Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 4
Friedrich von Raumer

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Konradin.

 

Neuntes Hauptstück.

Konrad der jüngere, von den Italienern Konradino genannt, der Sohn König Konrads IV und der baierischen Elisabeth, war geboren am 25sten März 1252Aventin. annal. VIII, 6, 8.  Herm. Altah. zu 1252.; mithin beim Tode seines Vaters erst zwei Jahre und zwei Monate alt. Die nächste Erziehung des Kindes verblieb der Mutter, und die Vormundschaft übernahm sein Oheim, Herzog Ludwig von Baiern, als nächster Verwandter. Aber die Schwester, wie der Neffe, mochten bei dem leidenschaftlichen und strengen Manne wohl kein sehr erfreuliches Leben führen; sie waren Zeugen von Begebenheiten, welche hier um so weniger zu übergehen sind, da sie einen Nebenzweig der hohenstaufischen Leidensgeschichte bilden.

Herzog Ludwig hatte Marien geheirathet, die Tochter Herzog Heinrichs von Brabant, die Enkelinn des von dem Wittelsbacher ermordeten Königs Philipp. Sie lebte in jeglichem ihres Standes und ihres Geschlechts würdig, der erste Schmuck eines Hofes, an dem sich so manche ehrenwerthe Männer versammelten. Unter diesen zeichnete sich durch Tapferkeit und durch Gewandtheit in Worten und im Umgange, Ritter Rucho der OttlingerAventin. VII, 7, 6, nennt ihn Rucho; Wipacher bei Westenrieder II, 102 sagt, es sey ein Ottlinger, oder ein Graf Heinrich von Hirschau gewesen. Vergleiche Wiener Jahrbücher 1818, IV, Anzeigeblatt 7. aus. Mehre Male spielte 570 die Herzoginn Schach mit ihm, was sein Zutrauen so erhöhte, daß er bat: sie möge ihn, gleich andern ihrer nähern Diener, künftighin duzen und nicht mehr ihrzen, oder mit Ihr anreden. Die Herzoginn aber schwieg und ließ es beim Alten. – Bald nachher zog ihr Gemahl ins Feld gen Augsburg, und setzte sich so vielen Gefahren aus, daß Marie ihn, obgleich vergeblich, warnte. Da schrieb sie zu demselben Zwecke ein zweites Mal an den Herzog und gleichzeitig an jenen Ritter: »er möge mit Fleiß dahin wirken, daß ihr Gemahl das Feld verlasse; dann wolle sie ihm auch die Bitte gewähren, um welche er sie so oft gebeten habe.« – Statt des ersten, kam durch Verwechselung dieser letzte Brief in die Hände Ludwigs, welcher die ihm unklaren Worte sogleich aufs ärgste mißdeutete, in sinnloser Wuth den Boten niederstieß, und Tag und Nacht reisend, unerwartet am Abend des 18ten Januars 1256 in Donauwerth anlangteEr kam erst in der Nacht an, nach Mellic. chr. 1256; welches zugleich, aber ganz unwahrscheinlich, sagt: habito de nece (Mariae) per quinque septimanas consilio., wo sich seine Gemahlinn und seine Schwester, die Königinn Elisabeth, aufhielten. Beide empfingen ihn mit ungeheuchelter Freude, er aber rief seiner Gemahlinn entgegen: »sie sey eine Ehebrecherinn und müsse sterben!« – Diese, fast betäubt von Schreck und Schmerz, bat, wo nicht um Beweise so schwerer Anklage, doch um Frist, damit sie ihre Unschuld darthun könne. Allein weder ihre Bitten, noch die dringende Fürsprache der Königinn Elisabeth konnten den Herzog erweichen oder auch nur zur Besinnung bringen. Das Fräulein Eilika von Brennberg durchbohrte er, – denn sie wisse um den Verrath –, mit einem Messer; eine andere ließ er von der Mauer des Thurms hinabstürzen, daß sie starb. Jetzo kam die Reihe an seine Gemahlinn. Ungerührt durch die steigende Wehklage, durch ihr und der übrigen lautes Flehen, durch die Schönheit der Unschuld, durch die sonst jedes 571 {1256} schlafende Gewissen aufweckenden Mordthaten, beharrte er bei der satanischen Verstocktheit, welche er Gerechtigkeit nannte: Maria mußte niederknien und ein Wächter sie enthaupten! – Noch in dieser Nacht der Gräuel und des Jammers, so erzählt man, erhielt der Herzog überzeugende Beweise von der Unschuld seiner Gemahlinn: – da brach seine angebliche Kraft zusammen, und Mark und Bein wurden ihm durch Gewissensangst so furchtbar erschüttert, daß der erst siebenundzwanzigjährige braungelockte Mann am andern Morgen, zum neuen Entsetzen aller, mit ganz ergrautem Haupthaare hervorgingMeichelbeck hist. Frising. II, 1, 45.. – Ritter Rucho war unterdeß der ihm zugedachten Rache entkommen, und machte aller Welt seine und Mariens Unschuld glaubhaft bekanntDennoch habe, so sagten einige, Herzog Rudolf, Ludwigs Sohn, den Ritter, als mittelbare Ursache des Todes seiner Mutter, erstochen. Wipacher l. c.. Als Zeichen der Reue erbaute Herzog Ludwig hierauf das Kloster Fürstenfeld: aber so viel dergleichen Handlungen in jener Zeit auch galten, Liebe und Vertrauen konnten sie nicht erzeugen.

Daher dürfen wir wohl vermuthen, daß Elisabeths Verhältnisse zu ihrem Bruder unangenehmer Art waren, und daß sie am sechsten Oktober 1259 gern dem Grafen Meinhard von Görz ihre Hand reichteDurch ihre Tochter Elisabeth, Gattinn Kaiser Albrechts I, ward Konradins Mutter auch Ahnfrau der Habsburger. Wiener Jahrb. 1818, IV, Anzeigebl. 7. – Ättenkhover Geschichte von Baiern S. 18. Daß der erst siebenjährige Konradin (wie Vitoduranus 5, erzählt) vor seiner Mutter wegen Minderung ihres Standes nicht aufgestanden wäre und mit ihr staatsrechtlich gezürnt hätte, ist durchaus unwahrscheinlich.  Aventin. annal. VII, 7, 18.; im Angedenken früherer Zeiten führte sie jedoch, nach wie vor, den Namen einer Königinn.

