Charlotte Niese
Kajus Rungholt
Charlotte Niese

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XIII.

»Nein, ihr Herren, mit dem Obersten Buchwald in Kolding zu liegen, das war kein Spaß! Alle Tage Plänkeleien mit den schwedischen Reitern, deren täglich mehr wurden, schlechte Quartiere und nichts zu beißen für Mann und Pferd; dazu war's bitterlich kalt, und daß mir nicht Nase und Ohren abgefroren, ist ein halbes Wunder! Als endlich der Schwedenoberst Douglas kam, mit dreimal so viel Reiterei als wir selbst hatten, da fluchte der alte Buchwald, daß uns alle eine Gänsehaut überlief, und wir setzten nach Fünen über!«

»Du berichtest uns eben nichts Besonderes, Henning Brockdorff!« rief eine Stimme. »Daß ihr vor den Schweden davongelaufen seid, ist schlimm genug. Was wollte Buchwald auch mit seiner Handvoll Reiter ihnen zuerst standhalten!«

»Gemach, gemach!« lachte der holsteinische Junker. »Hüte deine Zunge, Junker Krogh, daß sie nicht mit dir durchgehe, und wenn du meinen Bericht nicht länger hören magst, so geh ins Schloß und kose mit 132 den Jungfräulein, denen jetzt manch treuer Ritter fehlt. Willst du aber mein Abenteuer bis zu Ende hören, darfst du mich nicht unterbrechen.«

Ein milder Juniabend senkte sich auf den rosendurchdufteten Park des Rosenburger Schlosses. Im verglimmenden Abendrot lag der zierliche Bau, dessen ziegelfarbene Mauern wie Feuer glühten, während die Sandsteinlöwen vor der herabgelassenen Zugbrücke zornig und drohend den Eingang zu König Christians Lieblingsaufenthalt zu verwehren schienen. Aber niemand dachte daran, die Löwen großer Aufmerksamkeit zu würdigen. An den Sockel des einen gelehnt, stand Henning Brockdorff, der, seinem Äußern nach zu schließen, soeben von einer Reise gekommen zu sein schien, und um ihn herum saßen einige Kavaliere auf den schmalen Steinbänken, die unter den Rosenhecken des Eingangs aufgestellt waren.

Von den Herren sah keiner noch so aus, wie am Ende des Jahres 1643. Verbrannt waren die vor sechs Monaten weichen, rosigen Wangen, und hier und dort zeigte eine flammendrote Narbe, daß ihr Eigentümer vor nicht langer Zeit Bekanntschaft mit den Säbeln der Schweden gemacht hatte. Gosche Krogh trug den linken Arm in der Binde, und Kajus Rungholt, der am äußersten Ende der Bank saß und gedankenvoll mit einer weißen Rose spielte, hatte ein weißes Tuch um den dunklen Kopf geschlungen. Henning Brockdorff schien der einzige zu sein, der unblessiert heimgekommen war, und dieser Umstand mußte ihm nicht angenehm sein, denn er fuhr jetzt eilig fort:

»Kann mir schon denken, daß ihr meint, der 133 Henning Brockdorff habe sich vor den Kugeln der Schweden fortgemacht, weil ich keine Schramme davontrug; aber Kajus Rungholt, den ich in Fünen traf und der mich lange Zeit nicht verließ, kann mir bezeugen, daß ich den Buben nahe genug auf den Leib gerückt bin. Zum Kugelfutter scheine ich nicht gut genug!«

»Wirst dir wohl einen Kugelsegen verschafft haben!« rief ein anderer Junker lachend, aber der dicke kleine Holsteiner schüttelte ernsthaft den Kopf.

»Bin ein ehrlicher Christ und lasse mich nicht auf teuflisch Zauberwerk ein!«

»Erzähl uns doch, wie es auf Fünen war!« sagte der Junker Krogh ungeduldig, und Brockdorff nickte ihm lustig zu.

»Ja, ja, nun spitzt die Ohren, ihr böses Volk, und wenn ich auch nicht, wie ihr, in Norwegen und Schonen gewesen und mein Blut dort gelassen habe, so bin ich doch mit meinem Werk ganz zufrieden. – In Fünen war's langweilige Arbeit, ihr Kinder, wenn es auch schön von uns war, daß wir den Torstenson nicht auf die Insel kommen ließen; aber immer am Wasser stehen und in die Ferne gucken, ob der Feind nicht erscheint, das ist ein langweilig Stück Arbeit, und bald sehnte ich mich nach einer rechtschaffenen Schlägerei mit den Schweden. Als der Oberst merkte, daß ich ungeduldig wurde, hat er mich rufen lassen, mir ein flinkes Segelboot gezeigt und gesagt: ›Wenn Ihr mit diesem Ding ein wenig an die schleswigsche Küste fahren und nachsehen wollt, wie den Schweden unsere Heimat gefällt, so will ich Euch vier Wochen Urlaub geben, damit Ihr Muße 134 findet, das auszukundschaften, was Euch zu wissen nützlich sein könnte. Sollte Euch aber unterwegs ein Unglück zustoßen, so möge Euch der Teufel holen!‹

»Nun, Ihr könnt denken, wie froh ich war, vollends als der Junker Rungholt den Obersten bat, mit mir fahren zu dürfen. Auch ihm war's langweilig geworden, jeden Tag nur einige Schweden aus der Ferne zu betrachten und sein Pulver nutzlos zu verschießen.

»Herr Buchwald war's zufrieden, denn er liebt kühne Abenteuer und wäre wohl selbst mit uns gefahren, wenn er gedurft hätte. Nur einen Ruderknecht nahmen wir mit und machten unsere Sache so gut, daß, nachdem wir mit Gegenwind ausgefahren waren, vier Tage später unser Schifflein in den Eckernförder Hafen einlief. Diesen Platz hatte ich mir erwählt, weil dort ein Edelhof liegt, auf dem einer meiner Vettern haust. Es war eine dunkle, stürmische Frühlingsnacht, und langsam glitt unser Boot an der Küste entlang, während wir vorsichtig nach allen Seiten spähten. Doch den Schweden waren die warmen Betten lieber als der kalte Strand: kein einzig Mal wurden wir angerufen, und ungefährdet gelangten wir durch eine schmale Straße von der See in das große Gewässer, das das Windebyer Meer genannt wird. Als der Morgen graute, lag das Schifflein hübsch versteckt unter alten Weiden, nicht weit vom Windebyer Herrenhause. Mein Vetter machte Augen, als er mich am nächsten Morgen sah, doch war seine Freude nicht groß, da er das Haus voll schwedischer Herren hatte. Zwar wies er uns ein verborgenes Kämmerlein in seinem Kuhstall an, versorgte uns auch reichlich mit Speise und Trank, redete uns aber bald aufs 135 eindringlichste zu, wieder unser Schiff zu besteigen und heimwärts zu fahren, weil der Feind uns leicht finden und alsdann sehr übel mit uns verfahren würde. Aber weder mein Freund Kajus noch ich verspürten Lust, ohne ein Abenteuer wieder nach Fünen zu gehen, und wir sind, nachdem wir dem vorsichtigen Vetter die Sorge für unser Boot aufgetragen, mit einem Lastwagen, der nach Rendsburg Korn brachte, quer durchs Land gefahren. Eine halbe Stunde vor der Stadt sprangen wir vom Wagen und haben uns dann zwei Tage und zwei Nächte auf der trostlosen Heide umhergetrieben, und hätte mein Vetter uns nicht einige Würste in unsern Ledersack gesteckt, wir wären gezwungen gewesen, die armen Heidebauern ihrer elenden Speise zu berauben.

»Endlich gingen wir über die Eider nach Dithmarschen. Doch auch hier war alles voll Schweden, und nur der Treue meiner Landsleute verdanken wir, daß wir unser Leben in Scheunen und Heuschobern armselig fristeten, bis wir endlich nach Glückstadt gelangten, das der Feind bis jetzt nicht hat nehmen können. Die Dänen dort haben aber sich fast entsetzt, als wir drei, Kajus, der Ruderknecht und ich, uns zu erkennen gaben; und wir sahen auch bös aus, denn unsere Kleider waren zerrissen, Bart und Haare wuchsen wild und wir aßen wie die Wölfe. Ihr könnt euch denken, daß der Besatzung gleichfalls nicht gut zumut war, da der Feind ringsum lag und sie nur durchs Wasser frische Zufuhr und Nachricht erhielten. Aber sie nahm uns mit Freuden auf, und einen Tag wurden wir gehätschelt, als wären wir königliche Prinzen. Dann aber verspürten wir selbst keine Lust mehr, 136 unserm Herrgott die Zeit totzuschlagen, und weil wir auf unserer beschwerlichen Reise allerhand von den Räubern, die unser Land zerstören, erfuhren, so faßten wir einen Plan, der auch gern und fröhlich von den andern Genossen akzeptiert wurde.«

Der Sprecher holte einen Augenblick tief Atem.

