Ovid
Elegien der Liebe
Ovid

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14.
Die Sünderin.

        Nimmer verbiet' ich es dir, zu sündigen: schön wie die Sünde
    Bist du ja selbst – doch weßhalb muß ich auch wissen darum?
Auch nicht züchtig und keusch begehrt dich mein Tadel zu machen,
    Nein, ich bitte dich nur, daß du dich besser verstellst.
Keine sündigt, so lang sie zu leugnen vermag, daß sie sündigt –
    Aber gesteht sie, so ist auch schon ihr Name dahin.
Ist es nicht rasend, am Tag zu gestehn, was der Schleier der Nacht deckt,
    Und, was man heimlich erst that, selber dann laut zu beschrei'n? . . . .
Ist es nicht rasend, sich selbst an die giftigen Zungen zu liefern,
    Und der begangenen Schuld selbst der Verräther zu sein?
Sei doch wenigstens klug und stell' dich wie züchtige Mädchen –
    Bist du auch keusch nicht, wie gern glaub' ich doch, daß du es seist!
Thu' das, was dir gefällt – nur leugne, daß du es thatest,
    Führ' vor den Leuten mit Fleiß züchtige Reden im Mund.
Täusche das Volk und täusche mich selbst! In glücklichem Irrthum
    Laß mich am thörichten Wahn treuester Liebe mich freun!
Doch was seh' ich so oft das Kommen und Gehen von Briefchen?
    Warum find' ich so oft häßlich dein Lager zerdrückt?
Warum seh' ich so oft dein Haar – und gewiß nicht vom Schlafe –
    Arg in Verwirrung? Warum brennende Spuren am Hals?
Wahrlich, du leitest noch selbst auf die eigene Schande den Blick hin –
    Ganz gleichgültig für dich, schonst du nicht meiner einmal.
Jeder Gedanke vergeht mir, so oft leichtfertig ich also
    Höre dich reden und kalt steht auf der Stirn mir der Schweiß.
Dann auch lieb' ich dich noch und begehr' ich umsonst, dich zu hassen!
    Dann – doch mit dir nur vereint – wünscht' ich am liebsten mich todt.
Niemals forsch' ich dir nach und merk' ich ein kleines Geheimniß,
    Schweig' ich, und trügst du mich erst, weiß ich noch Dank dir dafür.
Ja, würd' ich wirklich einmal auf der That dich ergreifen und würd' ich,
    Wie du mir treu bist, mit eigenen Augen nun sehn,
Müßtest du doch, daß richtig ich sah, fest leugnen; beschämt dann
    Schwiegen die Augen und Recht hättest auch dießmal nur du.
Leicht ja besiegst du den, der besiegt sein will, wenn mit dreister
    Zunge das Eine du nur, immer: »Ich that es nicht« sagst.
Da vier Worte nun schon zum Sieger dich machen – so siege!
    Hilft dir dein Recht nicht, so hilft dir doch dein Richter gewiß.

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