Wilhelm Raabe
Kloster Lugau
Wilhelm Raabe

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Elftes Kapitel.

Daß der Herr Doktor und baldige jüngste außerordentliche Professor Scriewer Wittenberg hatte, ließ sich wohl nicht leugnen. Die Gesellschaft in Stadt und Universität fand die Verlobung passend, und mehr braucht es ja nicht, um so ein liebes, unschuldiges junges Pärchen mit den besten Hoffnungen für die weiteste Zukunft in die Visitenkutsche sich setzen und seine Karten von Haus zu Haus abgeben zu lassen!

Hier hatte das Herz doch endlich einmal wieder gesiegt über der Menschheit schnöden Eigennutz, so weit er durch der Tante Euphrosyne preußische Konsols und sonstige zwar ziemlich sichere, aber ethisch anrüchige und verwerfliche Staatspapiere ihr vor Augen und in den Griff gestellt wurde. Und in dem schönen Bewußtsein, dem Herzen zum Siege verholfen zu haben, fühlte sich die Mutter der Braut, freilich einigen bänglichen Zweifel niederkämpfend, sehr gehoben in der Gewißheit: »wie wird die alte, schrullenhafte, naseweise Person auf ihrer Kepplershöhe sich verwundern!« – Dem Gatten band es aber gerade darum die Gattin um so mehr auf die Seele: »Deine Sorge wird es natürlich sein, daß die alte Närrin vom Universitätsplatze uns keine Dummheiten oder, besser gesagt, Niederträchtigkeiten macht. Was sie mit dem Kinde eigentlich im Sinne hatte, weiß sie wahrscheinlich selber nicht. Wir aber haben für unser Kind zu sorgen und müssen dessen Bestes doch wohl am besten verstehen; die Alte wird also nach und nach Vernunft annehmen müssen, und deine Sache ist es, ihr dabei im geeigneten Moment behülflich zu sein. In meinem Verhältnis zu dieser deiner mir im Grunde der Seele widerlichen Possenreißerin gebe ich mich gar keinen Illusionen hin. Der liebe Gott verzeihe mir, aber ich kann diese unverschämte, grinsende Studentenmutter nicht ausstehen und sie mich auch nicht: also, Martin, verlasse ich mich auf dich, und du wirst für mich mit liebenswürdig gegen die – die Tante Euphrosyne sein. Es wäre doch zu entsetzlich, wenn unsere armen Kinder bloß der Schrullen einer solchen halbkindischen, von euch allen leider nur zu arg verhimmelten Idiotin wegen in ihren Aussichten für die Zukunft zu Schaden kommen sollten! Mit Eva werde ich über ihr jetziges Verhalten noch genauer reden müssen; auf Eckbert glaube ich mich in allen Lebensangelegenheiten verlassen zu können wie auf mich selber. Nun, der liebe Gott wird ja auch hier schon ein Einsehen haben und alles zu unserm Besten wenden!« –

Ob der liebe Herrgott ein Einsehen hatte, ob er alles noch einmal zum Besten wendete? . . . Die Tante Euphrosyne verzweifelte fürs erste völlig daran. Jedenfalls verließ sie sich nicht auf diesen Trost der Kusine Kleynkauer und tat da sehr unrecht. Vorzüglich Leute, und also auch gescheite alte Damen, die sich so selten als möglich auf einen andern in der Welt verlassen, sollten den Rat und die bessere Einsicht der allerhöchsten Weltregierung nicht allzu leichtsinnig und schwerherzig von sich weisen oder gar ganz darauf verzichten. So was rächt sich dann und wann, und so läuft's gottlob ziemlich häufig auf das Wort hinaus: »I, wer hätte das damals für menschenmöglich halten können, daß die Geschichte noch diese Wendung nehmen würde?«

Neue Redensarten können wir für das erschütternde Ereignis nicht erfinden, dazu kommt es zu oft vor. Wochenlang nach der Verlobung fühlte sich die Tante Euphrosyne wie vor den Kopf geschlagen, auch ganz entzwei, völlig von der Bank geschoben und im grauesten Elend versunken. Als sie sich so weit beruhigt hatte, daß sie vor Wut hätte an den Wänden hinauflaufen mögen, faßten die jungen Kommilitonen im Hause das als einen wahren Segen für sie auf. »Es wäre aber nicht übel, sie wieder mal anzupumpen, denn sie gäbe jetzt, in dieser Stimmung, ihr Alles, ihr Letztes her, unter der Bedingung, daß wir den Fuchsschwänzer doch noch vor die Klinge brächten und nichts von ihm übrig ließen,« fügten sie hinzu.

