Robert Eduard Prutz
Gedichte - Neue Sammlung
Robert Eduard Prutz

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Die erste Saat.

        Hier ist die Stätte, seht! Hier fällten
Den unbetretnen Urwald wir,
Mit unserm Schweiße hier bestellten
Wir das jungfräuliche Revier!
Hier soll die Heimath sich erneuen,
Hier, von Europa wir verbannt,
Wolln wir den ersten Samen streuen
In dieses neue, fremde Land.

Reicht her das Korn – o sei willkommen,
Du unsrer Heimath theure Frucht,
Die wir als Erbschaft mitgenommen,
Als Pfand der Zukunft auf der Flucht.
Als wär's ein Kind, das wir versenken,
So streut Dich zögernd unsre Hand,
Und unsre tiefsten Herzen denken
An das geliebte Vaterland.

Als Du zuerst emporgewachsen,
Ein grüner Halm aus dunkler Gruft,
Am Elbestrand, im schönen Sachsen,
Da küßte Dich die deutsche Luft;
Da schien auf Dich, da floß hernieder
Die deutsche Sonne, deutscher Thau,
Und deutscher Lerchen süße Lieder
Begrüßten die geschmückte Au.

Drauf als die Halme höher rauschten,
Als schon die Frucht im Keime schwoll,
O Gott, da standen wir und lauschten
Wehmüthiger Erwartung voll.
Und als sich wiegten Deine Aehren,
Gekleidet all in lautres Gold,
O damals, damals wie viel Zähren
Sind abwärts in den Staub gerollt!

Denn ach! schon suchten die Gedanken
Fern über Meer ein neues Ziel,
Im Geiste schon sahn wir uns schwanken
Fernhin auf ungewissem Kiel:
Was nützt es, daß geerntet werde,
Was wogt das Korn, was blüht der Wein,
Soll nimmer doch auf deutscher Erde
Der Freiheit theure Saat gedeihn?

Und als man unter Spiel und Scherzen
Das reife Korn in Garben flocht,
Wie hat da schon in Abschiedschmerzen
Der Busen ängstlich uns gepocht!
Die Andern schwangen sich im Tanze,
Da schrie die Fiedel, klang das Horn.
Doch wir, im letzten Abendglanze,
Wir banden schweigend unser Korn. –

Nicht eine Hand voll Erde nahmen
Wir zum Valet von unsrer Flur:
Nur deutsche Frucht, nur deutscher Samen!
Denn Leben bringt Lebend'ges nur.
Und wie ein Fähnrich seine Fahne
Pflanzt auf des letzten Walles Rand,
So, jenseits nun dem Oceane,
Wird es gepflanzt in fremdes Land.

O du, gesät in guter Stunde,
Du Samen unsers Vaterlands,
Wachs' und gedeih' in fremdem Grunde,
In einer andern Sonne Glanz!
Es wird dich keine Lerche grüßen,
Wie Du sie einst vernommen hast,
Kein Kranz von Rosen wird versüßen
Des heißen Erntetages Last.

Und doch, will's Gott, so sollst du sprießen
In stolzen Halmen, frei und stark,
Und freie Männer solln genießen
Dein vaterländisch deutsches Mark.
So, während wir an fremdem Strande
Mit Thränen unsre Aussaat weihn,
O möge so im Vaterlande
Der Freiheit theure Frucht gedeihn.

 


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