»Tod und Teufel!« rief er dann; »ich bin kein Pfarrer, der das Reden gewohnt ist. Wollt ihr weiter hören, so verschafft mir einen kühlen Trunk, sonst mögt ihr euch nach einem andern umsehen, der euch die Geschichte weitererzählt. Kajus Rungholt könnte sie wohl auch berichten, weil er dabei war; aber er ist so verliebten Sinnes, daß er keinen ganzen Satz mehr zu Ende spricht.«

Der so Herausgeforderte erhob sich lachend.

»Hüte dich, Junker,« rief er scherzend, »daß ich dir deinen Bericht nicht vorweg nehme! Mache ich auch nicht so schöne Worte wie du, kann ich doch reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Also, ihr Gesellen, paßt auf!«

Er machte eine Bewegung, als wolle er weitersprechen; aber der kleine dicke Junker stürzte eilig auf ihn zu.

»Das wirst du mir nicht antun, Kajus!« rief er halb ängstlich, während die andern Herren laut lachten. »Hast du nicht gelobt,« setzte er bittend hinzu, »mir die Erzählung zu überlassen, da doch niemand wie ich so gut zu sprechen versteht?«

»Nun gut,« lachte Kajus, sich wieder setzend, »ich will kein Wörtlein mehr sagen, aber auch du mußt nicht nach kühlem Labetrunk verlangen, ehe du deine Aufgabe gelöst hast!«

137 Noch einige Scherzreden flogen hin und her, bis Henning seinen Bericht fortsetzen konnte.

»Mir scheint, daß ihr über mich spottet,« fuhr Brockdorff fort, »doch will ich euch nur sagen, daß euch jedes Lachen schlecht ansteht, denn ich bin ein ehrenwerter Junker, der seinen Degen zu führen versteht. Das haben die Schweden erfahren, als wir sie besuchten. Denn besucht haben wir sie, und das wollte ich euch gerade erzählen. Ein Mann aus Itzehoe berichtete Kajus und mir, wie sorglos die Schweden dort lebten, daß sie kaum die Wache bezögen, und daß ihr Kommandant nach Rendsburg gereist wäre. Als wir dies dem Hauptmann in Glückstadt mitteilten, ist er mit seinen Leuten und der Besatzung von Krempe, zusammen wohl an achthundert Mann, in einer dunklen Nacht bis vor Itzehoe gezogen und hat sich dort in einen Hinterhalt gelegt. Kajus, ich, vier andere Herren und einige Soldaten, wir haben uns schön ausstaffiert, zogen über unsere Koller bunte Frauenröcke und dicke Tücher, verhüllten uns den Kopf mit großen Mützen und sahen aus wie die Hexen, denen der Feuertod gebührt. Als der Morgen graute, hielten wir auf zwei Wagen vor dem Stadttore und begehrten Einlaß, um Kohl und Rüben, deren wir eine große Menge um uns gepackt hatten, zu verkaufen. Ich mußte im ersten Wagen sitzen, weil mein Gesicht ganz glatt war; mein Bärtlein war mir natürlich abgeschnitten; und wie ich nun mit sanfter Stimme den schwedischen Wächter bat, uns das Tor zu öffnen, ward dieser ganz weichmütig, schlang den Arm um mich und gab mir einen Kuß. Da wir noch nicht in der Stadt waren, so mögt ihr denken, daß mein Herz wie das eines 138 Mägdleins pochte, und in meiner Angst habe ich dem Schweden einen herzhaften Kuß wiedergegeben, ohne zu bedenken, daß ein sittsames Weib dieses wohl schwerlich tun würde. Aber mein Svenske war sehr zufrieden, nickte mir noch einmal freundlich zu und hat beide Torflügel so weit geöffnet, daß wir bequem in die Stadt einfahren konnten. Es geschah nun wie verabredet: der Wagen, auf dem Kajus saß, fuhr sich fest am Torflügel, so daß nicht geschlossen werden konnte, und wie nun die Wächter fluchend am Rad zogen, achteten sie nicht der Leute, die sich neben dem Gefährt in die Stadt drängten. Ehe sie sich versahen, waren fünfzig Dänen und darüber in der Stadt, so daß die Soldaten von der Wache gefesselt werden konnten, ehe daß ihre Kameraden in den Häusern davon aufwachten. Nur einer machte ein großes Geschrei, es war der Mann, der mir einen Kuß gab, und wenn es mir auch bitter leid tat, so habe ich ihm doch meinen Degen in den Hals gestoßen, daß er hinfüro keinen holsteinischen Junker mehr umarmen wird. Endlich gab's einen großen Lärm in den Gassen, und die Schweden, nachdem sie gewahr wurden, wer sie zu besuchen kam, wehrten sich wie die Löwen, und mancher von den Unsrigen mußte sein Leben lassen. Dem Junker Rungholt hieb ein Fähnrich fast das rechte Ohr ab, und viele seiner dicken schwarzen Haare hat Kajus lassen müssen; aber endlich ist der Sieg doch unser geblieben: zweihundert Schweden, sowie viele reiche Beute sind in unsere Hände gefallen. Unzählig aber sind die Toten, die die Schweden verloren, und Torstenson soll vor Wut geschäumt haben, als man ihm die Kunde brachte.«

139 »Dann ist also Itzehoe jetzt unser!« rief Gosche Krogh, und Junker Henning lachte triumphierend.

»Es hat dänische Besatzung, und Seine Majestät ist hocherfreut gewesen über unsern Streich, hat den Wedel zu uns gesandt, der uns beiden, dem Kajus und mir, ein goldenes Gnadenkettlein überbrachte, so daß wir hoch und heilig geschworen, noch mehr solcher Gnadenzeichen zu verdienen.«

»Schändlich, daß ich nicht mit dabei war!« rief jetzt ein Junker, und alle andern stimmten lachend in dieses Bedauern ein. Doch schüttelten sie beiden Abenteurern beglückwünschend die Hände und sprachen ihre Verwunderung aus, daß Kajus Rungholt bereits einen Tag auf Rosenburg wäre, ohne von seinem Erlebnis ein Wort zu berichten. Alle wichtigen Nachrichten gingen jetzt nämlich nicht nach Seeland, sondern folgten dem Könige, der in der Nordsee mit seiner Flotte kreuzte. Daher kam es, daß kein Bote den Junkern zuvorgekommen war.

»Kajus gelobte mir, zu schweigen!« entgegnete Brockdorff jetzt auf das Erstaunen seiner Genossen. »Und endlich müßt ihr bedenken, daß er in heißer Liebe zu Jungfrau Gude entbrannt ist. Vor dem Glanz ihrer Augen verbleicht selbst unser Ruhm. Aber laßt mich euch nun berichten, wie wir wieder hierherkamen.«

Doch die jungen Herren schienen nicht sehr begierig, die persönlichen Erlebnisse des Junkers zu erfahren. Die Einnahme von Itzehoe regte sie lebhaft auf, und ein Streit entspann sich über die Lage und die Befestigung dieser Stadt. Während Brockdorff noch einige Erklärungen gab, schritt Kajus unbemerkt davon, über die Zugbrücke dem Schlosse zu.

140 Die Sonne war ganz untergegangen, und ein leichtes Halbdunkel hatte noch nicht jenem klaren Himmel Platz gemacht, der den nordischen Sommernächten den eigenen Reiz verleiht; eine geheimnisvolle Ruhe lag über dem Garten mit seinen weißen Marmorfiguren, kaum unterbrochen durch das Rauschen der Bäume, das Flattern eines schlaftrunkenen Vögelchens. In den Rosenbüschen dicht am Schloßportal begann eine Nachtigall zu schlagen, und einen Augenblick blieb Kajus stehen, den süßen Tönen zu lauschen. Ihm war nicht fröhlich zumute wie dem Genossen, der noch weiter von seinen Abenteuern berichtete. Wohl liebte er das lustige Soldatenleben, wohl freute er sich des kecken Streiches, von dem Henning soeben erzählte, aber seine Gedanken weilten nicht allein bei Krieg und Kriegsgeschrei. Ihm erschien seine Gude verändert, als er heimgekehrt; nicht genau konnte er sich klarmachen, worin diese Veränderung bestand, aber er empfand sie. Kühl reichte sie ihm ihre Hand, ohne Freude über sein Erscheinen zu äußern. Nachdem er kurz von seinen Erlebnissen berichtet hatte, fragte sie nur, ob er ihr nicht ein Ringlein oder sonst ein Geschenk von den Feinden mitbrächte, und war ganz traurig gewesen, als er ihr versicherte, dies würde ihm nie einfallen. Sein Bruder Klemens aber, der dabei gestanden, lächelte spöttisch und meinte, Junker Kajus wäre kein Narr, der mühsam erworbene Kriegsbeute sogleich wieder verschenkte. Bei diesen Worten sahen Gudes schöne Augen den älteren Bruder so zornig an, daß er ganz bestürzt wurde.

