Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 4
Friedrich von Raumer

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Einundzwanzigstes Hauptstück.

{1247} Wenn in Zeiten großer, von außen andringender Gefahr einem Volke auch die regelmäßige Führung mangelt, so kann es dennoch durch seine, nach einer fast unverfehlbaren Richtung allgewaltig wirkenden Kräfte das Preiswürdigste vollbringen, und nachher zu Maaß und Ordnung zurückkehren; wenn ein Volk durch Ideen, die sich von innen heraus allmählich entwickelten und reiften, in Parteien zerfällt, so kann das Natürliche und Rechte auf beide Seiten vertheilt liegen, und obgleich der höhere Vereinigungspunkt nur wenigen sichtbar bleibt, noch Haltung, Gesetz, Regel und Ziel im Grunde verborgen übrig bleiben. Wenn aber um eines niederen Zweckes willen alle höhern unwandelbaren Grundsätze wankend gemacht, alle ursprünglichen und heiligen Gefühle hinweggeschwatzt werden, wenn jedes Mittel erlaubt scheint, wenn Furcht und Haß, Eigennutz, Ehrgeiz und Bestechung, Bann, Kirche und Religion in widerlicher Mischung mit teuflischer Geschicklichkeit auf Hohe und Geringe zur Auflösung aller erhaltenden Bande angewandt werden: so ist es weniger die Wirkung volksthümlicher Tüchtigkeit, als der Barmherzigkeit Gottes, wenn nicht das vielseitigste Verderben einbricht und alle rettungslos in den Abgrund verächtlicher Schwäche und boshafter Ruchlosigkeit hineingezogen 234 {1247} werden. In solcher entsetzlichen Gefahr befand sich damals Deutschland, und weder Volk, noch Fürsten, noch Kaiser, noch Papst können von der Schuld, diesen Zustand herbeigeführt zu haben, ganz frei gesprochen werden. Anstatt den Weg der Strenge und HärteSo scheint, wie viel man auch an der guelfischen Nachricht bei Math. Paris 510 zurückrechnen mag, die Behandlung des in einer Schlacht gefangenen Bischofs von Arezzo übermäßig streng gewesen zu seyn, und es empörte wenigstens alle kirchlich Gesinnte, daß ein Bischof wie ein Hochverräther behandelt wurde. Dasselbe gilt für die Nachrichten bei Malespini 139 über die Blendung florentinischer Gefangenen., welchen Friedrich in seinem Zorne betrat, zu verschmähen, erließ Innocenz, ihn noch überbietend, Befehle, welche seines heiligen Berufes unwürdig und ohne Haß, Aufruhr und Blutvergießen nicht durchzusetzen waren!

Schon am 15tenMärz 1247, vier Wochen nach dem Tode Heinrich Raspes, schickte er den Kardinal Peter Kapoccio mit einer Vollmacht nach Deutschland, worin es heißtRayn. §. 1-4.  Cardella I, 2, 276.: er komme wie ein Engel des Friedens, damit er, je nachdem es ihm gutdünke, pflanze und erbaue, ausreute und zerstöre, zerstreue und vernichte! Überall wo sich nur Volk versammele, müsse man Geistliche (das hieß, vor allen Bettelmönche) hinsenden, und der Hohenstaufen nichtswürdige Abscheulichkeit schreckbar abmalen, ihre Anhänger zu allen öffentlichen Handlungen, Verträgen, Zeugnissen u. dergl. unfähig erklären, sie von allem Handel und Verkehr, nicht minder als von der Kirchengemeinschaft ausschließen, mithin an Leib und Seele verderben. – Wenn nun das Haupt der Kirche so verfuhr, war es ein Wunder, daß in untergeordneten Kreisen ganz Unglaubliches erlogen, und dennoch geglaubt wurde, z. B.: Friedrich habe in einer Kirche unter dem Bilde der Madonna einer Jungfrau Gewalt angethanHistor. Sicula 780.  Leobiense chron. 823.; er lasse in unterirdischen Höhlen 235 {1247} Mörder förmlich erziehen; er nähre Jungfrauen mit Gift, damit sie seine Feinde, an welche er sie verheirathe, vergiften möchten!!

Alle diejenigen Unbilden, welche sich Laien sonst gegen die Kirche erlaubten, und denen größere Päpste mit Nachdruck entgegenwirkten, gingen itzt von Innocenz selbst aus. Er billigte, ja befahl übertriebene Beschatzung des Kirchenguts, um Geldmittel für seine Kriege zu bekommen; er erlaubte, unbekümmert um das Seelenheil der Gemeinden, das, an dem Kaiser so laut getadelte, Nichtbesetzen der Pfarreien; er vergab die Bisthümer und Stiftsstellen, ohne Rücksicht auf Wahlrecht, Herkommen und GesetzMeermann V, Urk. 139, 145, 148.  Salisburg. chron. Canis. 483.; er genehmigte, ungeachtet der trostlosen Lage des heiligen Landes, daß Pilger, statt des ursprünglichen Gelübdes, einen Feldzug gegen Friedrich und Konrad übernahmen, oder eine Summe unmittelbar in die päpstliche Kasse zahltenBaluzzi miscell. I, 209.  Meermann V, Urk. 37.. – Als Innocenz dem Erzbischofe von Mainz die Einkünfte erledigter Pfründen auf fünf Jahre zusprach, und ein Fünftel aller geistlichen Einnahmen zum Kriege wider die Hohenstaufen einfordern ließCodex Vindobon. phil. No. 305, fol. 156.  Erfurt. chron. S. Petrin.  Gudeni cod. I, 602, 606. Wo sollte auch sonst das Geld herkommen, da der Krieg dem Papste 200,000 Mark Silber kostete. Pfister Gesch. von Schwaben II, 309., erklärte der Kaiser: dies sey gegen die Freiheiten der deutschen Kirche und gegen alles Recht. Der Papst nahm hierauf nicht die geringste Rücksicht; tröstete und beruhigte indeß die, welche wegen ihrer Eidbrüchigkeit gegen Friedrich Gewissensbisse fühltenSo die Straßburger, welche einen Waffenstillstand mit den Anhängern Friedrichs meineidig gebrochen hatten.  Schöpflin. Alsat. diplom. I, Urk. 523., und erklärte ganz im allgemeinen: »daß jeder rechtmäßig alle Güter Friedrichs und aller seiner Anhänger nehmen und behalten könneCamici zu 1249, Urk. XIII, 58.!« Zu welcher 236 {1247} unerhörten Auflösung aller Treue und Ordnung, zu welcher rücksichtslosen Habsucht mußte dies führen! Und selbst die, welche sich von den äußersten Freveln frei hielten, wußten nicht, welche unter vielen entgegengesetzten Ansichten zu erwählen und festzuhalten seyAventin. excerpta ex Albert. 800 und Annal. zu diesen Jahren.. Einige nämlich wünschten, daß der Kaiser und das Kaiserthum in Italien bleibe, damit Deutschland nicht durch dies Verhältniß in Streit mit dem Papste verwickelt werde; andere schalten gleichmäßig auf Friedrich und Innocenz, und hofften, daß beide durch Verlängerung des Zwistes ihre Kräfte erschöpfen würden; noch andere schwankten zweideutig hin und her und hielten es scheinbar bald mit beiden, bald mit keinem, je nachdem sich der meiste Vortheil bei diesem oder jenem Verfahren zeigte. Achtung vor der Heiligkeit der Kirche und der Majestät des Reichs war viel öfter Vorwand, als wahrer Beweggrund der Beschlüsse. Nicht selten wandten sich Fürsten und Prälaten, ohne alle höhere Rücksichten, bloß deshalb zur zweiten Partei, weil sich ein anderer Fürst oder Prälat, mit dem sie in untergeordnete Händel gerathen waren, zur ersten gesellte. Böhmen zum Beispiel ward kaiserlich, als Mainz sich für den Papst erklärte; und Thüringen päpstlich, weil Baiern sich mit Friedrich verband.

So mannigfache Gestalten die Dinge aber auch in den höhern Kreisen annahmen, für das Volk trat nur eine und dieselbe Wirkung ein: es ward, in Hinsicht der Personen und des Guts, willkürlich zu willkürlichen Zwecken behandelt; und die Kirche, diese frühere Stütze der Niedern, verlor ihre Wirksamkeit durch leidenschaftliche Bannsprüche, oder zerstörte durch andere unchristliche Maaßregeln den Glauben an ihre fleckenlose Reinheit. Daher entstanden itzt in dem sonst so zweifelsfreien Deutschland Sekten, welche laut lehrten: »der Papst, die Bischöfe und die Geistlichen leben in Lastern und Todsünden, sind Ketzer und Pfründenkäufer, und haben keine Kraft zu lösen und zu binden. Die Predigermönche 237 {1247} und Franziskaner verwirren die Kirche durch falsche Predigten und führen, gleich allen übrigen Mönchen, ein schlechtes und ungerechtes Leben. Deshalb sind die verschlossenen Kirchen wieder zu öffnen, und durch die neuen Bekenner der reinern Lehre alle geistlichen Handlungen zu verrichten. Den Kaiser und den König Konrad soll man nicht verfluchen, sondern für sie beten, weil sie sich immerdar als gerechte und treffliche Männer gezeigt habenGrößere Vortheile würde König Konrad von diesen Ketzern gehabt haben, wenn sie das Gute und Wahre ihrer Ansicht nicht durch übertriebene Heftigkeit, ja durch Frevel verunreinigt hätten und die Menge nicht gegen sie aufgetreten wäre.  Albert. Stad. zu 1248.