Alle diese Ereignisse wirkten natürlich auch auf Konradin zurück, welcher mit geringer Umgebung bei seinem Oheim lebte, während in Schwaben jeder nach den hohenstaufischen 572 {1259} Gütern seine Hände ausstreckte und König Richard erklärte: alles sey dem Reiche anheimgefallen, weil kein deutscher König Konradin damit belehnt habe. Erst als Richards Macht ganz unbedeutend wurde, dachten, trotz der päpstlichen Verbote, manche an des Jünglings Erhebung auf den Thron seiner Väter; und durch die getreue Vorsorge des der Zukunft vertrauenden Bischofs Eberhard von Konstanz, kam doch wenigstens ein Theil Schwabens wieder an Konradin. Nicht mindere Sorgfalt trug man für dessen Erziehung und angemessenen Unterricht, so daß er z. B. gut und fertig Latein reden lernteConradinus litteratus juvenis fuit, et latinis verbis optime loquebatur.  Salimbeni 408.. Doch waren für ihn noch ganz andere Erziehungs- und Entwickelungs-Mittel zur Hand. Zuvörderst die Natur, deren heitere und belebende Einwirkung der zarte Jüngling an den schönen Ufern des Bodensees tief empfand und in Liedern aussprachManesses Codex I, am Anfange.  Pfister Gesch. v. Schwaben II, 320.; dann die Erinnerung an das tragische Schicksal der Hohenstaufen, welches selbst Unempfindliche rührte, wie viel mehr ihn ergreifen mußte; endlich Freundschaft, geschlossen in aller Unbefangenheit und Herzlichkeit der Jugend mit dem nur um drei Jahre ältern Friedrich von ÖsterreichRauch Geschichte von Österreich III, 60.. Dieser, der letzte Nebenzweig der alten Babenberger, ein Sohn Markgraf Hermanns von Baden und der österreichischen Gertrud, stammte, gleich Konradin, im sechsten Gliede von Agnes, der Tochter Kaiser Heinrichs IV, und entbehrte, wie Konradin, des väterlichen Erbes und der ehemaligen Macht seines Hauses. Beide, in gleicher Jugend, gleichen Leiden, gleichen Hoffnungen erzogen, mußten sich finden und vereinen für Leben und Tod.

Warum es unmöglich war Konradins Ansprüche auf Neapel und Sicilien nach dem Tode seines Vaters geltend 573 {1259} zu machen, ist umständlich erzählt wordenOben Seite 390, 477.  Malespini 169-171.  Memor. di Lucca III, 30.. Daß später die Aufforderungen der Guelfen, sie gegen den Ghibellinen Manfred zu unterstützen, nicht zum Ziele führten, erscheint natürlich: – jetzt aber, als die Kunde der neuen Lage Italiens zu Konradin kam, als Ghibellinen ihn von allen Seiten dringend aufforderten sein Recht geltend zu machen und das Unrecht fremder Tyrannei zu vertilgen; da ergriff der Jüngling diese höhern Gedanken und Zwecke, da glänzte noch einmal des alten Stammes Glücksflamme leuchtend empor, und er vergabte und veräußerte gern alles diesseit der Alpen, um jenseit derselben ruhmbekrönt mehr zu gewinnen!

Schon im Jahre 1260 erhielt Graf Ulrich von WirtenbergWirtenbergs pragmatische Geschichte I, 13.  Mosers erläutertes Wirtenberg I, 10–26.  Lünig Reichsarch. cont. II, Abth. 4, Absatz 6 von Wirtenberg Urk. 1. – Nach Benvenuto da Imola (Kommentar zu Dante, Inferno XXVIII, 17) hatten unzufriedene Italiener 100,000 Gulden an Konradin geschickt. Hievon ist keine weitere Spur, wohl aber von häufigem Geldmangel. für neue, aber kostspielige Freundschaft von Konradin das Marschallamt in Schwaben, die Schutzvogtei von Ulm, das Landgericht in der Bürsch und einen Landstrich auf der leutkircher Haide; und nicht minder vortheilhaft mochten spätere Erwerbungen seyn, welche der Graf, der Bischof von AugsburgStetten Gesch. von Augsburg I, 75.  Archiv von Stuttgart.  Gassarus 1454. und mehre Städte und Edle in den nächsten Jahren von Konradin machten. Den Herzögen Ludwig und Heinrich von Baiern mißfiel aber eine solche Zerstreuung seiner Besitzungen um so mehr, als sie ein näheres Anrecht auf diese zu haben meinten; daher nahmen sie nicht allein für manche ihrem Neffen geleistete Vorschüsse Güter pfandweise in Besitz, sondern ließen sich auch, im Jahre 1263, von dem erst eilfjährigen Knaben 574 {1263 bis 1266} urkundlich versprechen: daß er ihnen, im Fall kinderlosen Todes, sein sämmtliches Allode überlassen und sich bemühen wolle, daß sie auch alle Lehen bekämenLori Lechrain Urk. IX–XII.  Lünig Reichsarch. cont. II, Abth. 4. Abs. I, von Pfalz Urk. 1.  Archiv von Stuttgart.  Ättenkhover 173–178.. Nur für seine künftige Gemahlinn und zu frommen Zwecken behielt er sich vor, noch andere Bestimmungen treffen zu dürfen.

Mit der neuen Aussicht auf Italien steigerten sich aber natürlich die Bedürfnisse, die Leistungen und die Vergabungen. Waren doch selbst die ältesten Erbgüter an der Rems und das Stammschloß Hohenstaufen nicht mehr in des letzten Sprößlings Händen; sondern durch ihn oder seinen Vater, an Walter den Schenken von Limpurg gekommenPrescher Geschichte von Limpurg I, 140.  Vergleiche indessen Orig. guelf. III, praef. 83.. – So stand Konradin da, schon in früher Jugend durch der Vorfahren und Verwandten Schuld oder Größe, ein entblätterter Stamm; – doch konnte er, wenn man ihn fragte: »was bleibt dir?« mit Alexander dem Macedonier antworten: »die Hoffnung!«

Auch ward diese in ihm auf alle Weise erhöht: Pisa z. B. versprach durch Baccio Orlandi und Giuseppe Malpighi Geld und MannschaftTronci zu 1267.  Fioretto di croniche.; gleich vortheilhaft erklärten sich Siena, Verona und PaviaMemor. di Lucca III, 30.  Saba Malaspina III, 17.  Martene thes. II, 456.  Cod. epist. 4957, p. 68.. Die Grafen Galvan und Friedrich Lancia, die tapfern Brüder Konrad und Marino Kapece und mehre andere, welche nach Deutschland geeilt waren, stellten dem Jünglinge so beredt, als der Wahrheit gemäß vor: wie ungünstig Apulien und Sicilien gegen Karl gestimmt sey, und daß ohne Zweifel alle bei dem ersten Anschein äußerer Hülfe, sich laut für ihn, ihren rechtmäßigen Herrn, erklären würden. Nicht minder wünschten die, nur durch ihre Zerstreuung ohnmächtigen, Ghibellinen 575 {1263 bis 1266} einen neuen Vereinigungspunkt sehnlichst herbei, und sogar Karl wirke eigentlich mehr für, als gegen Konradin, indem er durch sein Verfahren diesem alle Herzen gewinne. Schnell werde sich jede nach Italien geführte Macht daselbst verstärken, und aller Schein von Tollkühnheit der Unternehmung verschwinden; wenn überhaupt da von Tollkühnheit die Rede seyn könne, wo man sein Recht gegen den Ungerechten verfechte.