Noch immer stand Kajus vor dem Schloßportal 141 und lauschte dem Gesang des Vogels, während wirre Gedanken durch seinen Kopf gingen, als er hinter sich den Kies leise knistern hörte. Eine hohe Gestalt stand vor ihm, und Frau Eleonorens Augen flammten ihn durchdringend an.

»Dichtet Ihr ein Madrigal, edler Junker?« fragte die Gräfin spöttisch, während sie die tiefe Verbeugung des jungen Mannes nachlässig entgegennahm. »Vielleicht auch wollt Ihr Verse machen über den großen Sieg bei Itzehoe, der doch nur ein Mummenschanz war!«

»Das Dichten fällt mir zu schwer, gräfliche Gnaden,« versetzte Kajus ruhig. »Sonst hätte ich wohl Lust, den Mummenschanz bei Itzehoe in lustige Reime zu bringen. Doch ich lauschte nur dem Gesange der Vögel und dachte an mancherlei.«

»Denkt nicht zu viel, edler Junker! Leute Eurer Art müssen handeln, ohne zu denken!«

»Ich werde mich bemühen, den Rat Euer Gnaden zu beherzigen!« antwortete Kajus, und in dem Tone seiner Stimme mochte ein leises Staunen über die spöttische Art der Gräfin liegen, denn sie runzelte die Stirn und warf dem Junker einen strengen Blick zu.

»Ich wünsche mit Euch zu reden!« sagte sie kalt und wandte sich dem Eingange des Schlosses zu. Schweigend folgte Kajus ihr eine enge Treppe hinauf, in ein mit künstlicher Täfelung ausgestattetes Gemach, dessen weitgeöffnete Fenster die laue Abendluft einließen. Frau Eleonore setzte sich auf eine mit rotem Brokatstoff überzogene Ruhebank, während der Junker in der Mitte des Zimmers stehen blieb. 142 Stillschweigend erwartete er die Anrede der stolzen Frau.

Sie sah geringschätzig an seiner kräftigen Gestalt herunter.

»Ihr seht aus, als erwartet Ihr noch einen Lobspruch wegen Eurer kindlichen Waffentat. Erlaßt mir, ich bitte Euch, mein Kompliment. Seine Majestät hat Euch geehrt, was mich in Verwunderung setzte; ich würde Euch eher ein Kinderspielzeug als eine Kette gegeben haben. Sie hat Euch bereits stolz gemacht: Ihr vergaßet gestern, Euch bei mir zu melden. Herr Junker, als Ihr an meines Herrn Vaters Hof erschienet, da waret Ihr ein törichter Knabe, und ich habe Euch manch gütiges Wort geschenkt. Ihr dankt mir schlecht, denn Ihr tut stets, als wäre ich eines gewöhnlichen Edelmanns Weib, nicht das Weib von Korfiz Uhlfeld, nicht die Tochter des Königs! Und Euer Vater wagte es, den Geleitbrief meines Gemahls zu mißachten! Herr Rungholt, seid Ihr meiner Gnade sicher, daß Ihr mich beleidigen könnt, ohne gestraft zu werden?«

Die Worte der Königstochter klangen hart, und Kajus entsann sich, daß Prinz Friedrich, der zweite ebenbürtige Sohn Christians, ihn mit warmen Worten gelobt und dem Könige empfohlen hatte. Der aber war ein erbitterter Feind Eleonorens. Hatte sie erfahren, daß er dem Prinzen, der in Holstein weilte, in ehrerbietigen Worten dankte und ihn seiner treuen Anhänglichkeit versicherte? Er sollte darüber nicht lange im unklaren bleiben.

»Ihr seid ein vorsichtiger Mann, lieber Junker,« begann die Gräfin wieder und unterdrückte mit einer 143 Handbewegung den Versuch Rungholts, sich zu rechtfertigen. »Obgleich die Sonne noch nicht am Untergehen ist, so wendet Ihr Euch schon einer neuen zu, – oder würdet Ihr Euch nicht sogleich zu Prinz Friedrich kehren, wenn der Allmächtige meinen königlichen Vater zu sich in sein himmlisches Reich nähme?«

Kajus trat einen Schritt zurück.

»Hohe Frau!« sagte er. »Gott schenke unserem gnädigsten König noch langes Leben, der Allmächtige ist mein Zeuge, daß ich noch niemals weiter dachte!«

»Ihr redet schlau, aber ich glaube Euch nicht!« versetzte die Gräfin kalt. »Doch,« setzte sie gleichgültiger hinzu, »es ist nicht wert, länger darüber zu reden, ich weiß, daß Ihr mich nicht liebt, und das ist mir genug!«

Die versteckte Drohung, die in ihren Worten lag, beachtete der Junker nicht. Er richtete sich höher auf, seine Finger schlossen sich fest um den Degengriff, und ernst richtete er die Augen auf das hochmütige Antlitz der Gräfin.

»Eure Gnaden verfährt hart mit mir, und ich weiß nicht, weshalb ich Eure Huld verscherzte. War ich Euch nicht stets herzlich ergeben und treu zugetan, wie es einem Diener Eures erlauchten Herrn Vaters ziemt?« Er wollte noch mehr sagen, aber Frau Uhlfeld unterbrach ihn.

»Ihr seid mir nur ergeben, weil ich die Tochter König Christians bin? Ihr liebt mich nicht um meiner selbst willen? Was aber wird geschehen, wenn er nicht mehr Euer Herrscher ist?«

Ihr Ton sollte scherzhaft klingen, aber in ihren Augen funkelte es unheimlich.

144 »Meine Liebe und Ehrfurcht würde für Eure Gnaden unverändert bleiben!« erwiderte der Junker.

»Würdet Ihr geneigt sein, in meinen Dienst zu treten?« fragte die Gräfin plötzlich. Kajus sah sie überrascht an. »Es ist kein Geheimnis,« setzte sie fort, »daß mein Interesse und das meines Gemahls sich in mancherlei Dingen von dem der königlichen Prinzen unterscheidet. Ihr müßtet schwören, den Uhlfelds treu zu sein! Wollt Ihr das? Ihr wißt, daß ich die mächtigste Frau in Dänemark bin, und treue Dienste belohne ich königlich!«

Sie sprach rasch, ohne ihre Blicke von dem Gesicht des Junkers zu wenden.

Dieser sah verwirrt zu Boden. Wohl wußte er, daß es zwei Parteien im Lande gab, die sich oft feindlich gegenüberstanden. Er wußte, daß die königlichen Prinzen Frau Uhlfeld haßten, weil sie willkürlich herrschte und die ebenbürtigen Kinder des Königs gern verletzte. Aber niemals hatte er daran gedacht, sich der einen oder der andern Partei zuzuwenden. Er diente seinem Könige, und über das andere machte er sich keine Gedanken. Jetzt empfand er, daß eine entscheidende Stunde für ihn gekommen war; aber keinen Augenblick war er unschlüssig, welchen Weg er einschlagen mußte.

»Ich flehe Eure Gnaden an, mir eine Antwort auf diese Frage zu erlassen,« begann er zögernd; aber Eleonore unterbrach ihn.

»Ja oder nein?« fragte sie kurz. »Für oder wider mich!«

Der Junker sah ihr entschlossen in die Augen.

»Von ganzem Herzen bin ich meiner gnädigen 145 Gräfin ergeben, aber sollte, was Gott verhüten möge, ein ernstlicher Streit zwischen den königlichen Prinzen und Herrn Uhlfeld entstehen, so kenne ich keinen anderen Platz für mich, als an der Seite der Söhne König Christians!«

Ein flammender Zornblick der Gräfin traf den kühnen Sprecher, aber noch in demselben Augenblick lächelte sie.

