Robert Eduard Prutz
Gedichte - Neue Sammlung
Robert Eduard Prutz

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Hutten.

        Was Hutten hin! was Hutten her!
    Ich mag von ihm nichts hören.
Laß, deutsche Jugend, nimmermehr
    Vom Hutten dich bethören.
Ich geb' es zu, er meint' es gut,
Doch hatt' er viel zu rasches Blut:
    Schon heut vor drei Jahrhunderten
    Rief er zu den Standarten,
    Schon heut vor drei Jahrhunderten,
    O Hutten, lerne warten!

Er rief die Fürsten seiner Zeit,
    Die Kön'ge, die noch träumten,
Er rief sie auf zum heil'gen Streit
    Und fluchte, da sie säumten.
Allein, allein, allein, allein,
Wer wird auch gleich so hitzig sein?
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten,
    Wo bleibt, auf den wir harrten?
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten,
    O Hutten, lerne warten!

Er wollte, daß vom Rhein zum Belt
    Ganz Deutschland einig werde,
So wären wir die Herrn der Welt,
    Die Könige der Erde.
Nun wohl, das war ein schöner Traum;
Doch reimt auf Traum bekanntlich Schaum:
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten,
    Wir sind die stets Genarrten,
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten,
    O Hutten, lerne warten!

Erneuen wollt' er Deutschlands Ruhm,
    Aufrichten Deutschlands Ehre,
Damit es, wie im Alterthum,
    Glorreich vor Allen wäre.
Das war sein Sinnen Tag und Nacht,
Und doch, und doch, wer hätt's gedacht?
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten
    Ist unser Schwert voll Scharten,
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten,
    O Hutten, lerne warten!

Die Freiheit sollte, sonnengleich,
    Den Großen, wie den Kleinen,
Für Alt und Jung, für Arm und Reich,
    Sie sollte Allen scheinen.
Doch bis auf Weitres, merkt Euch wohl!
Ist auch die Freiheit Monopol:
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten,
    Ist sie für die Aparten,
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten,
    O Hutten, lerne warten!

Das gift'ge Kraut der Lüge stand
    Hochwuchernd in den Wegen,
Da kam der Hutten flink gerannt,
    Das Messer anzulegen.
Fort mit dem Messer! fort das Beil!
Das Ding hat wahrlich keine Eil:
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten,
    Das Unkraut blüht im Garten,
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten,
    O Hutten, lerne warten!

Er sah Petanten hochgeehrt,
    Für Weise gelten Tröpfe,
Da schwang er seines Witzes Schwert
    Auf ihre dicken Köpfe.
Und hätt' er es auch nicht gethan,
Die Welt ging' dennoch ihre Bahn:
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten,
    Floriren noch die Schwarten,
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten,
    O Hutten, lerne warten!

Die Mönche packt er hier und dort,
    Der Pfaffenschreck, der Hutten,
Und schleuderte sein Donnerwort,
    Gleich Feuer, auf die Kutten.
Sein ganzes Leben setzt' er dran,
Allein was half es, saget an?
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten,
    Noch mischt der Pfaff' die Karten,
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten,
    O Hutten, lerne warten!

Und wo er einen Schurken fand,
    Und ging er auch in Seide,
Gleich war am Degen seine Hand,
    Der Degen aus der Scheide!
Was nützt es ihm? was bracht' es ein?
Auf Ufnau ruht sein müd Gebein:
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten,
    Giebt's Schurken aller Arten,
    Noch heut, nach drei Jahrhunderten,
    O Hutten, lerne warten!

Drum sollst du, Jugend, nimmermehr
    Dir ihn zum Beispiel nehmen.
Sei gut, sei groß – nur nicht zu sehr!
    Auch Tugend lerne zähmen!
Die Ungeduld, die Ungeduld,
Die ist an allem Übel Schuld:
    Vielleicht nach drei Jahrhunderten,
    Vielleicht, wir können warten,
    Vielleicht nach drei Jahrhunderten
    Wehn vorwärts die Standarten!

 


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