Charlotte Niese
Kajus Rungholt
Charlotte Niese

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48 IV.

Im Garten zu Holleby saßen die Freifrau Mathilde von Rungholt und der edle Herr von Zoppelow einträchtig nebeneinander. Es war ein warmer, sonniger Herbstnachmittag, und behaglich dehnte sich der Gast in einem hochlehnigen Stuhl, der mit lederüberzogenen Kissen ausgepolstert war. Er trug nicht mehr seinen verschabten Anzug, sondern einen weichgefütterten Hausrock, der ihm fast bis auf die Füße reichte, die in gestrickten wollenen Schuhen steckten. Auf einem Tischchen vor ihm stand ein dickbäuchiger Krug und ein Trinkbecher, den er fleißig an die Lippen führte und ebenso häufig wieder füllte.

Frau Rungholt warf öfters einen scharfen Blick auf Herrn von Zoppelow, wenn er zu häufig den Becher wieder füllte, aber sie äußerte ihre Unzufriedenheit nicht anders als durch einen tiefen Seufzer und stichelte eifrig an einer feinen Leinenarbeit.

Jetzt zog Zoppelow ein kurzes Tonpfeifchen hervor, und nachdem er es mit Tabak gefüllt, sagte er:

»Könntet Ihr mir eine durchgeglühte Holzkohle verschaffen, werteste Frau, so würde ich Euch tief dankbar sein, da ich mit einer solchen den Tabak am ehesten entzünde!«

Die Freifrau wies mit der Hand auf das Herrenhaus.

49 »Bemüht Euch selbst in die Küche, mein Freund,« sagte sie kurz. »Vielleicht ist noch ein Fünkchen auf dem Herd zu finden.«

Zoppelow machte ein etwas verdutztes Gesicht, erhob sich aber bald und holte sich schwerfälligen Schrittes die gewünschte glühende Kohle. Als er wiederkam, leuchtete sein Gesicht zufrieden. Hatte er doch dem drallen Küchenmädchen in aller Geschwindigkeit einen Kuß geraubt, was diese in lachender Ehrerbietung hinnahm.

»Es ist wirklich ein köstlich Leben hier, Frau Cousine,« schmunzelte er, sich wieder hinsetzend, »und ich kann meinen Gedanken, Euch zu besuchen, nicht genug loben!«

»Schafft nur, daß mein Klemens Herr dieses Gutes wird, dann sollt Ihr stets herzlich willkommen sein!« erwiderte Frau Rungholt, einen prüfenden Blick auf ihren Vetter richtend. Sie hatte scharfe Ohren, und sein lautes Lachen in der Küche war ihr nicht entgangen.

Zoppelow legte die Hand aufs Herz.

»Jeder Blutstropfen soll Euch gewidmet sein!« schwur er. »Selbst, wenn es mir schwer wird, Eure Gegenwart lange zu ertragen! Fühle ich doch, daß mein Herz noch jung ist und daß ich vor Amors Pfeilen bei Euch nicht sicher bin!«

Die letzten Worte sagte er mit süßlicher Betonung und richtete seine hervortretenden Augen starr auf die vor ihm sitzende Edelfrau.

Diese verzog die dünnen Lippen zu einem grämlichen Lächeln.

»Es wird wohl besser sein, Ihr vertretet meine 50 Angelegenheit bei einflußreichen Männern, als daß Ihr lange hier bleibt!« meinte sie dann. »Ein ungelehrtes Weib kann Euch nur schlechte Gesellschaft sein, und da Ihr, wie Ihr sagt, Bekanntschaft mit den Höchsten im Lande habt, so wäre es ja eine Torheit, viele Tage bei mir Eure kostbare Zeit zu verträumen, da Euch Banner gewißlich bald rufen wird.«

»Nun, er hat keine großen Verluste bei Wittstock gehabt und wird sich ohne mich noch ein Weilchen behelfen müssen!« sagte Zoppelow, ärgerlich seinen Bart streichend. Es war ihm wenig angenehm, daß Frau Mathilde seine schöne Redensart so wörtlich nahm.