»Wie ernsthaft nehmt Ihr meinen Scherz!« spöttelte sie. »Glaubt Ihr wirklich, daß ich jemals eines ungeschickten, derben Junkers bedürfen sollte, ich, die ich nur einen Finger zu heben brauche, um edle Herren in Scharen um mich zu sammeln? Ihr legt Euch große Wichtigkeit bei!«

Kajus, dessen gerader Sinn den plötzlichen Umschwung Frau Uhlfelds nicht verstehen konnte, stand der weltklugen Frau einen Augenblick fassungslos gegenüber, dann aber überkam ihn ein Gefühl der Erleichterung.

»Ich konnte auch nicht anders denken, als daß Euer Gnaden scherzten!« rief er treuherzig. »Alle, die Dänemark lieben, dürfen den königlichen Prinzen den schuldigen Gehorsam nicht versagen!«

Ein flüchtiges Lächeln spielte um die Lippen der schönen Frau, und halb mitleidig ruhte ihr Blick auf dem einfältigen Junker, der so harmlos offen aussprach, daß er niemals ihr seine Dienste zur Erreichung ihrer ehrgeizigen Pläne leihen würde. Er schien niemals vernommen zu haben, daß man Eleonore Uhlfeld nicht ungestraft beleidigen konnte, und obgleich sie sich vornahm, den jungen Mann aus dem Wege zu räumen und ein gefügigeres Werkzeug an seine 146 Stelle zu setzen, so war sie doch Weib genug, dem, der ihre Gnade so unwiederbringlich verscherzte, ein gewisses gleichgültiges Bedauern entgegenzubringen.

»Also Ihr werdet Kopenhagen morgen bereits wieder verlassen?« fragte sie nach kurzem Nachdenken. Der Junker machte eine Bewegung des Schreckens.

»Davon erfuhr ich noch nichts, Euer Gnaden, auch hoffe ich, daß –«

»Was hofft Ihr?« In der Frage lag etwas, das einem schärferen Ohr, als Kajus hatte, gesagt haben würde, wie wenig er noch hoffen dürfte; aber er blieb unbefangen.

»Ich hoffe, daß man mir einige Tage Rast vergönnen wird. Seit dem Winter sah ich meine holdselige Jungfrau Gude nicht, und am Hofe ist mancher Junker, der das Kriegsleben noch nicht gesehen hat!«

»Euer Herz hängt sehr an meinem blonden Kammerfräulein?«

Bei der klaren Dämmerung sah die Gräfin, wie Kajus errötete.

»Ich liebe sie mehr als mein Leben!« erwiderte er leise, unwillkürlich an seine Brust fassend, wo eine goldglänzende Locke seiner Braut lag.

»Und Ihr wünschtet hier zu bleiben?«

»Für etliche Tage noch,« sagte der junge Mann halb bittend. »Eure Gnaden sind allmächtig, auch wisset Ihr selbst, wie schwer es fällt, getrennt von seiner Liebe zu sein!«

Empört warf Eleonore den Kopf zurück. Er wagte es, sich mit ihr auf eine Stufe zu stellen?

»Eure Worte sind mir unverständlich,« sagte sie 147 herbe, »Ihr könnt kaum erwarten, daß ich Eure Gefühle verstehen soll. Auch habe ich keine Zeit, mich mit Euch zu beschäftigen. Nur weiß ich, daß Ihr morgen nach der Insel Fehmarn gehen werdet.«

Kajus verneigte sich schweigend. Obgleich ihn die Worte der Gräfin wie ein Donnerschlag trafen, so war er doch zu stolz, um eine Einwendung zu machen.

»Ihr werdet erfahren haben, daß auf Fehmarn Soldaten liegen, um das Inselein vor den Schweden zu schützen, die es schon lange bedrohen. Junker Rosenkranz, ein wackerer Edelmann, dem ich von Herzen zugetan bin, war von Seiner Majestät ausersehen, den Oberbefehl dort zu führen. Doch hat einer der tückischen Bauern ihn heimlich getötet, was uns alle mit großem Zorn erfüllt. Ihr werdet zwei Aufgaben erhalten: die Insel vor dem Feinde zu bewachen und im Notfall tapfer zu verteidigen, und sodann den Mord zu rächen! Beides werdet Ihr, so hoffe ich, mit Geschick erfüllen und Euch des gezeigten Vertrauens würdig zeigen! Ihr werdet bei meinem Sekretarius Eure Order erhalten.«

Wieder verneigte sich der Junker und erwartete die entlassende Handbewegung der Gräfin. Aber sie ließ noch auf sich warten.

Eleonore stand auf und näherte sich einem kleinen Tische, auf dem Bücher und Papiere lagen. Sie blätterte in ihnen, ohne auf Rungholts Gegenwart zu achten. Dann wandte sie sich ihm wieder zu.

»Was haltet Ihr von dem mecklenburgischen Herrn von Zoppelow?«

148 »Gutes traue ich ihm nicht zu!« lautete die entschiedene Antwort.

»Er ist ein Freund Eures Bruders!« bemerkte die Gräfin.

»Mein Bruder ist jung und nicht erfahren, sonst würde er sich hüten, mit einem Manne umzugehen, dem man so Übles nachsagt.«

»Was erzählt man sich denn von ihm?« fragte Eleonore, mit einem Buche spielend.

»Alle Welt sagt, daß er ein schwedischer Spion gewesen ist. Sicher ist, daß er seit Ausbruch des Krieges verschwunden ist; kein Mensch kennt seinen Aufenthalt, und so hoffe ich, daß mein Bruder ihm nie mehr begegnen wird.«

»Dennoch handelte Euer Vater unrecht, ihn aus seinem Haus zu weisen!« rief die Gräfin streng. »Er stand im Schutze des Reichshofmeisters!«

»Hätte Herr Uhlfeld gewußt, welcher Abscheulichkeit man den Mecklenburger zeiht, niemals würde er ihm ein Geleitschreiben gegeben haben!« erwiderte Kajus eifrig. »Solch giftiges Geschmeiß gehört nicht in das Dänenreich!«

»Ihr könnt gehen!« versetzte Frau Uhlfeld kurz, und nachdem des Junkers schwere Schritte auf der Stiege verhallt, setzte sie sich wieder und versank in Nachdenken. Sie hatte nicht die Unwahrheit gesprochen, wenn sie Kajus sagte, daß sie ihm früher gewogen gewesen wäre, aber die Verhältnisse, unter denen sie ihm einstmals ihre Gunst zeigte, waren nicht mehr dieselben. Sie und ihr Gatte nahmen jahrelang mit des Königs Bewilligung die vornehmste und mächtigste Stellung im Reich nach Christian ein; aber wie lange 149 würden sie diese noch behaupten? Christian der Vierte war alt und sein ältester Sohn, Erbprinz Christian, hatte eine so schwache Gesundheit, daß er nach der Ärzte Ausspruch nicht mehr lange leben konnte.

