Ovid
Elegien der Liebe
Ovid

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4.
Der Ungetreuen.

        Fort mit den Pfeilen, Cupido! Das hat keine Liebe verdient noch,
    Daß man so oft und so heiß wünschte zu sterben darum.
Dennoch ist Sterben mein Wunsch, wann immer ich deiner gedenke,
    Mädchen, geboren mir, ach, nur zu beständigem Leid.
Nicht ein Brief, der zur Hand mir kam, hat dich, Falsche, verrathen,
    Nicht ein geheimes Geschenk hat deine Schuld mir bezeugt.
Wär' mein Beweis doch so nichtig! Gern gäb' ich die Klage verloren!
    Wehe mir Armen! Warum bin ich so sehr auch im Recht!
Glücklich ist, der die Geliebte auch offen vertheidigen kann und
    Dem sie zu sagen nur braucht: »Bester, ich hab's nicht gethan.«
Eisern aber ist der und im Grimm nicht seiner mehr mächtig,
    Der sich nach blutigem Sieg über die Schuldige sehnt.
Sah ich's mit nüchternem Aug' doch, ich Armer (du glaubtest mich schlafend),
    Was ihr beim funkelnden Wein frech und verbrecherisch triebt;
Wie ihr so Vieles euch sagtet, die Brauen bedeutsam bewegend,
    Wie ihr die Worte beredt legtet in Zeichen und Wink.
Laut auch sprachen die Augen, es sprach selbst der Tisch, den mit Wein ihr
    Fleißig beschriebtMan wird sich an dieser Stelle unschwer der berühmten 15. römischen Elegie Goethes erinnern, in der es heißt:
Wein floß über den Tisch und sie mit zierlichem Finger
    Zog aus dem hölzernen Blatt Kreise der Feuchtigkeit hin.
Meinen Namen verschlang sie dem ihrigen, immer begierig
    Schaut' ich dem Fingerchen nach und sie bemerkte mich wohl.
Endlich zog sie behende das Zeichen der römischen Fünfe
   Und ein Strichlein davor. Schnell, und sobald ich's gesehn,
Schlang sie Kreise durch Kreise, die Lettern und Ziffern zu löschen u. s. w.

Ovid und Goethe! Die Situation war für die beiden Dichter eine ähnliche und doch grundverschiedene und zwar sehr zum Schaden des armen Ovid; aber die Liebeskunst der Römerinnen – sagen wir lieber: der Frauen – war, wie diese Parallele zeigt, vor zweitausend Jahren schon ebenso ausgebildet und aufs Verschlagene hin gerichtet, wie heute.

, und ich sah Lettern, vom Finger gemalt.
Und so verstand ich gar wohl das Gesagte, so fein es gesagt war,
    Und den heimlichen Sinn, der durch die Worte sich zog.
Spät schon war es; vom Tisch war mancher der Gäste gegangen,
    Bacchus auch hatte bereits Manchen in Schlummer gesenkt.
Da nun küßtet ihr euch, ihr Frechen; ich sah seine Lippen,
    Rückwärts gebogen dein Haupt, fest auf die deinen gepreßt.
Nicht wie Schwestern voll Liebe den Bruder, den ernsteren, küssen,
    Nein, wie den buhlenden Mann glühend die Liebste umschlingt;
Nicht wie die keusche Diana den leuchtenden Jüngling Apollo,
    Aber wie Venus den Mars sicher recht häufig geküßt.
»Halt,« aufschrie ich, »was thust du? Wem opferst du Freuden, die mein sind?
    Ich bin der Herr und die Hand leg' ich auf meinen Besitz.
Dieß ist gemeinsames Gut, ist mein so gut wie es dein ist,
    Und kein Dritter fürwahr dränge sich frevelnd hier ein.«
Also sprach ich und was der Schmerz sonst weiter mir eingab;
    Aber der Sünderin trat purpurn die Scham ins Gesicht.
So wie der Himmel erglüht, von Auroras Strahlen getroffen,
    Oder die Braut, die scheu ihren Verlobten umarmt.
So wie die Rosen erglühn unter Lilien, oder wie Lunas
    Flammendes Zaubergespann steigt in den Aether empor;
Oder wie Elfenbein, das, eh' mit der Zeit es vergelbe,
    Eine mäonische Frau sorglich mit Purpur gefärbt.
Ganz so oder doch einer der Farben höchst ähnlich, so stand sie
    Und ich hatte noch nie, nie noch sie schöner gesehn.
Erdwärts schlug sie den Blick – wie bezaubernd, voll Reue und Anstand!
    Schmerz umfloß sie – wie sehr hat doch der Schmerz sie verschönt!
Lieblich umwallten ihr zartes Gesicht die geringelten Locken –
    Locken und Wangen – und doch hob ich nach euch schon die Hand.
Doch als ins Antlitz ich sah der so Holden, da sanken die Arme
    Und mit der eigenen Wehr hatte sie gut sich beschützt.
Ich, noch eben ergrimmt, ich kam demüthig und flehte:
    »Gib nur, Beste, o gib schlechtere Küsse nicht mir!«
Und sie lachte und gab mir von Herzen die besten; für solche
    Gäbe der zornige Zeus selbst seine Blitze dahin.
Doch jetzt quält mich die Angst, es habe auch jener so süße
    Küsse empfangen; ich will, will es nicht haben, beim Zeus!
Denn viel besser als selbst ich sie lehrte, waren die Küsse
    Und was Neues, so schien's, habe dazu sie gelernt.
Daß sie zu sehr mir gefielen, ist schlimm, auch, daß deine Lippen
    Ganz in den meinen und ganz meine in deinen geruht.
Doch nicht beklag' ich die Küsse allein, die so zärtlich du küßtest,
    Wenn ich auch klage, daß du also zu küssen gelernt:
Nein, doch Küsse wie die, die lernen im Schoß nur der Nacht sich –
    Wer denn als Lehrer empfing, sage, so köstlichen Lohn?

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