»Ihr werdet am besten wissen, wohin Ihr Euch jetzt zu wenden habt!« sagte die Freifrau gleichmütig. »Wenn Ihr alles gut geordnet habt, dann wird ein guter Lohn nicht auf sich warten lassen, und auf einige hundert Kronen soll es mir dann nicht ankommen!«

Sie betonte das dann sehr stark, und Zoppelow zuckte mißmutig die Achseln.

»Großmut scheint eben nicht eine Eigenschaft von Euch zu sein!« sagte er mit spöttischem Lachen. »Sonst würdet Ihr mir vielleicht einen Vorschuß anbieten, den ich, bei meiner Seele, gut gebrauchen könnte. Oder meint Ihr, daß ich in meinem alten Koller und in durchlöcherten Stiefeln dem dänischen Ambassador in Stockholm, Herrn Peter Wiebe, meine Reverenz machen soll?«

»Auf diese Dinge verstehe ich mich nicht!« rief Frau Rungholt, indem sie ihre magere Gestalt steif 51 aufrichtete und den Vetter mit stechendem Blick ansah. »Wenn Euer Habit gut genug war, um es vor meine Augen zu bringen, so wird Herr Wiebe, der meines Wissens bürgerlicher Herkunft ist, sicherlich auch keinen Anstoß daran nehmen!«

Zoppelow öffnete eben den Mund zu einer zornigen Entgegnung, als Klemens atemlos zu seiner Mutter geflogen kam. Seine langen Locken hingen ihm in die vor Erregung leuchtenden Augen, und ohne viel Umstände stieß er so gegen den Mecklenburger an, daß dieser fast von Stuhl gefallen wäre.

»Der Hinnerk ist davon!« keuchte er. »Schon vorgestern abend!«

»Laß ihn laufen, wohin er will!« brummte Zoppelow, während er einen derben Fluch über des Knaben Ungeschicklichkeit hinzusetzte.

Aber die Freifrau stand hastig auf.

»Wer hat ihn entspringen lassen?« fragte sie zornig.

»Kajus hat ihm geholfen, ein großes Loch in die Mauer zu machen, und Peter, der Stallknecht, der ihm immer das Essen brachte, durfte es nicht verraten!« berichtete Klemens, zufrieden über den Eindruck, den seine Mitteilung auf die Mutter machte.

In höchster Erregung ging die Freifrau auf den Hof und rief schrill nach dem Vogt, der zögernd, die Mütze in der Hand, erschien.

Die edle Dame eilte auf ihn zu und schlug ihn mit einem vom Wege aufgelesenen Stock ins Gesicht.

»Du sollst im Turm sitzen,« schrie sie, »damit du lernst, auf deine Leute zu achten! Du bist ein ungetreuer Knecht, dem ich die Faulheit schon 52 austreiben werde! Und nun schaffe mir den Peter und zwei Knechte mit Lederpeitschen herbei, damit der Bube lerne, was auf sein Verbrechen steht!«

Sie wandte sich Herrn von Zoppelow zu, der ihr langsam gefolgt war und mit behaglichem Lächeln ihren Zornausbruch beobachtet hatte.

»Hinnerk war ein guter Arbeiter, der mir schwer ersetzt wird!« rief sie aufgeregt. »Aber Peter soll sein Hehlen büßen!«

»Und der edle Junker Kai?« fragte Zoppelow. »Trägt er nicht die größte Schuld?«

Ein Ausdruck des Hasses trat in die Züge der Gefragten, der ihr etwas Megärenhaftes verlieh.

»Einer nach dem andern!« rief sie drohend, die knochigen Hände ballend, während Zoppelow mit einem gemurmelten »Alle Hagel, wie sieht die Hexe aus!« von ihr zurücktrat und sich an die Hauswand lehnte, um die beginnende Exekution bequem übersehen zu können.

