Ovid
Elegien der Liebe
Ovid

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10.
Der Brief.

        Keine versteht gleich dir die Haare zu raffen und Keine
    Flicht sie so zierlich. Du zählst nimmer, o Nape, zum Troß
Niedriger Mägde. Gewandt im Dienste der Nacht, der verstohl'nen,
    Schlau und immer voll List Zeichen zu geben bereit,
Drangst du wie oft in Corinna, die zaudernde, mich zu besuchen,
    Hast du wie oft dich getreu mir, dem Verleg'nen, gezeigt.
Nimm denn und bring' deiner Herrin die Tafeln, die früh ich am Morgen
    Liebend schon schrieb – nichts hemmt, wenn du nur willst, deinen Lauf.
Ist doch weder von Stein, noch von Stahl das Herz in der Brust dir,
    Nein, und dein redlicher Sinn adelt den niederen Stand.
Glaublich ist mir's: auch du empfandest den Bogen Cupidos –
    In mir schützest du so eigener Liebe Panier.
Fragt sie nach mir, dann sag': »Er lebt von der Hoffnung der Nacht nur« –
    Alles Andere ist schmeichelnd dem Briefe vertraut.
Doch im Schwatzen entflieht uns die Zeit! Gib am besten die Tafeln
    Ihr, wenn müßig sie ruht; aber sie lese sogleich!
Noch Eins! Achte genau, wenn sie liest, auf die Augen, die Stirn ihr:
    Leicht aus dem schweigenden Blick läßt sich das Kommende schau'n.
Ist sie zu Ende, dann laß sie zurück recht Vieles mir schreiben,
    Ohne Verzug! In den Tod hass' ich halb leer noch das Blatt.
Eng zusammen drum soll sie die Zeilen mir drängen; gern will ich
    Mühsam entziffern ein Wort, steht es am äußersten Rand.
Aber was soll ihr die Hand erst der Griffel ermüden? Ein Wort nur
    Will ich ja lesen im Brief, ach nur ein einziges: »Komm!«
Lorber umkränze die Täflein mir dann, die zum Sieg mir verhalfen,
    Und der Venus geweiht häng' ich im Tempel sie auf,
Mit den Worten: »Euch weiht, da ihr treu euch im Dienste bewährt habt,
    Naso der Venus; noch jüngst ward ihr nur ärmliches Holz.«

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