Ovid
Elegien der Liebe
Ovid

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11.
Der Ring.

        Ring, der du bald schon den Finger des reizendsten Mädchens umschließest,
    Dessen alleiniger Werth Liebe des Gebers nur ist,
Geh, mein Geschenk, und sei ihr genehm! Und möge sie freundlich
    Dich empfangen und gleich über den Finger dich ziehn.
Sei ihr so passend, als ich und sie selber einander uns passen,
    Und fest schließend umgib ihr doch den Finger bequem.
Glücklicher du! Dich wird nun die lieblichste Herrin befühlen,
    Und so beneid' ich bereits, Armer, mein eignes Geschenk.
Wär' ich zum Ringe doch plötzlich verwandelt! Besäß' ich doch Proteus'
    Zaubergewalt und die Kunst, wie sie einst Circe geübt.
Käm' es ihr just dann bei, in den Bausch des Gewandes zu greifen,
    Daß mit der Linken sie leicht rührte die schwellende Brust,
Rasch dann glitt' ich vom Finger, so eng ich auch sonst ihn umschlösse,
    Schlüpfte mit seltener Kunst ihr in den Busen hinab.
So auch, daß ich zum Siegeln der heimlichen Briefchen ihr taugte
    Und nicht am trockenen Stein hafte das klebrige Wachs,
Würd' ich zuerst ihr die schönen befeuchteten Lippen berühren –
    Doch bleibt, Briefe, dann fern, die nur mich kränkend sie schrieb.
Dächte sie Nachts, mich im Kästchen zu bergen, so würd' ich nicht abgehn
    Und nur in engerem Kreis drängend den Finger umfahn.
Nie auch, Süßeste, würd' ich zur Schande dir sein und es wäre
    Nie mein bescheid'nes Gewicht dir an dem Finger zur Last.
Trage mich, wenn dir die Glieder umrauscht das laulichte Sturzbad,
    Duld' es, wenn unter den Stein strömend das Wasser sich drängt.
Aber erblick' ich dich nackt, dann, glaub' ich, schwell' ich vor Wollust
    Und wenn gleich nur ein Ring, üb' ich die Rechte des Manns.
Welch ein vergeblicher Wunsch! Zieh hin denn, kleines Geschenk, du!
    Sag' ihr, wie innig und treu, der dich ihr sendet, sie liebt.

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