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Das Nordlicht.

Aeußere Erscheinung. – Bewegung. – Dauer, Leuchtkraft. – Kronenbildung. – Geräuschlosigkeit. – Wetteranzeichen, Nordlichter bei Tage. – Diesseits der Wolken. – Farbeneffecte. – Einfluß auf die Magnetnadel. – Beobachtung der magnetischen Constanten durch Weyprecht, Brosch und Orel. – Die sichtbare Erscheinung des Nordlichts, Schilderung Weyprecht's.

 

In unvergleichlicher Pracht hatten die Polarlichter nun schon zwei Winter hindurch geleuchtet, doch nicht als divergirende, ruhige Strahlen, wie sie zeitweise selbst in unseren Breiten beobachtet werden. Ueberhaupt war die sichtbare Erscheinung des Nordlichtes durchaus von jener unterschieden, die wir im Verlaufe der letzten Jahre auch in Mitteleuropa wahrnahmen, und im Allgemeinen stimmte sie mit der 1869-1870 in Ostgrönland beobachteten überein; nur daß ihre Intensität und Farbenpracht weit größer war.

Die Formen, in welchen das Nordlicht auftrat, sind nicht nur wegen ihrer Mannigfaltigkeit, sondern auch wegen ihres beständigen Wechsels schwer zu charakterisiren. Bald erschien es in der Form flammender Bögen mit glühenden Lichtballen, bald in der Form der Milchstraße, wenn sich der Beobachter in der Ebene eines Lichtstrahles befand, bald in jener irregulärer Meridiane der Himmelskugel, oder in der vereinzelter, leuchtender Bänder und Lichtstellen am nächtlichen Himmel. Häufig pflegte eine dieser Formen sich aus der andern zu entwickeln; nur gegen Morgen herrschte in der Regel die letztgenannte Erscheinung vor.

Die Bewegung der Lichtwellen machte den Eindruck, als seien sie das Spiel der Winde, und zuweilen glich das hastige Aufsteigen sich aufrollender Lichtballen dem heftigen Empordringen wirbelnder Dämpfe, wie sie etwa Geyser entsenden mögen, nur daß sie gewöhnlich zur Form ungeheurer Flammen übergingen, von welchen sie sich nur durch ihre Durchsichtigkeit und dunstige Berandung unterschieden. In manchen anderen Fällen glich das Nordlicht völlig einem permanent gedachten Wetterleuchten. Fast alle Polarlichter traten im Süden auf; ihre Sichtbarkeit währte vom September bis zum März, und während dieser ganzen Zeit waren sie für uns die einzige Anregung von außen, wenngleich selbst ihre ausgezeichnetsten Erscheinungen nie die Leuchtkraft des Vollmondes erreichten. Seltene Fälle ausgenommen, war dieselbe entweder nur so gering oder so vorübergehend, daß sie auf die Unterbrechung der langen Winternächte keinen erheblichen Einfluß ausübte. Flußartig, in leuchtenden Schlangenwindungen, eilte das Licht über das Firmament, und zwar sowohl von Ost nach West, wie von West nach Ost; kurz und plötzlich war die Bildung der Krone (oder das Zusammentreffen der Lichtstrahlen in der Richtung der Inclinationsnadel), und häufig geschah diese Entwicklung mehr als einmal in einer Nacht. Ihre größte Intensität dauerte auch hier von acht bis zehn Uhr Abends. Die Erscheinung war nie von Geräusch Auf den Shetlands-Inseln und in Sibiren will man solches öfters deutlich gehört haben; alle wissenschaftlichen Reisenden erklären sich jedoch dagegen. Franklin, welcher zuerst an das Geräusch des Nordlichtes glaubte, hat sich selbst nachher vom Gegentheile und zwar davon überzeugt, daß der verursachte Lärm von irdischen Vorgängen herkam, und Wrangel, welcher nur selten, und meist nur Nordlichter von geringer Bogenhöhe sah, erklärte, daß es ihm nur so schien, als sei das Nordlicht die Ursache eines Geräusches gewesen. begleitet.