Dies und ähnliches ward für den Zug nach Italien angeführtMalespini 184 u. f. Kap.  Chron. msc. No. 1836 in Bibl. Riccard.  Sozomenes 159., während Konradins Mutter beharrlich widersprach: »die Gefahr sey gewiß, der Erfolg zweifelhaft, jede bisherige Erfahrung abschreckend. Dürfe sie ihren einzigen Sohn den offenen Angriffen, den heimlichen Nachstellungen fremder Völker und boshafter Herrscher aussetzen, um künstlich berechneter Möglichkeiten eines äußern Erfolges willen? Italien habe die Hohenstaufen immerdar tückisch angelockt, und ihnen Kraft und Blut ausgesogen. Sollte sich der letzte dieses Stammes nicht vielmehr warnen als verführen lassen, nicht ein mäßiges Besitzthum in dem heitern Schwaben vorziehen jenem trügerischen, von finstern Mächten umgewühlten Zauberboden? nicht das Leben mit redlichen deutschen Freunden und Lehnsmannen vorziehen dem Bekämpfen feindlich, dem ängstlichen Bewachen zweideutig Gesinnter, dem überall mit Zerstörung begleiteten Abmühen nach einem unerreichbaren Ziele?« – Aber alle diese, für die Mutter mit Recht so bedeutenden Gründe verloren ihr Gewicht vor dem Jünglinge, welcher der Jugend seines Großvaters Friedrichs II gedachte und sich freute, eben so früh den großen Beruf eines Mannes gefunden zu haben! – Auch gab ja Herzog Ludwig, der Oheim und Vormund, der ernste und besonnene Mann, dem Zuge Beifall und wollte, gleichwie Konradins Stiefvater, der Graf Meinhard von Görz, daran Theil nehmen; es strömten ja von allen Seiten Ritter und 576 Mannen herbei, um des hochverehrten Kaiserhauses letztem Sprossen mannhaft beizustehen gegen weltliche und geistliche Tyrannen!

Im Herbste des Jahres 1267 zog Konradin wohl mit 10,000 Begleitern über die AlpenBonon. hist. miscella.  Der Zug ging über Bregenz.  Vitodur. 5., und erreichte Verona am 20sten Oktober. Mastino della Skala, der jetzige Beherrscher dieser Stadt, hatte als Ghibelline den Fürsten eingeladenCarli Verona IV, 22.  Verci Trivig. I, 171. und empfing ihn aufs feierlichste. Gesandte langten an von Padua, Vicenza, Mantua, von Boso und Palavicini, von den Vertriebenen aus Ferrara, Bergamo, Brescia; sie berichteten, wie groß die Freude aller Ghibellinen sey, und erneuten und vermehrten die früheren Zusicherungen. Alles versprach mithin den glücklichsten Erfolg, und Karl von Anjou, wie der Papst, erschraken über des Hohenstaufen unerwartet mächtigen Auftritt. – Allein, wie immer, sahen die Italiener in seiner Macht nur eine ParteiMalvec. 946., gegen welche eine andere Macht, das hieß wiederum nur eine Partei aufgestellt werden müsse; bei welcher Ansicht und Verfahrungsart man nicht einmal zu einem Gleichgewicht der Kräfte, viel weniger zu etwas höherem gelangen konnte. Ferner bemerkten alle gar bald, daß Konradin an Geld und Gut nichts zu vertheilen habe, oder etwaniger Lohn erst die Folge siegreicher Anstrengungen seyn könne; und überdies mußte jener die freundlich Gesinnten sehr schonen, da des unvermeidlichen Druckes bereits so viel war.

Noch traurigeres aber, als diese in Italien herkömmlichen Erscheinungen, erlebte der Jüngling an vielen Deutschen, ja an seinen nächsten Verwandten. Die Noth und der Geldmangel wurden nämlich in VeronaMonach. Patav. zu 1267–1268. bald so drückend, daß viele Waffen und Pferde verkaufen mußten, oder weil sie sich in ihrer Hoffnung getäuscht sahen, über die Alpen zurückkehren wollten. Wenn Herzog Ludwig jetzo mit Muth 577 {1267} und Ernst für seinen Neffen hervorgetreten wäre, so hätte er diese Gefahr beseitigen können; statt dessen benahm er sich auf eine Weise, welche frühern Verdacht fast zur vollen Gewißheit erhob. Unleugbar hatte er Konradin zeither oft unterstützt: allein aus der langen Reihe von Schenkungs- und Vergabungs-Briefen geht hervor, daß er dabei nie seines Vortheils vergaß. So war ihm nun auch der italienische Zug ganz willkommen: denn im glücklichsten Falle blieb Konradin abwesend, und im unglücklichen kehrte er ebenfalls nicht wieder; mithin hatte sich der Herzog klüglich nach allen Seiten gedeckt und lauerte auf Konradins Erbe, wie auf eine sichere Beute. Auch die Noth in Verona wußte er sogleich zu benutzenÄttenkhover 178 u. s. w.  Lori Lechrain Urk. 13–14. Hagen sagt in seiner Chronik 1075: Herzog Ludwig sey umgekehrt, weil er gehört, daß der Papst ihn gebannt habe; allein den kirchlichen Befehlen blieb er immer ungehorsam, und weder er noch sein Stamm hatte sich seit vielen Jahren darum gekümmert. Graf Meinhard ward am achten Februar 1268 von dem päpstlichen Bevollmächtigten Erzbischof Philipp von Ravenna in den Bann gethan.  v. Hormayr Tirol I, 2, Urk. 186., und erhielt für einen neuen Vorschuß an Gelde wiederum große Güter als Pfand. Und wenn er nun wenigstens den Krieg noch mitgewagt, den sechzehnjährigen Jüngling treu berathen und begleitet hätte: aber auch er, auch Konradins Stiefvater, Graf Meinhard von Görz, kehrten (unbekannt aus welchen, angeblich überwiegenden, Gründen) nach Deutschland zurück! War es da ein Wunder, wenn Ärmere, Geringere und Fremde gleich klug, vorsichtig, eigennützig oder feige waren, und die Zahl der Mannschaft von 10,000 auf 3000 zusammenschmolzMutin. ann.  Salimbeni 408.?

Doch verlor Konradin den Muth nicht und mochte sich damit trösten, daß eine kleine aber getreue Schaar im Kriege mehr werth ist, als eine große, zweifelhafter Gesinnung; daß sie auf jeden Fall leichter besoldet und ernährt werden kann. Ferner überzeugten sich die Ghibellinen, 578 {1267} sie müßten eigene Anstrengungen übernehmen, wenn nicht ihre ganze Hoffnung vereitelt werden solle. Endlich gereichten ihm mehre Ereignisse im mittlern und südlichen Italien zu großer Unterstützung. Der Papst zuvörderst war unzufrieden, nicht bloß mit der Regierungsweise König Karls im Innern, sondern auch mit seiner Behandlung der auswärtigen Angelegenheiten. »Wir fürchten«, schrieb erMartene thes. II, 329, 472-474. an Ludwig IX, »daß dein Bruder sein Reich lässiger bewahrt, als es dringend nöthig ist, und indem er sich auf so vieles einläßt, kaum weniges gut zu Stande bringen wird.« – Denn nicht allein nach Italiens Herrschaft streckte der Unbefriedigte seine Hände aus, sondern auch schon nach Afrika und Griechenland. Am 27sten Mai 1267 versprach er dem vertriebenen Kaiser Balduin ansehnliche UnterstützungRecueil de Cartes hinter du Fresne hist. de Constantin. 11., bedingte sich aber aus: erstens, die Oberlehnsherrschaft über die Fürstenthümer Achaia und Morea; ferner das Eigenthum der Besitzungen, welche Michael von Epirus seiner Tochter Helena als Heirathsgut überlassen hatte; endlich ein Drittel alles künftig Eroberten, nebst dem Rechte, es hier oder dort zu wählen und abzugränzen.