Zu all diesen Übeln gesellten sich schwere Fehden über das Erbe zweier der mächtigsten Fürsten, Heinrichs von Thüringen nämlich, und Friedrichs von ÖsterreichIm Jahre 1248 kam der dritte Streit über das Erbe des Herzogs Otto von Meran hinzu; davon im achten Buch..

Heinrich Raspe war kinderlos gestorben und auf seine Länder machten itzt AnsprücheFolgende Tafel erläutert die Verwandtschaft:

Schultes Geschichte von Henneberg I, 122.
: erstens, Heinrich der Erlauchte, Markgraf von Meißen, der Sohn von Jutta, der ältesten Schwester des Erblassers; zweitens, Graf Hermann von Henneberg, der Sohn derselben Jutta von ihrem zweiten Gemahle Poppo von Henneberg; drittens, Sophie, die Tochter Ludwigs IV, des ältern Bruders von Heinrich Raspe und der heiligen Elisabeth, für Heinrich, ihren und des Herzogs von Brabant Sohn; viertens, die 238 {1247} Nachkommen der jüngern Schwester Heinrich Raspes, Irmingard, welche an den Fürsten Heinrich von Anhalt vermählt war.

Die zuletzt erwähnten Ansprüche scheint man nicht sehr in Betrachtung gezogen, und den Grafen von Henneberg wahrscheinlich mit Schmalkalden und einem benachbarten Landstriche abgefunden zu haben; wichtiger blieb der Zwist zwischen dem näher berechtigten Heinrich dem Erlauchten und Sophie von Brabant. Jener führte an: »schon im Junius 1242 habe er, auf den Fall des kinderlosen Todes seines Oheims Heinrich Raspe, vom Kaiser (für seine und seiner Vorfahren Verdienste) die Anwartschaft auf Thüringen und die Pfalzgrafschaft Sachsen erhaltenComitivum palatii Saxoniae.  Dumont I, 180, Urk. 348. Urk. in Spieß Nebenarbeiten I, 147.. Ferner gebühre das Erbe eher ihm, dem Neffen des Erblassers, als einem Kinde von dessen Nichte, welches offenbar um einen Grad weiter abstehe.« Hiegegen behauptete Sophie: »will man auch über die kaiserliche Anwartschaft keine weitern Zweifel erheben, so geht sie doch höchstens auf das Lehn, aber nicht auf das Allod. Ferner kommt es hiebei weder auf die Nähe des Grades der Verwandtschaft, noch auf den letzten Erblasser, sondern darauf anWeiße Gesch. von Sachsen I, 273.: daß Heinrich der Erlauchte nur von einer Tochter Landgraf Hermanns, einer Schwester Heinrich Raspes, ich aber von einem Sohne Landgraf Hermanns, einem Bruder Heinrich Raspes, abstamme. Diese männliche Linie geht unleugbar der weiblichen vor; weshalb keineswegs Heinrich Raspe, sondern mein Vater, Landgraf Ludwig, als eigentlicher Erblasser zu betrachten ist.« Beide Theile wiesen vermittelnde Vorschläge zurück, und die Adelichen sahen den Streit gar gern, damit sie wichtiger und unabhängiger würden. Von ihren, täglich sich mehrenden Schlössern herab begingen sie arge Frevel; bis ein Theil der besser Gesinnten, welche von einem 239 {1247} Nachkommen der heiligen Elisabeth beherrscht seyn wollten, sich an Sophie, andere aber an Heinrich von Meißen wandten, dessen Recht ihnen gegründeter schien. Von einer höhern Entscheidung durch den Kaiser oder König, war in diesen Zeiten nicht die Rede, und erst nach erfolglosen Versuchen, das ganze Erbe zu erobern, verglichen sich Heinrich und Sophie im Jahre 1250 dahinChronik der Landgrafen von Thüringen 320.  Suntheim 631.  Rohte 1742.  Nach Lünig Reichsarchiv cont. II, Abth. 4. Abschn. 2 von Sachsen, Urk. 1 erkannten die Herrn in Thüringen den Markgrafen Heinrich im Julius 1248 als ihren Herrn an; aber dies Jahr ist nicht die siebente, sondern die sechste Indiktion.: daß jener vorläufig und bis zu einer letzten Entscheidung durch einen allgemein anerkannten König, Thüringen und selbst Niederhessen für ihren Sohn zu treuen Handen verwalten solleErfurt. chron. S. Petrin. 1248, 1252.  Hist. Landgr. Thur. c. 54.  Erfurt. chron. Schann. 103.. Ungeachtet dieses Vergleichs hörten aber die Fehden nicht auf, sondern führten allmählich, wie wir später sehen werden, zu allgemeinern Kriegen in diesem Theile Deutschlands.

Ähnlich und unähnlich ist während dieser Jahre die Geschichte der österreichischen Länder. Unähnlich zuvörderst bei einer Vergleichung Heinrich Raspes und Friedrichs von Österreich. Dieser ein gewaltiger Kriegsfürst, mit allen sich daran reihenden guten und bösen Eigenschaften, hatte nicht unverdient des Kaisers Strenge erfahren, und dennoch die Hand zur Aussöhnung gebotenSiehe oben Seite 85.; während Raspe, der Verwandtschaft und mancher Wohlthaten uneingedenk, sich an die Spitze der Feinde seines Herrn und Königs stellte. Im Junius 1245 war Herzog Friedrich in Verona, und erhielt nicht allein die Bestätigung aller frühern Freibriefe, sondern auch eine Erlaubniß, das kaiserliche Kreuz seinem Fürstenhute anzuheftenLünig Reichsarchiv pars. spec. von Österreich, Urk. 6.  Kurz Gesch. von Österreich II, 504–516., und ein Versprechen, alle 240 {1245} künftige Belehnung ohne weitere Kosten und Abgaben zu empfangen; ja es war die Rede davon, die Königswürde solle auf Österreich übertragen werdenDas Schreiben bei Petr. Vin. VI, 28, ist ein bloßer Kanzleientwurf.  v. Hormayr Beitr. zur Gesch. von Österreich I, 81.. Dies unterblieb jedoch, entweder weil der Gedanke überhaupt nie ernstlich war, oder weil einige Mißverständnisse zwischen dem Kaiser und dem Herzoge eintraten. Jener nämlich, so heißt es, wollte des letzten Nichte Gertrud heirathenPernold zu 1245.; welche Ehre man aber ablehnte, es sey nun, daß die Fürstinn bereits mit Wladislav von Mähren verlobt war, oder daß man die Verbindung mit dem gebannten Kaiser scheute. Die letzte Angabe ist jedoch die unwahrscheinlichere, ja die ganze Erzählung von den Mißverständnissen verliert alle Wichtigkeit; da Herzog Friedrich, selbst nach der Kirchenversammlung von Lyon, ohne Rücksicht auf Versprechungen und Drohungen, dem Kaiser unwandelbar treu blieb und andern Fürsten wenigstens hierin ein musterhaftes Beispiel gab. Großen Beistand konnte er indeß den Hohenstaufen desungeachtet nicht leisten, da er fast immer mit seinen Nachbaren, den Böhmen, Mähren und Ungern, in Krieg verwickelt warPappenheim.  Riddagshus. chron. Leibn..

Ein solcher brach im Jahre 1246 zwischen dem Herzoge und König Bela aus, mögen nun (denn die Berichte stimmen nicht überein) neue Beleidigungen ungerischer Herolde, oder der alte Zorn über des Herzogs Benehmen während der mongolischen Einfälle, jenen König zum Angriffe bestimmt haben. Die Ungern gingen über die Leitha, und viele riethen dem Herzog, er möge den Kampf bis zur Ankunft größerer Macht verschieben; er erwiederte aber: »es ziemt sich nicht, daß sich ein Fürst von dem Angesichte seiner Feinde hinwegwendeHaselbach 723.  Pernold zu 1245..

Am 15ten Junius 1246 kam es zur Schlacht. Schon 241 war der Sieg durch die heldenmüthige Tapferkeit des Herzogs und seiner Ritter entschieden, als jener, zu rasch nachsetzend, mit dem durch einen Pfeil verwundeten Pferde niederstürzte. Ehe er sich erheben, ehe seine Getreuen zur Rettung herbeieilen konnten, traf ihn ein Anführer der Feinde mit dem Schwerte tödtlich ins AugeBohem. chron. 71.  Mellic. chron.  Neuburg. chron.  Die Gerüchte, daß die Herren von Pottendorf, Verwandte der von ihm beleidigten Brunehild ihn umgebracht hätten, sind ganz unerwiesen.  Haselbach 720.  Salisburg. chron.  Staindel. Erfurt. chron. S. Petrin.  Austriae chron. ap. Peziam I, 586.  Kurz II, 517.. So endete der letzte des alten Stammes der Babenberger, an seinem fünfunddreißigsten Geburtstage, kinderlos; acht Tage nach ihm starb seine Mutter vor Schmerz. Jener Anführer, der den Herzog tödtete, war aus dem italienischen Hause der Frangipani; durch den Verrath eines Frangipani fällt zweiundzwanzig Jahre nachher auch der letzte Hohenstaufe, und mit ihm der letzte Nebenzweig der Babenberger.