Der zweitgeborene Sohn, Prinz Friedrich, ein besonderer Liebling des Vaters, würde voraussichtlich die meiste Aussicht haben, die Krone des Dänenreiches auf sein Haupt zu setzen. Vor vielen Jahren hatte ein französischer Mönch ihm prophezeit, er werde einst König von Dänemark werden. Aber Eleonore Uhlfeld haßte ihren Stiefbruder, der ihr oft mit unverhohlener Mißachtung begegnete, und sie haßte noch mehr seine stolze junge Gemahlin, die Prinzessin Sophie Amalie von Lüneburg, die nur widerstrebend der hochmütigen Gattin des Reichshofmeisters die Rechte einer Verwandten einräumte und sich offen dahin aussprach, daß, sollte sie einst zur königlichen Macht kommen, Frau Uhlfeld Bescheidenheit lernen müßte, wolle sie es nicht bitter bereuen. Es war also für Uhlfeld und seine Gemahlin von äußerster Wichtigkeit, daß Prinz Friedrich niemals zur Regierung kam, aber beide wußten nur zu gut, daß sie fremder Hilfe bedurften, um ihre ehrgeizigen Pläne ausführen zu können. Daher hatte Uhlfeld schon seit Jahren, seitdem Zoppelow an den dänischen Hof gekommen war, geheime Beziehungen mit Schweden unterhalten und dem Kanzler Oxenstirn Dienste erwiesen, die dieser dann wieder vergalt. Den Krieg mit dem mächtigen Nachbar hatte der dänische Reichshofmeister nicht verhindern können, es vielleicht auch nicht gewollt, aber obgleich die Schweden in Holstein und Schleswig 150 standen, so unterhielten die leitenden Staatsmänner der kriegführenden Mächte noch immer einen lebhaften Briefwechsel miteinander, und während die dänischen Soldaten erbittert für ihr bedrohtes Vaterland stritten, beteuerten sich Axel Oxenstirn und Korfiz Uhlfeld gegenseitig ihre Freundschaft. Der dänische Reichshofmeister durchschaute indessen sehr wohl die Pläne seines schwedischen Kollegen. Er wußte, daß dieser begierig seine Hand nach dem dänischen Reiche ausstrecken würde, sobald sich dazu Gelegenheit bot, aber so weit sollte es niemals kommen. Hatte er erst nach Christians des Vierten Tode die erste Stelle im Reich erlangt, sei es mit oder ohne Krone, so wollte er schon stark genug regieren, um jede Einmischung in seine eigenen Angelegenheiten zurückzuweisen. Aber der Weg war noch lang, ehe er so weit gelangte, und bis dahin galt es geschickt zu lavieren und sowohl nach schwedischer, als auch nach dänischer Seite keinen Anstoß zu geben. Vor allem aber war es notwendig, treu ergebene Freunde zu haben, die in blindem Gehorsam sich ganz auf die Seite des herrschsüchtigen Paares stellten. Auf den Freiherrn von Rungholt konnten sie nicht rechnen; er war ein starrer Mann, der krumme Wege nicht liebte und treu zu Prinz Friedrich halten würde. Das wußte Frau Uhlfeld schon lange, und deshalb haßte sie ihn. Jetzt wußte sie, daß Kajus wie sein Vater dachte, während Junker Klemens ihr bereits verschiedene Male versichert hatte, treu zu ihr und ihrer Partei halten zu wollen. Klemens aber war ein armer Junker, der ihr wenig nützen konnte. Erhielt er indes das Erbteil seines Bruders, wurde er ein reicher Landbesitzer, so war 151 seine Freundschaft ihr bedeutend wertvoller, als die des andern, denn er hatte diplomatisches Geschick und weit mehr Kenntnisse als Kajus. Dieser also mußte fallen, um dem Jüngeren seinen Platz einzuräumen. Das war bei ihr jetzt beschlossen, und deshalb erhielt er einen Auftrag, der in Frau Eleonorens Augen einem Todesurteil gleichkam.

Sie schellte und befahl dem eintretenden Pagen, Licht zu bringen. »Rufe mir den Junker Klemens Rungholt, sowie den mecklenburgischen Herrn!« setzte sie hinzu.

Wenige Augenblicke später traten beide ein, während der Page zwei brennende Wachskerzen brachte und auf einen Tisch mit bunt eingelegter Marmorplatte setzte. Dann verschwand er auf einen Wink der Gräfin. Sie ergriff einen großen Fächer, mit dem sie sich das Gesicht vor dem Licht beschattete, und ihre Augen ruhten prüfend auf den Gesichtern der Herren, die in ehrfurchtsvoller Haltung in der Mitte des Zimmers blieben und die Anrede der hohen Frau erwarteten.

Herrn von Zoppelows Gesicht zeigte deutlich die Vorliebe seines Besitzers für geistige Getränke; es war stärker aufgedunsen als je, und seine Augen tränten beständig; aber sein Schnurrbart war steif gedreht und sein Anzug deutete darauf hin, daß er sich augenblicklich in guten Verhältnissen befand.

Vorteilhaft nahm sich neben ihm die Gestalt des jüngeren Rungholt aus, und der Blick Eleonorens ruhte wohlgefällig auf dem jungen Manne, dessen reichgesticktes Hofkleid sich tadellos dem schlanken Körper anschmiegte, und dessen blonde Locken und 152 tiefblaue Augen wohl auf manches Edelfräulein schon tiefen Eindruck gemacht hatten.

Ein Zug hochmütigen Selbstbewußtseins stand seinem hübschen Gesicht nicht übel, und Frau Uhlfeld, die viel Sinn für äußere Schönheit hatte, wandte sich ihm gnädig zu.

»Das Leben auf Rosenburg scheint Euch gut zu bekommen, Junker; Ihr seht vortrefflich aus!«

»Es ist nicht das Leben auf Rosenburg, sondern die Nähe Eurer fürstlichen Gnaden, die mir das frohe Ansehen verleiht,« entgegnete Klemens mit sanfter Stimme.

Die Gräfin nahm die Schmeichelei huldvoll auf. Auch liebte sie, fürstliche Gnaden genannt zu werden. Sie schenkte dem jungen Edelmann ein gütiges Lächeln und kehrte sich zu Zoppelow.

»Wo steht der schwedische General Torstenson?« fragte sie ihn kurz.

»Etliche Meilen von Kiel,« beeilte sich Zoppelow zu erwidern, »er hat in der Stadt eine Garnison zurückgelassen und – –«

»Es ist gut!« unterbrach ihn Eleonore. »Ich sehe, daß Ihr gut unterrichtet seid. Ihr müßt noch heute abend ein Segelboot nehmen und suchen, sobald wie möglich nach Kiel zu kommen. Nehmt diesen Brief, er ist an Torstenson. Ihr steht mir mit Eurem Leben für die richtige Ablieferung. Herr Korfiz wird sonst wenig Umstände mit Euch machen. Solltet Ihr unterwegs von dänischen Schiffen angehalten werden, so ist hier Euer Geleitschein!«

Sie reichte ihm über den Tisch ein in Seide 153 genähtes Schreiben, sowie einen offenen Brief. Beides nahm Zoppelow mit tiefer Verbeugung entgegen.

»Noch eins,« setzte die Gräfin gleichgültigen Tones hinzu. »Ihr könnt dem General vermelden, daß die kleine Besatzung auf der Insel Fehmarn nicht vermehrt werden soll.«

»Dann kann ich Herrn Torstenson sagen, daß die Schweden die Insel jeden Tag erobern mögen?« rief Zoppelow eifrig und mit rauher Stimme.

Frau Uhlfeld blitzte ihn zornig mit ihren dunklen Augen an.

»Ihr habt nicht mehr zu bestellen, als ich Euch auftrage, Herr Zoppelow,« sagte sie scharf, »und ich ersuche Euch, in meiner Gegenwart Eure laute Stimme zu mäßigen!«

Der erschreckte Mecklenburger murmelte einige Worte der Entschuldigung, aber die Gräfin winkte ihm kurz, zu schweigen.

»Ich habe Euch rufen lassen,« sprach sie wieder zu Klemens, »um Euch mitzuteilen, daß ich Euren Bruder nach Fehmarn senden werde.«

Beide Herren machten eine unwillkürliche Bewegung, und Zoppelow unterdrückte nur mühsam einen Laut der Befriedigung.

»Ihr werdet wissen,« fuhr Eleonore fort, »daß Junker Kajus sich mehrfach gegen uns vergangen hat. Er hat unsere Geleitschreiben nicht respektiert und soll sich auch unziemliche Äußerungen über mich und meinen Gemahl erlaubt haben. Wenigstens habt Ihr mir derartiges zum öfteren berichtet.«

Sie hielt inne und sah Klemens an, der ihr in höchster Devotion erwiderte, daß sein unseliger Bruder 154 allerdings mehr als einmal unehrerbietig von Herrn Korfiz Uhlfeld und seiner erlauchten Gemahlin gesprochen und oft erklärt habe, er hasse jedes Weiberregiment. Der jüngere Rungholt sprach in wohlgesetzten, zierlichen Worten, und die letzte Äußerung deutete er nur mit unendlicher Zartheit an, aber eine böse Falte legte sich auf Frau Uhlfelds Stirn.

»Genug!« sagte sie befehlenden Tones. »Es schmerzt mich um den Junker, der ehedem ein getreuer Diener zu werden versprach, aber ihm ist nicht zu helfen. Weil ich Eurem Namen aber wohlgesinnt bin, Junker Klemens, so habe ich beschlossen, daß Euer Bruder im ehrlichen Kampfe sein Leben lassen soll. Besser ein guter Soldatentod, als ein langes Leben im Gefängnis. Deshalb soll er nach Fehmarn; es entspricht unserem Vorteil, die Insel den Schweden zu überlassen, dort wird er, so Gott will, ein tapferes Ende finden.«

Klemens Rungholt bog das Knie vor der Sprecherin und berührte mit seinen Lippen ihr dunkles Seidengewand.

»Möge mein ganzes Leben dem Dienste Eurer fürstlichen Gnaden gewidmet sein!« murmelte er. »Es soll kein Blutstropfen in mir sein, den ich nicht für Euch und Euren Gemahl willig vergießen würde, um zu beweisen, welchen Abscheu der gottlose Bruder und sein Tun mir einflößt!«

Eleonore neigte das Haupt.