Da brachten zwei gefühllos und stumpf blickende Gesellen den Stallknecht herbei, der durch das Verschweigen der Flucht Hinnerks zu so harter Strafe verurteilt war. Er war ein großgewachsener junger Mensch, auf dessen offenen, nicht unschönen Zügen jetzt ein Ausdruck von Angst und Entsetzen lag; denn das Auspeitschen war fürchterlich und konnte den dazu Verdammten für Jahre siech und elend machen. Aber keine Bitte um Erbarmen kam über die Lippen des Knechtes; er kannte die Freifrau zu gut und wußte, daß Bitten niemals Gehör finden würden. Wortlos ließ er sich seiner Oberkleider entledigen und von den Henkern auf ein schräggestelltes Brett hinlegen, als 53 plötzlich der Junker Kai auf dem Hofe erschien und mit einem raschen Sprunge vor dem Vogt stand.

»Befiehl den Knechten, daß sie Peter loslassen!« sagte er. Seine Stimme klang ruhig, aber seine Augen flammten so gebieterisch, daß der Vogt zusammenfuhr.

»Gnädiger Junker –« murmelte er und warf einen ängstlichen Blick zu der Freifrau hinüber, die bei Kais Erscheinen kreideweiß vor Wut geworden war.

»Entferne dich, mißratener Bube!« kreischte sie in den schrillsten Tönen, »oder es ergeht dir ebenso wie deinem Kumpan!«

Kajus lächelte gleichmütig und hob ein schweres Reiterpistol so, daß alle dasselbe erblicken konnten.

»Wer Peter anrührt, dem schieße ich eine Kugel vor den Kopf!« sagte er.

Die Wirkung seiner Worte war eine augenblickliche. Die Knechte sowie der Vogt zogen sich sofort auf eine respektvolle Entfernung zurück, und sogar Zoppelow machte mit einigen kernigen Flüchen mehrere Schritte rückwärts, um in den Schutz einer breitstämmigen Linde zu kommen, während Frau Mathilde einen lauten Wutschrei ausstieß.

Sie schien nicht übel Lust zu haben, sich auf ihren Stiefsohn zu stürzen, um ihm die gefährliche Waffe zu entreißen, als eine laute, ärgerliche Stimme ertönte, bei deren Klang alles zusammenfuhr.

»Was geht hier vor?« fragte Freiherr von Rungholt, der plötzlich mitten auf dem Hofe stand, »und was bedeutet dieser halbnackte Mensch?« Er wies mit der Hand auf Peter, der sich von seinem Brett 54 halb erhoben hatte, um mit Spannung den Streit über seine Bestrafung anzuhören.

Mit lautem Freudenschrei stürzte Kajus auf den Vater zu und umfaßte mit beiden Armen seine hohe Gestalt.

»Gut, daß Ihr da seid, Herr Vater!« rief er aufgeregt. »Ihr müßt die Ungerechtigkeit verhindern, die man an Peter begehen will!«

»Du kannst mir nachher davon berichten!« rief der Freiherr mit abwehrender Handbewegung. »Auf jeden Fall schickt es sich nicht, daß ein Knecht vor aller Welt Augen gestraft wird!« Er warf einen unzufriedenen Blick auf seine Gemahlin, die, unbeweglich, mit zusammengekniffenen Lippen, nicht von ihrem Platz gewichen war. »Führt ihn in den Turm!« befahl er dann, »aber legt ihn an die Kette, sonst möchte er es machen wie Hinnerk!«

»Das weiß der Herr Vater schon!« rief Kajus erstaunt, aber der Freiherr beachtete ihn nicht weiter. Er schritt in aufrechter Haltung auf Herrn von Zoppelow zu, der in unangenehmster Überraschung auf den Ankömmling geblickt und sich vergebens nach einem verborgenen Winkel des Hofes umgesehen hatte. Er nahm sich in dem langen wollenen Hausrock und den gestrickten Schuhen auch nicht sehr ritterlich aus, und ein spöttisches Lächeln flog bei seinem Anblick über das ernste Gesicht des Freiherrn von Rungholt.