Über die Ansprüche dieser Nebenzweige bemerken wir folgendesTafel der Erbberechtigten:
. Männliche Nachkommen Herzog Leopolds VII, welcher im Jahre 1230 starb, waren, nach dem Tode seines Sohnes Friedrichs des Streitbaren, gar nicht mehr vorhanden. Margarethe, die älteste Schwester Friedrichs und Wittwe König Heinrichs VII, lebte im Katharinenkloster zu Trier, hatte aber den Schleier wohl nicht feierlich genommen; ihre beiden Söhne Friedrich und Heinrich befanden sich in Apulien bei dem Kaiser, ihrem Großvater. 242 {1246} Gertrud, die Nichte Herzog Friedrichs, von seinem älteren Bruder Heinrich, war an den Markgrafen Wladislav von Mähren vermählt. Endlich lebten noch zwei Kinder, welche die im Jahre 1243 verstorbene jüngere Schwester Herzog Friedrichs, Konstanze, ihrem Gemahl, dem Markgrafen Heinrich dem Erlauchten von Meißen, geboren hatte. Mithin war, sofern man bloß auf Verwandtschaft Rücksicht nahm, die Frage: ob die älteste Schwester des Erblassers und ihre Söhne, oder die Tochter des älteren Bruders, oder die Söhne der jüngeren Schwester das nächste Recht auf das Erbe hätten, oder ob eine Theilung desselben gesetzlich und rathsam sey? Alle diese Fragen wies aber der Kaiser von der Hand, und mit Recht. Laut des großen österreichischen Freibriefes von 1156 ging die Erbschaft zuvörderst auf die Söhne und nach deren Abgang auf die Töchter des letzten Erblassers, oder, sofern beide fehlten, auf den von diesem ernannten Erben. Nun hatte aber Herzog Friedrich weder Söhne noch Töchter hinterlassen, noch einen Erben ernannt; mithin war sein Erbe ohne Zweifel dem Reiche eröffnet, und nur das Allod gebührte den Seitenverwandten. Dem gemäß ließ der Kaiser dasselbe unter die drei oben genannten Zweige gleichmäßig vertheilen, Österreich und Steiermark aber durch den Grafen Otto von Eberstein für sich und das Reich, ohne Widerstand in Besitz nehmenLambacher Interregnum Urk. 3.. Zwar versuchte Markgraf Wladislav von Mähren die Ansprüche seiner Gemahlinn Gertrud geltend zu machen: da er aber schon am 16ten Januar 1247 kinderlos starb, so blieben seine Bemühungen ohne allen Erfolg und die Hohenstaufen in ungestörtem Besitze.

Niemanden schmerzte dieser große Zuwachs an Macht mehr als den Papst, und weil er bei keinem einzelnen Gegenmittel bestimmten Erfolg voraussah, suchte er gleichzeitig oder abwechselnd mancherlei anzuwenden, unbekümmert, daß eins dem andern offenbar widersprach. Margarethen 243 {1247} hielt er durch scharfe Vorstellungen ab den Schleier zu nehmen, und versprach ihre Ansprüche zu unterstützen; er machte den Freiwerber für sie und für Gertrud; er reizte die Könige von Ungern und Böhmen zu Angriffen, und drückte sich dabei so aus, als stände ihnen ein Recht auf Österreich zuKurz III, 13.. Aber alle waren anderweit beschäftigt, oder scheuten die Macht der Hohenstaufen, oder mißbilligten auch wohl des Papstes übereifrige Einmischung in Reichs-, ja in Heiraths-Angelegenheiten.

Noch mehr als diese österreichische Sache, lag dem Papste nach dem Tode Heinrich Raspes, eine neue Königswahl am Herzen: die erste Krone der Welt ward ausgeboten, und verschmäht, wie schlechte Waare! Denn wenn sie auch mancher unbedenklich ohne Recht genommen hätte, dann doch nicht ohne Rechte und ohne Macht! Graf Heinrich von Geldern, Graf Richard von Kornwall, König Hakon von Norwegen, Herzog Heinrich von Brabant, wurden der Reihe nach von Innocenz und dessen Gesandten durch den Glanz der Krone geködertMath. Paris 540., aber vergeblich. Sie wollten des Papstes Fehden nicht auf eigene Unkosten ausfechten, und Heinrich Raspes Schicksal schreckte selbst die Begehrlichen zurück. Da kamen einige auf den Gedanken: ob man nicht König Konrad, nach dem Vorgange seines Bruders, zum Abfalle vom Kaiser und zu unbedingtem Gehorsam gegen die Kirche bewegen könneMath. Paris 496.; aber Konrad antwortete: »wahrlich, um euch Verräthern zu gefallen, werde ich meinem Vater und mir selbst nicht untreu werden!« – In solcher Noth mußte es dem Papste gar sehr willkommen seyn, daß ihm Herzog Heinrich von Brabant seinen Neffen, den Grafen Wilhelm von HollandBelgic. chron. magn. 266., zum Könige vorschlug. Dieser, der Sohn Floris des vierten und Mathildens von Brabant, war im Jahre 1228 geboren, stand vom Jahre 1235 bis 1241 unter der Vormundschaft seines Oheims 244 {1247} des Bischofs von Utrecht, und meinte mit jugendlicher Kühnheit: weil er seine Grafschaft ohne große Mühe beherrsche, werde ihm auch der Beruf eines Königs nicht zu schwer seyn. Die Pflichten, dem Kaiser treu zu bleiben und dem Papste zu gehorchen, mochten für ihn ursprünglich gleiche Stärke haben; und itzt neigte sich das Übergewicht ganz natürlich auf die Seite dessen, der nicht forderte, sondern gab. Einige sahen in jenem Vorschlage des Herzogs einen Beweis der uneigennützigsten Freundschaft gegen seinen, durch Muth und Gewandtheit ausgezeichneten Neffen; andere meinten, er habe den Ehrsüchtigen in der Ferne beschäftigen wollen, um in der Nähe desto größern Einfluß zu bekommen. Wenn man auch diese heimtückische Absicht leugnet, so ist jene erste Meinung dadurch noch nicht zugegeben: denn der Herzog würdigte die dargebotene Gabe richtiger, als sein Neffe, und hielt einen freien Herzog wohl für mehr, als einen von der Mehrheit seines Volks verworfenen, dem Papste unterthänigen König.

Den dringenden Aufforderungen des Kardinals Kapoccio und wohl noch andern unwürdigeren Überredungsmitteln nachgebend, kamen die drei rheinischen Erzbischöfe, einige andere Prälaten, der König von Böhmen, der Herzog von Brabant und wenige unbedeutende Reichsmannen in Woringen bei Köln zusammen und wählten am vierten Oktober 1247 den Grafen Wilhelm zum König von DeutschlandMeermanns Geschiedeniss van Graaf Willem van Holland.  Staindel.  Albert. Stadens.  Math. Par. 493.  Monach. Patav. 684.  Gudeni cod. I, 600.  Herm. Altahens.  Corner 894.  Miraei op. diplom. I, 429, Urk. 92.. Hierauf wurde der neue König unter großen Feierlichkeiten zum Ritter geschlagen, es folgten Gastereien, der Kardinal theilte päpstliche Glückwünschungs- und Ermahuungs-Schreiben aus, man ließ zum Aufbruche nach Achen blasen, damit die Krönung bald vollzogen werde, – und was der Äußerlichkeiten, aus denen nichts folgte, mehr waren.

