Ovid
Elegien der Liebe
Ovid

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8.
Die Kupplerin.

        Wer eine Kupplerin jetzt will kennen lernen, dem weiß ich
    Solch ein verruchtes Geschöpf, alt und verwittert und grau.
DipsasDipsas, d. h. die Durstige. ist sie genannt und mit Recht: denn den purpurnen Morgen
    Hat die Hexe – ich weiß – nüchtern noch niemals begrüßt.
Magische Künste versteht sie, ääische Zaubergesänge
    Und nach der Quelle zurück zwingt sie den rauschenden Strom.
Kräuter sammelt sie klug und weiß, was des wirbelnden KreiselsEin Zauberkreisel aus Metall, um welchen beim Absingen magischer Lieder ein wollener Faden gewickelt wurde. Man hoffte damit den halsstarrigen oder treulosen Geliebten in die Wohnung der Liebenden zu locken.
    Faden und was auch das Gift rossiger Stuten vermag.
Wenn sie es will, steigt schwarz und dräuend am Himmel der Sturm auf,
    Will sie, so lächelt die Welt, goldig umflutet vom Tag.
Ja, von Gestirnen sogar sah Blut ich schon träufeln und einstmals
    Färbte sich plötzlich von Blut purpurn die Scheibe des Monds.
Dieß auch glaub' ich, daß Nachts sie zum Vogel sich wandelt und, Federn
    Ueber den runzlichten Leib, klagend das Dunkel durchschwirrt.
Ich, ich glaub' es, auch glaubt es die Menge. Und blitzt doch im Aug' ihr
    Doppelt der Apfel und sprüht doppelte Flammen hervor.
Ahnen und Urahnherrn ruft aus den verfallenen Grüften
    Frech sie empor und ihr Wort spaltet den festesten Grund.
Schamlos schändete schon sie die keuschesten Ehegemächer
    Und ein beredter Sermon fehlte der Schlange noch nie.
Ihr nun machte mich einst Zufall zum Zeugen. Ich lauschte,
    Hinter der Thüre versteckt, wie sie verbrecherisch sprach:
»Weißt du, mein Schatz, daß du gestern im Circus dem reichsten von allen
    Unseren Herrchen den Kopf hast gar gewaltig verdreht?
Stets nur sah er auf dich, denn dir gleicht Keine an Schönheit,
    Die nur – wie jammert mich das! – ganz noch des Schmuckes entbehrt.
Wärst du so reich doch, als schon du die Reizendste bist! O wie gern dir
    Gönnt' ich's und wäre dann selbst wahrlich nicht schlimmer daran.
Feindlich stand nur der Stern des Mars bisher dir entgegen –
    Mars ist fort und nun herrscht Venus mit holdem Gestirn.
Sieh' nur, was sie dir bringt schon im Aufgehn! Reich und verliebt kommt
    Einer und was du nur willst, wirft er verschwendend dir zu.
Aber auch seine Gestalt ist schön wie die deine und dächte
    Er nicht schon selber auf dich, müßtest du denken auf ihn.«
Hier erröthete sie. »Wie ziert doch ein feines Gesichtchen
    Solche Röthe – doch ach, nur die erheuchelte nützt.
Blickst du verschämt in den Schoß mit niedergeschlagenen Augen,
    Siehst du doch gleich, wie viel heut dir der Liebste gebracht.
Freilich hätte zur Zeit des Tatius nimmer ein biedres
    Weib aus Sabinum zugleich mehrere Männer geküßtDie sabinischen Weiber waren wegen ihrer Keuschheit berühmt und werden natürlich deshalb von der Hexe geringschätzig behandelt..
Doch heut klirren nur noch in entlegenen Ländern des Kriegsgotts
    Waffen, im glücklichen Rom herrscht Cytherea allein.
Auf denn, ihr Lieblichen! Keusch ist nur, die Niemand versucht hat:
    Ist sie verständig, so kommt sie dem Versucher zuvor.
Zieh' nur die Stirne nicht kraus, die schimmernde: glaub' es, zu gern nur
    Rechnet man Falten der Stirn gleich zum Verbrechen uns an.
Sieh doch Penelope, die an dem Bogen die Kraft nur der jungen
    Männer geprüft, und wie sehr paßte der Bogen dazu!
Leise gleitet dahin und versteckt die flüchtige Jugend,
    Wie von den Höhen zum Thal flüchtig die Welle sich drängt.
Nur im Gebrauche funkelt das Erz; in der Truhe vermodert
    Endlich das Kleid, und das Haus, welches verwaist ist, zerfällt.
So auch geht dir die Schönheit dahin, wenn du länger noch spröd bist –
    Aber mit Einem und Zwei'n ist es dabei nicht gethan.
Sicherer bleibt's und minder verhaßt, recht Viele zu plündern:
    Vollere Beute gewinnt stets aus der Heerde der Wolf.
Was denn schenkt dir dein Dichter, als trefflich klingende Verse?
    Aber vom Liebsten, mein Kind, forder' ich anderen Klang.
Strahlt nicht selber der Gott der Dichter in goldenem Mantel?
    Und, die melodisch er schlägt, ist nicht die Leier von Gold?