»Ihr müßt treu sein,« sagte sie, streng die Lippen zusammenpressend. »Ein Schritt aus der von mir gewiesenen Bahn – und auch Euer Schicksal ist besiegelt. Ich dulde keinen Verräter!«

155 Ihr Ton war hart, und ein leiser Schauer flog durch die Glieder des jungen Mannes, während Zoppelow sich halb verlegen räusperte. Er war so gewohnt, den Mantel nach dem Winde zu tragen, daß ihn das Wort Verräter immer unangenehm berührte.

Jetzt machte Frau Uhlfeld eine kurze Handbewegung, und beide Herren verneigten sich zum Abschiede. Auf Zoppelows Gesicht erschien ein Ausdruck der Enttäuschung, den die scharfen Augen der Gräfin sofort bemerkten.

»Ah, ich vergaß!« sagte sie im Tone äußerster Verachtung. »Einem Mann wie Euch, Herr von Zoppelow, muß man einen Teil seines Lohnes wohl im voraus bezahlen!« Und indem sie in ein an ihrem Gürtel hängendes Täschchen griff, warf sie eine Handvoll ungezählter Goldstücke auf die Marmorplatte des Tisches, auf dem sie laut klirrend umherrollten.

Obgleich der Mecklenburger gierig nach dem Gelde griff, bedeckte doch eine glühende Röte sein aufgedunsenes Gesicht, und seine Stimme klang heiserer als je, als er einige Dankesworte zu sprechen versuchte.

Frau Eleonore achtete nicht auf ihn.

»Geht jetzt,« sagte sie gleichmütig, »und wartet vor der Tür auf den Junker Rungholt, mit dem ich noch ein Wort im geheimen zu reden wünsche!«

Herr von Zoppelow gehorchte, und die Dame winkte Klemens näher zu sich heran.

»Wie steht Ihr mit Jungfrau Gude?« fragte sie lächelnd.

Das Gesicht des Jünglings erglühte.

156 »Ich liebe sie,« murmelte er, »aber bis jetzt will sie nicht von meinem Bruder lassen!«

»Sie besitzt mehr Treue, als ich ihr zutraute,« sagte die Gräfin nachlässig; »indessen weiß ich, daß sie bereits für Euch in Liebe entbrannt ist.«

»Ihr wißt es?« rief Klemens, einen Schritt vortretend, aber ein stolzer Blick Eleonorens ließ ihn sogleich seine ehrerbietige Haltung wieder annehmen.

»Falls ich Euch treu und verschwiegen in meinem Dienste erfinde, werde ich dafür Sorge tragen, daß Gude Thienen Euer Weib wird,« erwiderte Frau Uhlfeld kühl. »Doch müßt Ihr versuchen, ihren Widerstand zu besiegen, damit Ihr schneller zum Ziele gelangt. Jeden Morgen werdet Ihr sie in jenem Vorgemach allein finden.« Sie wies auf eine Seitentür, und als Klemens danken wollte, unterbrach sie ihn: »Ich verlange nur von Euch, daß Ihr mir getreulich jede Äußerung der Hofkavaliere überbringt, damit ich meine Feinde von den Freunden unterscheide. Wer ist mir wohl ungünstig gesinnt?«

Klemens bedachte sich nicht lange.

Diese Frage gab ihm den Weg an die Hand, den Junkern, die ihn nicht liebten, zu schaden, und er antwortete nach kurzem Besinnen: »Henning Brockdorff und Gosche Krogh!«

Die Gräfin schrieb einige Worte auf ein Pergamenttäfelchen.

»Henning Brockdorff ist mir schon seit dem Ausbruche des Krieges ein Dorn im Auge gewesen,« bemerkte sie; »er hat eine böse Zunge, und das tut nicht gut. Von Gosche Krogh weiß ich nichts Übles zu sagen. 157 Doch will ich ein Auge auf ihn behalten. Jetzt aber müßt Ihr mich verlassen, meine Zeit ist gemessen.«

Sie zog einen mit Silber beschlagenen Kasten an sich heran, den sie jedoch nicht öffnete, bis sie allein war. Gar wichtige Geheimnisse des Staates hütete Korfiz Uhlfelds Gattin, und ehrgeizige Pläne schmiedete sie, während sie bis tief in die Nacht hinein arbeitete und mit männlicher, fester Hand einen Bericht über das, was sie getan hatte, an ihren Gemahl schrieb. –

Zoppelow erwartete den Junker Klemens, und beide stiegen eilig die schmalen Treppen des Turmes hinan, bis sie in ein kleines Zimmer kamen, das dem jüngeren Rungholt zur Wohnung diente.

Hier machte der Mecklenburger seinem Herzen Luft.

»Alle Hagel!« brummte er. »Das ist ein Teufelsweib, und hochmütiger als alle Königinnen der Erde zusammengenommen. Der Teufel hole mich, wenn ich nicht Lust verspürte, ihr das Sündengeld wieder vor die Füße zu werfen; habe doch manchmal mit hohen Herrn gesprochen und war kürzlich beim Oxenstirn, dem ich genauen Bericht über die dänische Flotte erstatten mußte. Er war stolz, aber doch nicht so wie diese Frau!«

Er schüttelte den Kopf und murmelte wenig schmeichelhafte Worte vor sich hin.

Klemens unterbrach ihn nicht. Auch er war nachdenklich. War ihm doch bei dieser Unterredung sehr klar geworden, auf welch gefährlichem Boden er stand, und beinahe wünschte er, nicht durch Zoppelow verführt worden zu sein, sich der Gräfin als Mitwisser der mit Schweden geführten Unterhandlungen 158 zu entdecken. Allerdings war dies der einzige Weg gewesen, zu einer näheren Beachtung seitens der Frau des Reichshofmeisters zu kommen, und vielleicht auch die sicherste Art, Kajus zu verderben. Aber es war kein gefahrloser Weg, und Klemens hatte Verstand genug, um einzusehen, daß selbst, wenn sein Bruder kein Hindernis mehr für ihn wäre, er doch nicht ungestört die Früchte seiner Mühe ernten würde. Ihm schwindelte, wenn er bedachte, daß er von dem geheimen Einverständnis Uhlfelds mit Oxenstirn wußte. Eine unvorsichtige Äußerung konnte ihm das Verderben bringen. Dann flogen seine Gedanken zu Gude, und seine Augen leuchteten, als er des Versprechens der Frau Uhlfeld gedachte, sie zu seinem Weibe zu machen. Er hatte sie auf den ersten Blick geliebt, und das Bewußtsein, daß sie seinem Bruder angehören sollte, verschärfte seine Leidenschaft. Denn er gehörte zu jenen Naturen, die sich das am meisten wünschen, was ihnen eigentlich versagt ist. Bis jetzt gab die Jungfrau seinem Liebeswerben kein Gehör; aber Frau Eleonorens Versprechen dünkte ihm eine glückliche Verheißung, unwillkürlich flüsterten seine Lippen den Namen Gudes, und er lächelte stolz, wenn er des Augenblicks gedachte, wo er mit seinem Weibe den Edelhof betreten würde, den er als armer Junker verließ.

Herr von Zoppelow saß auf der mit Eisen beschlagenen Kiste des Junkers und beobachtete ihn scharf.

»Scheinst mir angenehme Träume zu haben!« sagte er verdrießlich. »Du bist auch ein glücklicher Mensch: das Gut fällt dir in den Schoß ohne viele Mühe, und die Gunst der hochmütigen Frau scheint 159 dir zu lächeln. Wirst am Ende gar ein einflußreicher Mann und bestellst mich zum Verwalter von Holleby! Ohne mich wärest du noch nicht so weit!« setzte er mit einem lauernden Blicke hinzu.

Klemens gab dies ohne weiteres zu. Wenn er auch allmählich einen tiefen Abscheu vor dem Manne bekam, mit dem er gemeinsame Sache machte, so wagte er doch nicht, ihn anders als freundlich zu behandeln. Er versprach sogar, ihm eine kleine, zum Edelhof gehörige Besitzung zu geben. Aber im stillen dachte er, daß es ja nicht nötig wäre, ein Versprechen zu halten.

Zoppelow schien befriedigt.

»Es ist nicht mehr als billig, daß du deinem Vetter und nahen Freunde, der dir zu deinem Glück verhalf, eine gute Heimstätte bereitest, wo er von den Mühsalen des Lebens ausruhen kann!«

Er stand auf und ging schweren Schrittes in dem kleinen Raum hin und her.

