Charlotte Niese
Kajus Rungholt
Charlotte Niese

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XI.

»Böser Junker, zweimal schon seid Ihr kalten Blickes und achtlos an mir vorübergegangen! Ist das Eure Liebe, von der Ihr mir neulich in einem langen Schreiben Wunderdinge sagtet?«

Gude von Thienen sprach mit leiser Stimme Kajus Rungholt an, der in Gedanken versunken an ihr vorübergeschritten war. Der König hatte seinen Hofstaat entlassen, und Kajus wollte zu seinem Vater gehen, als das Fräulein ihm in einem der Vorzimmer entgegentrat. Entzückt ergriff der Junker beide Hände der Geliebten.

»Also habt Ihr mein Brieflein erhalten?« fragte er strahlend. »Und was sagtet Ihr zu dem Verslein?« Vergessen war alle Sorge des Augenblicks über den blauen Augen Gudes, und er versuchte, sie leise zu umfassen.

Aber diese wehrte ihm sanft.

»Das Verslein war herzlich schlecht,« sagte sie dann flüchtig lächelnd, »und noch dazu gar nicht Euer eigen Machwerk. Auch heiße ich nicht Phyllis, sondern Gude, und wenn Ihr dichtet, könnt Ihr ebensogut meinen Namen gebrauchen!«

123 »Ihr seid also nicht zufrieden?« fragte Kajus bestürzt.

»Nein,« lautete die lachende Antwort, die den Junker so empörte, daß er das junge Mädchen in seine kräftigen Arme nahm und so herzhaft auf die roten Lippen küßte, daß sie kein Wort des Widerstandes äußern konnte.

»Ihr seid zu streng mit mir, holdselige Jungfrau,« sagte er endlich hochaufatmend in ganz kläglichem Ton. »Ihr seht, ich bin ein wilder, ungebärdiger Gesell, der nur mit viel Sanftmut regiert werden kann.«

Aber die Jungfrau schien ob seiner Kühnheit die Sprache verloren zu haben. Sie hatte den blonden Kopf an die breite Brust des Junkers gelegt und sagte kein Wort. Kajus sprach hastig weiter; obgleich ihm sonst die Worte nicht sehr zu Gebote standen, fand er jetzt Ausdrücke genug, seine innige Liebe auszusprechen, und er mußte es gut verstehen, denn Gudes Haupt ruhte noch immer auf derselben Stelle, und ihr vorhin trauriges Gesicht lächelte beglückt, als sie den Liebesworten lauschte, die der feurige Junker ihr ins Ohr flüsterte.

Sie hatte ihn lange genug schmachten lassen und war geschickt seiner Werbung ausgewichen. Aber die Trennung von ihm, dann die Schreckensnachricht aus Holstein brachten der Jungfrau zum Bewußtsein, daß sie ohne des Junkers Liebe nicht mehr leben könne.

Jetzt löste sie sich sanft aus seinen Armen.

»Ach, wie mag ich nur fröhlich mit Euch scherzen, wenn meine Heimat vom Feinde verwüstet wird!« rief sie traurig. »Vielleicht legt der Schwede in diesem 124 Augenblick Feuer an unser Haus, und mein Vater, meine Brüder sind obdachlos!«

Sie brach in Tränen aus, und Kajus suchte vergebens sie zu beruhigen.

»Wir werden hinziehen, die Holsteiner zu beschützen!« tröstete er; aber Gude schüttelte den Kopf.

»Hat Euch Herr Uhlfeld nicht gesagt, daß wir dem Feinde gegenüber machtlos sind, und daß die Kaiserlichen herbeigerufen werden sollen, unser armes Land zu schützen? Die Junker werden alle auf die Schiffe müssen, um mit der Flotte die Schweden zu bekämpfen!«

Gespannt blickte Kajus in das erregte Gesicht der Jungfrau.

»Mir hat Uhlfeld nichts gesagt,« sagte er dann; »er scheint uns zu zürnen.«

»Auch davon hörte ich!« klagte Gude. »Weshalb hat doch Euer Vater das Geleitschreiben des Reichshofmeisters nicht geehrt? Ein Brief mit schwerer Anklage gegen den Freiherrn und Euch ist durch einen vermummten Knecht überreicht worden.«

Kajus horchte auf.

»Von wem kam dieser Brief?«

Aber Gude wußte auf diese Frage keinen Bescheid zu geben. Gräfin Eleonore hatte ihr davon berichtet und manches böse Wort gegen die Rungholts ausgestoßen, was Gude so ängstigte, daß sie eine Gelegenheit suchte, den Junker zu sprechen, um ihn vor der Rache der Uhlfelds zu warnen. Diese Unterredung 125 war allerdings ganz anders ausgefallen, wie sie vielleicht erwartete, und ein liebliches Rot überzog ihr feines Gesicht, als sie die Augen zu Kajus aufschlug, der, aller Sorge zum Trotz, sie noch einmal heiß küßte. Aber ein Geräusch an der Tür ließ beide auseinanderfahren, und als im nächsten Augenblick der fromme Hofprediger Wind eintrat, der Vetter des Admirals gleichen Namens, fand er in dem leeren Gemach nur einen Stulphandschuh, den er aufhob, um ihn später dem jungen Herrn, dessen Name mit Silber daraufgestickt war, mit sanfter Ermahnung wegen seiner Nachlässigkeit wiederzugeben.


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