Auch hiebei schien Karl bloß nach den Ansichten und für die Zwecke der Kirche zu wirken: allein selbst wenn Klemens weniger scharfsichtig und unbefangen gewesen wäre, hätte er die im Hintergrunde liegende Gefahr dennoch gewiß erblickt; und noch weniger konnte er über das Nächste zweifelhaft seyn: daß nämlich mit Karls Thronbesteigung für Italien keineswegs alles das gewonnen und erreicht war, was man bezweckt hatte. Wenn ferner, in den frühern Fehden, die von Konradin ausgehenden Vorwürfe mehr gegen Manfred, als den Papst gerichtet zu seyn schienen, so lasteten sie jetzt mit verdoppelter Kraft allein auf diesem. Gegen Manfred konnte man auf ganz andere Weise, als 579 {1267} gegen Konradin von ungenügenden Rechtstiteln sprechen; und die anfangs hervorgehobene Unfähigkeit dieses Kindes zum Herrschen hatte sich über Erwartung schnell verloren. Mehr als damals erschien es widerwärtig und sinnlos, daß die erkünstelte Annahme von einer unbedingten Verderbtheit aller gegenwärtigen und künftigen Hohenstaufen über alle Grundsätze des Erb- und Lehen-Rechts, über alle evangelischen Vorschriften christlicher Milde obsiegen solle. Der Papst (wir dürfen es aus seinen trefflichen Ermahnungen an Karl schließen) fühlte gewiß in der Stille das Schwierige, ja das Ungerechte seiner Stellung. Anstatt aber den verwerflichen, seit Innocenz IV betretenen Weg aufzugeben, und nach so bittern und wohlverdienten Erfahrungen, aus so viel neuen und dringenden Gründen, sich rücksichtslos für Wahrheit, Billigkeit und Recht zu erklären: blieb Klemens im Bunde mit Karl dem Bösen und schrieb (diesmal gewiß im Innern anders denkend) schon im April 1267 den FlorentinernRaynald §. 4.  Martene thes. II, 456.: »ein Königlein, entsprossen aus dem Stamme der giftigen Schlange, erfüllt mit seinem Gezisch die Landschaften Tusciens und sendet Gleichgesinnte, Otterngezücht, Männer der Pestilenz, welche Verrath an euch, dem Reiche und an Karl von Anjou, unserem geliebtesten Sohn in Christo verübten, zu allen Edeln, Städten und Orten umher, läßt durch auserlesene Lügen seine nichtige Pracht aufstutzen und sucht unermüdet einige durch Bitten, andere durch Lohn vom Wege der Wahrheit abzubringen. Der, welchen wir bezeichnen, ist der unvorsichtige Jüngling Konradin, der Enkel Friedrichs, des durch Gott und seinen Statthalter in gerechtem Gerichte verurtheilten Römerfürsten. Seine großsprecherischen Werkzeuge sind die verwerflichen Männer, Guido Novello, Konrad Trincia, Konrad Kapece und viele andere, welche in Tuscien jenes schändliche Götzenbild errichten möchten, welche Söldner werben, Verschwörungen mit gleich argen Frevlern anzetteln, jenen im Wahnsinn König nennen und 580 {1267} ihn so weit verführt haben, daß er diesen Titel annimmt und sich des sicilischen Wappens bedient, u. s. w.«

Vorhaltungen solcher Art überzeugten jedoch nur diejenigen, welche ohnehin des Papstes Ansicht theilten; mehr Gemüther gewann verhältnißmäßig Konradin durch seine Jugend, SchönheitForma egregius.  Ferret. 248.  Pulcherrimus.  Monach. Patav. zu 1268., Gewandtheit, Beredsamkeit und seine auf gutes Recht gegründete fröhliche Hoffnung. Deshalb und weil Konradin weder WarnungenPipin III, 8., noch Vorladungen, noch den Befehl Italien binnen Monatsfrist zu verlassen, im geringsten berücksichtigte; steigerte Klemens seine Maaßregeln wider ihn und seine Anhänger auf eine Weise, die an Strenge weit über das Gewöhnliche hinausging. Nicht bloß einzelne Übertreter päpstlicher Vorschriften traf der BannRaynald zu 1268, §. 4.  Der Bann Konradins fällt auf Petri Kirchweih, oder nach Mart. thes. II, 544, auf Martini. Er ward öfter wiederholt., sondern sogleich ganze Städte und Landschaften, welche jene duldeten oder herbergend aufnahmen; nicht bloß dem Fürsten wurden alle Besitzungen und sogar die Fähigkeit zu erwerben abgesprochen, und seine Mannen vom Eide der Treue entbunden, sondern auch jeder seiner Freunde aller Würden und Lehne für verlustig erklärt, aller Vorrechte, Freibriefe und Verleihungen, ja des Rechts beraubt, vor Gericht Ansprüche zu verfolgen oder öffentliche Handlungen vorzunehmen. Geistliche, höhere wie niedere, betrachtete man nach irgend einer Begünstigung Konradins sogleich als entsetzt, ohne Hoffnung jemaliger HerstellungSalisb. chr. zu 1267.; Wahlrecht und Wahlfähigkeit zu geistlichen Stellen erlosch auf vier Geschlechter hinaus. Jeder durfte die Besitzthümer, Waaren und Forderungen ghibellinischer Kaufleute in allen Ländern wegnehmenCod. epist. mscr. 4957, S. 68 in Bezug auf Siena, und 98, 99.; jeder durfte Konradins Anhänger (Mord und Verstümmelung allein ausgenommen) an ihren 581 {1267} Personen nach Willkür schädigen und sich in den Besitz ihrer Güter setzen: – und diese Vertilgung aller Rechte und alles Eigenthums, dieser mannigfachste innerlichste Krieg, diese gränzenlose Plünderung galt für ein würdiges Mittel zu würdigen Zwecken!

Selbst ein König wie Karl konnte, von der weltlichen Seite her, Maaßregeln solcher Art nicht überbieten; auch traf ihn, da er verletzbarer und verhaßter war, als der Papst, um diese Zeit mancher Unfall, den er hätte vorhersehen, ja vermeiden können. Anfangs wollte er kühn die ganze Lombardei vor Konradins Ankunft besetzenMartene thes. II, 525, 532, 574., hierauf diesen in Pavia belagern, endlich ihm wenigstens den Eingang in Tuscien versperren: aber alles mißlang wegen der neu eintretenden Verhältnisse des Königs zu Heinrich von Kastilien, den Sicilianern und zu den Saracenen in Apulien.

