Robert Eduard Prutz
Gedichte - Neue Sammlung
Robert Eduard Prutz

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Sonntagsfeier.

        Was schwebt dort auf des Wohllauts Schwingen
    Zu mir herüber durch die Luft?
Ich hör' es rauschen, hör' es klingen
    In süßem morgendlichem Duft:
Das ist die Orgel, sind die Glocken
    Und der Posaunen ernster Klang,
O horch, sie laden mich und locken
    Zu einem längst entwöhnten Gang. –

Sieh, vor der Kirche, welch Gedränge!
    Vom Staub des Werkeltages rein,
Drängt Alt und Jung, in bunter Menge
    Sich in das Heiligthum hinein:
Und hier, in sonntäglichem Kleide,
    Den Kranz in glattgestrichnem Haar,
Gesenkten Augs, doch Augenweide,
    Der Jungfraun wunderholde Schaar.

Sie gehen all' mit leisen Schritten,
    Erwägend ihres Herzens Noth;
Sie wollen beten, wollen bitten
    Um Haus und Hof und täglich Brod:
Daß sich die Krankheit endlich wende,
    Daß auf dem Feld die Frucht gedeih'
Und daß die Arbeit ihrer Hände
    Mit gutem Zins gesegnet sei.

O Wahn des Glaubens, süße Stille,
    In der das Herz sich selbst verlor,
Du meiner Kinderwelt Idylle,
    Was steigst du heute mir empor?
Und würde mir die Welt zu eigen
    Und neigten alle Sterne sich:
Ich könnte doch mein Knie nicht neigen,
    Nicht deine Psalmen rühren mich! –

Denn andre Glocken hör' ich tönen,
    Ein andres Lied steigt himmelwärts
Und anders strömt mit mächt'gem Dröhnen
    Drommetenklang mir in das Herz!
Wir stehen auch gedrängt in Schaaren
    Wir Männer, die der Tag erweckt;
Doch keinen Kranz in unsern Haaren,
    Mit Myrten nur das Schwert bedeckt!

Wir glauben auch an einen Morgen,
    An einen Sonntag hell und licht,
Der, blöden Augen noch verborgen,
    Die Wolken endlich doch durchbricht!
Wir beten auch – unausgesprochen,
    Ein Hauch, der unsre Brust durchweht,
Ein stummer Schwur, ein Herzenspochen,
    Und eine That – das ist Gebet!

Drum sollt Ihr uns nicht gottlos schmähen,
    Nennt uns nicht Ketzer, treibt nicht Spott:
Auch hier, wo unsre Fahnen wehen,
    Der freie Geist ist auch ein Gott!
Von allem Finstern, allem Bösen,
    Von Sklavenketten groß und klein,
Er wird noch einmal uns erlösen,
    Noch einmal unser Heiland sein.

Laßt denn geduldig, ohne Grollen
    Uns wandeln auf verschiednem Pfad:
Sei Jeder nur getreu im Wollen,
    Nur Jeder männlich in der That!
Dann deinen Gläub'gen, deinen Frommen,
    Mit Liederklang, mit Schwerterschlag,
Dann wirst auch du uns endlich kommen
    Du, unser Sonntag, Freiheitstag!

 


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