Ovid
Elegien der Liebe
Ovid

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6.
Klage über ungegründete Eifersucht.

        Nur zu Klagen denn soll ich immer von neuem dir dienen?
    Bin ich im Recht auch, verdrießt doch mich der ewige Streit.
Schau' ich einmal nach der oberen Reihe des Marmortheaters,
    Suchst du gleich Eine dir aus, der dann zu Liebe du schmähst.
Sieht unschuldig ein Mädchen mich an mit ruhigem Auge,
    Heimliche Zeichen sogleich merkst du im schweigenden Blick.
Lob' ich Eine, so fährst du mir Aermsten sogleich in die Haare,
    Tadl' ich Eine, sofort spürst du den Heuchler heraus.
Seh' ich munter darein, so schiltst du mich kalt und gefühllos,
    Seufz' ich, in andere Frauen nennst du zum Tod mich verliebt.
Wär' ich doch wirklich einmal einer Schuld mir bewußt! Denn es trägt sich
    Leichter die Strafe ja doch, die man in Wahrheit verdient.
Doch leichtfertig nur klagst du mich an, glaubst Alles und Jedes
    Und raubst jedes Gewicht also dem eigenen Zorn.
Sieh doch das Unglückskind, dort den Esel! Wie schreitet der Langohr,
    Ewig von Schlägen bestürmt, langsam und träge einher!
Heut' denn ein neues Vergehn! Die so reizend dich schmücket, Kypassis,
    Hat, wie o Herrin du meinst, frech dir das Lager entweiht.
Helft mir, ihr Götter! Wenn je mich die Lust anwandelt zu fehlen,
    Nicht aus so niedrigem Stand wähl' ich die Liebste mir aus.
Welcher Freie denn möchte der Sklavin sich liebend ergeben,
    Zärtlich den Nacken umfahn, den auch die Geißel wohl trifft?
Ferner bedenke: ihr Amt ist ja, dich, ist, das Haar dir zu schmücken,
    Dir durch ihr selt'nes Geschick ist sie als Dienerin werth.
Sollt' ich nun wirklich die Sklavin, die treu dir ergeb'ne, versuchen?
    Käme zum niedlichen Korb nicht auch noch schnöd' der Verrath?
Nein, bei der Venus und bei dem Geschoß des geflügelten Knaben,
    Schuldlos bin ich, ich schwör's, nichtig nur klagst du mich an.

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