»Die Wasserfahrt nach Kiel will mir nicht gefallen!« setzte er dann unmutig hinzu. »Wenn mich ein dänischer Kreuzer auffängt und das Schreiben an Torstenson bei mir findet, so –«, er schnitt ein Gesicht und fuhr sich mit der Hand nach dem Halse.

»Aber der Geleitbrief des Reichshofmeisters?« unterbrach ihn Klemens.

Zoppelow lachte rauh.

»Dein Herr Vater hat sich blutwenig aus Uhlfelds Namen gemacht, und es gibt noch mehr dänische Herren, die mir den Garaus machen würden!«

»Du mußt nicht solch düsteren Gedanken nachhängen!« suchte der Junker den Mecklenburger zu 160 beruhigen. »Einem Unterhändler darf niemand ein Haar krümmen!«

Zoppelow sah ihn mit eigentümlichem Blick an.

»Unterhändler? Ich fürchte, wenn sie gewisse Papiere bei mir finden, werden sie mir einen anderen Namen geben! – Das einzige, was mich freut, ist, daß ich deinem Bruder manches heimzahlen kann, das ich auf seine Rechnung schrieb. Die Schweden sollen kurzen Prozeß mit ihm machen, und in seiner Todesstunde werde ich ihm erzählen, wer so eifrig zu seinem Verderben beitrug.«

Er nickte bei diesen Worten Klemens zu, der blaß wurde und einen Schritt zurücktrat.

»Tue das nicht!« bat er ernsthaft. »Kajus muß sterben, es ist einmal sein Schicksal; aber ich wünsche nicht, daß er mir in der Todesstunde noch flucht. – Das soll Unglück bringen!« setzte er scheuen Blickes hinzu.

Zoppelow zuckte die Achseln.

»Du hast ein abergläubisches Herz, mein Sohn; nun, ich werde tun, was mir in dem Augenblick zuerst einfällt. Jetzt muß ich gehen, um mir ein Segelboot für die Nachtfahrt zu suchen. Hoffentlich ist es zum letztenmal, daß ich so gefährliche Wege gehen muß. Später werde ich mich des ruhigen Landlebens auf Holleby freuen.«

Er reichte dem jüngeren Rungholt die Hand zum Abschiede; dann ging er vorsichtig die Treppen hinunter, um aus einer Seitentür des Schlosses das Freie zu erreichen, während Junker Klemens noch lange in die laue Sommernacht starrte, ehe er sich zu unruhigem Schlafe auf sein Lager warf.

161 Kajus Rungholt hatte keine Ahnung davon, daß Zoppelow mit ihm unter demselben Dache war und in wenigen Stunden nach Kiel eilte, Verderben über das schuldlose Haupt des Erben von Holleby zu bringen. Er ging nach der Unterredung mit Frau Uhlfeld zu ihrem schönen Kammerfräulein, um ihr die traurige Botschaft seiner neuen Entfernung vom Hofe mitzuteilen.

Er fand Gude von Thienen in ihrem Privatgemach, mit einer feinen Stickerei auf Leinen beschäftigt, zu der eine Kerze ihr nur spärlich Licht spendete.

»Ihr dürft die Strahlen Eurer Augensterne nicht trüben durch vieles Arbeiten bei Kerzenschein!« sagte der Junker halb scherzend, nachdem er seine Braut mit ehrerbietiger Zurückhaltung begrüßt und kaum gewagt hatte, ihre weiche Wange mit seinen bärtigen Lippen zu berühren.

Die Jungfrau warf ihre Arbeit in ein zierlich geflochtenes Körbchen und lachte gezwungen.

»Was wisset Ihr von den Strahlen meiner Augensterne, Junker!« sagte sie leicht aufseufzend. »Habt Ihr sie jemals ordentlich betrachtet? Ich glaube kaum, wenigstens sagtet Ihr mir noch niemals ein freundliches Wort darüber!«

»Will meine teuerste Gude Schmeichelworte hören, wie jeder Fant am Hofe sie ihr schon hundertmal sagte?« Kajus setzte sich neben das junge Mädchen und sah sie voll Liebe an.

Sie warf den Kopf zurück, und um ihre rosigen Lippen zuckte ein spöttisches Lächeln.

»Es sind nicht allein die dummen Kavaliere, die 162 fein und zierlich zu reden wissen,« versetzte sie etwas spitzig. »Ich kenne manchen klugen Herrn, dessen Worte auch für ungelehrte Ohren, wie die meinen, lieblich klingen. Ihr freilich achtet es nicht der Mühe wert, zu zeigen, was Ihr bei Hofe gelernt habt!«

Kajus stützte den Kopf in die Hand, und seine dunklen Augen ruhten mit einem Anfluge von Trauer auf seiner Braut.

»Es ist für mich auf Schloß Rosenburg nicht gut sein,« sagte er mit einem Versuche, zu scherzen. »Meine geliebte Gude ist unzufrieden mit ihrem rauhen Kriegsmann, der seine sanften Worte im Lagerleben vergaß, und Frau Uhlfelds Gnadensonne ist für mich untergegangen, so daß sie mich auf eine Insel in die Verbannung schickt!«

Gude machte eine ungeduldige Bewegung.

»Das ist es gerade, was mich bekümmert, Junker Kajus! Weshalb bestrebt Ihr Euch nicht, das Wohlgefallen der Frau Gräfin mehr und mehr zu erringen, anstatt es immer mehr zu verscherzen? Sie war Euch einst gewogen, jetzt nennt sie Euch einen steifnackigen Junker, dem eine Lektion in guter Lebensart fromme.«

»Soll ich diese auf Fehmarn bei den Bauern lernen?« fragte Kajus mit leichtem Spott. »Mag sein, daß ich steifnackig bin, ich mag mich nicht unters Weiberregiment beugen und habe es nicht nötig. König Christian ist mein Herr, und er versteht das Regieren so gut, daß weder Herr Uhlfeld noch Frau Eleonore ihm zu helfen brauchen. Das Herrschen gebührt dem Manne, einem Weibe steht die schwere Krone schlecht zu Gesicht!«

»So redet Ihr?« zürnte Gude. »Wahrhaftig, 163 ich muß Eurem Bruder recht geben, der Euch einen Tyrannen nennt. Euer Weib wird schlechte Tage haben, wenn Ihr so üble Meinung von unserem Geschlecht hegt, daß Ihr nicht einmal einer fürstlichen Frau gehorchen wollt!«

Kajus lachte unwillkürlich über die Empörung seiner Braut, wenn es ihn auch unangenehm berührte, daß sein Bruder versucht hatte, ihm zu schaden. Er beschloß jedoch, sich nicht darüber zu äußern, und versuchte Gudens Mißstimmung, die er dem bevorstehenden Abschied von ihm zuschrieb, zu verscheuchen. Es schien ihm auch zu gelingen. Das Fräulein mochte einsehen, daß ihr Verlobter nicht mit unfreundlichen Worten zu behandeln wäre, sie lächelte plötzlich liebevoll und beklagte lebhaft des Junkers Fortgang, den Frau Eleonore ihr noch nicht mitgeteilt hatte.

»Ich habe einen gar trüben Brautstand,« seufzte sie, die kleinen Hände in den Schoß legend; »nur wenig Tage sind wir beisammen gewesen, und keinem Menschen hier kann ich meine Sorge sagen. Ein jeder trägt an seinen Gedanken. Dazu seid Ihr, teurer Junker, ein herzlich schlechter Briefschreiber, und gar spärlich laufen die Nachrichten von Euch ein. Es ist mir immer, als gedächtet Ihr meiner nicht viel!«

Kajus, dem trotz seines warmen Empfindens die glühenden Liebesschwüre nur schwer über die Lippen kamen, wollte die Sprecherin statt aller Antwort in die Arme schließen, aber das schöne Fräulein wehrte ihn kühl ab.

»Euer stürmisch Umfangen zu erdulden ziemt 164 sich nicht für eine züchtige Jungfrau, auch ist es schon spät, und Ihr müßt mich verlassen!«

»Wollt Ihr mir nicht sagen, ob Ihr mich noch liebt wie ehedem, wo Ihr Euer Haupt an meine Brust legtet und mir sagtet, daß Euer Herz mein sei?« fragte der Junker. Er war aufgestanden; ernst und prüfend ruhten seine Augen auf dem Gesicht seiner Braut, deren zarte Gesichtsfarbe sich vertiefte. Unruhig wandte sie den Kopf zur Seite, aber ihre Stimme klang fest, als sie erwiderte:

»Mein Herz ist nicht veränderlich, Herr Junker, und meine Liebe gehört nur einem; dieser eine aber seid Ihr!«

Jetzt umschlangen sie trotz alles Widerstrebens des jungen Mannes Arme, und ehe sie zornig werden konnte, war sie allein. Einen kurzen Augenblick lächelte sie, dann aber brach sie in Tränen aus.