Das wahre Übergewicht blieb in diesem Augenblicke 245 {1247} noch immer auf der Seite der Hohenstaufen. In Schwaben, Franken, dem Elsaß, Österreich und Steiermark herrschten sie oder ihre Bevollmächtigten; Otto, Herzog von Baiern und Pfalzgraf am Rhein, war ihnen zugethan; die Herzöge von Sachsen, die Markgrafen von Brandenburg und Meißen, die Erzbischöfe und Bischöfe von Magdeburg, Passau und FreisingenMeichelbeck histor. Frising. II, 1, 30.  Lünig Reichsarchiv XIX, 686, Urk. 2; 836, Urk. 4., der Sohn des Königs von Böhmen und dessen Anhang widersprachen sämmtlich der neuen Königswahl. Von den Reichsstädten konnten nur sehr wenige gewonnen werden, und Achen insbesondere verschloß Wilhelmen die Thore. Allmählich traten zwar noch einige Prälaten und Fürsten, besonders um der päpstlichen Weisungen willen, zu ihm über; andererseits aber starb sein Beschützer, Herzog Heinrich von Brabant am ersten Februar 1248, und mit seiner Nachbarinn, der Gräfinn Margarethe von Flandern, deren Macht der seinigen ganz gleich kam, gerieth er in solche Mißverhältnisse, daß er ihr mehr bewilligen mußte, als dem Könige ziemte. Hier opferte er indeß nur eigene Ansprüche auf; um aber der drückenden Geldnoth abzuhelfen, unsichere Anhänger zu befestigen und neue zu gewinnen, verpfändete, verschenkte und veräußerte Wilhelm Reichsgut und Reichsmannen, Reichszölle und ReichsstädteBeispiele Colon. chartul. Urk. 5.  Lünig codex II, 1751, Urk. 13; 1962, Urk. 52 und bei Meermann.. Nachdem man die deutsche Krone ausgeboten hatte, kam nur zu folgerecht die Reihe an alles einzelne; und mancher mochte es noch großmüthig nennen, wenn er sich zu der großen Versteigerung durch den neuen König einfand: denn man könne ja ungestraft, wie nach herrnlosem Gute eines Geächteten oder Verschollenen, zugreifen! In den Zeiten ihrer größten Macht hatten die Hohenstaufen kein reichsunmittelbares Kloster einem Fürsten untergeben dürfen; jetzt wurde rücksichtslos sogar der Stand von Reichsstädten, wie 246 {1248} Nimwegen, auf solche weise gemindert. Aber aus der Willkür geht nie Freiheit, nicht einmal Reichthum hervor: deshalb blieb König Wilhelm immer in kläglicher Dürftigkeit, und erst als ihm der Papst die von der deutschen Kirche erpreßten Gelder zustellen ließ, besserten sich seine UmständeMath. Par. 490, 492.  Im April 1248 erhielt Matthäus von Lothringen vom Legaten 4000 Mark für seinen Übertritt zu Wilhelm.  Calmet hist. de Lorr. II, Preuv. 465.. Anderer Summen, welche aus Italien für ihn abgesandt wurden, bemächtigte sich der Graf von Savoyen zu großem Verdrusse des Papstes.

Dieser fand indeß ein Mittel, das Heer seines Schützlings auf eine wohlfeilere Weise, als durch Geld und Sold zu verstärken. Bei den großen und ernsten Vorbereitungen Ludwigs des Heiligen zu einem Kreuzzuge, war der alte Eifer in vielen Einwohnern von Niederdeutschland noch einmal geweckt worden. Später fanden jedoch manche das gethane Gelübde schwer und bedenklich, und als itzt der Papst das Kreuz nicht mehr gegen die Türken und Mongolen, sondern gegen Friedrich von Hohenstaufen (so nannte man verächtlich den Kaiser) predigen und verkündigen ließMenconis chron. 143.: »wer dem Könige Wilhelm das der Kirche ungehorsame Achen erobern helfe, brauche nicht nach Jerusalem oder Kairo zu ziehen, sondern sey des früheren Gelübdes ledig, und erhalte obenein Segnungen und Ablaß in Überfluß:« da fanden sich der Leichtsinnigen und Bequemen, der Verführten und der angeblich fromm Gehorsamen so viele, daß das zeither unbedeutende Belagerungsheer König Wilhelms zu einer unerwarteten Größe anwuchs. Dennoch beharrten die Bürger von Achen auf ihrem Sinne: »dem Kaiser hätten sie Treue geschworen, und diesen Eid wollten sie nicht hinwegdeuteln, sondern halten.« Mit bewundernswürdiger Anstrengung vertheidigten sie ihre Stadt, und erst als der Mangel an Lebensmitteln aufs höchste stieg, als die 247 {1248} Wasserfluthen durch einen neu gezogenen Damm so anstauten, daß man auf Kähnen durch die Straßen fuhr und viele sich in das obere Stockwerk ihrer Häuser retten mußten, als alle Hoffnung auf Entsatz verschwand und die täuschende Nachricht einlief, der Kaiser sey gestorben: – da erst sandten sie Bevollmächtigte an Wilhelm, schlossen einen Vertrag und übergaben die Stadt am 16ten Oktober 1248, ein Jahr und zwanzig Tage nach dem Anfange der UmlagerungMenconis chron. 147.  Vikes chron.  Math. Par. 496, 500.  Wiarda Gesch. von Ostfriesland 208. Die Friesen hatten die Wasserbaue gegen Achen geleitet.  Contin. Martini Poloni 1419.  Northof 389.  Salisburg. chron. – Der Tag des Einzugs ist ungewiß. – Auct. incert. ap. Urstis.. Achen war verarmt und halb zu Grunde gerichtet, die abgezehrten Bürger sahen bleichen Schatten ähnlich: aber der Ruhm ihres treuen Muthes überglänzte ihr Elend, ja den Ruhm der Sieger –, wenn anders der Sieg einer solchen Überzahl für eine solche Sache, ein Sieg zu nennen ist. Zu stolz und zu fest, Befehle oder Gnadenbezeigungen anzunehmen, verließen viele Habe und Gut, Freunde und Verwandte, um das Recht Konrads, ihres Königs überall und gegen jedermann zu verfechten.

Am Tage aller Heiligen am ersten November 1248, wurde Wilhelm in Achen vom Erzbischofe von Mainz gesalbt und vom Erzbischofe von Trier eingesegnetBelgic. chron. magn. 268. – Nach Donius 312 krönte Kapoccio den König. – Albert. Stadens. Meermann zu diesem Jahre.. Hiemit, so sprachen viele, ist er nun unzweifelhaft rechter König geworden, während andere, – abgesehen von inneren Gründen –, entgegneten: »der Ort allein entscheidet nicht; oder man kann auf ähnliche Weise die ganze Handlung für nichtig erklären, weil ihr euch dabei keineswegs der alten und ächten, sondern eilig neu gefertigter Reichskleinode bedient habt. Die Beistimmung von drei Erzbischöfen entscheidet nichts, da die gleich berechtigten Laienfürsten sämmtlich 248 {1248} fehlten. Einen päpstlichen, einen Pfaffenkönig habt ihr wieder gemacht, keinen deutschen König für Deutsche!«

Nach der Eroberung Achens zertheilte sich das Heer Wilhelms, weshalb er so wenig am Oberrhein, als König Konrad am Niederrhein entscheidend einwirken konnteNur Math. Par. 502 und 516 berichtet unwahrscheinlich von großen Gefechten und wechselseitigen Siegen. Auch dafür, daß Konrad um diese Zeit einmal zum Kaiser nach Italien gereiset, oder vielmehr geflohen sey, finde ich keine weitern Beweise. Murat. in den Annalen bezweifelt beides.. Um indeß das Übergewicht auf die Seite des ersten zu bringen, stellten die Erzbischöfe und Bischöfe von Salzburg, Regensburg und Freisingen dem Herzoge Otto von Baiern nochmals vor: es sey das höchste Unrecht, den Forderungen des Papstes zu widersprechen. Otto beharrte aber bei seiner früheren Antwort, warf jenen ihre Unbeständigkeit vor und fügte hinzuSalisb. chron. Canis. 483.  Harzheim III, 579.: »euren Wilhelm, Grafen von Holland, habe ich weder gewählt, noch gebilligt, noch trachte ich nach seiner Freundschaft, noch bedarf ich ihrer. Der Kirche bin ich nicht feindlich gesinnt, aber was haben diese Fehden und Umtriebe mit dem rechten Glauben zu schaffen?« Die Drohung, ihn, wenn er sich bis zu Himmelfahrt 1249 nicht mit der Kirche aussöhne, zu bannen, blieb um so mehr ohne Wirkung, da manche Geistliche aus Furcht vor des Herzogs strengen Maaßregeln, andere aus eigener Überzeugung, nach wie vor Messe lasen, tauften, trauten und begruben. Ja, so wie früher der Papst durch die an Albert Beham übertragenen Rechte, alle kirchlichen Abstufungen und Ordnungen aufhob: so brachte jetzt die ebenmäßig zum Äußersten vorschreitende Gegenpartei ähnliches zur AnwendungMeichelb. hist. Frising. II, 1, 34.. Heinrich, ein kaiserlich gesinnter Stiftsherr zu Speier, hob z. B. das über Baiern gesprochene Interdikt auf, und sprach den Bann über alle guelfisch gesinnte Bischöfe. Sogleich 249 {1249} befahl Innocenz diese Verfügung zu vernichten und ihn lebenslänglich einzusperren; es ist aber um so ungewisser, inwieweit dieser Befehl zur Vollziehung kam, da Heinrichs nächster Vorgesetzter, der Erzbischof Siegfried von Mainz, am neunten März 1249 in Bingen starb.