Heinrich von Kastilien, ein Sohn Ferdinands III und der Beatrix von Hohenstaufen (einer Tochter König Philipps), war, jeder Abhängigkeit ungeduldig, mit seinem Bruder dem Könige Alfons X in Fehde gerathen und, von ihm besiegt, zur Flucht nach Tunis gezwungen wordenFerreras IV, 288.. Nachdem er dem dasigen Könige einige Jahre mit Erfolg gedient und viel Geld erworben hatte, schien es ihm aus mehren Gründen räthlich, sein Glück von neuem und um so lieber innerhalb der Christenheit zu suchen, da er ein Verwandter König Karls warKarls Mutter, Blanka, war die Tochter Alfons des achten von Kastilien; Karl und Heinrich stammten im vierten Gliede von Alfons VII., der schwankende Zustand von Italien Erfolg verhieß und wahrscheinlich auch einzelne bestimmte Aufforderungen an ihn ergingen. Als er im Jahre 1266 mit einer auserlesenen Schaar von 300, oder gar 800Ferreras IV, 310.  Malespini c. 181 hat 800, Sanese chron. 500., meist spanischen Reitern landete, hoffte jede Partei, er werde in 582 {1267} ihre Plane eingehen; während Heinrich ein Mann war, keineswegs geneigt sich benutzen zu lassen, sondern entschlossen Personen und Sachen zu seinem Vortheile zu gebrauchen. Religiöse Ansichten konnten ihn um so weniger bestimmen, da mehrjähriger Umgang mit Saracenen ihn gegen die Ansichten der christlichen Kirche sehr gleichgültig gemacht hatteFidei catholicae cultu non diligens prosecutor.  Guil. Nang. 378.; weil indeß der Papst und der König von Neapel die Mächtigern und scheinbar einig waren, so wandte er sich an sie, und Karl insbesondere nahm ihn freundschaftlich und ehrenvoll auf. Allein trotz dieser scheinbar großen Freundschaft gingen die beiden Vettern doch heimlich darauf aus, sich wechselseitig zu überlisten, und diesmal fand Heinrich, so verschlagen er auch sonst warMultum callidus.  Guil. Nang. chr. zu 1266., seinen Meister. Karl nämlich lieh ihm sogleich 40,000, oder wie andere berichten gar 60,000 Dublonen abDie kleinere Summe hat Villani, die größere Malespini., unter dem Versprechen pünktlicher Rückzahlung und williger Unterstützung seiner anderweiten Plane. Diese richteten sich zunächst auf die Erwerbung der römischen Senatorwürde, wozu Karl um so lieber die Hand bot, da er, um des Papstes willen, sich äußerlich aller Einwirkung in Rom enthalten mußte, und bequemer durch einen Vetter zu herrschen hoffte, dessen ganzes, ihm zutraulich dargeliehenes Vermögen er bei der geringsten Untreue in Beschlag nehmen konnte.

Mittlerweile war bei einem, vielleicht angestifteten Aufstande in Rom Angelo Kapucia, gegen den Willen der Großen, zum Volkshauptmann ernanntSaba Malasp. III, 18-21. und ihm das Recht ertheilt worden, mit Zuziehung einiger Männer aus jedem Stadtviertel, einen Senator zu erwählen. Er wählte Heinrich von Kastilien, womit mehre Geistliche und Laien anfangs sehr unzufrieden waren, ob sie gleich äußerlich ihren Beifall zu erkennen gaben. Durch unparteiische Rechtspflege gewann aber Heinrich manche Gemüther, und dem Papste 583 {1267} schien es bei gründlicher Prüfung rathsam, wenn er den neuen Senator bestätige und an ihm einen Mittelsmann zwischen sich und dem Könige von Neapel gewinne. Durch solchen Erfolg aufgemuntert, verhandelte Heinrich nunmehr darüber, daß ihn Klemens mit dem Königreiche Sardinien belehnen solle; und in der That scheint das Geschäft guten Fortgang gehabt zu haben, bis Karl, eine solche Erweiterung seiner eigenen Macht wünschend, widersprach und hiedurch seinen Vetter zuerst beleidigte. Noch zorniger ward Heinrich, als der König sein Versprechen der Rückzahlung jener ihm dargeliehenen Gelder vorsätzlich nicht hielt, und sogar des Papstes Aufforderungen und verständige WarnungenSchreiben des Papstes vom 27sten September 1267, an Karl.  Martene thes. II, 513, 529.  Bonon. hist. miscella zu 1268. in dieser Beziehung unberücksichtigt ließ. Bei dem Herzen Gottes, rief HeinrichVillani VI, 10.  Pecorone II, 205., ich werde diesen Menschen umbringen, oder er mich. Ein Bruch zwischen beiden Männern war also unvermeidlich, und da Heinrich vorhersehen konnte, daß Klemens seinen Schützling nicht verlassen werde, so beschloß er sich durch eine Verbindung mit den Ghibellinen zu stärken. Ehe hievon irgend etwas ruchtbar wurde, berief er die angesehensten Guelfen aufs Kapitol und ließ sie hier (unter ihnen Napoleon und Matthäus Ursini) gefangen setzen. Wenige nur hatten sich, Gefahr ahnend, in ihre festen Schlösser gerettet. Alle Schätze der Kirchen und Klöster, und alle daselbst zur Sicherheit aus benachbarten Gegenden niedergelegten Güter verwandte Heinrich jetzt für seine Zwecke. Gleichzeitig schloß er einen Bund mit Konradin; ja am 18ten Oktober 1267Martene thes. II, 540, 543.  Rayn. zu 1267, §. 13–20. nahm er dessen Bevollmächtigten Galvan Lancia in Rom auf, und ließ hohenstaufische Fahnen von allen Mauern und Thürmen der Stadt wehen.

Zu diesem unerwarteten, für Karl in so vieler Hinsicht nachtheiligen Ereigniß gesellte sich der Aufstand der Saracenen in Luceria. Unter der hohenstaufischen Herrschaft 584 {1267} wurden diese nicht bloß geduldet, sondern oft sogar vorgezogen: jetzt hingegen traf sie, außer den selbst Christen unerträglichen Steuern, auch noch allgemeine Zurücksetzung und religiöse Beschränkung. Dafür zeigten sie sich die ganze Regierungszeit Karls hindurch von sehr zweifelhafter Treue, und bei dem ersten Anschein glücklichen Erfolges wagten sie, im Herbste 1267, öffentlichen AbfallLuceria mag nie ganz unterworfen gewesen seyn, wenigstens war es im Februar 1267 in offenem Aufstande.  Martene thes. II, 450.  Nach der Descr. vict. Caroli 848, hätte es sich früher salva vita ergeben.. Jedoch glaubte Karl um so weniger seine Plane in Tuscien darum aufgeben zu müssen, da der Papst kampanische Söldner gen Luceria sandteMartene thes. II, 451.  Monach. Patav., und die Kräfte des Landes in der That vollkommen hinreichten jene Minderzahl der Saracenen im Zaume zu halten; wenn sich die christlichen Einwohner nicht erst heimlich über deren Kühnheit gefreut, dann, auf die Nachricht von Konradins Annäherung, ihnen öffentlich angeschlossen hätten. So gewaltig griff der Aufstand im Neapolitanischen um sich, daß man eher die wenigen Orte aufzählen könnte, welche dem Könige treu oder von seinen Soldaten besetzt blieben, als diejenigen, welche von ihm abfielenMalespini c. 189, 190..

