sententiam praeponere sententiae nostrae, denunciamus Fridericum a Deo excommunicatum et depositum ab omni honore imperii et regni. Addentes vero sententiam nostram divinae sententiae, excommunicamus Fridericum et deponimus ab omni honore imperii et regni.  Monach. Patav. 681.! Alle die ihm durch Eide der Treue oder auf irgend eine Weise verbunden und verpflichtet sind, entbinden und befreien wir für immer von diesen Pflichten und Eiden, und gebieten aus apostolischer Machtvollkommenheit streng und bestimmt: daß künftig niemand mehr ihm als König oder Kaiser gehorche. Wer, diesen Befehl verachtend oder umgehend, ihm noch irgend gehorcht oder mit Rath und That beisteht, ist dadurch in den Kirchenbann verfallen. In Deutschland mögen die zur Wahl berechtigten Fürsten einen König erwählen; über das sicilische Reich werden wir mit Rath unserer Brüder, der Kardinäle, das Nöthige festsetzen.«

173 {1245} Als Innocenz, ohne vollständige Untersuchung, ohne Umfrage, ohne gemeinsamen Beschluß, ja, ohne irgend sichtbare Theilnahme der Kirchenversammlung, einen so harten Beschluß über den großen Kaiser aussprach, erschraken die meisten gar sehr; vor allen aber wehklagten die kaiserlichen Gesandten, schlugen sich, ihrem Schmerze nachgebend, vor Haupt und Brust, und Thaddäus von Suessa rief aus: »dies ist ein Tag des Zornes, des Unglücks und Elends! Nun werden sich freuen die Ketzer, herrschen die Chowaresmier, einbrechen das Gezücht der Mongolen!« – »Das meine,« entgegnete der Papst, »habe ich gethan; Gott möge das weitere thun und lenken, nach seinem Willen!« Hierauf begann er das: Herr Gott, dich loben wir, und die ihm Gleichgesinnten stimmten bei. Nach dessen Beendigung folgte eine tiefe Stille; dann senkten Innocenz und die Prälaten ihre brennenden Fackeln zur Erde, bis sie verloschen: so sey des Kaisers Glanz und Glück auf Erden erloschen!

Als dem Kaiser in zahlreicher Versammlung dieser Ausgang hinterbracht wurde, gerieth er in großen Zorn und rief aus: »mich hat der Papst und seine Versammlung abgesetzt? mich der Krone beraubt? Bringt mir her meine Kronen, daß ich sehe, ob sie wirklich verloren sind.« Und als man sie herbeibrachte, ergriff er die eine, setzte sie aufs Haupt und fuhr mit erhöhter Stimme fort: »noch habe ich meine Kronen, und kein Papst, keine Kirchenversammlung soll sie mir ohne blutigen Kampf rauben. Welch jämmerlicher Stolz, welche freche Anmaaßung, mich, dem kein Fürst auf Erden gleich steht, vom Gipfel kaiserlicher Hoheit mit leeren Worten der Willkür hinabstürzen zu wollen! Aber wahrlich, mein Loos ist besser geworden, als es war: denn derjenige, dem ich wo nicht gehorchen, doch Verehrung bezeigen sollte, hat sich als ein ungerechter Richter, als ein so grausamer Feind gezeigt, daß ich nunmehr aller Liebe und Ehrfurcht gegen ihn losgesprochen, daß ich zu Fehde und Haß gegen ihn berechtigt bin.«

174 {1245} So wie der Papst seinen Spruch in aller Welt verkünden ließ, schrieb auch der Kaiser an alle Könige, Fürsten und Barone der ChristenheitAuch an seine Beamten. Wir fassen das Wichtigste zusammen.  Petr. Vin. I, 2, 3, 15, 16, 18, 20.  Pipin. II, 34, 36.  Math. Par. 459.:

»Ob wir gleich überzeugt sind, daß ihr durch das allgemeine Gerücht und durch wahrhafte Zeugen von der Gerechtigkeit unserer Sache überall unterrichtet seyd; so halten wir es doch für nöthig, selbst über den Hergang an euch zu schreiben und euch unsere Ansicht mitzutheilen. Hätte doch Christi Stellvertreter dessen Stelle wirklich vertreten! Wäre der Nachfolger Petri doch dessen Beispiele wirklich nachgefolgt! Aber vermöge welches Vorbildes und Gesetzes ist der gegen uns beobachtete Rechtsgang zu entschuldigen? Wie das zu benennen, was ein unbefugter Richter als einen Rechtsspruch darstellt? Katholischem Glauben gemäß bekennen und gestehen wir laut: daß dasjenige, was der Papst als Haupt der heiligen Kirche (selbst wenn er, was ferne sey, ein Sünder wäre) auf Erden bindet und löset, auch im Himmel gebunden und gelöset seyn solle: niemals aber ist ihm durch göttliches oder menschliches Recht erlaubt worden, nach Willkür das Kaiserthum zu geben oder zu nehmen, Könige und Fürsten über weltliche Dinge zu strafen, und ohne Rücksicht auf Land- Lehen- und bürgerliches Recht, die Unterthanen von ihren geleisteten Eiden zu entbinden. Die Krönung und Salbung des Kaisers steht ihm zwar der Sitte nach zu, allein die Absetzung desselben eben so wenig als andern Prälaten, welche etwa Könige salben und krönen. Wenn man ihm aber auch ein solches Recht, ob der angeblichen Fülle seiner Macht einräumte; so geht diese doch nicht dahin, daß er mit Verletzung aller Formen, welche jedes Recht weise beschränken und regeln, nur geradehin nach Willkür strafen dürfe.«

»Weder ein Ankläger hat sich gestellt, noch ist eine 175 {1245}Vertheidigung gehört, noch ein Beweis geführt worden. Der Papst war Ankläger, Zeuge und Richter zugleich! Weltkundig nennt er Verbrechen welche ich leugne; seit wann ist des Kaisers Wort so verächtlich geworden, daß es nichts gilt gegen die Äußerungen des Priesters? Man erwähne nicht die wenigen Zeugen, welche gegen uns aufgestanden sind. Der Vater, Bruder und Neffe des einen war in Hochverrath gegen uns verwickelt, und die andern, welche eben aus Spanien ankamen, wollten über italienische Angelegenheiten Auskunft und Urtheil geben! Seit wann gelten solcherlei Menschen für unparteiische, wohlunterrichtete Zeugen?«

»Wäre aber auch ein Kläger vorhanden, wäre die Aussage der Zeugen gültig, der Richter zum Spruche berechtigt gewesen, so durfte man doch den Beklagten nicht abwesend verurtheilen. Der Vorladung fehlte, anderer Mängel nicht zu gedenken, durchaus die gehörige Form; es fehlte die Bezeichnung einer schließlichen Frist, und unsere Gesandten wurden über die gegründeten Ursachen unseres Außenbleibens nicht einmal gehört, vielweniger ward auf unsere Abwesenheit Rücksicht genommen. Der Papst hätte die Ankunft des Bischofs von Freisingen und unserer übrigen Bevollmächtigten abwarten sollen; und wenn er dies, trotz dem Verlangen vieler Edlen und Prälaten, nicht thun wollte, so durfte er höchstens die gewöhnlichen Strafen, welche das bürgerliche und geistliche Recht für Versäumniß einer Frist vorschreibt, zur Anwendung bringen, nicht aber vor aller Untersuchung den Ungehörten verurtheilen.«