Eispressungen während eines Nordlichts im Jänner 1873.

Die vorangehende Abbildung versinnlicht eine der charakteristischen Formen des Nordlichtes, welche wir zu beobachten Gelegenheit hatten. Die inneren Theile der Flammen sind gewöhnlich weißlichgrün, und ihre Ränder auf der oberen Seite roth, auf der unteren grün.

Prächtigen Nordlichtern folgte nicht selten schlechtes Wetter; dagegen konnten solche von geringer Höhe und Beweglichkeit als die Voranzeichen von Windstille angesehen werden. Keine der bisher aufgestellten Theorien ließ sich mit dem sichtbaren Eindrucke der Polarlichter völlig in Einklang bringen; besonders unerklärbar war jenes Wallen und geballte Fortwälzen der Lichtwellen, gleich einer sturmbewegten Rauchsäule. Wenngleich die Hauptursache des Nordlichtes in noch unbekannten elektrischen Vorgängen zu bestehen scheint, so dürften doch die atmosphärischen Dünste eine große Rolle dabei spielen, und zu dieser Annahme veranlaßt nichts so sehr als sein Aussehen in allen Fällen, wo es eine systematische Anordnung aufgibt. Nordlichter bei Tage, das heißt: lichte Wolken, mit der den Nordlichtern charakteristischen Bewegung, wurden in mehreren Fällen mehr geahnt als wirklich beobachtet; denn der Uebertritt weißer Wolken in Nordlichtform in die Nacht hinein ließ sich nicht sicher nachweisen. Löwenörn und Andere glaubten bei klarem Sonnenlicht die Schwingungen eines intensiven Polarlichtes zu sehen.

Ebensowenig waren wir dessen sicher, Nordlichter am nächtlichen Himmel diesseits der Wolken gesehen zu haben, denn leicht mochten uns beleuchtete Dünste innerhalb des Nordlichtes täuschen. Parry bemerkt über diesen Gegenstand: »Die Erscheinung, daß das Nordlicht hinter einer dunklen Wolke hervorzukommen scheint, ist sehr gewöhnlich; aber nicht immer ist es leicht zu bestimmen, ob wirklich eine Wolke da ist, oder nur eine Täuschung durch den Gegensatz des hellen Lichtes mit der dunklen Farbe des Himmels.« Auch Back spricht sich in dieser Weise aus. Sternschnuppen passirten die Nordlichter, ohne irgend einen wahrnehmbaren Effect hervorzubringen, oder eine Veränderung zu erleiden. Charakteristisch war allen Nordlichtern eine schmutzig schwefelgelbe Farbe bei dunsterfülltem Himmel oder Mondschein und ihre Farblosigkeit bei klarem Wetter.

Sehr ungleich war der Einfluß der Polarlichter auf die Magnetnadel; denn während sie ruhige Lichtbögen wenig oder gar nicht afficirten, geschah dies bei unruhiger Entwicklung und raschem Aufschießen der Strahlen in hohem Maße, besonders wenn sie mit prismatischen Farbeneffecten auftraten. Auch John Roß machte die Bemerkung, daß Nordlichter mit hochrothen Farben eine große Einwirkung auf die Magnetnadel besaßen, ging jedoch völlig von dieser Erfahrung ab, indem er annahm, daß die Nordlichter durch die Wirkung der reflectirten Sonnenstrahlen auf den ungeheuren Schnee- und Eisflächen, welche den Pol umgeben, hervorgebracht werden. Parry konnte 1820 weder auf die Magnetnadel, noch auf den Elektrometer eine Einwirkung des Nordlichtes beobachten. Im Laufe des Winters 1872-1873 geschah es, daß der Charakter der Nordlichter sich wesentlich veränderte, und nur ihre Färbung constant blieb. Sie hatten im Anfange vorzugsweise aus Bändern bestanden, die von Süden nach Norden führten; später kam es mehrentheils zu ausgebildeten Kronen und die Richtung dieser Phänomene war dann von Nord nach Süd. Während unserer Expedition geschah die Beobachtung aller Vorgänge des Nordlichtes und die der magnetischen Constanten durch die Schiffslieutenante Weyprecht, Brosch und Orel mittelst eines magnetischen Theodolits, eines Inclinatoriums und dreier magnetischer Variationsinstrumente. Die Bestimmung genauer Mittelwerthe für die magnetischen Constanten vereitelten die außerordentlichen Störungen der Nadel. Beträchtlich war die Intensitätsverminderung derselben bei Nordlichtern. Die Declination betrug in 79° 51' nördlicher Breite und 58° 56' östlicher Länge von Greenwich 19½° Ost und die Inclination 82° 22'. Im Uebrigen war die Unruhe des Eises, welche sich auch noch im December 1873 durch ferne Pressungen äußerte, nebst den langwierigen Vorarbeiten, welche das Ausstellen magnetischer Instrumente erheischt, die Ursache, warum die genannten Herren die meisten dieser Arbeiten erst vom Monate Jänner an regelmäßig auszuführen im Stande waren. Ihre Durchführung geschah von da an unter den schwierigsten Umständen mit bewunderungswürdiger Beharrlichkeit.

