Charlotte Niese
Kajus Rungholt
Charlotte Niese

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V.

Schon am nächsten Morgen standen die Pferde, die den Freiherrn von Rungholt, seine Knechte und den Gefangenen nach Kopenhagen bringen sollten, zeitig vor dem Hause, und freudestrahlend machte Kajus sich an einem leichten Rößlein russischer Art zu schaffen. Er fühlte sich glücklich wie noch niemals, hatte ihm doch sein Vater am gestrigen Abend die Mitteilung gemacht, daß er beabsichtige, ihn mit an den dänischen Hof zu nehmen. Seine dunklen Augen hatten so geleuchtet, daß der ernste Freiherr ihn erstaunt ansah und dann mit kurzen Worten in seine Schlafkammer sandte. Aber Kajus konnte vor Aufregung nicht schlafen. Nur eins war ihm leid: daß Klemens daheim blieb; aber der Vater hatte auf seine Bitte, ihn mitzunehmen, kurz erklärt, daß Klemens noch einige Jahre bei dem Prädikanten Unterricht nehmen und dann auf die Akademie nach Sorö solle, weil er mehr Neigung zu den Wissenschaften 62 hatte als Kajus. Letzteres war nur zu wahr. Konnte der ältere Bruder auch kunstvoll mit dem Degen stechen, Bolzen schießen und ein Pferd tummeln, so hatte Klemens ihn doch schon im Lesen und Schreiben überholt, und während Kai noch immer armselige Buchstaben auf den Schiefer krakelte, malte der Kleine schon artige Lettern auf Papier und begann auch lateinische Verba zu konjugieren. Deshalb durfte er auch bei seiner Mutter bleiben, was ihn augenblicklich mit großer Empörung erfüllte. Weinend stand er in der Haustür und sah zu, wie Kais Mantelsack auf das Pferd eines der Knechte geschnallt wurde. Während Zoppelow auf sein Pferd stieg, nahm der Freiherr im Wohngemach seiner Gattin Abschied von ihr. Frau Rungholt sah jetzt demütig in das strenge Antlitz ihres Gatten, der ihr gemessenen Tones einige Anweisungen über die Bewirtschaftung des Hofes gab. »Auch wünsche ich,« setzte er hinzu, »daß Ihr Euch befleißigt, möglichst wenig Strafen zu verhängen und besonders das Auspeitschen vermeidet, welches das Gemüt der Leute verdirbt. Nur bei schweren Vergehungen dürft Ihr dasselbe anwenden, da es dann heilsam für die Seele sein kann!«

Die Freifrau war rot geworden; aber sie senkte die Augen und versicherte leise, daß die Gebote ihres Herrn befolgt werden sollten. Dann küßte sie die große Hand des Freiherrn, die sich ihr zum Abschiede entgegenstreckte, und winkte dem Mecklenburger, der ihr trübselig zunickte, mit dem Taschentuche. Kai nickte sie gleichgültig zu, während Klemens sich aufschluchzend in die Arme des Bruders und Spielgefährten warf. Doch nicht lange Zeit durften alle auf den Abschied 63 verwenden; als der Freiherr im Sattel saß, stieß er ein kurz befehlendes Wort aus, und die Reiterschar sprengte klappernd vom Hofe.

Wald und Feld waren noch in weißlichen Herbstnebel gehüllt, aber schon zitterten die ersten Sonnenstrahlen auf dem rötlich schimmernden Laube der Bäume und glitten dann über die kahl gewordenen Felder und Raine.

Zum ersten Male in seinem Leben empfand Kai ein fast leidenschaftliches Heimatgefühl, und als er auf die Dächer und Bäume von Holleby zurückblickte, das hell im Morgenschein erglänzte, stieg es ihm heiß in die Augen. Er blickte gerade vor sich hin auf den sandigen Weg und achtete nicht des munteren Geplauders der Leute, die dicht hinter ihm ritten, während sein Vater und Zoppelow die Spitze des kleinen Zuges bildeten. Aber nicht lange hing er seinen Gedanken nach. Als Peter, der Stallknecht, den er sich zur Begleitung ausgebeten hatte, ein Reiterliedchen anstimmte und die andern lustig einfielen, da war es auch mit Junker Kais Trauer vorbei, und bald erklang seine Stimme im fröhlichen Chor.