Aber nach dem Orkan kam ein sanftes Wehen, und unter diesem war die Tante seltsamerweise nach außen hin durchaus nicht um den Finger zu wickeln, aber desto weicher nach innen hinein. Welch ein Mitleid hatte sie mit »ihrem Kinde«, welch einen Jammer um es! Und beides lautlos – ohne eine andere Seele, um es an die los zu werden. An ihrem Fenster über ihrem Strickzeug – den lieben langen Tag bei jeglicher Beschäftigung und in der Nacht erst recht; nimmer und von keinem andern war so sehr und eifrig wie jetzt von der Tante Euphrosyne nach den irgend noch möglichen besten Seiten an dem Doktor Eckbert Scriewer gesucht worden!

Ja, widerwillig ächzend, schaudernd versuchte es die Tante, den Verlobten ihres Kindes von der besten Seite anzusehen und sich damit zu trösten, daß es, wenn es auch nicht gegenwärtig in ihrer Bekanntschaft nichtsnutzigere Gesellen gebe, von der Sorte doch darin gegeben habe. Dieser Trost verfing am allerwenigsten. Der exemplarische Jüngling blieb liebenswürdig in ihrem Wachen und in ihrem Traum: immer ein Muster von einem hoffnungsvollen jungen Menschen, dem kein gleiches an die Seite zu setzen war.

Es gibt keinen Menschen, der an keinen Gott glaubte: einen hält jeder und jede fest bis zum letzten Atemzug im drangsalvollen, hülfebedürftigen Erdenleben – den Deus ex machina! An dessen Eingreifen in größesten und kleinsten Dingen hofft und glaubt der Atheist, der Pantheist, der Deist und sogar auch der Theist. An ihn klammert sich alles im zertrümmernden Staat, im versinkenden Familienglück, auf dem scheiternden Schiffe. Vier Wochen nach der Verlobung fühlte auch die Tante Euphrosyne sich einzig und allein auf ihn angewiesen, den Deus ex machina, und klammerte sich an ihn an, wie je in einer mit Sturm genommenen Stadt das Weib an den Altar des Baal, des Zeus, des Jupiter oder des Jahve.

»Es kann doch nicht so ausgehen! Es muß doch noch was dazwischen kommen! Ich weiß nicht, was? aber dazwischen kommen muß etwas!«

Wenn aber ein Gott sich selten persönlich merken läßt, so ist das der Deus ex machina. Gar nichts passierte, was der Tante die Palme des Glaubens fester in die Hand hätte drücken können. Das gesellschaftliche Leben in Stadt und Universität war nie so glatt und harmonisch hingelaufen wie seit der »Katastrophe der Tante Kennsiealle«, und es war sogar schon viel, daß in der seltenen allgemeinen Harmonie einige lächelnd oder bedauernd von einer »Katastrophe der Tante Kennsiealle« sprachen. Der Mensch sieht und erwartet den Verdruß, das Pech, das Unglück auf und von allen Seiten; wie der Vogel auf dem Zweig ist er mit dem angstvollen Kopf und Herzen nach allen Richtungen hin in Bewegung, nur nach der nicht, von welcher her die Katze oder der Raubvogel kommt. Daß ihr das Elend, der Verdruß, das Pech von dieser Seite kommen würde, hatte die Tante Euphrosyne nie gedacht. Kein Mensch hatte es für möglich gehalten, daß sie noch magerer werden könne, als sie schon war; aber sie magerte ab wie – die glückliche junge Braut, die, nach ihrem Ausdruck, ein Bild des Glückes war nicht zum Ansehen.