»Ich finde hier einen Gast meines Hauses, den ich nicht kenne!« sagte er dann, seinen breitkrempigen grauen Hut mit den Fingerspitzen berührend. »Darf ich fragen, ob Ihr der Magister seid, dem ich alle Jahr ein Röcklein verehren muß?«

55 Zoppelows rotes Gesicht wurde bei dieser Anspielung des Fragers auf seinen geborgten Rock noch röter, aber er richtete sich unwillkürlich straffer auf.

»Ich bin der Herr von Zoppelow, aus altem Mecklenburger Hause,« begann er, aber schon kam die Freifrau ihm zu Hilfe.

»Albrecht von Zoppelow ist mein Vetter mütterlicher Seite, mein Herr Gemahl!« sagte sie scharf; »auch hoffe ich, daß meine Freundschaft Euch stets willkommen sein wird, da ich ein einsam und verlassen Weib bin, das nicht viel Freude am Leben hat!«

Freiherr von Rungholt zog unwillig die Brauen zusammen, aber er besaß höfische Manier genug, seiner Gemahlin in Gegenwart Fremder keine Unart zu sagen. Er wandte sich kurz von ihr, nachdem er ihr befohlen, einen Trunk Würzwein herzurichten, und dann schritt er auf den Vogt zu, um sich von diesem Bericht über den Hof geben zu lassen, während seine Troßknechte, die mit ihm gekommen waren, die Pferde abschirrten und zur Tränke führten. Rungholt war vor dem Hofe abgestiegen und hatte einen Richtweg durch den Garten eingeschlagen, so daß er auf diese Weise unbemerkt Zeuge der Szene auf dem Hofplatze wurde. Nach einer Weile ging er langsam auf das Herrenhaus zu und winkte mit einer unmerklichen Bewegung der Augen Kajus zu sich heran, der sich immer in seiner Nähe gehalten hatte und das Pistol noch in der Hand trug. »Was soll das Pistol?« fragte er streng. »Willst du schon Menschen totschießen, weil sie deinen Willen nicht tun?«

»Es ist nicht geladen,« entschuldigte sich Kai, die schwere Waffe vergnügt betrachtend. »Sie hatten 56 alle Angst,« setzte er triumphierend hinzu, »auch der dicke Mecklenburger; aber wenn Ihr nicht bald gekommen wäret, Herr Vater, dann hätte die Frau Mutter ihren Kopf doch durchgesetzt.«

»Hast du Hinnerk laufen lassen?« fragte der Vater weiter.

Kai errötete stark, antwortete aber ruhig mit »Ja.«

»Und weshalb?«

»Weil er Euch holen sollte!«

»Konntest du nicht allein mit dem Mecklenburger fertig werden?« Der Ton des Freiherrn klang spöttisch. »Dein Erbteil kann er dir nicht leicht nehmen, wie sehr die Freifrau es auch wünschen mag, und dann bin ich selbst noch da und denke noch lange in meinen Schuhen zu bleiben!«

Er richtete sich strammer auf, schlug mit der Reitpeitsche gegen die schweren Stiefel und sah herausfordernd auf seinen Sohn, dessen schmächtige Gestalt auch in die Höhe schnellte.

»Ich sandte Hinnerk nicht, damit Ihr mir helfen solltet, Herr Vater!« erwiderte er mit trotzigem Blick. »Obgleich es nicht schön ist, alle Tage zu hören, man wäre unedler Geburt. Ich sandte ihn, weil ich meinte, der Fremde würde Seeland an Oxenstirn verraten!«

»Dummheit!« murmelte Rungholt. »Meinst du, dieser dicke Saufaus, dem die Gemütlichkeit aus jeder Falte seiner Fratze spricht, würde ein solch Geschäft übernehmen, selbst wenn es ihm angeboten wäre, was ich noch nicht glaube? Oxenstirn nimmt schlauere Füchse als ihn. Du aber,« sagte er lauter, »bringst mich in eine üble Lage, da ich den Vetter meiner 57 Gemahlin als Gefangenen mitnehmen muß, was diese mir niemals verzeihen wird!«

Kajus machte ein etwas betroffenes Gesicht und folgte seinem Vater schweigend. Dieser trat jetzt in die Halle.