Kein deutscher Prälat hat vielleicht den Gedanken, alles Weltliche in jeder Beziehung dem Geistlichen und Kirchlichen zu unterwerfen, so festgehalten und verfolgt, als Siegfried, und sehr bedeutend ist er auf seinem Grabesdenkmal abgebildet: zwischen Heinrich Raspe und Wilhelm von Holland stehend, und mit seinen Händen deren Kronen berührendGudenus II, 820.. Der Erzbischof Konrad von Köln führte einstweilen die Verwaltung und ward, ob er sich gleich hiebei sehr viel böse Erpressungen erlaubte, einstimmig von den Stiftsherren zu Siegfrieds Nachfolger erwählt. Der Papst aber, den Verein zweier Erzbisthümer und das Entstehen eines deutschen Patriarchats fürchtend, verwarf Konraden, überließ ihm aber, zur Entschädigung, eine reiche Abtei und ernannte ihn zu seinem BevollmächtigtenLünig Reichsarch. Th. XIX, Abtheil. 3, S. 254, Urk. 4.  Baluzzi miscell. I, 226.  Math. Par. 513.. Nunmehr traf die Wahl Christian, den Probst der mainzer Kirche, welcher, die Zukunft voraussehend, das beschwerliche Amt, obgleich vergebens, ablehnte. Es fehlte ihm nicht an Kenntnissen und an milden Vorzügen: aber ein Erzbischof nach dem Sinne des Papstes, ein Kriegsfürst zu seyn und mit harten Mitteln für eine unsicher und zweideutig auftretende Partei zu wirken, widersprach seiner Natur und Überzeugung. Ehe wir indeß die weitern, leider noch lange fortdauernden Verwirrungen Deutschlands erzählen können, muß die Geschichte Italiens bis zu einem wichtigern Endpunkte nachgeholt werden.

Sobald der Papst von der Niederlage Friedrichs vor Parma hörte, ermahnte er alle lombardischen Städte: 250 {1249} sie sollten nicht voreilig oder lässig auf den unerwartet gewonnenen Lorbern ruhen; sondern diesen höchst günstigen Augenblick mit rastloser Anstrengung benutzen, damit die Macht des Kaisers und aller Kirchenfeinde völlig gebrochen werde. Seinerseits werde er nie ohne Rücksicht auf die Städte einen besondern Frieden schließen, und überhaupt den Krieg bis zu völligem Siege fortsetzenBullae Pontif. ap. Hahn. 34-39.. – Solcher Aufforderungen zu fortdauerndem Hasse bedurften die ohnedies höchst leidenschaftlichen Bürger wahrlich nicht; und es thut weh, wenn der Statthalter Christi den Bolognesern ein eidliches Versprechen abfordertSavioli III, 2, 645.: sie wollten künftig die Güter aller Anhänger Friedrichs und aller derer, die irgend mit ihm verkehrten, einziehen. Eben so wenig kann sich das Gemüth, – was auch dafür angeführt werden möge –, mit den geheimen Aufträgen versöhnen, welche die in ganz anderem Sinne gestifteten, auf ganz andere Mittel und Zwecke angewiesenen Bettelmönche jetzo wiederum mit verdoppeltem Eifer übernahmenSalimbeni 342.: nämlich, die Unterthanen Friedrichs in Apulien und Sicilien zum Aufruhr anzureizen! Natürlich ließ dieser gegen die Ertappten mit Strenge verfahren; nicht selten griffen aber die Bischöfe, Äbte und das kaiserlich gesinnte Volk den Richtern schon vor, nahmen den Bettelmönchen die Kaputzen, verschnitten ihnen die Kleider, und jagten sie unter Spott und Mißhandlungen über die GränzenWadding III, 198 zu 1248..

Im Felde wechselte gleichzeitig Gewinn und Verlust. Fünf Tage nach dem Untergange Vittorias griff Enzius die, wie es scheint, unbesorgten Mantuaner und Parmenser in ihrer Stellung am Po anPetr. Vin. II, 41, 42.  Salimbeni 343.  Friedrich II scheint im Sommer 1248 nochmals vor Parma gelagert zu haben. Siehe die Beilage über den Aufenthalt der Kaiser., zerstörte ihnen an 251 {1249} hundert Fahrzeuge und machte dreihundert Gefangene. In einem andern glücklichen Gefechte wurde der Schwestersohn des Papstes Bernardo Rosso zur Freude der Kaiserlichen erschlagen, welche ihn wegen seiner Thätigkeit fürchteten, und wegen seines Abfalls haßten. Nicht mindern Erfolg hatten Ezelinos Waffen in dem nordöstlichen Theile der Lombardei. Er nahm allmählich Feltri, Belluno, Monfelice, und durch Verrath sogar Este einRoland. Patav. V, 23.  Monach. Patav. 684.  Cereta. Memor. Regiens. 1117.  Concil. collect. XIV, 14., und kümmerte sich wenig um den Bann, welchen Innocenz für seinen fortdauernden Ungehorsam, seine Ketzereien und Grausamkeiten endlich über ihn aussprach.

Andererseits gelang es dem Kardinal UbaldiniIm Jahre 1248 und 1249. Tonduzzi 283.  Fabri Effemer.  Savioli III, 2, 647-649.  Bonon. hist. miscella., mit Hülfe der Bologneser und vieler vertriebenen Guelfen, mehre Städte für die Kirche zu gewinnen: so Ravenna, Forli, Cervia, Imola, Forlimpopoli, Cesena, und nach vierzehntägiger Belagerung auch Faenza. Beide Theile, die Guelfen wie die Ghibellinen, litten an Gelde Mangel; und während Friedrich von Antiochien 3000 MarkCamici Urk. XI, 53, zum Julius 1248., unter harten Bedingungen, von sienischen Kaufleuten lieh, mußte das unbedeutende Jesi im Jahre 1248, 3200 Pfund für die päpstlichen Söldner bezahlenBaldassini XIX und XLVI.. Wie denn überhaupt die Abhängigkeit von der Kirche, den Städten damals eben so theuer zu stehen kam, als die vom KaiserCartepec. di S. Salvat. Urk. 520.  Malvecius 915.  Malespini 139..

Dieser war, nachdem er seinen Söhnen Enzius und Friedrich den Oberbefehl anvertraut, und Kapraia, das Hauptschloß der Guelfen in Tuscien erobert hatte, im Sommer 1249 nach Apulien zurückgekehrt. Von hier aus sandte 252 {1249} er dem Könige von Frankreich Pferde und Lebensmittel zur Unterstützung seines Kreuzzuges, und äußerte: wie gern er an demselben Theil nehmen würde, wenn ihn nicht vor allem sein Streit mit dem Papste daran verhinderteBarthol. ann.  Math. Par.  Petr. Vin. III, 23, und die Kritik der verschiedenen Nachrichten in Mutar. ann.. Ludwig versprach dem Kaiser, zuvörderst, er werde seinen Rechten im Morgenlande nie zu nahe treten und nirgends seine Feinde begünstigenMartene collect. ampliss. I, 1301.; dann verwandte er sich, nebst seiner Mutter Blanka, nochmals für ihn beim Papste und bemerkte wiederholt, daß er durch seine Land- und noch mehr durch seine See-Macht, den Kreuzfahrern unglaublich viel Schaden thun könne: aber Innocenz blieb unbewegt, theils weil ihm sein Vertilgungskrieg gegen die Hohenstaufen über alle morgenländische Zwecke ging, theils weil er meinte: Friedrich werde, selbst nach einer Aussöhnung mit der Kirche, nicht viel für den Kreuzzug thun, und er dürfe, auch ohne eine solche Versöhnung, um seines Vortheils und Rufes willen, die Pilger nicht feindlich behandeln.

Unterdeß hatten die Bologneser versucht das ghibellinische Modena umzustimmen, oder wenigstens vortheilhafte Verträge mit demselben abzuschließenMath. Par. 513, 526.  Cereta zu 1249.  Contin. Mart. Poloni 1417.  Dandolo 358.  Caes. ann. 1101.  Ricobaldi hist. imper. 131.  Murat. annal.. Weil beides mißlang, gab Filippo Ugone aus Brescia, der zeitige Podesta von Bologna, den dringenden Aufforderungen des Kardinals Oktavian Gehör und begann, während der Kaiser abwesend und König Enzius anderwärts beschäftigt war, den Krieg wider jene Stadt. In dem Augenblicke aber, wo die Bologneser an der Skultenna eintrafen und die Herstellung der alten Brücke des heiligen Ambrosius begannen, um auf das linke Ufer jenes Flusses überzusetzen, langte auch König Enzius (schneller als man es für möglich gehalten hatte) 253 {1249} mit Deutschen und Ghibellinen in Modena an. Pferden und Menschen keine Rast verstattend, zog er sogleich vorwärts bis Fossalta, etwa eine Miglie von jener Brücke, und beschloß, da die Bologneser vorsichtig auf dem rechten Ufer der Skultenna blieben., mit einem Theile seiner Mannschaft unbemerkt durch eine seitwärts gelegene Fuhrt zu gehen und ihnen in den Rücken zu kommen. Allein der Podesta Filippo erhielt Kunde von diesem Plane, und nach einem heftigen unentscheidenden Kampfe kehrten beide Theile in ihre alten Stellungen zurück. – Unmittelbar darauf langte Antonio Lambertazzi mit 2000 neuen Hülfsmannen an, und überbrachte den Befehl des Rathes von Bologna: »es solle am andern Morgen am 26sten MaiEs ist nicht deutlich, ob das erste Gefecht an der Fuhrt, und die Schlacht auf zwei verschiedene Tage fallen. Unter den verschiedenen Angaben des Tages der Schlacht ist der 26ste Mai (6to exeunte majo) am wahrscheinlichsten.  Ravenn. hist. spicil. 578.  Patav. chron. 1138.  Daniele 86.  Griffò.  Mutin. annal.  Johann. di Mussis.  Vedriani II, 191.  Tiraboschi stor. de Modena II, 70 erzählt nach einer alten Chronik einiges Abweichende über die Stellungen, die Brücken u. s. w. geschlagen werden.« Filippo theilte deshalb sein Heer unverzüglich in drei Theile und befahl, daß der dritte überall den Bedrängten zu Hülfe eilen solle. König Enzius, von dem allen wohl unterrichtet, stellte den Bolognesern die Deutschen und die tüchtigsten Italiener in zwei Schaaren gegenüber, und bestimmte die dritte, aus Modenesern gebildete, ebenfalls dazu, unerwartete Gefahren abzuwenden und den Ausschlag zu geben.