Nicht geringer war endlich die dritte Gefahr, welche aus den Begebenheiten in Sicilien für Karl entstand. – Konrad Kapece, welchen Konradin schon in Deutschland zum einstweiligen Statthalter Siciliens ernannt und mit den nöthigen Vollmachten versehn hatte, segelte auf einem pisanischen Schiffe nach Tunis und berief, wahrscheinlich im Einverständnisse mit Heinrich von Kastilien, dessen daselbst noch verweilenden ältern Bruder Friedrich. Mit 200 deutschen, 200 spanischen und 400 tuscischen Söldnern, welche der König von Tunis ihnen überließ, landeten sie im September 1267Saba Malasp. II, 17-19. Nach dem Schreiben des Papstes vom 17ten September 1267 waren gelandet 300 Deutsche, 100 Lateiner, 100 Saracenen.  Mart. thes. II, 525, 532.  Im November 1267 war schon ein großer Theil Siciliens in Aufruhr.  Ibid. 543. bei Sciakka und verbreiteten im 585 {1267} ganzen Lande Aufforderungen zum Abfalle von Karl und zur Anerkennung Konradins. »Seht,« so hieß es unter anderem in jenen Schreiben, »euer König wird schnell erscheinen, mit starker Hand und preiswürdiger Majestät. Er, der wahre Herr, der wahre König, der wahre Erbe, kommt zu seinem, von Fremden und Unwürdigen grausam unterdrückten Volke, um allen das Glück und die Freiheit wiederzubringen, welche sie unter seinen Vorfahren ungestört genossen.«

Bald darauf ward auch eine öffentliche ErklärungLünig cod. dipl. Ital. bekannt, worin Konradin alles Unrecht aufzählt, was ihm seit seiner Geburt von den Päpsten und ihren Schützlingen widerfahren sey. Beide Schriften machten um so größern Eindruck, da die Sicilianer sich noch mehr als die Neapolitaner dadurch beleidigt glaubten, daß der Papst ihnen nach Willkür einen König setzenGianett. I, 426., und dieser Neapel zur Hauptstadt erheben wolle; da ferner der Druck hier nicht geringer und die alte Anhänglichkeit an die Hohenstaufen noch größer war. Mit Recht trat daher Fulko von Puyregard, Karls Statthalter in SicilienDe Podio Ricardi, Saba Malaspina IV, 2., dem scheinbar klügsten aber bös gemeinten Rathe bei, die Neuangekommenen so schnell als möglich anzugreifen. Das Vertrauen auf sein zahlreiches Heer täuschte ihn aber sehr: denn während des Treffens schwenkten die Sicilianer plötzlich hohenstaufische Fahnen, wandten ihre Waffen gegen die Franzosen, schlugen sie gänzlich und erbeuteten ihr Lager. Messina, Palermo und Syrakus, die stärker besetzten Städte blieben zwar noch in französischer Gewalt: aber der größte Theil des übrigen Landes, ferner Agrigent, Kalata, Nikosia, Katana, Noto, Konturbio und mehre andere Städte erklärten sich für Konradin.

586 Obgleich König Karl schon im Herbste 1267 von Heinrichs des Senators Abfall, der Empörung Lucerias und der Landung in Sicilien Nachricht bekam; ob ihn gleich der Papst dringend aufforderteMartene thes. II, 525, 532, 563. in sein Reich zurückzukehren, blieb er dennoch in Tuscien und meinte: wenn nur Konradin abgehalten oder geschlagen werde, sey jede andere Gefahr leicht zu beseitigen. Auch gelang es ihm, im Januar 1268, selbst das wichtige Pisa zu einem Frieden zu zwingenMartene thes. II, 568., welcher indeß um so weniger Festigkeit gewann, da die erzählten Übel immer bekannter wurden, und Konradin, von Verona aufbrechend, am neunzehnten Januar ungehindert Pavia erreichteMartene thes. II, 597.  Medio. ann.. – Wie hat dies geschehen können, so fragten erstaunt König Karl und der Papst, bei Mailands Macht und guelfischer Gesinnung? Aber die Torres, erzürnt über den ihnen aufgedrungenen Erzbischof, begünstigten heimlich Konradin, und die Viskonti fühlten, als alte Ghibellinen, auch keinen Beruf, ihm nachdrücklich zu widerstehen. Ihrem Beispiele folgend blieb ebenfalls der große Bund unthätig, welchen lombardische Städte bereits früher gegen alle Feinde Karls geschlossen hattenGiulini 226 zu 1267.  Vergleiche Malvecius 945, über den vom päpstlichen Legaten 1267 vermittelten Frieden.. Doch war der gerade Weg nach Rom oder Tuscien hiedurch noch nicht eröffnet: denn alle Städte welche in dieser Richtung lagen, insbesondere das mächtige BolognaGriffò zu 1267. Auch hielt man ja Enzius noch immer gefangen., waren kirchlich gesinnt; und den zweiten Haupteingang nach TuscienSchreiben des Papstes vom zweiten März 1268.  Martene thes. II, 517, 581., über die Bergpässe von Pontremoli, hielten die Guelfen auf Karls Befehl stark besetzt. Und doch mußte Konradin vor allem daran liegen, dies Land, wo die meisten seiner heimlichen Anhänger lebten, zu erreichen. 587 {1268} Darum verließ er Pavia am 22sten MärzMediolan. annales.  Pignolus zu 1268., und wagte sich (während Genua zweifelhaft blieb, welche Partei es erwählen sollte) durch die Besitzungen des Markgrafen von Karreto und das ligurische Gebiet nach VadoDiese Nachrichten des genuesischen Geschichtschreibers Guercio zu 1268, sind wohl die richtigsten und stimmen mit den päpstlichen in Martene thes. II, 584. Andere lassen ihn von Finale oder Vareggio absegeln.  Villani VII, 23. Manni cronich. 141. (zwischen Savona und Finale), und fand hier, nach einer heimlichen Abrede, zehn pisanische Schiffe, welche ihn über Porto fino am fünften April nach Pisa brachtenMartene thes. II, 584..

