Robert Eduard Prutz
Gedichte - Neue Sammlung
Robert Eduard Prutz

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Apostasie.

        Ja, noch quillt es mir im Busen,
Ja, noch wogt es mir im Herzen,
Worte geben noch die Musen
Meinen Freuden, meinen Schmerzen:
Die ich ehmals tändelnd streute
In der Dirnen offne Mieder,
Junge Knospen, junge Lieder,
Sie umblühen mich noch heute.

Doch nicht mehr die alten Bahnen
Wollen die Gedanken gehen,
Nicht mehr zu den alten Fahnen
Wollen heut die Lieder stehen.
Heut zu andern Melodieen,
Andre Götter zu verehren,
Heut an anderen Altären
Muß ich opfern, muß ich knieen!

Zürnet nicht, Ihr holden Damen,
Daß von Euch die Lieder schweigen,
Und daß nicht mehr Eure Namen
Jubelnd in die Lüfte steigen:
Zürnet nicht, Ihr stolzen Schönen,
Zürnet nicht der spröden Tugend,
Die statt Eurer frischen Jugend
Eine Mutter heut will krönen.

Vaterland! von allen Weibern
Du die einzig Hochgeborne,
Du geplagt von Deinen Treibern,
Die Verlassene, Verlorne:
Du, zur Königin berufen
Und zur Sklavin nun verwandelt,
Du verschachert und verhandelt
Und zerstampft von Rosseshufen:

Vaterland, Du holde Dame,
Deine Farben laß mich tragen!
Einsam Du in Deinem Grame,
Dich zu trösten laß mich wagen!
Laß gleich Blondel, dem Getreuen,
Meine Lieder Dich begrüßen,
Laß gleich Rosen, Dir zu Füßen
Meine Huldigungen streuen!

Wer will sich des Ritternamen
Rühmen ohne Herzenspochen,
Der die Krone läßt der Damen
Unvertheidigt, ungerochen?
Wer auf Rosen will sich betten,
Wer will küssen holde Wangen,
Da das Vaterland gefangen,
Da das Vaterland in Ketten?

Auf, Ihr Ritter! auf, Ihr Knappen!
Nehmt die Schwerter aus der Halle:
Gleiche Farben, gleiche Wappen!
Denn das Vaterland ruft Alle.
Und will man das Schwert uns wehren,
Nun wohlan, so greift zur Zither,
Troubadour zugleich und Ritter!
Denn auch Lieder soll man ehren.

Einem nur solln alle Waffen,
Alle Leiern dienstbar werden,
Eins nur giebt es noch zu schaffen,
Nur ein einziges auf Erden:
Daß beim Klange freier Lieder
Frei das Vaterland erstehe!
Erst wenn das geschehn, nicht ehe,
Holde Fraun! habt Ihr uns wieder.

 


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