»Wie unwahr seine gegen uns ausgesprochenen Beschuldigungen sind, zeigen die mit nöthiger Erläuterung beigefügten Urkunden. Keine wahrhafte Beschuldigung könnte aber die ungeheure Thorheit rechtfertigen: den Kaiser, diesen Inhaber der höchsten Majestät, des Majestätsverbrechens schuldig zu erklären; denjenigen lächerlicherweise Gesetzen zu unterwerfen, welcher als Quelle der Gesetze darüber erhaben ist; den in weltliche Strafen zu verurtheilen, welcher 176 {1245} in weltlichen Dingen nur einen Obern hat, nämlich Gott. Geistlichen Bußen unterwerfen wir uns gern und wissen, daß nicht etwa bloß der Papst, sondern jeder Priester sie auflegen darf: aber leider gleichen die Geistlichen unserer Zeit, nicht jenen der ersten christlichen Kirche. Damals waren sie den Engeln ein Wohlgefallen, glänzten durch Wunder, heilten Kranke, erweckten Todte und suchten die Fürsten durch Heiligkeit zu gewinnen, nicht durch die Waffen zu unterwerfen. Immerdar war es unsere Absicht, sie wieder zu jenem apostolischen Leben, zu der Demuth ihres Herrn zurückzuführen: aber sie achten die Lüste der Welt höher, als die Furcht Gottes, und in Reichthum und schlechten Genüssen erstirbt ihre Religion. Ihnen die schändlichen Reichthümer, womit sie auf verdammliche Weise belästigt sind, zu entziehen, ist ein Werk der Liebe; und alle Fürsten sollten dahin wirken, daß die Geistlichkeit, nach Ablegung alles Überflüssigen, mit mäßigem Gute zufrieden seyn und Gott, dem alles dient, dienen müßte, nicht dem Mammon. Aber ihr schweigt und gehorcht, und laßt geschehen, daß die ganze Welt in den Rachen des Papstes hineingeräth! O daß eure leichtgläubige Einfalt die Heuchelei dieser Pharisäer erkennte, daß ihr die Abscheulichkeit des römischen Hofes (welche Anstand und Scham auszusprechen verbietet) ganz einsehen lerntet! Bei euch betteln die Christen, damit hier Verschwender und Ketzer hoch leben können; ihr zerstöret eure Häuser, damit eure Feinde sich hier Städte bauen! Bietet ihr jenen einen Finger, so nehmen sie nicht bloß die Hand, sondern den Arm dazu; und jemehr ihr dann eifrig und doch ungeschickt nach Freiheit strebt, desto fester werdet ihr in die Netze verstrickt und unlöslich gefangen. Wißt ihr nicht, daß man von jeher diejenigen klug und glücklich nannte, welche sich durch fremde Gefahr warnen ließen? Unsere Sache ist aber die Sache aller Könige und Fürsten, ja des Geringsten: denn das Recht soll jeder vertheidigen nach seinen Kräften. Mit uns wird der Anfang gemacht; wäre aber unsere Macht erst gebrochen, 177 {1245} wer von euch hätte Muth und Kraft genug, um zu widerstehen? – Milde findet itzt keine Anwendung mehr, man muß das Kranke und Krebsartige ausschneiden, damit das Gesunde errettet werde. Und dieses schwere Unternehmen, diesen harten Kampf beginne ich nicht für mich allein, sondern auch zu eurem Besten. Ihr aber kümmert euch nicht um unser Recht und unsere Ehre; sondern bleibt gleichgültig bei allen Ereignissen, und schlaft ruhig fort, als würde die Feuersbrunst, deren Flammen über den Erdball zusammenschlagen, eure Häuslein nicht erreichen!«

»Gott der Herr wird alles von denen fordern, die solches Unheils Ursache sind. Wollte ich feige und träge meine Rechte aufgeben, (was manchem rathsam scheinen mag) dann wäre ich wirklich der härtesten Strafe werth, und ganz natürlich würden dem scheinbaren Vortheile eines ruhigen Augenblicks die größeren Übel nachfolgen. Auf jeden Fall bleibt mir bei der Mitwelt und Nachwelt der Ruhm des Widerstandes; diejenigen aber, welche sich meiner nicht annehmen, wird außer der Sklaverei dereinst auch die Schande treffen.«

Diese Anklage des Kaisers beantwortete der Papst in Schreiben folgendes Inhalts:

»Wenn ein Kranker, der milde Arzeneien verschmähte, zuletzt der Heilkunde gemäß geschnitten und gebrannt wird, so klagt er, daß der Arzt ihn grausam umbringe; wenn ein Übelthäter, bei dem Warnungen nichts fruchteten, zuletzt gestraft wird, so klagt er und verleumdet seinen gerechten Richter. Überall ist aber vorauszusetzen, daß der Arzt für das Wohl des Kranken sorge und jeder Richter nicht die Person, sondern die Verbrechen verfolge. Der Kaiser aber reicht, nach jener verkehrten Weise, in allgemein verbreiteten Schriften süßen Wermuth durch Sirenen dar, verführt die Hörer mit trügerischen Worten, verwirft einseitig unser von der Kirchenversammlung gebilligtes Verfahren, und reizt auf gegen die heilige Kirche. Keineswegs 178 {1245} wollen wir in Schmähworten mit ihm wetteifern: denn diese statt gesetzlicher Gründe anzuführen, ist unwürdig und für gute Sitten verderblich; die Wahrheit, nach Christi Beispiel in aller Demuth dem Unwahren entgegensetzen, genügt um obzusiegen. Der Kaiser bezweifelt und leugnet, daß alle Sachen, alle Personen dem römischen Stuhle unterworfen sind. Also der, welcher einst die Engel im Himmel richten wird, der sollte über Irdisches nicht urteln dürfen? Schon im alten Testament entsetzten Priester unwürdige Könige; wie vielmehr ist der Statthalter Christi hiezu gegen den berechtigt, welcher, aus dessen Kirche ketzerisch heraustretend, der Hölle anheim gefallen ist. Diejenigen, welche ungeschickt zur Erforschung der ursprünglichen Verhältnisse sind, sagen irrig: Konstantin habe dem römischen Stuhle zuerst weltliche Gewalt gegeben; da ihm diese doch naturgemäß und unbedingt schon von Christus, dem wahren Könige und Priester in der Ordnung Melchisedecks verliehen worden. Nicht bloß eine priesterliche, sondern auch eine königliche Herrschaft gründete Christus, und gab dem heiligen Petrus zugleich die Zügel des irdischen und des himmlischen Reichs, wie durch die Mehrheit der Schlüssel angemessen und augenfällig angezeigt istNon solum pontificalem, sed regalem constituit principatum, beato Petro ejusque successoribus terreni simul ac coelestis imperii commissis habenis, quod in pluralitate clavium competenter innuitur.  Codex epist. Vatic. No. 4957, 49.  Codex Vindobon. philolog. No. 61, f. 70; No. 305; f. 83.. Die Tyrannei, die gesetz- und haltungslose Regierung, welche früher in der Welt allgemein war, legte Konstantin in die Hände der Kirche nieder und empfing das, was er mit Unrecht besaß und übte, jetzt aus ächten Quellen als eine ehrenvolle Gabe zurück. Auch die Gewalt des Schwertes ist bei der Kirche und stammt von ihr: sie übergiebt es dem Kaiser bei dessen 179 {1245} Krönung, damit er davon gesetzlichen Gebrauch mache und sie vertheidige; sie hat das Recht, ihm zu gebieten: stecke dein Schwert in die Scheide. Wenn aber der Kaiser statt des Unkrauts die treibenden Zweige abhaut, wenn er statt der Unschuldigen, die Übelthäter beschützt, und so im Wahnsinne gegen Gott und die Kirche frevelt; so ist es nicht Anmaaßung, Unrecht oder Grausamkeit, sondern milde Strenge, ihm das Schwert zu nehmen, womit er thöricht sich und die Welt zu Grunde richtet. Was haben wir nicht gethan, um diesen Sünder auf den rechten Weg zu bringen! Aber Versprechungen und Eide gelten ihm nichts, und mit Recht will deshalb die Kirche sich nicht an unschuldige Geißeln halten, sondern diesen neuen Simson, den dreifache und siebenfache Stricke nicht binden konnten, itzt durch gewaltigere Mittel fesselnCodex Palatin. Vatican. No. 953, p. 66.  Schreiben des Papstes.