In der Schlacht selbst, welche Enzius mit jugendlichem Feuer und großer Tapferkeit begann, ging es aber keineswegs regelrecht und nach entworfenem Plane zu; sondern jeder focht, wo und wie er konnte, und man sandte Hülfe bald dahin bald dorthin. Bis gegen Abend hatte kein Theil entscheidende Vortheile gewonnen. Da gerieth Enzius in einen Zweikampf mit Antonio Lambertazzi und stürzte, weil 254 {1249} dieser sein Pferd tödtete, zu Boden. Deutsche aber drängten sich muthig herzu, befreiten und setzten ihn auf ein anderes Pferd. Der Fall des Königs schreckte indeß die den Bolognesern nur mit Mühe widerstehenden Modeneser; sie begaben sich auf die Flucht, und brachten hiedurch das ganze Heer in Verwirrung. Enzius, Marinus von Ebulo und Boso Doaria suchten vergeblich die Ordnung herzustellen; sie wurden umringt und mit etwa 200 andern gefangen.

Als die Sieger feierlich in Bologna einzogen, erweckte Enzius die meiste Aufmerksamkeit und Theilnahme. Der Sohn eines Kaisers, in der Blüthe der Jugend, vom Throne ins Gefängniß geführt: wie streng erinnerte alles an den Wechsel menschlicher Schicksale! Und dies Gefühl wurde durch die Persönlichkeit des Königs noch sehr erhöht. Er war, nach dem Zeugnisse seiner FeindeSalimbeni 344, 406.  Tiraboschi stor. lett. IV, 361., der trefflichste unter den Söhnen des Kaisers, der tapferste im Streite und der heiterste und liebenswürdigste im Umgange; er war fähig zu den größten und ernstesten Geschäften, und wiederum, wenn es die Verhältnisse erlaubten, Dichter und Sänger. Der Adel seiner Gestalt und seine Schönheit übertraf die aller andern, und seine Haare ringelten sich in blonden goldenen Locken hinab bis auf den Gürtel. Lucia Viadagola, die schönste der Töchter Bolognas, fühlte sich durch den Besiegten besiegtSo lautet die nicht unwahrscheinliche Sage.  Ghirard. I, 173-175.; aber der Rath der Stadt faßte, bei aller scheinbaren äußern Milde, den Beschluß: »König Enzius, jetzt erst vierundzwanzig Jahr alt, solle bis zu seinem Tode im Gefängnisse bleiben!«

Als Kaiser Friedrich von diesem bitteren Unfalle hörte, ließ er den Bolognesern schreibenGhirard. I, 179.  Savioli III, 2, 657, 659.: sie möchten sich des leicht wechselnden Glückes nicht zu sehr überheben und die Macht des Reiches nicht für immer vernichtet halten. Habe doch 255 {1249} Friedrich I einst das mächtige Mailand gegen alle Erwartung zerstören können. Er befehle ihnen, bei Verlust seiner Gnade, sogleich den König Enzius und alle gefangene Modeneser frei zu lassen, dann wolle er ihre Stadt über alle andere erheben; im Weigerungsfalle sie aber mit unzählbarer Heeresmacht überziehen und zum Gespötte der Welt machen. – Die Bologneser antworteten: »unsere FeindeBonon. hist. misc.  Der Notar Rolandinus Passagerius hatte diese Antwort entworfen.  Sarti I, 1, 424., die mehr ihrer Macht als der Weisheit und dem Rechte vertrauten, sind zu Boden gestürzt, und dennoch so stolz, als könnten Drohungen und leere Worte uns schrecken! Wir sind nicht gleich dem Rohre des Sumpfes welches der Wind bewegt, oder dem Reife welchen die Sonne schmilzt; deshalb melden wir euch, daß König Enzius unser Gefangener ist und auch künftig bleiben wird, gleich einer Sache, die uns von Rechts wegen gehört. Wolltet ihr euch dafür rächen, es wird euch an Macht fehlen, oder unsere Macht wird sich der euren entgegenstellen und sie überwinden. Der Pfeil trifft nicht immer den, welchen er bedroht; der Wolf raubt nicht immer die Schafe, nach denen er trachtet, und laut des alten Sprichworts, wird ein wilder und schäumender Eber wohl durch einen kleinen Hund festgehalten.« Mildere Unterhandlungen Friedrichs schlugen ebenfalls fehl, ja sogar das Erbieten des jungen Königs, für seine Lösung einen silbernen Ring zu geben, der um ganz Bologna herum gehe, wurde zurückgewiesenPetr. Vin. III, 47.. – Die Modeneser, welche vom Kaiser Trost- und Ermahnungs-Schreiben, aber keinen Kriegsbeistand erhielten, sahen sich nach tüchtigem Widerstande genöthigt, am 15ten December mit Bologna einen VertragMutar. annali.  Savioli III, 2, 660.  Monach. Patav. 684.  Memor. Regiens. 1116. einzugehen, wonach sie zur kirchlichen Partei übertraten, 256 ihre Vertriebenen wieder aufnahmen und sich noch andern lästigen Bedingungen unterwarfen.

Abgesehen von des Königs Gefangenschaft, ließ es sich als Ersatz dieses Verlustes betrachten, daß Faenza und Ravenna, und im nächsten Jahre auch Lodi und Piacenza ghibellinisch wurden, daß Ezelins Macht sich erhöhete, und endlich Markgraf Obertus Palavicini, der neue Podesta von Cremona, den Parmensern eine schwere Niederlage beibrachte und deren Fahnenwagen eroberteSavioli III, 2, 654-55.  Mon. Patav. 685.  Dandolo 359.  Tonduzzi 285.  1249 befehdet Friedrich von Antiochien Agobbio, Nocera, Gualdo.  Ciatti 342.. Aber diese Wechselsiege und Niederlagen führten weder zu äußerlichem Übergewicht, noch zu der dringend nothwendigen Ruhe; und das, was scheinbar dem Kaiser Vortheil brachte, geschah in jenen Gegenden eigentlich weder durch ihn, noch für ihn. Doch trat er, wenn auch nicht mit der frischen heitern Kühnheit seiner Jugend, doch mit unwandelbarer männlicher Festigkeit, durch Worte und Thaten allein dem entgegen, was seine Rechte verletzte und seine Ansichten und Bestrebungen als unheilbringend bezeichnete. Seines Sohnes Gefangennehmung traf aber freilich nicht bloß seine Macht, sondern auch sein Herz; und noch bitterer ergriff ihn gleichzeitig ein anderes EreignißIm Junius 1249 nennt Friedrich Petern schon einen proditor. Daniele 86., über dessen wahren Zusammenhang die Geschichte nur ein halbes Licht zu verbreiten im Stande ist.

Peter von Vinea wurde durch den Kaiser aus den beschränktesten Lebensverhältnissen zu der größten Höhe erhoben, welche einem Privatmanne irgend erreichbar ist. Er bekleidete die angesehensten Würden im Staate, wurde gebraucht zu den wichtigsten Gesandtschaften, und erwarb sich ein für jene Zeiten ungemein großes Vermögen. So sehr achtete Friedrich Peters Einsicht und richtigen Blick, daß er nicht selten dessen Meinung vor seiner eigenen den Vorzug 257 {1249} gab, und ihn als Ritter und Dichter, als erste Zierde des Hofes wie des Rathes neben sich stellte. Diese Bedeutung Peters erkannten Hohe und NiedereRymer foed. I, 1, 145.: der König von England bat ihn, seine Angelegenheiten beim Kaiser zu unterstützen; ja der Papst verschmähte es nicht mit ihm in unmittelbaren Briefwechsel zu treten. Wenn dies die Häupter der Welt thaten, so konnte es in den untern Kreisen nicht an gemeiner Schmeichelei fehlen, und Verführung von der feinsten bis zur geringsten Art nahte sich Petern, wie jedem mächtigen Günstlinge eines gewaltigen Herrschers. Aus gleichen Gründen fanden sich aber in der Stille auch Neider, Feinde und Verleumder. – »Peter,« so sagten diese, »verfährt unschicklich gegen den Kaiser, indem er alles Gute und Kluge was geschieht, als aus seinem eigenen Kopfe hervorgehend darstellt; er handelt frevelhaft, indem er nicht selten das Gegentheil von dem thut, was Friedrich befiehlt, und worüber dieser aus zu großer Gutmüthigkeit, oder aus Unwissenheit schweigt. Reichthümer häuft er auf Reichthümer und seine Verwandten sind noch unersättlicher, als er. Und für all diese Freundschaft, diese Wohlthaten, diese Nachsicht ist er seinem Herrn nicht einmal treu; sondern hat sich schon zur Zeit der lyoner Kirchenversammlung mit dem Papste in ungebührliche Verbindungen eingelassen, welche seitdem gewiß noch gefährlicher geworden sind.«