Der Freiherr und sein Gefangener schienen weniger zum Singen geneigt. Der erstere hing ernsthaften Gedanken nach, ohne viel auf den Mecklenburger zu achten, der das Aussehen hatte, als wäre sein Schlaf in der vergangenen Nacht kein guter gewesen. Seine Wangen waren bleich und der Ausdruck der Augen trübe. Von Zeit zu Zeit warf er einen verstohlenen Blick um sich, als spähe er nach einer Gelegenheit, mit seinem Pferde querfeldein zu jagen auf Nimmerwiedersehen; da aber sein Tier 64 ein alter, steifbeiniger Klepper war, so sah er wohl selbst ein, daß die flinken Rosse der andern ihn mit geringer Mühe einholen würden, und mit mancher grimmigen Verwünschung seines Schicksals ergab er sich darein.

Nach einem mehrstündigen scharfen Ritt wurde bei einem Wirtshause an der Landstraße haltgemacht. Alles stieg von den Pferden, die getränkt und gefüttert wurden, und der Freiherr nahm mit Zoppelow und Kajus ein einfaches Mittagbrot ein.

Nachdem er darauf die Überwachung des Gefangenen seinen Knechten übergeben hatte, rief er seinen Sohn zu sich in den kleinen Garten, der seitwärts vom Hause lag.

»Wie alt bist du eigentlich?« begann der Freiherr seine Unterhaltung.

»Vierzehn Jahre!« lautete die rasche Antwort, und der Vater nickte.

»Ja, ja, so lange muß es wohl her sein, daß deine Mutter zu Gott ging!« Er seufzte. »Des Allmächtigen Wege sind unerforschlich, jedoch für mich wäre es besser gewesen, wenn sie noch lebte. So schön und gut wie sie war keine Jungfrau im holsteinischen Lande!«

Kajus, dem die Mutterliebe sein ganzes Leben fremd geblieben war, den niemand jemals geliebkost hatte, fühlte nur dunkel, daß es auch für ihn heilsam gewesen wäre, wenn seine Mutter noch lebte. Er hatte von ihr nur als ›Bürgermädchen‹ von der jetzigen Freifrau sprechen gehört, so daß er es eigentlich als persönliches Unrecht gegen sich selbst betrachtete, daß sein Vater zu seiner Mutter keine Adelige wählte.

65 »Sie muß wohl schön gewesen sein, daß Ihr eine Kaufmannstochter zur Edelfrau erhobet!« sagte er zögernd.

Der Freiherr, der sich auf ein Holzbänkchen gesetzt hatte und gedankenvoll seinen Bart strich, schaute erstaunt auf.

»Also dies Lied singt der Junker auch schon!« rief er halb unwillig, halb belustigt. »Nun, du hast am Ende mancherlei darüber hören müssen, daß deine Mutter eine Bürgerliche gewesen ist, und das Klatschmaul, der Hinnerk, wußte zu berichten, daß die edle Frau von Rungholt und ihr vortrefflicher Vetter ein Komplott schmiedeten, dir Holleby abspenstig zu machen. Aber daß ich nur mit dem Gelde der Kaufmannstochter jenes Gut kaufte, das wird dir niemand erzählt haben. Und doch ist es so, und mancher Ritter hätte sich gern in der Klosterkirche zu Kiel an die Seite meiner Herzallerliebsten gestellt, als der Pastor über uns den Segen sprach; denn sie war nicht allein schön und gut, sondern auch ein Goldfischlein, das mir Reichtum und manch schönes Geschmeide in die Ehe brachte. Die jetzige Freifrau war dagegen arm wie eine Kirchenmaus, als ich sie auf Zureden des Herzogs von Pommern zu meiner Gemahlin erhob, und daher ist sie so stolz auf ihren Adel. Denn etwas muß der Mensch haben, um stolz darauf sein zu können, und weil sie weder schön noch verständig ist, so ist das einzige, das ihr bleibt, ihr Name!«

»Ein edler Name ist doch sicherlich ein großes Ding?« fragte Kajus, der gespannt und erleichterten Herzens dem Vater lauschte.

Dieser nickte. »Ganz gewiß, aber da es jetzo so 66 viele Leute mit edlem Namen gibt, daß man Kopenhagen mit ihnen pflastern könnte, ohne daß der Welt ein großer Schaden geschähe, so muß ein jeglicher sich bemühen, tüchtig und brav zu sein, damit er sich vor den andern auszeichne. Ich sage dir, daß König Christian nicht viel nach dem Adel fragt, und daß mancher Bürgersohn bei ihm zu hohen Ehren gekommen ist, weil er ihn besser gebrauchen konnte als die stolzen Junker, die von der Welt nichts mehr kennen als ihre Vetterschaft und ihren Stammbaum. Doch alles dieses kannst du selbst mit eigenen Augen sehen und darüber nachdenken; wenn ich dich hierher rief, so geschah es, um dir einiges von Christian und seinen Kindern zu sagen.«

Der Freiherr blickte eine Weile starr in den hellblauen klaren Himmel, ehe er fortfuhr.