Wer dir gibt, sei größer für dich, als der große Homerus,
    Wahrlich, im Geben liegt, glaube mir, großer Verstand.
Auch nicht verachte mir den, der als Sklave mit Gold sich die Freiheit
    Kaufte – kein Mensch denkt mehr an den bekreideten FußNeu angekommenen, zum Verkaufe ausgebotenen Sklaven bestrich man die Sohle mit Kreide..
Laß durch die Halle auch nicht voll Ahnenbilder dich täuschen –
    Packe die Ahnen nur ein, armer Verliebter, und geh!
Sei auch bescheiden im Preis, so lang du die Netze noch ausspannst,
    Daß sie nicht fliehen; doch dann nimm um so dreister sie her.
Stell' dich nur immer verliebt; das schadet nicht! Mög' er es glauben,
    Daß du für ihn nur schwärmst – doch dann bezahl' er auch baar.
Weigere oft ihm die Nacht; gib vor, du leidest an Kopfschmerz,
    Und für ein anderes Mal biete dir Isis den GrundWährend der Feste der Isis mußten die Frauen sich vom Verkehr mit den Männern fern halten..
Dann nimm wieder ihn auf, daß er nicht sich zu warten gewöhne,
    Daß nicht, zu häufig verschmäht, endlich die Lieb' ihm erschlafft.
Taub für den Bittenden sei dir die Thür, für den Schenkenden offen,
    Und des Verstoßenen Flehn höre der Glückliche drin.
Thu' ihm auch manchmal weh und dann schmoll', als habe ja er dich
    Erst beleidigt – so hebt leicht sich die Schuld durch die Schuld.
Doch nie treibe den Groll du zu weit; denn dauerndes Schmollen
    Hat schon – o glaube – wie oft bittere Feindschaft gebracht.
Weinen auch müssen die Aeuglein dir lernen, geschickt, auf Kommando,
    Daß dir aus mancherlei Grund, willst du's, die Wange sich netzt.
Gilt es, den Liebsten zu täuschen, schwör' falsch! Was liegt an dem Meineid?
    Venus war immer ja noch für die Betrogenen taub.
Richte geschickt den Sklaven dir ab und die pfiffige Sklavin,
    Daß er von ihnen stets hört, was dir zu schenken noch frommt.
Weniges mögen auch sie dann für sich noch erbitten; wird ihnen
    Wenig von Vielen zu Theil, ernten zuletzt sie genug.
Hast du noch Mutter und Schwester und Amme, so laß sie den Vogel
    Rupfen! Wie schnell ist er kahl, regen sich Hände genug.
Gehen die Gründe dir aus, ein Geschenk zu verlangen, so backe
    Rasch einen Kuchen, der klar ihm den Geburtstag bezeugt.
Liebt er zu sicher, so ist das nicht gut; schaff' einen Rivalen –
    Fehlt erst ein jeglicher Streit, schläft auch die Liebe bald ein.
Ueberall soll er im Haus eines Mannes Spuren entdecken
    Und dir von lüsternem Kuß bläuliche Flecken am Hals.
Laß die Geschenke vor Allem du sehn, die der Andere schickte:
    Schenkt er auch dann nichts, so frag' kurz nach dem heiligen WegAuf dem heiligen Weg – via sacra – vom Kolosseum über das Forum zum Kapitol führend, befanden sich eine Unzahl Krämerbuden, in welchen die theuersten Luxusartikel aus allen Theilen der Welt feilgeboten wurden..
Dort such' Vieles dir aus. Dazwischen erbitte dir Manches
    Nur als geliehen, doch gibst du ihm auch das nicht zurück.
Nütze die Zunge! Verbirg dein Herz! Sei schmeichelnd und unwahr!
    Gleiche dem Honig, der auch tödtliche GifteTödtliche Gifte. Schon Xenophon macht die Angabe, daß viele seiner Soldaten krank geworden seien nach dem Genusse von wildem Honig aus den Thälern von Trapezunt. Neuere Beobachtungen bestätigen diese Erscheinung und schreiben sie den schönen, von den Bienen mit Vorliebe ausgesuchten Blüthen des Stechapfels oder auch der Azalea pontica zu. Uebrigens kommt auch in anderen Gegenden, wo viele giftige Pflanzen wachsen, giftiger Honig vor. Vergl. auch die El. 11. oft birgt.
Wenn du die Lehren befolgst, die ein langer Gebrauch mir bewährt hat,
    Wenn das Gesagte dir nicht eitel im Winde verhallt,
Wirst du im Leben noch oft mich segnen und wenn ich gestorben,
    Wirst du beten, daß sanft ruhe mein müdes Gebein. –«
Also war sie noch prächtig im Zug, da verrieth mich mein Schatten,
    Und kaum hielt ich die Hand, hielt ich die Fäuste zurück,
Daß ich ins spärliche Haar ihr nicht fuhr, in die Augen, vom Weine
    Triefend und roth, in das alt häßliche Runzelgesicht.
Mögen die Götter ihr denn ein hilflos Alter bescheeren
    Und sie mit Hunger und Frost strafen und ewigem Durst.

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