Robert Eduard Prutz
Gedichte - Neue Sammlung
Robert Eduard Prutz

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An L. Follen.

Oktober 1842.

                  In stiller Nacht, wir saßen noch beim Wein,
Herwegh und ich. Es trinkt sich gut zu Zwein:
Ich liebe nicht im Kreise lauter Zecher
Die lärmenden, die übervollen Becher;
Ich lieb' es mehr, trinkt man auf Du und Du
      Sich brausende Gedanken zu.

So saßen wir und träumten dies und das,
Von stummer Liebe, von beredtem Haß,
Von kommenden, von göttlich sichern Tagen,
An die die Kön'ge nicht zu denken wagen,
Von einer Hand, die aus den Wolken greift,
      Von Schwertern, die die Zukunft schleift.

Von Männern auch, die jubelnd einst, wie wir,
Entrollt der Freiheit flatterndes Panier,
Die einst, wie wir, von Deutschlands Ehre schwärmten,
Und einst, wie wir, um seine Schmach sich härmten:
Dasselbe Blut, dasselbe warme Herz,
      Zerrissen von demselben Schmerz.

Und Herwegh sprach und hob das Glas: Follen!
Wir stießen an, wir meinten ihn zu sehn,
Wie er der Jugend einst vorangegangen,
Glorreich und kühn, mit kampfgebräunten Wangen,
Aufrechten Haupt's mit Blicken stolz und frei,
      Recht eines Kaisers Conterfei!

Als tönte noch, als risse noch sein Wort
Die jungen Herzen allgewaltig fort!
Als klängen noch die unvergeßnen Töne,
Das »Katzbachlied« und »Vaterlandes Söhne«!
Als schmückte noch, in morgendlichem Glanz,
      Ihn frisch der Jugend grüner Kranz.

Und neben ihm, der in der stillen Fluth
Des Meeres jetzt, an fremder Küste ruht:
Der hellste Stern, der unsrer Zukunft glühte,
Das wärmste Herz, das jemals Funken sprühte,
Sein Bruder neben ihm, sein Karl – fürwahr,
      Ein deutsches Dioskurenpar! –

O edler Most, der damals frisch geschäumt!
O schöne Träume, die sie da geträumt!
Sie träumten noch von Hermann und Thusnelden,
Vom deutschen Reich, von kaiserlichen Helden,
Am heil'gen Grab die Banner sahn sie wehn,
      Und sahn den Rothbart auferstehn! –

Es war ein Traum – was weiter? Habt Geduld,
Nicht ihre nur, 's ist unser aller Schuld,
Wir wandeln gern in süßem Dämmerlichte,
Wir Thörichten, wir Träumer der Geschichte.
Gut oder nicht – es ist so unser Loos,
      In Träumen ist der Deutsche groß. – –

Und wieder knospet der Geschichte Baum
Und wieder träumt man einen andern Traum –
Traum? oder mehr? Genug, wir wurden weiser,
Wir geben nichts auf Kön'ge mehr und Kaiser:
Frei wolln wir sein! Sonst gilt in unserm Reich
      Uns Rothbart oder Weißbart gleich. –

Ich schau' mich um: wo blieb es nun, o sprecht!
Von Hermanns Stamm das trotzige Geschlecht?
Die Einen sind, die Glücklichern! gestorben,
Den hat die Noth, das Alter den verdorben,
Der bratet Ketzer, der treibt Muckerei,
      Und Leo dient der Polizei.

Heil Dir, Follen! denn in der Zeiten Schwung,
Hell blieb Dein Aug' und Deine Seele jung:
Du schwammst hindurch, Du hieltest Dich im Strome,
Weit hinter Dir die Burgen und die Dome!
Kein Kaiser mehr! und Einer doch – Du weißt:
      Der Eine Kaiser ist der Geist!

Das ist der Fürst, dem unser Haupt sich neigt,
Das ist der Stern, der uns nach Osten zeigt,
Das ist das Zeichen, das! in dem wir siegen,
Die Rosse schnauben und die Banner fliegen:
Herbei, herbei, es gilt den letzten Streit,
      Herbei, Ihr Ritter unsrer Zeit! –

Du bleibst nicht aus! Mit Locken silberweiß,
Noch einmal trittst Du in der Jugend Kreis
Und was die Brust der jungen Welt durchzittert,
Was in den Seelen ahnungsvoll gewittert,
Und jedes Lied, und jedes freie Wort,
      In Deinem Herzen tönt es fort. –

Heil Dir und Gruß! und sei in deutschem Land
Von jedem Mund Dein Name laut genannt!
Du sollst sie noch, Du sollst sie wiederschauen,
Vereint und frei, des Vaterlandes Gauen!
Dein letzter Athem trinke deutsche Luft,
      In deutscher Erde Deine Gruft!

 


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