»Ich habe dir schon einmal erzählt,« sagte er dann, langsam jedes Wort abwägend, »daß Königin Anna Katharina, des brandenburgischen Markgrafen Tochter, seit vielen Jahren verstorben ist, und daß die zweite Gemahlin Seiner Majestät von dänischem Adel war, aber bereits vor sechs Jahren die Gunst des Königs verscherzte und jetzt in Jütland auf ihrem Hofe Boller lebt. Doch werden ihre Kinder wie königliche Prinzen und Prinzessinnen gehalten, obgleich Frau Christine Munk dem Könige nur zur linken Hand angetraut und ihre Ehe keine ebenbürtige ist. Doch hüte dich, dem Grafen Waldemar, Frau Christinens Sohn, anders als mit Devotion zu begegnen; er gilt bei Seiner Majestät ebensoviel wie Prinz Christian, und auch den jungen Gräfinnen mußt du schuldigen Respekt erweisen. Ich denke, Frau Karen 67 Sehestedt, ihre Oberhofmeisterin, zu bitten, daß sie dich mit Gräfin Helwig spielen lasse, da du dann lernen wirst, dich höfisch zu bewegen!«

»Mit einem Mädchen soll ich spielen?« fragte Kajus enttäuscht. »Gibt es denn keine Knaben am Hofe?«

»Mehr als genug!« erwiderte der Freiherr, aufstehend. »Du wirst dänische, norwegische, schleswigsche und holsteinische Junker in Hülle und Fülle treffen und genug Zeit finden, dich mit allen zu raufen. Es gibt wackere Burschen unter ihnen, aber gar mancher wird dich scheel ansehen, weil sie mich als deutschen Edelmann nicht zu den Ihren rechnen. Doch steh nur fest in deinen Schuhen und laß dir keine Schmährede gefallen, dann werden sie schon von dir ablassen.«

Langsam schritt der Sprecher dem Ausgange des Gartens zu, und sein Sohn folgte ihm schweigend. Die kurze Mitteilung des Vaters, von der er so manches nicht verstand, gab ihm das dunkle Gefühl, daß der Eintritt in die neue, sich ihm öffnende Welt mit mancherlei Gefahren verknüpft wäre, deren Tragweite er noch nicht ermessen konnte, und wenn er an das eben verlassene Landleben zurückdachte, überkam ihn leises Bedauern.

Bald setzte sich die Reiterschar wieder in Bewegung und ritt in raschem Trabe auf Kopenhagen zu, dessen Türme nach einigen Stunden am Horizonte aufstiegen. Kajus betrachtete sie neugierig; außer der mit Holz gedeckten Kirche seiner Heimat kannte er keine größeren Bauwerke, und die schlank aufragenden Spitzen der Gotteshäuser erfüllten ihn mit Bewunderung. Auf Herrn von Zoppelow schien die 68 Nähe der Stadt keinen angenehmen Eindruck zu machen; er saß gebeugt auf seinem Pferde und murmelte Worte vor sich hin, die bald wie Gebete, bald wie Flüche klangen. Freiherr von Rungholt beachtete ihn kaum, aber Kajus blickte mitleidig auf den Mann, der sich ihm so unfreundlich erwiesen und zu dessen Gefangennahme er selbst beigetragen hatte. Jetzt hätte der Junker ihm mit Freuden Gelegenheit gegeben, zu entwischen, aber die Furcht vor seinem Vater hielt ihn zurück.

Schon begann die Sonne zu sinken, als die Reiter in einen Wald einbogen, der dicht vor Kopenhagen lag. Eine glänzende Kavalkade sprengte ihnen plötzlich entgegen und begrüßte die Ankommenden mit lautem Zuruf. Allen voran ritt ein schönes, stolzes Paar; der Herr, ein hochgewachsener, dunkeläugiger Mann, mit äußerster Pracht gekleidet, neben ihm in himmelblauem Samt ein reizendes Mädchen, das ihren weißen Zelter mit fester Hand dicht vor dem Freiherrn parierte und ihm mit liebreizendem Lächeln die Hand bot.