Die wesentlichen Erfahrungen, welche Schiffslieutenant Weyprecht aus der großen Zahl seiner Nordlicht- und magnetischen Beobachtungen notirte, sind folgende: »1. Die magnetischen Störungen sind in dieser Gegend von ungewöhnlicher Größe und Häufigkeit. 2. Sie stehen im engsten Zusammenhange mit dem Nordlichte, und zwar sind die Störungen umso größer, je zuckender und rascher die Strahlenbewegung ist, und je intensiver die prismatischen Farben derselben sind. Ruhig stehende regelmäßige Bögen ohne Licht- und Strahlenbewegung üben fast keinen Einfluß auf die Nadeln aus. 3. Bei allen Störungen schlug die Declinationsnadel gegen Osten aus, die horizontale Intensität nahm ab und die Inclination zu. Die sehr seltenen entgegengesetzten Bewegungen können nur als Reactionserscheinungen angesehen werden.«

Trotz der Schwierigkeit, die sichtbaren Erscheinungen der so wechselvollen Nordlichter zu beschreiben, glaube ich doch, daß es Schiffslieutenant Weyprecht in der folgenden Schilderung gelungen ist, ihre wesentlichen Vorgänge in trefflicher Weise durch Worte auszudrücken.

»Dort im Süden, tief am Horizonte, steht ein matter Lichtbogen. Er sieht aus, als sei er die obere Grenze eines dunklen Kreissegmentes; allein die Sterne, die in ungetrübtem Glanze daraus hervorblicken, überzeugen uns, daß das Düster des Segmentes nur eine durch den Contrast hervorgerufene Täuschung ist. Langsam nimmt der Bogen an Intensität zu und hebt sich gegen den Zenith; er ist vollkommen regelmäßig, seine beiden Enden berühren fast den Horizont und schreiten gegen Ost und West vor, je mehr er sich hebt. Es sind keine Strahlen darin zu erkennen; das Ganze besteht aus einer ziemlich gleichförmigen Lichtmaterie von herrlicher zarter Färbung; es ist ein durchsichtiges Weiß mit leichter grünlicher Betonung, dem Weißgrün der jungen Pflanze, die ohne Sonnenlicht im Dunkeln keimt, nicht unähnlich. Das Licht des Mondes scheint gelb neben dieser zarten, dem Auge wohlthuenden Farbe, die mit Worten nicht zu beschreiben ist, welche die Natur einzig den Polargegenden, den Stiefkindern der Schöpfung, als Entschädigung gegeben zu haben scheint.

Der Bogen ist breit; er erreicht vielleicht die dreifache Breite des Regenbogens, und seine weit schärfer als bei diesem begrenzten Ränder stechen grell gegen das tiefe Dunkel des arktischen Nachthimmels ab. Sein Licht durchschimmern in ungetrübtem Glanze die Sterne. Höher und höher steigt der Bogen, in der ganzen Erscheinung liegt eine classische Ruhe; nur hie und da wälzt sich langsam eine Lichtwelle von der einen Seite zur andern hinüber, lieber dem Eise beginnt es heller zu werden, einzelne Eisgruppen sind zu erkennen.