Hier stand bereits eine große Kanne dampfenden Weines und ein silberner Becher aus schöner getriebener Arbeit auf dem Eichentisch, und der Freiherr setzte sich mit einem Seufzer. Ihm war der Auftrag, Zoppelow nach Kopenhagen zu führen, sehr unangenehm, obgleich König Christian ihm einen eigenhändig geschriebenen Befehl dazu übersandt hatte. Aber er wußte, daß Korfiz Uhlfeld diese Order ausgewirkt hatte, und sein hochmütiger Sinn beugte sich ungern vor dem jungen ehrgeizigen Reichshofmeister. Deshalb sah er auch ziemlich milde auf den Herrn von Zoppelow, der jetzt auch in der Halle erschien, und zwar wieder in seinem eigenen Kostüm. Er entschuldigte sich mit vielen Worten, daß er die Freiheit genommen hatte, ein Gewand anzulegen, das ihm nicht gehöre, aber auf Reisen wäre man ja nicht mit allem versehen. Dann stieg ihm der Duft des gewürzten Weines in die Nase, und er setzte sich mit behaglichem Lächeln. Offenbar schien er nicht zu ahnen, daß der Besuch des Freiherrn ihm galt. Dieser hatte seine ganze Rede mit Ruhe angehört und schien keine Lust zu verspüren, auf sie zu antworten. Er trank schweigend einige Becher des heißen Weines, ohne dem Mecklenburger davon anzubieten, dessen Gesichtsausdruck kummervoll wurde.

Endlich begann der letztere: »Noch nie sah ich so schöne bunte Fenster in einem Herrenhause, als 58 in dem Euren, Herr Freiherr! Ihr habt sie sicher teuer bezahlen müssen!«

Der Angeredete hob flüchtig die Augen zu den gemalten Scheiben, auf denen das Sonnenlicht wieder magisch erglänzte.

»Ich nahm sie den Mansfeldschen Scharen ab, die sie samt der Kirche, in der sie sich befanden, verbrennen wollten. Das Herschaffen hat mich viel Geld gekostet und der Kauf auch, denn die Burschen tranken viele Fässer Bier auf meine Rechnung, nachdem sie mir die bunten Scherben herausgelöst!«

»Es war wohl im Hannöverschen?« fragte Zoppelow, und Freiherr von Rungholt nickte.

»Da gab es gewiß manche gute Kriegsbeute,« seufzte der andere. »Ich habe nie Glück damit gehabt; überall, wohin ich kam, waren schon andere gewesen, und was ich hervorsuchte aus alten Spinden und Betten, konnte ich niemals wieder loswerden, und der Trödler wollte es kaum geschenkt haben.«

»Ihr kämpftet bei den Schweden?«

»Schon vier Jahre, edler Herr; doch haben die gelbblauen Farben mir kein Glück gebracht, und ich möchte wohl in dänischen Dienst treten!« versetzte Zoppelow möglichst unbefangen, obgleich ein eigentümlicher Ausdruck in des Freiherrn Gesicht ihn erschreckte.

Dieser stand auf, nahm zwei Zinnbecher von der Kredenz und stellte sie vor Zoppelow und vor Kajus, der bescheiden unten am Tische stand. Der Freiherr winkte seinem Sohne, sich hinzusetzen, und während er einschenkte, sagte er leichthin:

»Ihr dürft Eure Wünsche bald dem König 59 Christian selbst sagen, werter Herr, da ich Befehl habe, Euch vor Seine Majestät zu führen!«

Der Becher, den Zoppelow soeben an den Mund führen wollte, wäre fast aus seiner Hand geglitten, und er wurde so blaß, wie es sein dunkel gefärbtes Gesicht erlaubte.