»Willkommen, stolzer Ritter!« rief sie fröhlich. »Ihr schaut finster drein, und doch scheint mir, als wenn Ihr Euer Geschäft gut ausgerichtet hättet!« Und mit dem goldenen Griffe ihrer Reitgerte zeigte sie lachend auf Zoppelow, dessen behäbige Gestalt wunderlich genug mit seinem vor Angst und Erregung fahlen Gesicht kontrastierte.

»Also dies ist der Vogel, den Ihr gefangen habt?« fragte jetzt Uhlfeld. Er lehnte sich im Sattel zurück und musterte hochmütig den Mecklenburger. »Nun, er mag im stillen Kämmerlein darüber nachdenken, 69 daß es nicht gut ist, seine Haut für andere zu Markte zu tragen!«

Gleichgültig wandte er sich ab, während seine Begleitung näher heransprengte und den Ankömmling ebenfalls neugierig betrachtete.

»Was hat er eigentlich verbrochen?« fragte Ebbe Uhlfeld, der Bruder des Reichshofmeisters, ein ganz junger, flaumbärtiger Mann.

»Seine Majestät will ihn in die Erbsen stellen, damit die Spatzen nicht hineinkommen!« rief eine kecke Stimme in gebrochenem Dänisch. Alles lachte, selbst der Freiherr verzog den Mund zu einem Lächeln, und Kajus, auf den niemand bis jetzt geachtet hatte, sah voll heimlicher Bewunderung auf den blonden Pagen, der diese Worte sprach.

Gräfin Eleonore drohte dem Kleinen scherzend mit der Peitsche.

»Brockdorff ist der vorlauteste Page im Schlosse,« rief sie, »obgleich er die dänische Sprache lallt wie ein Säugling!«

»Das kommt daher, weil ich stets Deutsch mit Euch spreche, damit Ihr diese schöne Sprache nicht verlernt!« erwiderte der Angeredete schlagfertig auf deutsch.

Während Eleonore weiter mit ihrem Pagen scherzte, ritt Korfiz Uhlfeld dicht an den Freiherrn heran.

»Glaubt Ihr, daß Euer Fang ein wichtiger ist?« fragte er.

»Nein,« entgegnete der Freiherr kurz.

»Habt Ihr etwas bei ihm gefunden?«

»Ich habe ihn nicht durchsuchen lassen,« erwiderte 70 Rungholt kühl. »Meine Order lautete dahin, den fremden Edelmann, der sich auf meinem Gut aufhielt, sicher nach Kopenhagen zu geleiten und ihn dort in Verwahrsam zu geben. Letzteres denke ich noch zu tun, und dann ist die Sache für mich abgetan.«

Korfiz Uhlfeld zuckte leicht die Achseln, dann fragte er weiter: »Aber er hat Euch doch gestanden, welche Absichten er hegte, als er Euer Gut besuchte?«

»Sicherlich nicht, Herr Korfiz! Denn davon stand kein Wort in meinem Befehle. Auch glaube ich kaum, daß Herr von Zoppelow mir viel anderes als Lügen gesagt haben würde. Alles Verhören und Durchsuchen überlasse ich klügeren Leuten, die mehr davon verstehen denn ich!«

In Uhlfelds dunklen Augen flammte es zornig auf, und der Ausdruck seines Gesichtes wurde ein drohender. Doch bezwang er sich mit großer Willenskraft.

»Ihr seid verstimmt, edler Freiherr,« sagte er höflich, »sonst würdet Ihr anders antworten. Aber ich begreife, daß es Euch nicht recht war, einen Gast Eurer Gemahlin aufzugreifen und hierherzubringen. Doch des Landes Wohl erheischt Opfer, und die Dankbarkeit des Königs ist Euch gewiß!«

Während Uhlfeld so sprach, hatte er mit seiner Begleitung kehrtgemacht und ritt mit dem Freiherrn in die Stadt. Eleonore lenkte ihr Pferd an seine rechte Seite, horchte auf seine Worte und betrachtete ihn stolz. Plötzlich wandte sie sich dem Freiherrn zu. »Wo ist Euer Sohn?« Auf einen Wink des Gefragten ritt Kajus näher, um sich mit dem Hute in der Hand tief zu verneigen.