An demselben Tage kam König Karl, Tuscien verlassend, beim Papste in Viterbo an, hoffte aber noch immer, daß Konradins Landmacht nicht im Stande seyn würde, durch die besetzten Bergpässe hindurch Pisa zu erreichen. Aber Herzog Friedrich von Österreich, welcher seinen Freund erst bis Vado begleitet hatte und dann nach Pavia zurückgegangen war, führte sie glücklich über die Berge nach Varese und durch Lunigiana und dem Meere entlang bis MutroneGuercius zu 1268.  Nach Villani VII, 23, ging auch ein Theil über Pontremoli.. Hieher kamen ihnen die Pisaner entgegen, und holten alle unter Ehren- und Freudens-Bezeugungen in ihre Stadt ein. Dies Ereigniß, welches zeigte, daß sich der von Karl mit achthundert Reitern in Tuscien zurückgelassene Marschall Wilhelm BoiselveVillani VII, 23, nennt den Marschall Belselve; Aldimari mem. 477, Guilielmo Stendardo; Storia pisana mscr. 10 dagegen Nerbona entweder täuschen ließ, oder zu offenem Widerstande nicht stark genug fühlte, war dem Könige theils an sich höchst unangenehm; theils wußte er nun nicht, welchen Vertheidigungsplan er entwerfen sollte, da alle Nachrichten darüber fehlten, ob Konradin nach Rom, oder ohne Aufenthalt nach Neapel ziehen, 588 {1268} oder ob er (was man für das Gefährlichste hielt) nach Sicilien segeln wolle. So viel war jedoch außer Zweifel, daß Karl allen diesen Gefahren keineswegs von Viterbo aus entgegentreten könneMartene thes. II, 584-589.; darum verließ er diesen Ort und kehrte, nachdem ihm der Papst heilsame Lehren über Milde und Mäßigung auf den Weg gegeben hatte, in sein Reich zurück. Mit einem Theile der hier gesammelten Macht hoffte er, vor weitern Fortschritten Konradins, Luceria zu bezwingen; einen andern Theil sandte er unter Philipp von Egle nach Sicilien, und schrieb seinem StatthalterGallo annal. II, 96.: »suche vor allem Messina zu erhalten: denn solange wir das Haupt in unserer Gewalt haben, kümmern wir uns wenig um das übrige. Zeige keine Furcht, übe die Söldner, halte stets Geld zu ihrer Bezahlung in Bereitschaft, habe ein wachsames Auge auf Reisende, falsche Arme, kleine Schiffe und Versammlungen aller Art; mißtraue jedem!«

Aber auch Konradin und seine Freunde blieben in gleichzeitiger Thätigkeit nicht zurück; besonders schonte Pisa (allen ghibellinisch gesinnten Städten mit preiswürdigem Beispiele vorangehend) keine Art von Aufopferungen für seinen geliebten Schutzherrn. Eine ansehnliche, stark bemannteSaba Malaspina IV, 4.  Das Chronic. pisan. spricht von 5000 Soldaten. Flotte segelte unter Anführung von Friedrich Lancia gen Apulien und Sicilien; während Konradin das guelfische Lukka bedrängte, und sich dann über Poggibonizzi, welches sich ihm angeschlossen hatte, nach dem gleich freundlich gesinnten Siena wandte. Hiedurch war eigentlich der Weg nach Rom eröffnet, weil Karls Marschall, welcher von Lukka nach Florenz gezogen war, die Straße über Radikofani und Viterbo nun nicht mehr versperren konnte. Damit er aber wenigstens Herr der zweiten Straße über Perugia bleibe, oder in einem günstigen Augenblicke den Ghibellinen in die 589 {1268} Seite fallen könne, beschloß Boiselve nach Arezzo zu gehen, und nahm florentinische Begleitung nur bis Montevarchi an, weil die Stärke seiner Mannschaft hinreichend und auch kein Feind in der Nähe sey. Konradin, welcher Nachricht von diesen Bewegungen erhielt, stimmte der Ansicht bei: daß man eine so bedeutende Macht nicht ungestört in Tuscien zurücklassen dürfe. Darum sandte man eiligst hinreichende Mannschaft unter Anführung eines Uberti den Franzosen entgegen, die, ungeordnet und keine Gefahr ahnend, von Montevarchi gen Laterina zogen und am 25sten Junius 1268Malespini 189-191.  Bonon. histor. miscella.   Sunese chron. bei Ponte di Valle über den Arno gehen wollten. In diesem Augenblicke wurden sie aber von den in Seitenthälern des Arno versteckten Ghibellinen unerwartet angefallen und so vollkommen geschlagen, daß sich der Marschall mit 500 Rittern gefangen geben mußteL'Etendart entkam mit einem Theile der Mannschaft nach Viterbo. Jäger 41..

Dieser Sieg schreckte alle Guelfen so sehr, als er die Ghibellinen ermuthigte, und selbst Konradin sagte in einem den Sienensern am siebenten Julius ertheilten FreibriefeMalavolti II, 2, 37.  Lünig cod. diplom. Ital. III, 1503. ganz offen: er wolle ihnen alle Reichs- und Handels-Abgaben erlassen, sobald er Kaiser werde, nach welcher Würde er, seiner Ahnen großem Beispiele folgend, nicht unwürdig oder mit Unrecht trachte.

Von Siena zog Konradin über Radikofani nach Aquapendente, weshalb in Viterbo natürlich Furcht vor einem feindlichen Angriff entstand. Nur der Papst verlor die Fassung nichtEr ziehe tanquam ad vindictam, sagt der gleichzeitige genau unterrichtete Salimbeni 409.. Eben so Pipin. III, 7.  Mediol. ann. und Vitae Pontif. 595.  Memor. Regiens. 1184. und weissagte, während die andern verzagten: »des Knaben Größe wird verschwinden wie ein Rauch, er ziehet hin gen Apulien, wie zur Schlachtbank!« – 590 {1268} Andererseits hielt es Konradin mit seinen Freunden nicht für gerathen, daß man Zeit und Menschen vor dem wohlbesetztenSchon im Junius 1268, sammelte Klemens so viel Soldaten als möglich.  Martene thes. II, 609. Viterbo verliere und durch persönliche Verfolgung des Papstes ängstliche Gemüther abwendig mache. Er ließ Viterbo zur Linken, und zog über Toskanella und Vetralla nach Rom.

Hier hatte Heinrich der Senator Anstalten getroffen, ihn aufs feierlichste, ja wie einen KaiserLaudes imperatorias acclamarunt.  Chron. Imper. et Pontif. Laurent. zu empfangen und empfangen zu lassen. Wohl geordnet und bewaffnet, mit Kränzen und Blumen geschmückt, zogen die Männer den Ankommenden bis zur Ebene unter dem Monte malo entgegen, und führten sie von hier zur Stadt; wo die schönsten Frauen und Jungfrauen Roms, in gleich gekleidete Schaaren abgetheilt, den schönen Jüngling mit Gesang, Tanz und Musik der mannigfachsten Art empfingen. Hierauf wandte sich der Sieges- und Pracht-Zug bei der Burg des Krescentius vorbei, die Straßen hinauf zum Kapitol. Und diese Straßen boten einen Anblick dar, wie man ihn noch nie gesehen, sie erschienen zauberischen Bogengängen ähnlichSaba Malasp. IV, 6.. Denn wetteifernd hatte man in buntester Abwechselung alle Häuser und Fenster ausgeschmückt, und über die Straßen gezogen: Lorberzweige und Blumengewinde, kostbare Tapeten, seidene, purpur- und golddurchwirkte, künstlich ineinander geschlungene Zeuge, zwischen welchen Edelsteine und Kostbarkeiten aller Art noch heller hervorglänzten. Im Vergleiche mit diesem, war der Empfang König Karls nur dürftig und kalt gewesen.