Es war ein entsetzlicher »Vergnügungswinter« für die Tante. Was erduldete sie in den Salons, an den Whisttischen (sie spielte Whist – und zwar trotz ihres Elends weiter), in den Konzertsälen, in den öffentlichen Vorlesungen und im Theater mit dem jungen Paar in Sicht oder »dem Kind krank zu Hause!« Zu den Tee- und Kaffeetischen kam sie nicht, und zwar auch zu ihrem Schaden; denn da hätte sie sich wenigstens manchmal am richtigen Orte Luft machen können. –

Sie konnte nicht das geringste machen, als das Kind auch durch ihre stummen Blicke immer elender.

»O, Tantchen, Tantchen! Wenn auch du mich so ansiehst! Und ich bin ja wirklich glücklich und Eckbert so gut – alle Leute so gut! Und Papa und Mama haben doch auch ihr Recht an mich – oh, und du solltest, wenn auch nur meinetwegen, dich nicht ganz von uns zurückziehen! Wir vermissen dich ja alle bei uns zu Hause; und dann fragt jeder, der kommt: ›Aber kommt denn heute abend die Tante Euphrosyne nicht?‹ Ach, und am Ende gibt Mama dann auch das mir Schuld, oh, und ich kam doch gar nichts dafür, und du weißt es ja, wie gern, wie gern ich dich immer bei uns – bei mir, bei mir haben möchte!«

Wenn nur nicht Kepplershöhe im Winter völlig unbewohnbar gewesen wäre, – die Tante Euphrosyne hätte sich dorthin zurück- und sämtliche Zugbrücken hinter sich und vor der Stadt und Universität aufgezogen! Aber es ging nicht. Das Gartenhaus war zu feucht und die alten Öfen des achtzehnten Jahrhunderts auch nicht mehr das, was sie in ihrer Jugend waren. Ein bißchen zu sehr auf dem Winde lag das Haus für die Zeit der Äquinoktialstürme gleichfalls. »Noch Zahnweh und Rheumatismus zu allem übrigen?« ächzte die Tante und fügte auch wohl hinzu: »Mich oben ab intestato eines Morgens im naßkalten Bett zu finden, das wäre für verschiedene hier unten freilich ein recht warmer Gedanke. Ne, ne, junger Mann und liebste Verwandtschaft, so weit sind wir doch noch nicht herunter, um das als eine Erlösung anzusehen.«

Bravo! Ein Gewinn war's sicherlich, als die Tante anfing, auf ihre Gesundheit zu achten und sich aus »Ranküne« gegen das uns nun so ziemlich schon bekannte Bruchteil der Menschheit zu schonen.

Sie blieb diesen Winter über fest in ihren behaglichen vier Pfählen; aber indem wir nicht weiter über ihre Seelenqualen reden, helfen wir ihr und uns am besten darüber weg.

Es wird immer wieder Frühling. Selbst an der berühmtesten, deutschesten Universität.

»Wenn ich nur erst meinen Turm, meine Burg wieder habe!« hatte sich die Tante die ganze böse Jahreszeit hindurch selber vertröstet. »Wenn ich nur erst wieder da oben im Grünen sitzen kann – sie sollen mir dann nur kommen, ich werde die Tür schon zu verriegeln und den Glockenzug abzunehmen wissen! Von Kaffeegesellschaften in diesem Sommer keine Idee! Da sie es nicht anders haben wollten, sollen sie nun auch mich kennen lernen! Hier in der Stadt waren sie mir leider, ich gestehe es zu meiner Schmach und Schande, diesen scheußlichen Winter lang doch zu mächtig. O, säße ich nur erst wieder auf Kepplershöhe! Säße ich nur erst wieder mit dem Kinde da oben – wenn auch nur von Zeit zu Zeit einen Sommernachmittag oder -abend durch: wir müssen, müssen und müssen – wir zwei müssen dort was ausfindig machen, was uns wieder zu einem eigenen, ruhigen, unverstörten Herzen verhilft! So wie es jetzt geht, kann und kann es doch nicht bleiben. Irgend was muß kommen. Aber was? Ob Jahve, ob Zeus, ob Diespiter, einerlei! Von jedem nehme ich Hülfe an. Wenn ich nur wenigstens den Herberger wieder hier hätte! Wenn nur den wenigstens der Zufall auf seiner dummen Nerven-Restaurationsfahrt umgedreht oder wieder hierher nach – Wittenberg dirigiert hätte – diesen – diesen dummen Doktor Horatio! Einen Trost hätte man doch wenigstens an ihm, wenn auch keine Hülfe – gerade wie in dem andern albernen Trauerspiel!« ächzte die Tante Euphrosyne. – Wie der Hofrat dann zu seiner Zeit wieder nach Wittenberg kam, so auch der Frühling, der diesmal sogar auf die Minute, ganz zu seiner Zeit und also durchaus nicht als Deus ex machina die Erde wieder schön machte.