Noch steht er entfernt vom Zenith, und schon trennt sich ein zweiter Bogen vom dunklen Segmente im Süden ab, dem nach und nach andere folgen. Alle steigen dem Zenith entgegen; der erste hat ihn jetzt schon überschritten, senkt sich langsam gegen den Nordhorizont herab und verliert an Intensität, lieber das ganze Firmament sind nun Lichtbogen gespannt; es stehen sieben zu gleicher Zeit am Himmel, aber ihre Intensität ist dann nur gering. Je tiefer sie gegen Nord herabgehen, desto mehr erblassen sie und verschwinden zuletzt vollständig; oft aber kehren sie alle über den Zenith zurück und erlöschen, wie sie gekommen sind.

Nur selten jedoch ist der Verlauf des Nordlichtes ein so ruhiger und regelmäßiger.

In den meisten Fällen existirt das schematische dunkle Kreissegment der Lehrbücher gar nicht. Auf irgend einer Seite des Horizonts sieht eine leichte Wolkenbank; ihre oberen Ränder sind beleuchtet, es entwickelt sich von da ein Lichtband, das sich ausbreitet, an Intensität zunimmt und gegen den Zenith hebt. Die Färbung ist die gleiche wie bei den Bogen, aber die Lichtintensität ist stärker. In ewig wechselndem Spiele ändert das Band langsam, aber ununterbrochen Ort und Gestalt. Es ist breit, und sein intensives Weißgrün hebt sich wunderbar schön gegen den dunklen Hintergrund ab. Jetzt ist es in vielen Windungen in sich selbst verschlungen; aber sie verdecken sich gegenseitig nicht, die innerste ist noch immer deutlich durch das Licht der andern hindurch zu erkennen. In undulirender Bewegung huschen fortwährend Lichtwellen durch das Band in seiner ganzen Ausdehnung, bald laufen sie von rechts nach links, bald von links nach rechts; sie kreuzen sich scheinbar, je nachdem sie auf der vorderen oder rückwärtigen Seite einer Windung erscheinen. Jetzt rollt es sich wieder seiner ganzen Länge nach auf, es hat sich in graziöse Falten gelegt; fast scheint es, als treibe der Wind hoch oben in der Atmosphäre sein geheimnißvolles Spiel mit ihm, mit dem breiten, flammenden Wimpel, dessen Ende sich dort weit in der Ferne am Horizont verliert.

Das Licht wird immer intensiver, die Lichtwellen folgen sich rascher, an dem oberen und unteren Rande des Bandes treten die Regenbogenfarben hervor, das glänzende zarte Weiß der Mitte ist unten von einem schmalen Streifen roth, oben grün, eingefaßt. Aus Einem Bande sind mittlerweile zwei geworden; das obere nähert sich immer mehr dem Zenith, jetzt beginnen Strahlen daraus hervorzuschießen, in der Richtung nach dem Punkte in der Nähe des Zeniths, gegen den der Südpol der freien Magnetnadel zeigt. Das Band hat ihn nahezu erreicht, und es beginnt nun durch kurze Zeit ein prachtvolles Strahlenspiel, dessen Centrum der magnetische Pol ist, ein Zeichen des innigen Zusammenhanges der ganzen Erscheinung mit den geheimnißvollen magnetischen Kräften unserer Erde.

Um den Pol herum flimmern und flackern nach allen Seiten die kurzen Strahlen, an allen Rändern sind die prismatischen Farben zu sehen, kürzere und längere Strahlen wechseln mit einander ab, Lichtwellen umlaufen in raschem Wechsel das Centrum. Was wir sehen, ist die Nordlichtkrone; sie tritt fast immer auf, wenn ein Band über den magnetischen Pol geht.