»Ich zu König Christian!« stammelte er. »Was hätte ich dort bei dem großen Fürsten zu tun? Ich bin ein armer deutscher Edelmann, der keine Bekanntschaft bei Hofe hat. Ihr treibet Scherz mit mir, edler Freiherr!«

Sein Schreck und seine Angst waren so ersichtlich, daß sich Rungholts Mißtrauen, dem er kaum Raum gegeben hatte, steigerte.

»Wenn Ihr ein rein Gewissen habt, tut Euch der König nicht weh!« erwiderte er. »Seine Majestät ist ein gerechter Herrscher!«

Zoppelow erhob sich hastig.

»Verzeiht, edler Herr,« sagte er demütigen Tones, »aber mir fällt ein, daß ich zu übermorgen abend bei Banner erwartet werde, der mich ob meiner Lässigkeit arg schelten wird. Ich –« er stand schon an der Tür, aber die starke Hand des Freiherrn legte sich so gewichtig auf seine Schulter, daß seine Knie zu zittern anfingen.

»Wenn Ihr Euch vom Fleck rührt, muß ich Euch binden lassen!« sagte er gebieterisch. »Kommt, seid ein Mann und gebt Euer Ehrenwort, mir nicht zu entlaufen!« Aber der Mecklenburger sank vernichtet, keines Wortes mächtig, auf seinen Stuhl, und der Freiherr betrachtete den dicken, furchtsamen Mann mit einer Art spöttischen Mitleids. Als aber seine 60 nochmalige Aufforderung, sich als Gefangener zu betrachten und sein Ehrenwort zu geben, daß er nicht entfliehen werde, von Zoppelow nicht beantwortet wurde, wandte er sich achselzuckend ab und gab Kajus einen leisen Befehl in dänischer Sprache. Dieser verschwand eilig, um bald darauf mit zwei Knechten wiederzukehren, die, nachdem Zoppelow der Degen abgenommen war, den Widerstrebenden in ihre Mitte nahmen, um ihn in sein im Obergeschoß liegendes Gastgemach zu führen. Dort setzten sie sich behaglich auf eine hölzerne Bank und stellten es dem fremden Herrn frei, ob er sich mit ihnen unterhalten wollte oder nicht.

Der Freiherr sollte unterdessen auch erfahren, daß sein Auftrag, den Mecklenburger gefangenzunehmen, in mehr als einer Beziehung unangenehm war, denn kaum hatte sich die Tür hinter Zoppelow geschlossen, als seine Gemahlin aus einer anderen hervorstürzte und ihn mit Verwünschungen überhäufte. Frau Rungholt liebte es durchaus nicht, Gäste zu beherbergen, schon aus Sparsamkeit nicht; aber ihr Vetter, den sie gleichfalls mit scheelen Blicken empfing, hatte sie nicht allein in ihrer Abneigung gegen Kajus bestärkt, sondern ihr auch Hoffnung gemacht, daß Klemens doch noch einmal Herr auf Holleby werden könne. Für ihren Sohn aber erduldete sie alles, und der Gedanke, daß Zoppelow nun nichts für Klemens tun könne, erfüllte sie mit solchem Zorn, daß sie jede Scheu vor ihrem Herrn und Gebieter vergaß und fast zu Tätlichkeiten übergegangen wäre. Der Freiherr bemühte sich vergebens, ihr vorzustellen, daß auch ihm die Gefangennahme Zoppelows sehr unangenehm 61 gewesen wäre, daß er sich aber dem königlichen Befehle nicht entziehen konnte.

Aber Frau Mathilde fuhr mit beiden Händen auf Kajus los und hätte ihn gekratzt, wenn ihr Gemahl sie nicht gefaßt und auf ihr Zimmer getragen hätte. Dort hörte man sie noch lange schreien und jammern.

Verdrießlich saß der Freiherr nachher hinter seinem Wein; Kajus aber stand neben den Troßknechten des Vaters und ließ sich von der Pracht des dänischen Hofes und seinen stolzen Rittern berichten.


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