Robert Eduard Prutz
Gedichte - Neue Sammlung
Robert Eduard Prutz

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»Wilde, wilde Rosen.«

Seinem Georg Herwegh.
September. 1842.

Wo mit unbezähmter Lust ob den letzten Hütten
Dürre Felsen aus der Brust ewige Ströme schütten;
Wo in ungezügeltem Lauf noch die Wasser tosen,
Lad' ich meine Waaren auf: Wilde, wilde Rosen!
Herweg's Gedicht: Aus den Bergen.        
        Ja wilde, wilde Rosen Dir
        um die gedankenreiche Stirn,
Gleichwie in Rosengluth sich taucht
        der Sonne Nachbarkind, der Firn!
Ja wilde, wilde Rosen Dir
        um Deinen liederreichen Busen,
Du Liebling unsers Vaterlands,
        Du holder Liebling unsrer Musen!

Gleichwie, in alter ferner Zeit,
        der Freiheit flammendes Signal
Von Deinen Schweizerbergen einst
        herniederleuchtete ins Thal:
So von den Schweizerbergen auch
        in unser Nebelland hernieder,
So leuchteten, so strahlten auch
        die rothen Flammen Deiner Lieder.

Sie trafen uns, sie zündeten!
        Die kalten Herzen wurden warm,
Und neues Leben, neue Kraft
        hebt unsern kettenmüden Arm;
Fort warfen wir die Bärenhaut,
        auf der wir süß behaglich schliefen,
Als schmetternd, wie Trompetenton,
        ins Feld uns Deine Lieder riefen.

Und Ton auf Ton und Klang auf Klang –
        ja laß sie jungen Adlern gleich,
Laß aus der Berge Felsennest
        sie muthig flattern in das Reich!
Nach einem Ölblatt mochte wohl
        die fromme Taube Noah's spähen,
Doch Deine Adler wollen Blut,
        woll'n frische Siegesfelder sehen.

Wohlan, er kommt – ich hör' ihn schon!
        »gut, alter Maulwurf, gut genagt!«
Ich sehe schon den blut'gen Streif,
        mit dem der Freiheit Morgen tagt.
Es kommt der Tag, da gehen auf,
        die Du gestreut, die goldnen Saaten;
Zum Schwerte wird die Leier da,
        und was Gesang war, werden Thaten.

Da seh' ich Deutschlands Jugend schon,
        in Haß und Liebe gleich vereint,
Wie sie sich nackt entgegenwirft
        dem stolzen, erzbedeckten Feind;
Die Speere drücken in die Brust
        seh' ich zehntausend Winkelriede,
Zum Heldenkampf für's Vaterland,
        zum Tod berauscht von Deinem Liede!

Mein Herwegh, mein geliebter Freund!
        Du, den mein Auge nie geschaut
Und der doch mir und dem doch ich
        die tiefste Seele rasch vertraut:
O dürft' ich da, an jenem Tag,
        von dem wir erst die Nebel sehen,
O daß ich da zur Seite Dir,
        Dein Waffenbruder, dürfte stehen!

Nur Worte hatten wir bis jetzt –
        o denk Dir, denk Dir! welche Lust,
Darfst Du einmal das Eisen auch
        dem Feinde stoßen in die Brust!
Darfst Du der zweifelnden Kritik
        ins bleiche Antlitz demonstriren,
Daß unsre Lieder etwas mehr,
        als bloß mit Tugend renomiren! –

Behüt' Dich Gott! Ich grüße Dich
        mit meines Herzens wärmstem Schlag:
Behüt' Dich Gott! und halt' Dich frisch
        bis auf den Einen großen Tag!
Da wollen wir mit grünem Laub
        die aufgeschlagnen Hüte schmücken,
Aus offnen Wunden sollst Du da
        Dir wilde, wilde Rosen pflücken!

 


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