Aber schon nach kurzer Zeit ist diese Erscheinung vorüber, das Band steht nun auf der nördlichen Seite des Firmamentes; es senkt sich nach und nach und verblaßt, oder es kehrt wieder gegen Süden zurück, um das alte Spiel zu erneuern. So geht es Stunden und Stunden lang fort, ununterbrochen wechselt das Nordlicht Ort, Form und Intensität; oft ist es auf kurze Zeit ganz verschwunden, um plötzlich wieder da zu sein, ohne daß der Beobachter klar werden kann, wie es gekommen, wie es gegangen ist; es ist einfach da.

Oft zeigt sich aber das Band in einer ganz andern Form. Es besteht sehr häufig nicht aus bloßer Lichtmaterie, sondern aus einzelnen Strahlen, die, dicht aneinandergereiht, in der Richtung gegen den magnetischen Pol nahezu parallel zu einander stehen. In jedem Strahle wird durch jede der rasch auf einander folgenden Lichtwellen eine bedeutend größere Intensität hervorgerufen; die einzelnen Strahlen erscheinen dadurch in fortwährender hüpfender Bewegung, die beiden Ränder, grün und roth gefärbt, tanzen wellenförmig auf und ab nach dem Spiele der durchlaufenden Lichtwellen. Oft verlängern sich die Strahlen in der ganzen Ausdehnung des Bandes, sie reichen bis in die Nähe des magnetischen Poles und scheinen nahezu festzustehen. Sie sind scharf markirt, aber weitaus lichtschwächer als das Band selbst und liegen nicht dicht aneinandergereiht. Ihre Farbe geht mehr in das Gelbe; es scheint, als seien Tausende zarter Goldfäden vor das Firmament gespannt. Ueber dem Sternenhimmel liegt dann ein herrlicher Lichtschleier, unendlich durchsichtig; scharf zeichnen sich die Lichtfäden, aus denen er gewoben ist, auf dem dunklen Hintergrunde ab, seine untere Garnitur ist ein breites, intensiv weißes Band, das mit dem zartesten Roth und Grün eingefaßt und in den mannigfaltigsten Falten und Windungen in ununterbrochener langsamer Bewegung ist. Violetter Nordlichtdunst liegt oft gleichzeitig an einzelnen Stellen des Himmels.

Es kommt vor, daß fast der ganze Himmel von einem solchen Strahlenwurfe überdeckt ist, bald mit, bald ohne die Erscheinung des Bandes am unteren Rande. Oft sind es nur einzelne Strahlenbüschel, die stundenlang unverändert dastehen; oft füllen sie einen ganzen Quadranten aus, nie reichen sie aber bis zum magnetischen Pol selbst.

Ein Sturmwetter ist im Erlöschen begriffen, unten auf dem Eise hat der Wind nachgelassen; aber die in raschem Fluge vorübertreibenden Wolken zeigen, daß es hoch oben noch immer sein Unwesen treibt. Ueber dem Eise wird es etwas licht, es steht ein Nordlicht hinter den Wolken, das den dünnen Schleier beleuchtet und das Düster der Nacht mildert. Da und dort blinkt ein Stern; durch die Oeffnungen sieht man stellenweise das dunkle Firmament und die Nordlichtstrahlen auf ihrer Jagd gegen den Zenith. Immer dünner wird das Gewölk, nur mehr nebelartige Wolkenballen jagen vor dem Winde dahin. Auf allen Seiten stehen Nordlichtfragmente; es sieht aus, als habe der Sturm die Bänder in Fetzen zerrissen und treibe sie nun ruhelos am Firmamente hin und her. Mit unglaublicher Raschheit wechseln sie Form und Ort; eines steht hier, jetzt ist es dort; kaum ist es verschwunden, so taucht es an einer anderen Stelle wieder auf. Und auch durch diese Fetzen jagen die Lichtwellen; in einem Augenblicke sind sie kaum zu sehen, im nächsten glänzen sie in vollster Intensität. Aber ihr Licht ist diesesmal nicht jenes herrliche Weißgrün, es ist ein schmutziges Gelb; oft weiß man nicht, was Nordlicht und was Dunst ist; die vorüberfliegenden beleuchteten Nebel sind kaum zu unterscheiden von dem Nordlichtdunste, der auf allen Seiten kommt und verschwindet.