Er tat sein Bestes, dieser Frühling des Jahres Achtzehnhundertsiebenzig. Er kam mit seinem Grün, seinen Blumen und Blüten, seinen Vögeln und Schmetterlingen. Er griff sozusagen mit beiden Händen in die Schürze und streute seine Herrlichkeiten und Lieblichkeiten aus, wie ein reisender Professor der Magie, der von allen hohen und höchsten Potentaten Deutschlands durch seine Künste einen Orden und das Prädikat »Hofprestidigitateur« zu erlangen wünschte.

Was aber sagte die Tante Euphrosyne auf Kepplershöhe unter ihren grünen Büschen und Bäumen, ihren jungen Blumen und Blüten, ihren Vögeln und Schmetterlingen? Ganz dasselbe, was Lessing dazu gesagt hatte, und zwar schier unheimlich mit ganz demselben ergrimmt-giftig-kritischen Tintenraufboldgesicht wie der erlauchte deutsche Literatur-Verbesserer. Nämlich:

»Wenn es nur nicht immer dasselbe wäre!« . . . Ja, wie es auf Kepplershöhe sprießen mochte – smaragden oder wie Blut; wie schelmisch die Schneeglöckchen ihre weißen Köpfchen hervorstecken mochten, wie süß die Veilchen die Tante aus ihren blauen Äuglein anlugen mochten, was die Singvögel singen und die Buttervögel im scherzenden Luft-Flatterspiel andeuten mochten: die Tante Euphrosyne hatte für diesmal das ewige Einerlei satt, bis zum vollen Überdruß satt.

Sie besaß einen Hausfreund auf Kepplershöhe. Sie hatte nicht nur in der Stadt, sondern auch in ihrem Garten manchen armen Kostgänger zu Tisch. Diesem auf Kepplershöhe gab sie auch Wohnung, und zwar auch den Winter durch. Daß er keine unbescheidenen Ansprüche mache, wußte sie selbstverständlich aus mehrjähriger Bekanntschaft mit ihm und freute sich immer, wenn sie ihn zum ersten Mal im Frühjahr zwischen den Buchsbaumeinfassungen ihrer Gartenbeete lustwandelnd antraf.

Diesmal aber fragte sie bei der ersten Begegnung wie verwundert:

»Bist auch du wieder da? Hast du dich wirklich noch einmal wieder aufgerollt, du Dummrian? Hattest es wohl zu behaglich als Kugel mit den Stacheln nach jeder Richtung? . . . . . . O, ich sollte in deiner Haut stecken!«

Der Gastfreund, aus treuherzigen Äuglein zu seiner Gönnerin aufblinzelnd, schnob und schnüffelte mit listigem Schweinsschnäuzlein einen kurzen Moment in der feuchten, warmen Frühlingsluft herum und fuhr dann rasch seitab vom Gartenwege unter das welke Laub und Gestrüpp des Gartenbeetes. Ein kurzes Gewühl und Kampfesdurcheinander – dazu ein stärkeres Schnauben und Schnüffeln und dazwischen ein schrilles, aber leises Pfeifen. Er – der Haus- und Gartenigel von Kepplershöhe – hatte ihn – ihn, den schon seit dem vorigen Sommer gewünschten, das heißt, gejagten Gartengenossen, den Mäuserich von Kepplershöhe.

