Ovid
Elegien der Liebe
Ovid

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2.
Dem Thürhüter Bagous.

        Du, mit dem Amte betraut, deine Herrin zu hüten, Bagous,
    Weniges muß ich dir nur sagen, doch Wichtiges – komm!
Gestern erblickt' ich ein reizendes Weib, lustwandelnd in jenem
    Portikus, der uns im Bild zeiget des Danaus FraunDie Bildsäulen der Töchter des Danaus waren in dem Säulengang des von Augustus auf dem Palatin erbauten Apollo-Tempels aufgestellt..
Sie nun zu sehen, zu lieben und gleich ihr zu schreiben, war Eines;
    Aber mit zitternder Hand schrieb sie: »Ich kann nicht« zurück.
Als ich dann fragte, warum sie nicht könne, gestand sie mir offen,
    Durch deine alberne Wacht seist du ihr gründlich zur Last.
Bist du vernünftig, hör' auf, noch weiter verhaßt dich zu machen;
    Glaub' mir: dem Peiniger wünscht stets man den Tod an den Hals.
Ja, auch ihr Mann ist nicht klug: denn was müht er sich, ängstlich zu hüten,
    Was doch in Schönheit besteht, auch wenn der Hüter ihm fehlt.
Er ist aus Liebe ein Narr! So treib' er's denn, wie er nur Lust hat,
    Mög' er denn glauben, es sei keusch, was so Vielen gefällt.
Doch dienstfertig gewähr' du der Herrin verstohlene Freiheit;
    Dankend dann gibt sie auch dir einstens die Freiheit zurück.
Sei ihr Vertrauter! Dann ist deine Sklavin, o Sklave, die Herrin –
    Scheust du Vertrauter zu sein, stelle dich blind denn, sei taub!
Lieset sie Briefe für sich, so denke: die schrieb ihr die Mutter;
    Kommt ein dir Fremder ins Haus, laß als Bekannten ihn gehn.
Will sie die leidende Freundin besuchen (sie denkt nicht ans Kranksein!)
    Weißt du nicht anders, als: krank ist ihr die Freundin, ja krank.
Säumt sie zu lange im Haus, nicht laß dich das Warten ermüden,
    Stütze dein Haupt auf den Schoß, schnarche so viel du nur magst.
Geht sie zum Tempel der IsisDie Tempel der Isis wurden von Verliebten mit Vorliebe zu Zusammenkünften gewählt, denen man nicht viel Gutes nacherzählte. – Linnentragend: weil die Priester der Göttin in leinenen Kleidern gingen., der linnentragenden, laß sie
    Thun dort, was immer, und forsch' auch im Theater nicht nach.
Tausendfach erntet den Lohn der Vertraute der That und was wäre
    Leichtere Mühe, als die, treu und verschwiegen zu sein?
Er nur gefällt, er regieret das Haus, nichts weiß er von Schlägen,
    Mächtig ist er und vor ihm liegen die Andern im Staub.
Sie, um den wirklichen Grund von dem Allen zu bergen, ersinnt dann
    Lustig ein Märchen, auf das richtig der Tölpel auch schwört.
Wie? Oder zieht er mir gar ein Gesicht und runzelt die Stirne?
    Ach, vor der reizenden Frau beugt er zuletzt sich ja doch.
Freilich, auch dich manchmal wird schelten die Herrin: »Du quälst sie,«
    Ruft sie, »zu Tod noch« und weint über dich, Henker, zum Schein.
Halt' du ihr Dinge dann vor, die sie spielend vermag zu entkräften,
    Dann um so weniger ahnt Einer die wirkliche Schuld.
Dann wird die Ehre, dann wird das Vermögen anwachsen dir haushoch,
    Dann wirst – folge mir nur – sicher in Kurzem du frei.
Siehst du, wie Ketten den Hals spionirender Schwätzer umschlingen
    Und wie mit schmutziger Haft man die Verräther bestraft?
Tantalus lechzet im Wasser nach Wasser und hascht nach dem Apfel,
    Der sich ihm ewig entzieht, weil zu geschwätzig er war.
Weil der junonische Wächter zu eifrig die Io behütet,
    Starb er zu früh auchArgus durch Hermes.; doch sie ward zu den Göttern erhöht.
Manchen schon sah ich, das Bein zerschunden vom Drucke der Ketten,
    Nur weil zu kennen der Frau Schande den Gatten er zwang.
Noch zu gering war die Strafe: der Lästerer schadete beiden,
    Ihm, der in Gram sich begrub, ihr, die die Ehre verlor.
Glaube: kein Mann hört gern Anklagen wider die Gattin;
    Keinem auch, der sie gehört, haben sie Gutes gebracht.
Fehlt's ihm an Liebe, so predigst auch du ihm vergeblich, er hört nicht;
    Liebt er noch immer, so macht elend dein Eifer ihn nur.
Auch wird die Schuld nicht so leicht, wenn schon handgreiflich, erwiesen,
    Da durch des Richtenden Gunst leicht die Beklagte sich schützt.
Hat er auch selbst es gesehn, so glaubt er ihr doch, wenn sie leugnet,
    Schilt seine Augen und schwätzt selber ein Märchen sich vor.
Weint dann das Weibchen noch gar, so zerfließt er dir selbst mit in Thränen
    Und ruft grimmig: »er soll büßen sein wüstes Geschwätz!«
Welch ein thörichter Kampf! Du verlierst und dann sind dir die Schläge
    Sicher – die Schuldige sitzt lächelnd dem Richter im Schoß.
Endlich bedenke: nicht Mord, nicht Todschlag sinnen wir, Gift nicht
    Wollen wir mischen, nicht blitzt uns in den Händen der Dolch.
Lieben nur wollen wir uns, durch dich nur sicher uns lieben –
    Kann denn irgend ein Wunsch zarter, bescheidener sein?

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