Robert Eduard Prutz
Gedichte - Neue Sammlung
Robert Eduard Prutz

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Badens zweite Kammer.

I.
                                Auf der Eschenheimer Gassen,
    Zu Frankfurt an dem Main,
Da schläft still und verlassen
    Ein edles Jungfräulein.
Aus neun und dreißig Lappen
    Hat sie ihr Kleid gestickt,
Mit neun und dreißig Kappen
    Ihr blondes Haupt geschmückt.

Protokolle gehn und Akten
    Ihr wüst im Kopf herum,
Vom Schreiben, dem vertrackten,
    Sind ihr die Finger krumm.
Nun soll sie Niemand stören,
    Schildwacht, hab' Acht und steh'!
Sie will nichts sehn, nichts hören,
    Der Kopf thut ihr so weh.

Schon lange schlummertrunken,
    Verträumt und sorgenvoll,
Nun ist sie umgesunken
    Auf das neun mal neun und neunzigste Protokoll.
Und wie sie schläft, da steigen
    Die Geister aus dem Grund,
Die wiegen sich und neigen,
    Den Finger auf dem Mund.

Voran im Morgenstrahle,
    In rosenfarbnem Kleid,
Das sind die Ideale
    Vergangner, guter Zeit:
Wo wir noch fröhlich schauten,
    O deutscher Bund, nach dir!
Wo wir hofften und vertrauten,
    Gutmüth'ge Kinder wir!

Doch sieh', dicht hinter ihnen,
    Von ihrem Glanz verklärt,
Das Alter in jungen Mienen,
    Von Kerker und Flucht verzehrt:
Das sind die Studiosen,
    Geächtet und umgarnt,.
Das sind die Tadellosen,
    De Wette, Jahn und Arndt.

Den Morgen ihres Lebens,
    O sprich, du Schläferin!
Die Blüthe ihres Strebens,
    Wo thatest du sie hin?
Was lebt, ist alt geworden
    Und trägt des Alters Noth,
Zu spät nun kommen die Orden –
    Glückselig, welche todt! –

Der dreizehnte Artikel,
    Er ist doch gar zu klein!
In Windel und in Wickel,
    Da schleicht er auch herein.
Er hat gewiß die Schwindsucht,
    Der Tod, der ist ihm nah':
Gebt Acht, wenn man das Kind sucht,
    Ist's nächstens nicht mehr da.

Und weiter, mit tausend Augen,
    Eine Spinne, feist und stark:
O wohl, die weiß zu saugen
    Des Vaterlandes Mark!
Sie spann den stärksten Faden,
    Sie saß zunächst am Thron:
Das war, helf' Gott in Gnaden,
    Die Mainzer Commission.

Doch dort, fein ausgeschniegelt,
    Was schleicht da hinterdrein –
Verriegelt und versiegelt –
    Soll das die Presse sein?
Sie stockt in allen Rädern,
    Sie schleicht und keucht ja nur
Das liegt nicht an den Federn,
    Das liegt an der Censur!

Das freie Reich der Geister,
    Betrogen um sein Recht;
Die Trefflichsten, die Meister,
    Mißachtet, wie ein Knecht;
Gedanken, ungeboren
    Und doch bereits erwürgt –
Sieh da, den Sieg der Thoren,
    Den die Censur verbürgt! –

Zuletzt, die Hände ringend,
    Gebeugt den edlen Leib!
Einen Marmorstein umschlingend,
    Ein theures, deutsches Weib!
Hanover! – An der Pforte
    Zu Frankfurt beugt' es sich,
Da wurden ihm die Worte:
    Nicht competent bin ich.

Nicht competent, zu schlagen
    Das Haupt der Tyrannei?
Nicht competent, zu sagen,
    Daß Meineid Meineid sei?
Das kann der Bauer schlichten,
    Der seine Bibel kennt –
Und Du und Du mit nichten?
    Und Du nicht competent?

Du schläfst – die Glocken dröhnen!
    Sie läuten Sturm; es brennt!
Zu retten, zu versöhnen,
    Wach' auf! sei competent!
Umsonst! – Du liegst in Schlummer,
    Du schläfst gemächlich fort,
Du siehst nicht unsern Kummer,
    Du hörst nicht unser Wort.

Was? willst Du ewig liegen?
    Und schlummern ohne Rast?
Wach auf! die Wolken fliegen,
    Die Sterne sind erblaßt.
Schon naht auf ros'gen Pfaden
    Der junge Tag geschwind,
Schon weht – wach' auf! – aus Baden
    Ein frischer Morgenwind.

Der Itzstein und der Welcker,
    Die gehen kühn voran:
Schon tummeln sich die Völker,
    Schon bricht der Morgen an!
Der Welcker und der Itzstein,
    Die stehen treu vereint:
Was muß das für ein Blitz sein,
    Wenn erst die Sonne scheint!