Kajus hatte keine Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen, es gab für ihn viel zu bedenken und zu besorgen. Nur wenige Stunden ruhte er, um dann noch vor Sonnenaufgang wieder aufzustehen und in die Stadt zu eilen, wo er für sich und seinen Diener verschiedene Ausrüstungsgegenstände kaufte und dann an den Hafen ging, um ein Schiff aufzutreiben, das ihn nach Fehmarn bringen sollte. Nachdem er einen kleinen Schoner ausfindig gemacht und gemietet hatte, kehrte er wieder ins Rosenburger Schloß zurück, um seine Order in Empfang zu nehmen, die ihm vom Privatsekretär des Reichshofmeisters, Herrn Güldenstern, ausgehändigt ward. Dieser, ein älterer, freundlicher, den Uhlfelds blind ergebener Herr, den Korfiz, sobald er sich von seiner Gemahlin trennte, immer 165 zu ihrer Disposition zurückließ, konnte sich nicht enthalten, dem jungen Kavalier einige wohlgemeinte Ratschläge zu geben.

»Ein übles Geschäft für Euch, Junker,« sagte er, seinen breiten Spitzenkragen vorsichtig glattzupfend. »Wenn ich in Eurer Lage wäre, würde ich, statt nach Fehmarn zu gehen, ein wenig auf der Ostsee umherkreuzen, und dann versuchen, unserer Flotte zu begegnen, die schon bei Skagen sein soll!«

»Meint Ihr, daß ich die Insel nicht werde halten können?« rief Kajus bestürzt.

Der Edelmann wiegte bedächtig den ergrauenden Kopf und sah den Junker prüfend an.

»Eleonore ist Euch augenblicklich nicht gnädig gesinnt, und Herr Korfiz, der sie manchmal zur Vernunft redet, ist auf Fünen,« sagte er, indem er Kajus ein versiegeltes Papier überreichte; »aber Ihr solltet sehen, wieder in ihre Gunst zu kommen. Sie ist mächtiger und stolzer denn je, und ich fürchte –« er brach ab und sah sich ängstlich um. »Nehmt meinen Rat an,« setzte er dann leiser hinzu, »geht nicht nach Fehmarn und versucht durch Jungfrau Gude die gnädigste Frau wieder günstig zu stimmen. Ihr wißt es noch nicht so genau, aber verlaßt Euch auf meine Erfahrung: Frauen sind unberechenbar!« Er lachte unhörbar bei diesen Worten. Dann wandte er dem Junker den Rücken und vertiefte sich in ein dickes Buch. Kajus verließ in Gedanken versunken die Kanzlei. Er hatte jetzt die feste Überzeugung, daß Frau Uhlfeld, um sich an seinem Vater zu rächen, ihn auf einen der schwierigsten Posten, ja vielleicht in den sicheren Tod sandte, aber er nahm sich zugleich vor, durch kein Wort 166 seine Empfindung über diese Behandlung zu verraten. Sie sollte nicht den Triumph haben, zu sagen, er fürchte sich vor dem Tode. Zwar stieg es ihm heiß in die Augen, wenn er seiner Braut gedachte, von der er jetzt ging, Abschied zu nehmen, vielleicht auf Nimmerwiedersehen, aber das war ja das Los des Soldaten, und außerdem fühlte er so viel Kraft und Lebensmut in sich, daß es ihm unmöglich erschien, bald sterben zu müssen.

Er trat hastig in das Vorzimmer der Frau Uhlfeld, wo er Gude zu finden hoffte. Sie saß auch dort am Fenster, in lichtblauem Gewande und mit reichem Silberschmuck in den blonden Haaren, aber neben ihr stand der Junker Klemens. Mit schmachtendem Blick sah er sie an und schien durchaus nicht erfreut über das Eintreten seines älteren Bruders. Auch dieser runzelte leicht die gebräunte Stirn, als er des geputzten Hofjunkers ansichtig wurde, aber er nickte ihm gleichmütig zu und setzte sich neben das Fräulein, das heftig errötete und jetzt eifrig an ihrer Arbeit stickte.

Beide Brüder hatten sich nur flüchtig gesehen während des kurzen Aufenthaltes von Kajus auf Schloß Rosenburg, und Klemens versuchte die durch Kajus' Eintritt entstandene Pause in der Unterhaltung auszufüllen, indem er sich teilnehmend nach der Wunde des Bruders erkundigte.

Dieser fuhr sich an seinen noch immer leicht verbundenen Kopf.

»Pah, ich vergesse immer, daß der Schwede mir die Hirnschale ritzte! Nun, diese Schramme wird wohl nicht die einzige bleiben, wenn der Feind nach Fehmarn kommt!«

167 »Erwartet Ihr ihn bald?« fragte Gude erschreckt, die Arbeit sinken lassend. Kajus zuckte die Achseln.

»Man kann's nicht wissen,« versetzte er ruhig; »ich muß auf vieles gefaßt sein und freue mich, einmal wieder den Feind zu sehen. Geht es ans Sterben, so werde ich mein Leben teuer genug bezahlen!«

»O, sprecht nicht so!« bat Gude ängstlich, während Klemens das Zimmer verließ. »Ihr müßt bald wiederkommen und mich auf Euer Gut führen, fern vom Hofe und den vielen bösen Menschen!«

Sie begann zu schluchzen, und Kajus tröstete sie, so gut er es vermochte. Er bat sie, jeden Abend für ihn zu beten und seiner in Liebe zu gedenken, was Gude unter Tränen versprach. Es war ein schwerer Abschied, als Kajus sich endlich von seiner traurigen Braut losreißen mußte, aber er nahm sich zusammen und wollte sich nicht schwach zeigen. Endlich, nach einem tiefen Blick in ihre feuchten Augen, einer innigen Umarmung verließ er sie, um vor der Tür des Gemaches mit seinem Bruder zusammenzutreffen, der nicht rasch genug verschwinden konnte.

»Weshalb belauschest du mich?« fragte Kajus unwillig.

Die Züge des anderen waren von Haß entstellt.

»Du sollst sie nicht küssen!« zischte er. »Du –«

Kajus blickte ihn wie versteinert an – dann hob er zornig die Hand, um sie ebensorasch wieder sinken zu lassen.

»Du bist noch mehr Knabe als ich dachte,« sagte er kühl, »aber weil es zum Abschied geht, so will ich Geduld mit dir haben. Schade, daß du noch nicht im 168 Kugelregen standest, manche Torheit würdest du vergessen!«

Klemens sah ihn finster an.

»Schon lange bin ich ein Mann,« sagte er grollend, »und gern kämpfte ich gegen die Schweden, wenn mir Gelegenheit geboten würde, aber –«

»Nun, dann,« unterbrach ihn Kajus ungeduldig, »dann horche nicht an den Türen und gönne mir die Braut!«

Er lachte unwillkürlich; ihm kam es unglaublich vor, daß sein um vier Jahre jüngerer Bruder schon Liebesgedanken haben sollte.

»Mit der Zeit wirst auch du ein liebes Schätzchen erringen!« setzte er freundlicher hinzu. Dann streckte er dem Bruder die Hand entgegen.

»Gehab dich wohl!« sagte er, fest in das umwölkte Gesicht des anderen blickend. »Sei treu und ehrlich, und vor allem, vergiß nicht, daß du ein Diener deines Königs bist!«

Zögernd legte Klemens seine wohlgepflegten Finger in die starke Rechte des Bruders. Eine trotzige Antwort drängte sich ihm auf die Lippen, aber er unterdrückte sie aus geheimer Scheu vor dem, von dem er sicher wußte, daß er nicht wiederkehren würde. Es tat ihm nicht leid, sich vielleicht auf ewig von seinem Bruder zu trennen, aber eine rechte Freude über dessen Schicksal wollte nicht in ihm aufkommen. Verstohlen hob er die Augen zu den männlichen Zügen und sah dann, als Kajus im Schloßhofe erschien, noch so lange aus dem geöffneten Fenster, bis die hohe Gestalt des älteren Junkers Rungholt unter den Bäumen des Rosenburger Parkes verschwand.


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