Robert Eduard Prutz
Gedichte - Neue Sammlung
Robert Eduard Prutz

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Lehrfreiheit.

Vgl. O. F. Gruppe's akademische Lehrfreiheit.

        Habt Ihr gehört, Ihr Studiosen?
Ihr kriegt nur durchgesiebtes Korn,
Für Euch sind nur der Weisheit Rosen
Und nur dem Lehrer bleibt der Dorn.

Die Wissenschaft will Straußenmagen,
Viel Irrthum giebt es zu verdaun:
Drum läßt man Euch am Knochen nagen
Und läßt das Fleisch von Andern kaun.

Nichts sagt man Euch vom Streit der Meister,
Nichts Euch vom Ringen der Partein,
Vom Kampf der Herzen und der Geister
Und von der Zukunft Morgenschein!

Man zeigt Euch eine ebne Fläche,
Recht ein behaglich Kanaan,
Da fließen Milch und Honigbäche –
Das ist die Wissenschaft, schaut an!

Doch daß ein Quell aus Felsen sprudelt,
Der Euch den heißen Gaumen kühlt,
Und daß ein Strom dort unten sprudelt,
Der Perlen auch nach oben wühlt:

Das dürft nicht Ihr, nicht Ihr erfahren!
Denn allzuleicht seid Ihr verführt:
Das muß man für die Alten sparen,
Die Alten, – die es nicht mehr rührt!

Drum castigirt man die Geschichte,
In der sich Falsch und Wahres mengt,
Für Euch zu einem Lehrgedichte,
Und die Moral wird angehängt.

Das ew'ge Meer mit seinen Wogen,
Mit seiner Ebbe, seiner Fluth,
Auf Flaschen wird's für Euch gezogen,
So ist's gesund, so schmeckt es gut. –

Was? Schmeckt es nicht? Ihr zieht Gesichter?
Ihr mögt nicht Rosen ohne Dorn?
O Ihr verwegenes Gelichter,
So seid Ihr noch vom alten Korn?

So seid Ihr doch noch nicht die Puppe,
Zu der man künftig Euch dressirt?
Der Mannoquin, an dem Herr Gruppe
Sich den Professor einstudirt? –

Frischauf! so laßt die Segel brausen,
Das Steuer führt des Lehrers Hand,
Die Brandung schäumt, die Wellen sausen,
Frischauf, frischauf! Ihr kommt ans Land. –

Ihr aber mit den krit'schen Nüstern,
Dem diplomatisch feinen Wort,
Ihr macht uns nicht nach Trauben lüstern,
Die Ihr am Ofen erst gedorrt.

Nicht jedes Maß darf Jeden messen,
Nicht Jedem mundet jede Kost:
Wer Lust hat, mag Rosinen essen!
Doch für die Jugend ist der Most. –

 


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