Gegen äußeren Besitz war Peter keineswegs gleichgültig, und es geschieht bedenkliche Erwähnung von plötzlich reich gewordenen Verwandten. Ferner wird erzählt, daß er sich seiner Stellung bisweilen überhob, und des Kaisers Maaßregeln eigenmächtig nach seiner vermeintlich richtigeren Überzeugung änderte; unerwiesen hingegen bleibt das verrätherische Verhältniß zum Papste. Wenigstens kam Peter, nach den wahrscheinlichsten Berichten, entweder gar nicht, oder erst dann nach Lyon, als der Papst den Bann schon beschlossen hatte; oder wenn er dort als Gesandter wirklich neben 258 {1249} Thaddäus von Suessa gegenwärtig war, so muß dem Kaiser sein zurückgezogenes Benehmen nicht aufgefallen seyn, da er noch drei Jahre nachher in Gunst bliebIm Mai 1248 war Peter noch als Protonotar beim Kaiser vor Parma, und im December mit ihm in Vercelli.  Botazzi 317.  Reposati I, 404. – Schon früher gerieth Peter einmal beim Kaiser in Verdacht, rechtfertigte sich aber und verlangte mit seinen Anklägern zusammengestellt zu werden.  Petr. Vin. III, 2.. – Zu diesen ungenügenden und bis dahin erfolglosen Erzählungen und Anklagen tritt nun aber plötzlich eine neue.

Friedrich erkrankte, und Peters geschickter Arzt verschrieb und bereitete ihm Arzenei. Da sagte der Kaiser, heimlich gewarnt: »Freunde, meine Seele vertrauet auf euch. Ich bitte, nehmt euch in Acht, daß ihr mir nicht Gift statt der Arzenei geben möget.« – Hierauf antwortete Peter: »o Herr, wie oft hat euch nicht mein Arzt heilsame Arzenei gereicht! warum fürchtet ihr jetzt?« Friedrich aber, finsterer blickend, sagte zum Arzte: »trink, und gieb mir die andere Hälfte.« Dieser, des Frevels sich bewußt, that als stoße er mit dem Fuße an, fiel nieder und vergoß das Getränk. Nur ein Weniges blieb übrig, aber auch dies Wenige tödtete noch Verbrecher, welchen man es zu trinken gab. – Als dem Kaiser so der Verrath klar geworden, ergriff ihn ein unermeßlicher, untröstbarer Schmerz, und es war herzzerreißend, als er, auf Erden so hoch gestellt, so hoch bejahrt und sonst so unerschüttert, bitterlich weinte und die Hände ringend ausrief: »wehe mir! wenn die Nächsten so gegen mich wüthen, wem darf ich noch vertrauen? Wie kann ich irgendwo sicher, wie kann ich jemals wieder froh seyn?« Peter aber, der ungeheuren Schuld sich bewußt, oder verzweifelnd, daß es ihm an Mitteln fehle seine Unschuld zu beweisen, rannte, als man ihn im Gefängnisse allein ließ, mit dem Kopfe gegen die Mauer, daß er starb.

Diese Erzählung, soweit sie die Vergiftung betrifft, findet sich nur im Matthäus Paris, und ist von manchem 259 {1249} deshalb ganz verworfen, Peter für ganz unschuldig gehalten, und sein Fall lediglich Hofränken und Verleumdungen beigemessen worden. Allein auf bloßes, seit Jahren schon nicht ungewöhnliches Geschwätz, hätte der Kaiser gewiß seinen nächsten Freund nicht mißhandelt; vielmehr muß ein bestimmtes Ereigniß hinzugetreten seyn, weshalb er ihn öffentlich für einen Verräther erklärte, seine Güter einzog und ihn blenden ließ. Allerdings gewährt jener Bericht keine volle Überzeugung: aber ganz ohne denselben geräth man auf völlig leere Vermuthungen: z. B. von etwanigen Eifersüchteleien, welche an sich unerwiesen sind und in diesen spätern Zeiten nicht als neue Gründe solches Gewichts hervortreten konntenSiehe die erste Beilage über Peter von Vinea..

Wie aber wenn man, gleichsam in die Mitte tretend, annähme: daß Peter sich allerdings einzelne Mißgriffe zu Schulden kommen ließ, daß der Papst sich eifrig bemühte ihn günstig zu stimmen, und dem Kaiser von allem durch Verleumder einseitige und übertriebene Nachrichten zukamen? Dazu konnten sich, in jenen Tagen vielfacher Verschwörungen, wohlgemeinte oder böswillige Warnungen vor Mordanschlägen gesellen, es konnte jene Vergiftungsscene vorfallen, und dennoch Peter daran unschuldig und nur der Arzt schuldig seyn. – Wenigstens kehrt uns, nach vielfacher Erwägung all der mannigfaltigen widersprechenden und ungenügenden Nachrichten, immer der Glaube zurück: daß Peter keineswegs ohne alle Schuld, aber doch kein Giftmischer war. Ein unglückliches Zusammentreffen von Umständen lieferte indeß dem Richter eine Menge von schweren Anzeigen in die Hände, welche jener zu widerlegen sich außer Stande sah, und die den Kaiser veranlaßten das ihn schmerzende Urtheil, um der Gerechtigkeit und des Beispiels willen zu bestätigen. – Die gewöhnliche Ansicht, wonach man kurzweg entweder den Kaiser einen ungerechten Tyrannen, oder Peter einen schändlichen Verbrecher 260 {1249} nennt, erscheint innerlich unwahrscheinlicher und unnatürlicher, als unsere Darstellung, welche alle Quellen und Umstände berücksichtigt, die Begebenheit zu tragischer Höhe erhebt und jene beiden großen Männer ihrer selbst würdig, jedoch in einer solchen Verwickelung von Verhältnissen darstellt, welche herzliche Theilnahme gestattet und zu demüthiger Anerkenntniß menschlicher Schwäche auffordert, nicht aber die menschliche Natur in satanischer, rettungsloser Verderbniß zeigt.

Des Kaisers, durch Alter, Anstrengung und Unglück ohnehin schon geschwächte Gesundheit, wurde von diesen Leiden sehr angegriffenMath. Paris 513. und eine Krankheit an den Füßen, das heilige Feuer genannt, hemmte eine Zeit lang seine Thätigkeit fast ganz. {1250} Kaum aber war er einigermaaßen hergestellt, so sammelte er von allen Seiten neue Heeresmacht, und nicht bloß aus seinen Staaten und dem ghibellinischen ItalienMarinus von Ebulo zog nach Tuscien, um ein neues Heer gegen die Feinde des Kaisers zu sammeln.  Camici Urk. XVIII, 63.  Spinelli 1066–1067 zu 1249 und 1250.  In der letzten Stelle muß ammalato statt innamorato gelesen werden., sondern sogar aus Afrika langten Schaaren von Saracenen an, mit deren Beistand ein Theil des Kirchenstaates, zum Verdrusse frommer Seelen, besetzt wurde. Gleichzeitig ereigneten sich die schon erwähnten günstigen Begebenheiten im obern Italien, das arelatische Reich zeigte sich zu einer engern Verbindung mit dem Kaiser geneigt, und in Deutschland behielt Konrad ohne Vergleich mehr Gewalt, als Wilhelm. Des Papstes war man dagegen in Lyon so überdrüssig, daß er sehr gern einen freundlichern Aufenthalt gesucht hätte. All diese einzelnen Erscheinungen konnten jedoch den Kaiser, nach so vielen Erfahrungen und Lebensmühen, wohl schwerlich mit der neuen Hoffnung eines völligen Sieges erfüllen; auch lief um diese Zeit die traurige Nachricht ein: König Ludwig der Heilige sey am fünften April 1250 in Ägypten 261 {1250} geschlagen und mit unzähligen andern gefangen worden. Obgleich des Kaisers mitleidige Theilnahme hiebei sehr aufrichtig war, und er sich dringend für die Freilassung des Königs bei dem Sultan verwandte, so maaßen ihm die Anhänger des Papstes dennoch einen Theil der Schuld bei und behaupteten, – ohne allen innern Grund und äußeren Beweis –, daß ihm der Untergang der Christen willkommen sey!