Und wiederum eine andere Form. Den ganzen Tag haben sich schon Bänder jeder möglichen Gestalt und Intensität am Himmel herumgetrieben; es ist jetzt acht Uhr Abends, die Stunde der größten Nordlichtintensität. Für den Moment stehen nur einzelne Strahlenbüschel am Himmel; nur dort im Süden liegt dicht über dem Horizonte ein schwaches Band, das wir kaum beachten.

Auf einmal hebt es sich rasch, es breitet sich gegen Ost und West aus; die Lichtwellen beginnen durchzuhüpfen, einzelne Strahlen steigen gegen den Zenith empor. Kurze Zeit hält es sich stationär, da kommt plötzlich Leben hinein. Von Ost gegen West jagen lebhaft die Lichtwellen durch, die Ränder färben sich intensiv roth und grün und tanzen auf und ab; schneller schießen die Strahlen in die Höhe, sie werden kürzer; Alles hebt sich, näher und näher kommen sie dem magnetischen Pole. Rasch und rascher folgen die Wellen aufeinander; schon überstürzen sie sich gegenseitig, sie kreuzen sich, sie laufen übereinander weg; in wilder Jagd wetteifern die Strahlen, wer von ihnen zuerst den Pol erreicht; doch es sind nicht mehr einzelne Strahlen, es sind ganze Büschel, die gleichzeitig auf dem ganzen südlichen Firmamente in toller Hetze emporjagen. Und jetzt haben sie den Punkt erreicht, den sie alle anstreben, und jetzt schießt es auf und ab nach allen Seiten, nach Nord und nach Süd, nach Ost und nach West. Gehen die Strahlen von oben nach unten oder von unten nach oben? wer kann es unterscheiden! Um das Centrum herum leckt ein Flammenmeer; ist es roth, weiß oder grün? wer weiß es! Es sind alle drei Farben zu gleicher Zeit. Fast bis zum Horizont herab reichen die Strahlen, der ganze Himmel steht in Flammen. Das Band ist zu einem Bogen geworden, der über den Pol läuft und auf beiden Seiten des Horizonts aufsteht; es ist ein feuriger Fluß geworden, in dem die breiten Lichtwellen mit rasender Geschwindigkeit von einer zur anderen Seite hinüberjagen. Die Natur führt uns ein Feuerwerk vor, wie es sich die kühnste Phantasie nicht herrlicher zu denken vermag. Unwillkürlich horchen wir auf, ein solcher Vorgang scheint uns undenkbar ohne Getöse; aber es herrscht lautlose Stille, nicht das leiseste Geräusch trifft unser Ohr. Ueber dem Eise ist es hell geworden.

Doch schon ist Alles abgeblaßt. Mit der gleichen unbegreiflichen Geschwindigkeit, mit der es gekommen, ist es auch wiederum verschwunden. Nur dort am nördlichen Firmament steht jetzt ein Band; langsam hüpfen die Lichtwellen durch, über dem Eise hat die dunkle Nacht wieder Alles mit ihrem Schleier verhüllt.

Das war das Nordlicht des kommenden Sturmes, das Nordlicht in seiner vollen Pracht. Keine Farbe und kein Pinsel vermögen es zu malen, keine Worte vermögen es in seiner ganzen Großartigkeit zu schildern.

Und da unten stehen wir armen Menschlein und reden von Wissenschaft und Fortschritt und bilden uns etwas ein auf unsern Verstand, mit dem wir der Natur ihre Geheimnisse ablauschen; da stehen wir und schauen hinauf zu dem Räthsel, das uns die Natur da oben mit flammenden Lettern auf den dunklen Nachthimmel geschrieben hat, und können mir staunen und gestehen, daß wir im Grunde nichts wissen!«


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