»Das lasse ich mir gefallen!« sagte die Tante Kennsiealle, die sonst eigentlich keinen Mord begehen sehen konnte. Ob sie bei der Bluttat an den guten Eckbert, den blonden Eckbert dachte, wollen wir lieber nicht erörtern; er fand sich mit seinem Bräutchen am Arm am ersten schönsten Frühlingstage auch zu den ersten Blumen und Blüten auf Kepplershöhe ein, ohne gefressen zu werden. So schlau war er auch, daß er nie allein, sondern immer mit dem Kinde kam; und also konnte sie – die Tante – ihm auch in ihrer Sommerburg nicht die Tür weisen oder sie ihm vor der Nase zuschlagen, geschweige denn ihm mit ausgespreizten Krallen an den Hals springen.

Es stellte sich bald heraus, daß der Unterschied der Jahreszeiten in diesem Falle für die Tante nichts, gar nichts ausmachte, noch zur Beruhigung ihrer Gefühle irgend etwas beitrug. Im Gegenteil! Hatte die Welt im Winter sie mit ihrem Grimm und Groll nicht allein gelassen, so zeigte sie sich im Frühling noch viel zudringlicher und unverschämter. Je schöner die Tage, je angenehmer die Abende, je lieblicher die Nächte wurden, desto inniger fanden Stadt und Universität es heraus, wie angenehm es sich auf Kepplershöhe vorsprechen, einkehren und sitzen lasse; sowohl mit den gelehrtesten Gedanken im Kopf, wie mit den längsten Strickstrümpfen in den Händen.

»Wenn an der Tür zu lesen stände: hier können Familien Kaffee kochen, wollte ich gar nichts darüber sagen,« sagte die Tante; so aber hatte sie selber Tag für Tag, wie sie das Jahr aus seinem Füllhorn schüttelte, den Kaffee für die Universität und die Stadt zu besorgen und auch das dazu gehörige Gebäck zu liefern.

»In den Zeitungen liest man es dann und wann, daß ein ganzes Gemeinwesen vergiftet wurde, weil dem Konditor zufällig statt des Zuckers Arsenik in die Kuchen geriet; hier aber scheint das leider nicht vorkommen zu können,« sagte die gute Tante.

Ohne einen Trost hätte sie es auch sicherlich so nicht bis zum Herbst ausgehalten, sondern vorher sich selber als Massenmörderin in die Blätter gebracht. Es gab nämlich Regentage, an denen kein Gast sich auf Kepplershöhe einfand, und dann hatte die alte Herrin mit dem Kinde das Reich da ziemlich häufig doch allein. Kepplershöhe war am Ende ein so wertvoller Besitz, daß Papa und Mama oder vielmehr Mama und Papa Kleynkauer wirklich nichts dagegen einwenden konnten, wenn ihr Evchen dort, auch unter veränderten Familienbezügen, möglichst festen Fuß behielt.

»Ja, geh nur hin und sei nach Kräften liebenswürdig gegen den alten Drachen!« sagte die Mama, und das Mägdelein fuhr dann jedesmal recht zusammen und war nur lieb wie immer gegen die greise, getreueste Freundin in ihrem jungen Leben. O, wie gern! . . .

Da saßen sie denn beieinander – so ziemlich wie sonst – während der Regen auf den Baumblättern trommelte, ein braver Landregen, der, wie die Tante sich ausdrückte, mit der Sündflut leider nur so verwandt war, wie die Hauskatze mit dem Tigertier.

»Wir müssen uns aber auch so damit begnügen. Schwemmt er das nichtsnutzige Nest da rundherum nicht weg, so hält er es uns heute wenigstens vom Leibe. Und also, mein Herzchen, wollen wir uns zum mindesten so behaglich zusammendrücken wie die Familie Noah in ihrer Arche. Also dein – dein – dein Zukünftiger ist jetzt in Berlin, um sich auch dort an den maßgebenden Stellen von seiner besten Seite zu zeigen? Das ist recht! O, wenn sie im Kultusministerium ihn nur gleich ganz zu würdigen wüßten! O, wenn sie ihn, auch halb unbesehen, gleich ganz dort behalten würden!«

»Aber Tante –«

»Ja, ja, Kindchen, ich schwatze wie gewöhnlich Unsinn. Achte nicht darauf! Erzähle mir lieber du!« –

Und damit ist der Erzähler da wieder angekommen, wo er vor einigen Kapiteln schon gewesen ist.


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