Ovid
Elegien der Liebe
Ovid

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5.
Auf den Tod des Papageis.

        Todt ist mein Papagei, der Tausendkünstler aus Indien –
    Kommt, ihr Vögel, gesammt, gebt ihm das Todtengeleit.
Folgt ihm, zärtliche Segler, und schlagt euch die Brust mit den Flügeln,
    Kratzt euch das zarte Gesicht wund mit den spitzigen Klaun.
Rauft statt des Haars voll Trauer die Federn euch aus, die gesträubten,
    Und statt der Tuba erhebt schmetternd den Klagegesang.
Warum, o Nachtigal, klagst du noch stets um den Frevel des TereusTereus, König von Thracien, schändete seine Schwägerin Philomele und schnitt ihr, daß sie nichts verriethe, die Zunge aus. Zur Rache tödtete seine Gattin Prokne ihren eigenen Sohn Itys und setzte ihn dem Vater zum Mahle vor. Als er gegessen, erschien Philomele und warf ihm den Kopf des Itys vor die Füße. Tereus griff nach dem Schwert, ward aber in einen Wiedehopf, Prokne in eine Schwalbe und Philomele in eine Nachtigal verwandelt.?
    Längst ja schon hast du die Pflicht schmerzlicher Trauer erfüllt.
Itys ward triftig beweint, doch das ist nun verjährt; um den selt'nen
    Vogel klage du nun, den hier der Tod uns entriß.
Klaget ihr Alle, die ihr euch wiegt in dem flüssigen Aether;
    Turteltaube, doch du klage zumeist um den Freund.
Denn das Leben verrann euch ganz voll glücklicher Eintracht,
    Freundschaft verband euch und ihr bliebt bis ans Ende euch treu.
Was dem Orest einst Pylades war, das war, Papagei, die
    Turteltaube auch dir, bis euch die Parze nun schied.
Doch was half dir die Treue, die blendende Schönheit, und was die
    Stimme, die wunderbegabt Töne zu bilden verstand?
Was auch half dir's, daß ihr du geschenkt, der Geliebten gefielest?
    Krone der Vögel, du liegst arm nun und elend und todt.
Selber der grüne Smaragd erblich vor deinem Gefieder,
    Stolz wie mit punischem Roth war dir der Schnabel gefärbt.
Täuschender ahmte noch nie ein Vogel die Stimme wie du nach
    Und gab schnarrenden Lauts besser die Worte zurück.
Neid nur raffte dich hin. Nicht lärmende Kriege begannst du –
    Schwatzhaft warst du; doch sonst liebtest du Frieden und Ruh'!
Sieh, wie in ewigem Kriege die Wachteln doch leben; vielleicht nur
    Macht sie der ewige Streit alt, wie die zänkischen Fraun.
Mit gar Wenigem nahmst du vorlieb; du schwätztest so gerne,
    Daß nicht zum Essen einmal Zeit dir vom Schwätzen noch blieb.
Nüsse nur waren dein Mahl und Mohn, dich in Schlummer zu wiegen,
    Und ein bescheidener Trunk Wasser genügte dem Durst.
Doch noch lebt der gefräßige Geyer, noch kreist durch die Lüfte
    Hoch der Falke, noch ruft krächzend die Dohle dem Sturm.
Auch die Krähe, der Pallas verhaßt, der gerüsteten, lebt noch,
    Neun Jahrhunderte kaum bringen ihr endlich den Tod.
Doch, Papagei, du starbst, du beredter, der menschlichen Stimme
    Echo, vom Ende der Welt einst zum Geschenk mir gesandt.
Greift nach dem Besten doch stets mit gierigen Händen der Orkus,
    Während nur langsam die Zeit sich an dem Schlechten erfüllt.
ProtesilausProtesilaus, der erste der Griechen, der vor Troja fiel. auch fiel als der Erste, doch lebte Thersites;
    Hektor auch fiel, doch noch lang lebten die Brüder ihm fort.
Zähl' ich die frommen Gelübde noch auf, die zitternd für dich die
    Liebste gethan? Ach, der Wind führte sie alle ins Meer.
Und so kam uns der siebente Tag, ihm folgte kein achter:
    Leer war dein Rocken, schon ließ sinken die Parze die Hand.
Dennoch erstarrte noch nicht dir das Wort im ermattenden Gaumen
    Und mit ersterbendem Mund riefst du: »Corinna, leb' wohl!«
Nah' an Elysiums Höhn ragt dunkelblättrig ein Eichwald,
    Von nie welkendem Gras grünt das bewässerte Land.
Täuschen die Fabeln uns nicht, so ist hier der Ort für die frommen
    Vögel, dem wilden Gezücht ist nicht zu nahen erlaubt.
Hier nun weiden die Schwäne, die unschuldvollen; es weidet
    Hier der Phönix, der stets Einzige, jugendlich schön.
Hier zum glänzenden Rad aufschlägt sein Gefieder der Juno
    Vogel und schnäbelnd umgirrt Tauber und Taube sich hier.
Hier in den Hain nun tritt auch der Papagei und gar bald schon
    Seinem verständigen Wort lauscht die gefiederte Schaar.
Seine Gebeine bedeckt nur ein Hügel, so klein wie er selbst war,
    Klein ist der Stein auch und klein ist auch der Spruch, den er trägt:
»Hier mein Grabmal beweist, wie sehr ich der Herrin gefallen,
    Ich, zum Sprechen begabt, wie noch kein Vogel es war.«

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