Robert Eduard Prutz
Gedichte - Neue Sammlung
Robert Eduard Prutz

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Den Todten.

        Und wenn die Welt, die taube, mich verlacht
Und wenn die Lebenden nicht hören wollen;
Steigt Ihr heraus aus Eures Grabes Nacht,
        Ihr Blutigen, Ihr Narbenvollen!
's ist Mitternacht: das ist die rechte Stunde,
Da wird getanzt, gewürfelt und gezecht:
Kommt, tretet ein! Enthüllet Eure Wunde,
Setzt Euch heran! und sprecht aus stummem Munde
        Zu diesem tändelnden Geschlecht! – –

Wie nun? Nicht wahr? Es sieht sich garstig an,
Das bischen Mensch, wenn sie's zu Grabe trugen?
Euch ekelt, nicht? – Und doch war es ein Mann,
        Dem warm, wie Euch die Pulse schlugen!
Der an dem Leben heiß, wie Ihr, gehangen,
Der gierig auch um jede Blüthe warb,
Der auch ein Weib, der Kinder auch umfangen –
Und der doch lächelnd in den Tod gegangen
        Und der mit Freuden dennoch starb!

Für wen? Für wen? O Fluch auf Euch! für wen?
Wer rief sie auf, wer führte sie zum Streite?
Wer ließ sie fest in Kugelregen stehn,
        Als ob es Rosenblätter schneite?
Wer war der Gott, der leuchtende der Schlachten?
Vor wem verschwand des Grabes Finsterniß?
Und als die Donner der Kanonen krachten,
Wer war es, wer, an den die Herzen dachten,
        Noch da die Kugel sie zerriß?

Ihr wart es nicht – o nein! wo waret Ihr?
Das dumme Volk ließt Ihr voranmarschiren
Und hinktet nach, mit Feder und Papier,
        Die Bulletins zu stylisiren.
Was scheeren Euch die Bürger, die Soldaten?
Futter fürs Pulver, dazu sind sie da!
Und während furchtlos sie im Blute waten,
Verschachert Ihr Nationen, schneidert Staaten
        Und schreit zuletzt Victoria! –

Sie aber wandelten voll Heldenmuth,
Für Recht und Freiheit freien Tod zu sterben;
Sie dachten nicht mit ihrem rothen Blut
        Nur Königsmäntel neu zu färben.
Sie wollten es als Opferwein vergießen,
Für's Vaterland, für den entweihten Heerd:
Durch alle Adern sollt' es lodernd fließen,
Die Freiheit sollt' aus ihrem Blute sprießen,
        Gleich wie vom Himmelsthau genährt! –

Und nun? und nun? Weh meinem armen Land,
Das selbst das Blut der Bürger nicht befreite!
Für das umsonst, den Degen in der Hand,
        Die Jugend sich dem Tode weihte!
Sie wollten Rosen sä'n, – und säten Kletten,
Tag sollt' es werden – und es wurde Nacht:
Auf ihren Gräbern wieder klirren Ketten,
Und wieder jetzt, das Vaterland zu retten,
        Bedarf es einer neuen Schlacht! –

Und ist umsonst die größte That geschehn,
Und sind umsonst die Edelsten gefallen:
Was sollen nun die stolzen Mausoleen,
        Die Obelisken und Walhallen?
Das ist die Art, wie Kön'ge sich bedanken!
Auf Herz bei ihnen reimet Erz allein:
Und alles Blut, das diese Felder tranken,
Und alle Herzen, die zu Asche sanken,
        Bezahlen sie mit einem Stein!

Es sei, wohlan! Vollendet wird die Zeit
Und höher schon die Schatten seh' ich ragen.
Dem Tod auch Ihr, auch Ihr seid ihm geweiht,
        Auch Euch läßt sich der Wurm behagen!
Ihr werdet hingehn – aber ohne Klage!
Kein Auge wird bei Eurem Tod genetzt:
Frohlockend hebt, mit freiem Flügelschlage,
Die Freiheit sich aus Eurem Sarkophage –
        Ihr oder wir, wer lacht zuletzt?

 


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