»Mit sträflicher List sucht der Kaiser bei andern Königen und Fürsten, Verdacht und Argwohn zu erwecken, als fänden von Seiten des Papstes ungebührliche Anmaaßungen statt; als hätten die Unschuldigen das zu besorgen, was ihn, den Sünder trifft; als wäre das Verhältniß der übrigen christlichen Erbreiche zum römischen Stuhle, dem Verhältnisse des deutschen Wahlreichs und des sicilischen Reiches gleich. Dieses ist ein päpstliches Lehn, jenes aber verbunden mit dem Kaiserthume, welche Würde der Papst vom Morgenlande als Lehn auf das Abendland übertrugIn foedum transtulit occidentis. - Fidelitatis et subjectionis vinculo se adstringit, sicut antiquitas tradidit et modernitas approbavit.  Siehe das vorletzte Citat.. Ihm steht, was niemand leugnet, die Krönung des Kaisers zu, und hiebei verpflichtet sich dieser (wie das Alterthum gelehrt und die Gegenwart bestätigt hat) durch das Band der Treue und der Unterwerfung. Während aber Friedrich 180 {1245} so viel Unwahres über die Gefahren der Kirchenherrschaft sagt, warum schweigt er von den Ansprüchen der Kaiser auf unbegränzte Weltherrschaft, von diesen Ansprüchen, welche allerdings für alle Fürsten sehr bedenklich sind und ihren Rechten unleugbar zu nahe treten.«

»Seine Klagen über den Mangel an Formen, Vorladungen, Fristen u. s. w. sind unerheblich. Nie ist eine Sache so reiflich überlegt, so genau geprüft wordenMath. Par. 460.. Haben wir ihm doch in den geheimen Berathungen mit unseren Brüdern, den Kardinälen, immer einige als Anwalte zugewiesen, damit alles Erdenkliche zu seiner Entschuldigung vorgebracht und die Wahrheit zu Tage gefördert werde. Ohne Gott, die Kirche und unser Gewissen zu verletzen, konnten wir nicht anders handeln, als geschehen, und sind sammt unseren Brüdern bereit unser Recht bis zum Tode zu vertheidigen. Den Abwesenden durften wir über weltkundige Dinge richten, so wie Paulus die abwesenden Korinther ohne Vorladung strafte, so wie weltliche Gerichte gegen Hochverräther vorschreiten. Oder ist es nur Hochverrath, sich an den Gliedern des Kaisers zu vergehen, nicht aber an den Geistlichen, diesen Gliedern Christi? Welche lächerliche Anmaaßung zu wähnen, er, der Kaiser, sey erhaben über alle Gesetze und deren Anwendung! Wie ein gefangener Vogel sich durch widerstrebende Bewegungen immer tiefer im Netze verstrickt, wie einer der mit schmutzigen Händen den Mund wischt, immer unreinlicher wirdSordidis manibus os tergens, labem, quam conatur obducere, superducit.: so Friedrich durch seine Reden und Schriften. Selbst ein Ketzer, wagt er die Geistlichen Pharisäer zu schelten; hämisch bemerkt er, daß keine Wunder mehr die Kirche beglaubigen, während diese nur zur Bekehrung der Ungläubigen nöthig waren, nicht am Ende der Tage. Und dennoch fehlt es auch jetzt nicht 181 {1245} ganz an solchen Zeichen. Keineswegs um den, höchst seltenen Mißbrauch zu verhüten, sondern aus Habsucht möchte er der Kirche ihre Güter nehmen, und den Kuß des Friedens bietet er an, nicht um des Friedens willen, sondern um seine Beute, wie ein Wolf zu ergreifen und zu zermalmenDes Papstes Schreiber war Richard Posianus; ungewiß ist aber, welche Schriften er entworfen hat. Bonamici 118 und 319.182

 


 


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