Nicht lange aber sollte der an Schmähung und Verkennung Gewöhnte, diese neusten Verdammungsurtheile tragen: am 29sten November ward er in Firenzuola, sieben Miglien von Luceria, von einer ruhrartigen Krankheit befallen. Als das Übel sich mehrte, machte er am siebenten DecemberAm siebenten December, nicht am siebzehnten. Daß er ohne Beichte und Beobachtung christlicher Gebräuche gestorben, ist falsch.  Daniele 88-94.  Manfr. epist. ad Conrad. IV.  Baluz. misc. I, 193, 475. Auch spricht das Vermächtniß an die Kirche von Palermo für des Erzbischofs Theilnahme und Lossprechung. Der 13te December ist trotz aller abweichenden Angaben gewiß der richtige Todestag.  Math. Par. 538.  Spinelli 1067.  Guil. Tyr. cont. 734.  Sanut. 220.  Malespini 143.  Litt. princ. ap. Hahn. 32.  Griffò.  Bonon. hist. misc.  Estense chron.Descendite ad inferos, nihil secum deferens nisi saeculum peccatorum.  Monach. Patav. 685.  Superatus a divina potentia, quem gentes humanae non poterant superare.  Barthol. annal.  Beigesetzt in Palermo am 25sten Februar 1251.  Amato 448.  Die Nachricht, daß Manfred seinen Vater mit einem Kissen erstickt habe, ist in sich unverständig, schlecht beglaubigt, nur von Entfernten als unsichere Sage erzählt, nie aber amtlich gegen Manfred ausgesprochen. Sie wird von Daniele S. 100 und in der Nuova raccolta Th. V, vom Abte Johann von Montekassino so vollständig widerlegt, daß es unnöthig wäre, darüber noch ein Wort zu verlieren. sein Testament, beichtete seine Sünden und ward hierauf durch den Erzbischof von Palermo in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen, und nach Empfang des heiligen Abendmahls losgesprochen. Am zwölften des Abends aß er eine Birne mit Zucker, und hatte noch einige Hoffnung der Besserung; 262 {1250} aber am dreizehnten gegen Morgen starb er in den Armen seines jüngsten und geliebtesten Sohnes Manfred, nachdem er gelebt sechsundfunfzig Jahre weniger dreizehn Tage, und auf dem kaiserlichen Throne gesessen dreißig Jahre weniger drei Wochen. Die Leiche wurde nach Sicilien hinübergebracht: sechs Schaaren Reiter, die sarazenische Leibwache, die Edlen und Beamten aller Gegenden und theilnehmendes Volk in großer Zahl, folgten dem feierlichen Zuge.

Manfred ließ von einem deutschen Künstler LapoDaniele 99-100.  Tirab. lett. IV, 448 sq.  Cicogn. I, 314. Nach Vasari II, 181 wäre Lapo ein Florentiner gewesen. Über den Zug nach Sicilien, Spinelli 1069. oder Jakob den Entwurf zu einem prachtvollen Grabmahl anfertigen; allein spätere Unruhen verursachten, daß man sich mit dem begnügte, was noch jetzt in Palermo vorhanden und nicht ohne Vorzüge ist. Sechs Säulen, welche drei Stufen über dem Boden erhaben stehen, stützen das Dach. Unter demselben steht der Sarg, getragen von zwei an jedem Ende befindlichen Löwen, deren Schwänze sich in einander schlingen, und die zwischen den Vorderfüßen einen Besiegten festhalten. Greifen und Adler zieren die Decke des Sarges. Die Säulen, das Gebälke, der Sarg, kurz das ganze Denkmahl ist von Porphyr, und mit großer Geschicklichkeit bearbeitet und geglättet.

Gleich nach seinem Tode, oder doch bald darauf, setzte man ihm eine doppelte GrabschriftMalespini 143.  Villani VI, 41.  Dandolo 99.  Onsorg 362.  Andr. et Craft. 2084.:

»Wenn ein erhabnes Gemüth, der Güter und Tugenden Fülle,
Ruhm und Glanz des Geschlechts, die Macht des Todes bezwängen;
Friedrich schlummerte nicht in dem Grab hier, das ihn umschließet.«

Und:

»Stolze Paläste, was sind sie? was irdische Hoheit und Würde?
Hat vor dem Tode mich doch keines zu schützen vermocht.«

263 Als man im Jahre 1783 die königlichen Gräber in Palermo öffnete, fand man Friedrichs Leiche wohl erhalten und in kaiserlichem GewandeAlso war er nicht im Cistertienserkleide begraben und nicht vor dem Tode schon bei lebendigem Leibe verfault, wie Parteiische berichten.  Riddagshus. chr. 356.  Salimbeni 354.  Vitoduranus erwähnt einer Sage. daß Friedrich, den Weissagungen von kommenden Unfällen Gehör gebend, Europa verlassen habe, und mit getreuen Dienern in fremden Welttheilen glücklicher lebe. Über die Prophezeihung, Friedrich werde in Firenze sterben, weshalb er nie nach Florenz oder Faenza gekommen sey, s. Malespini 143.  Villani VI, 41.. Untheilnehmende Nachkommen hatten ihm indeß seine Ruhestätte nicht allein gegönnt, sondern, – so ärmlich als gemein –, noch zwei Körper in den Sarg gelegt, von denen der eine ganz unerkannt blieb und der andere, aus einigen Gründen, für Peter II von Aragonien gehalten wurde.

Das Testament des KaisersAlle Parteien führen das Testament als ächt an, und die Abweichungen betreffen keine Hauptsachen.  Math. Par. 544.  Pipinus II, 41.  Lünig cod. diplom. II, 669.  Ghirard. I, 180.  Capacelatro I, 400.  Nuova raccolta V, 50.  Würdtw. nov. subs. XI, 25. setzte fest:

  1. König Konrad ist Haupterbe. Ihm folgt, wenn er ohne Kinder stirbt, Heinrich der Sohn Isabellens; Heinrichen folgt, wenn er ohne Kinder stirbt, Manfred.
  2. Dieser soll während der jedesmaligen Abwesenheit Konrads, Statthalter Italiens, insbesondere des sicilischen Reiches seyn; so daß er, mit Ausnahme der Vergabung alter Reichsgüter, zu allen übrigen Regierungs- und Verwaltungs-Maaßregeln berechtigt ist.
  3. Als Eigenthum erhält Manfred, unter Konrads Oberhoheit, das Fürstenthum Tarent und mehre andere Güter.
  4. Heinrich, Isabellens Sohn bekommt 100,000 Unzen baar und, nach Konrads Entscheidung, das arelatische oder jerusalemische Reich. 264
  5. Friedrich, des Kaisers Enkel, König Heinrichs Sohn, wird Herzog von Österreich und Steiermark und empfängt 10,000 Unzen Goldes.
  6. 100,000 Unzen werden, nach der nähern Anweisung Konrads, zur Eroberung des heiligen Landes bestimmt.
  7. Der heiligen römischen Kirche, unserer Mutter, sollen alle ihre Rechte zurückgegeben werden, jedoch unbeschadet aller Rechte und Ehren unserer Reiche, Erben und Getreuen, und unter der Voraussetzung, daß auch sie alle Rechte des Reichs zurückgebe.
  8. Etwa zerstörte Kirchen soll man herstellen, den Tempelherren die in Beschlag genommenen Güter aushändigen, und alle Reichsschulden bezahlen.
  9. Alle Gefangene, nur mit Ausnahme der wegen Hochverrath verhafteten, erhalten ihre Freiheit.
  10. Alle Lehnsmannen und Unterthanen werden künftig in Hinsicht auf Rechte, Einnahmen und Abgaben, so behandelt, wie zur Zeit König Wilhelms des zweiten.
  11. Mehre Kirchen, Freunde und Diener empfangen besondere VermächtnisseZ. B. die Kirche von Palermo 500 Unzen Gold, wofür Manfred ihr später Schlösser anwies und ihre Steuerfreiheit bestätigte.  Mongitor bullae 113..

Des Königs Enzius, Friedrichs von Antiochien und der sonst vorhandenen unehelichen Kinder des Kaisers, geschieht im Testamente keine Erwähnung; wodurch die Nachricht überwiegende Wahrscheinlichkeit gewinnt, daß dieser die wunderschöne Blanka Lancia, Manfreds Mutter, noch auf dem Krankenbette heiratheteDesponsavit eam in obitu.  Salimbeni 355. und ihm dadurch die Rechte ehelich Geborner verschaffte, obgleich er den Söhnen ebenbürtiger Kaiserinnen nachgesetzt blieb.

Nach so umständlicher Erzählung seines Lebens eine Charakterschilderung des Kaisers anzuhängen, oder mit 265 wenig Worten in Lob und Tadel Gericht über ihn zu halten, erscheint überflüssig. Wer es nicht verschmähte uns in die mannigfaltigen Richtungen und Irrgänge dieser verwickelten Geschichten zu begleiten, wessen Geist durch den Wechsel der Ereignisse und die scharfe Entgegensetzung der Ansichten und Gesinnungen tief aufgeregt und lebhaft angezogen wurde, wer in Liebe und Ehrfurcht, in Bangigkeit und Zweifel, in Zorn und Abscheu die reiche Zeit von Friedrichs Leben mit durchlebte, der bedarf keiner weitern Erläuterung. Wem hingegen dies alles fremd blieb, dem dürfte ein einzelnes Urtheil, je deutlicher und bestimmter es lautete, um so mehr zum Räthsel oder zur Veranlassung werden, über das Größte und Bedeutsamste, dem man nur in Ernst und Demuth nahen soll, mit eitler Anmaaßung abzusprechen.

 


 


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