Wach auf! von allen Höhen,
    Schon glänzt es nah und fern;
Wach auf! die Hähne krähen,
    Verläugne nicht den Herrn!
Die Sonne will sich heben,
    Es ist wohl an der Stund':
Wach' auf, wach auf zum Leben,
    Wach' auf, o deutscher Bund!

 
II.
Wo jetzt ein Greis ist, alt und krank von Sorgen,
    Des Wartens müd', in Täuschungen ergraut:
Jetzt möcht' er Kraft sich von der Jugend borgen,
    Seit er die Sonne dieses Tags geschaut.
Nicht gerne jetzt, nicht gerne mag er scheiden,
    Ihn lockt, ihn hält das neue Morgenroth –
Das Leben wieder wird der Tod beneiden,
    Wie die Lebend'gen sonst den Tod.

Denn wieder rasselt des Kyffhäusers Pforte,
    Der Barbarossa fährt im Traum empor:
Nicht Schwerterklang, ihn weckten Männerworte,
    Der Ruf der Freiheit traf sein schlummernd Ohr.
Das ist nicht mehr der alte deutsche Jammer,
    Das leere Stroh, die Spiegelfechterei:
Nein! das ist mehr! ist eine deutsche Kammer,
    Und Freiheit ist ihr Feldgeschrei! –

Vertreter Badens, deutsche Patrioten,
    Die Ihr die Noth des Vaterlands gesehn!
Itzstein und Welcker, muthige Piloten,
    Die unverzagt in Sturm und Wetter stehn!
An Eurem Wort, am Muster Eurer Tugend
    Erhebt sich neu das kranke deutsche Land:
Ihr schleudert Funken in die Brust der Jugend,
    Gießt Feuer in der Männer Hand!

Es ist nichts Süßes, Wunden aufzudecken:
    Habt Dank, habt Dank, daß Ihr es doch gewagt,
Abwaschen wollt Ihr den verjährten Flecken,
    Der unsre Ehre allzulang verklagt:
Das Gift des Wahns, das unser Schild zerfressen,
    Den Rost der Furcht, der unser Schwert entweiht.
Frei sollen sein die Herzen, frei die Pressen,
    Und Volk und Fürst in Einigkeit!

An den Palast habt Ihr gewagt zu pochen,
    Vor dem Hanover jüngst vergebens stand:
Dem deutschen Bund habt Ihr ins Ohr gesprochen
    Und habt die Losung unsrer Zeit bekannt.
Ihr habt's gewagt – noch stehn wir froh erschrocken,
    Denn selten noch klang solche Rede hier:
Ihr habt's gewagt – und in den braunen Locken
    Den Hauch der Zukunft fühlen wir! –

Sei Gott mit Euch! die Greise sollen beten,
    Die Männer sollen Ohr und Arm Euch leihn,
Mit Euch, mit Euch die Lieder des Poeten,
    Es soll mit Euch das Herz der Jugend sein!
Ganz Deutschland blickt auf Euch! Es wird Euch krönen,
    Ihr kämpft –, frisch auf! – um seinen höchsten Schatz:
Seid fest und stark –! und laßt die Mißgunst höhnen
    Und laßt dem Schafe seinen Platz.

 
III.
Helle Gläser, frischer Wein,
        Schenket ein!
Aber heute nicht vom Rhein,
Heute aus dem schönen Lande Baden,
Von des Neckars duftigen Gestaden,
        Soll er sein.

Wo die Reben munter blühn,
        Frisch und grün,
Wo die Herzen Flammen sprühn,
Wo der Strom bricht mächtig durch die Klippen,
Wo, gleich ihm, das Wort von Männerlippen
        Stolz und kühn!

Wo ein Stern entgegenlacht
        Aus der Nacht,
Der die Herzen trunken macht:
Stern der Hoffnung, Stern des deutschen Lebens!
Sei nur diesmal, diesmal nicht vergebens
        Aufgewacht!

Die nur Krieg und Aufruhr sah'n,
        Abgethan
Sei das Mißtraun und der Wahn!
Abgethan, was Fürst und Volk entzweite!
Und der Geist, der gottgeborne, schreite
        Freie Bahn!

Weg mit dem Gedankenmord!
        Freies Wort
Ist der allertreuste Hort!
Nur die Freiheit soll im Lande walten,
Throne selbst kann Freiheit nur erhalten
        Fort und fort!

Und ob auch zu dieser Frist
        Furcht und List
Aengstlich noch die Worte mißt:
Doch ein Hoch! für Itzstein, Welcker, Sandern,
Doch ein tausendfaches Hoch! den Andern,
        Die Ihr wißt.

Dieser Namen goldnen Schein,
        Aecht und rein,
Stickt in Eure Banner ein!
Vorwärts, vorwärts auf der Freiheit Pfaden!
Kennt Ihr doch das Losungswort: Hoch Baden!
        Soll es sein.

 


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