Als Konradin endlich das Kapitol erreicht hatte und dastand, in jugendlicher Heiterkeit und Schönheit, umgeben von so vielen Fürsten und EdlenSaba Malasp. IV, 7, nennt unter andern: die Grafen Galvan Lancia, Gerhard Donoratiko von Pisa, Guido von Monteferretro, Konrad von Antiochien u. a. m.; da stieg der Jubel des Volks aufs höchste, und es war kein Wunder, wenn sich 591 {1268} jene Führer in solchem Augenblicke des Sieges und Glücks für so gewiß hielten, daß sie Belohnungen, Besitzungen und Lehne schon in Gedanken vertheilten. Doch sprachen einige ernster Gesinnte: »welch eine Stadt ist dies, die schon so unzählige Male ihrer alten Freiheit keusches Wesen verletzt hat und wie eine Hure sich jedem Kommenden als ihrem Herrn hingiebtSaba Malasp. IV, 7.!« Und andere sagten sich argwöhnisch ins Ohr: »Heinrich, der Senator, hat diese großen, zum Theil kriegerischen Aufzüge nicht sowohl angeordnet aus Liebe zu Konradin, oder um dessen Feinde zu schrecken, als um dem Jünglinge drohend zu zeigen, was er selbst bedeute und vermöge; ja sein geheimer, mit mehren schon verabredeter Plan geht dahin: daß nach dem unausbleiblichen Falle König Karls, auch Konradin auf irgend eine Weise aus dem Wege geschafft, und ihm, dem Frevler selbst, die sicilische Krone aufs Haupt gesetzt werde.« – Ohne Zweifel suchte Heinrich von Kastilien zunächst seinen Vortheil, und entschiedenes Glück hätte gewiß dereinst Streitpunkte zwischen ihm und Konradin zu Tage gefördert; daß er aber in diesem Augenblicke kaltblütig Mordplane und noch obenein mit Galvan Lancia, dem Glücks- und Leidens-Gefährten Konradins, entworfen habe, ist in sich höchst unwahrscheinlich und äußerlich ganz unerwiesen. Es zeigt sich keine Spur von Argwohn oder zweideutigem Benehmen zwischen den beiden Verbündeten, und wären geheime Plane vorhanden gewesen, so hätte sie der gewandte Kastilianer gewiß auch geheim gehalten. Im übrigen ist freilich die Entstehung und Verbreitung solcher Gerüchte in Zeiten solcher Parteiung zu natürlich, als daß man sich darüber wundern, oder eine besondere Begründung derselben verlangen könnte.

Während der Zeit daß Konradin nach Rom zog, segelte die pisanische Flotte zuerst nach den apulischen Küsten und setzte alle Bewohner dieser Gegenden in Schrecken; 592 {1268} dann wandte sie sich, größern Erfolg hoffend, nach Sicilien und ankerte bei Milazzo. Schon früher waren die französischen Hülfsmannen unter Philipp von Egle auf der Insel gelandet, erhöhten aber durch Habsucht, Grausamkeit und unverhohlene Verachtung aller Einwohner den Haß derselben so sehr, daß ihre Ankunft in der That die französische Partei weit mehr schwächte, als stärkteGallo annal. II, 98.. In diesem Augenblicke, wo sich die Lage der Franzosen durch Mangel an Lebensmitteln und ansteckende Krankheiten noch verschlimmerte, würden ihre Feinde gänzlich obgesiegt haben, wenn sich Konrad Kapece, Friedrich Lancia und Friedrich von Kastilien, die äußerlich Gleichgestellten, über die Oberanführung und die zu ergreifenden Maaßregeln schnell geeinigt hätten. Nun aber wurde der aus ihrem Zwiespalt entstehende Zeitverlust Ursache, daß Robert von Lavena zweiundzwanzig provenzalische Schiffe herbeiführen und sich mit neuen messinesischen verstärken konnte. Hiedurch entstand in den Franzosen neuer Muth; andererseits unter ihren Gegnern aber auch die nöthige Einigkeit.

Beide Theile rüsteten sich zu einer doppelten, zu einer Land- und einer See-Schlacht. Die letzte begann sehr glücklich für die Franzosen: denn die erste Hälfte der pisanischen Flotte schien sich der Provenzalen kaum erwehren zu können, und die zweite, welche den Messinesen gegenüber stand, begab sich nach kurzem Kampfe auf die Flucht und wurde von den Siegern lebhaft verfolgt. Aber gerade dies hatten die seekundigern Pisaner gewünscht und erwartet: sie nahmen, von ihrer verstellten Flucht sich umwendend, die jetzt vereinzelten Messinesen in die Seite, drängten sie zum Lande und eroberten alle ihre Schiffe. Der ernstere Kampf, welcher nunmehr gegen die größere Zahl der provenzalischen Schiffe beginnen sollte, fand gar nicht statt, weil Robert von Lavena, der, man weiß nicht wie, aus einem Lehrer der Rechte in einen Flottenführer 593 {1268} verwandelt wordenDaß er juris civilis professor war, sagt Saba Malaspina IV, 4., bereits in feiger Übereilung das Weite gesucht hatte.

Nach diesem unglücklichen Ausgange der Seeschlacht kehrte Fulko der Statthalter, welcher dem hohenstaufischen Landheere entgegengezogen war, rasch nach Messina zurück; und in der That schien Eile nöthig, indem die Bürger hier schon gerathschlagt hatten: ob man sich für den Verlust der Schiffe nicht an den Gütern der Franzosen erholen, ob man die Stadt nicht den Hohenstaufen übergeben solle? Die Pisaner störten jedoch dies günstige Vorhaben selbst, durch zu rasche und gewaltsame Maaßregeln. Sie segelten nämlich mit ihrer Flotte, von deren Masten die Fahnen Konradins und Pisas wehten, zum Hafen und trieben die erbeuteten, in Brand gesteckten Schiffe gegen das Ufer, damit auch alle übrigen auf der Rhede liegenden Fahrzeuge vernichtet würden. Als aber das Feuer nicht bloß diese, sondern auch viele Häuser ergriff, entstand das Gerücht, die Pisaner wollten Messina niederbrennen, woraus Einigung und Widerstand der Bürger hervorging. Doch wäre die Stadt an diesem Tage, am 11ten August 1268, wohl erobert wordenCaruso memor. II, 1, 324.  Caraffa della citta di Messina 165., wenn sich der Wind nicht plötzlich gewendet und den Grafen Lancia gezwungen hätte, mit der Flotte nach Kalabrien hinüber zu segeln. – Desungeachtet konnte man Sicilien für gewonnen halten: denn jene pisanisch-hohenstaufische Flotte beherrschte ohne Nebenbuhler das Meer, die französischen Landsoldaten fanden einstweilen nur unsichern Schutz hinter den Mauern abgeneigter Städte, und aus Apulien Hülfe zu senden verhinderte der Mangel an Schiffen, der täglich wachsende Aufruhr und die Annäherung des durch all diese Ereignisse doppelt ermuthigten und gestärkten Konradin. 594

 


 


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