71 Die Gräfin sah freundlich auf den Knaben.

»Hübsch bist du nicht,« sagte sie in ihrer aufrichtigen kindlichen Weise, »aber deine Stirn ist hoch und dein Mund fest; ich mag dich leiden, und wir wollen gute Freunde sein!«

Jetzt klapperten die Hufe der ermüdeten Pferde auf dem holprigen Straßenpflaster Kopenhagens, und lauter Zuruf begrüßte die Gräfin Eleonore, denn die Bürger liebten die holdselige Tochter ihres tapferen Königs und zeigten ihr Wohlgefallen, wo sie nur konnten. Auch Uhlfeld wurde oft gegrüßt. Er dankte mit großer Höflichkeit und rief manches Scherzwort den ihm begegnenden Leuten zu. Aber auch manchen finsteren Blick fing der stolze Günstling und baldige Schwiegersohn des Königs auf; selbst drohende Worte klangen dort hinter ihm her, wo seine Braut begrüßt wurde. Doch kein Zug seines schönen Gesichts veränderte sich, und seine Freundlichkeit blieb dieselbe. Er wußte wohl, daß er Feinde hatte, aber er fühlte sich so sicher in der Gunst seines Herrn, daß er ihnen keine Gedanken schenkte. Als die Reiterschar in den Schloßhof einbog, drängte Zoppelow, der bis dahin in dumpfem Schweigen verharrte, sein Tier an Uhlfelds Rappen.

»Ich will alles gestehen!« flüsterte er mit erstickter Stimme, »nur bitte ich um ein ritterlich Gefängnis. Meine Schuld ist nicht groß, und Ihr werdet gnädig mit mir verfahren, Herr Uhlfeld!«

Der Angeredete maß den Sprecher mit verächtlichem Blick.

»Woher kennt Ihr mich?« fragte er dann kalt.

»Jedermann in Stockholm kennt Eure Gnaden 72 und weiß von Eurem Edelsinn zu erzählen!« murmelte der Mecklenburger.

Der Reichshofmeister lächelte spöttisch.

»Wollt Ihr durch Schmeichelei mein Herz milde stimmen?« fragte er verächtlich.

Zoppelow senkte den Kopf.

»Ihr seid ebenso mächtig wie der König,« sagte er dann weinerlich. »Weshalb wollt Ihr nicht Gnade üben wie ein Fürst? Mein Vergehen ist nicht so groß, daß Ihr mich arg bestrafen könnt; ich aber wüßte Euch mancherlei zu erzählen, was Ihr vielleicht noch nicht kennt –«

Jetzt hielt der Zug auf dem Schloßhofe, und Freiherr von Rungholt sprengte auf Uhlfeld zu.

»Ist Seine Majestät geneigt, noch heute meinen Gefangenen zu vernehmen, oder soll ich ihn noch weiter bewachen lassen?«

»Der König wird heute keine Zeit mehr haben, Euch zu sprechen, edler Freiherr!« rief Uhlfeld rasch. »Aber,« setzte er artig hinzu, »übergebt mir den fremden Kavalier! Ich werde Sorge tragen, daß er meinen Trabanten nicht entkommt, und Ihr könnt Euch von dem anstrengenden Ritt ausruhen und Euer Söhnlein« – leicht neigte er den Kopf gegen Kajus – »bei Hofe einführen!«

Der Freiherr war es zufrieden. Da ihm die Verhaftung Zoppelows im höchsten Grade zuwider war, fühlte er auch kein Bedürfnis, sich länger mit dem Fremdling abzugeben. Mit ehrerbietigem Gruße gegen die Gräfin ritt er mit seinen Leuten davon, den Mecklenburger bei Uhlfeld lassend. Auch Kajus neigte sich tief vor der anmutigen Braut des 73 Reichshofmeisters, die ihm gnädig das zierliche Händchen zum Kusse reichte, ehe sie ihr edles Tier leicht mit der Gerte berührte, um Herrn Uhlfeld zu folgen.

Rungholt und seine Begleitung trabten in einen Torweg des Schlosses, wo alle von den Pferden sprangen und die Diener das Gepäck losschnallten. Nachdem der Freiherr noch einige Befehle gegeben hatte, winkte er seinem Sohne, und Kajus folgte ihm eine dunkle hölzerne Treppe hinauf in ein hohes, einfach eingerichtetes Zimmer.

»Hier, bei mir, wirst du wohnen, bis ich dich dem Pagenmeister und der Frau Sehestedt übergebe,« sagte der Freiherr.

Der Junker setzte sich auf den Rand des dunklen geschnitzten Bettes und sah nachdenklich um sich. Ein ihm bisher fremdes Gefühl stieg in ihm auf, als er bedachte, wie weit Klemens von ihm entfernt sei und wie lange es wohl noch dauern könne, ehe er wieder Holleby sehen würde. Dann fiel ihm die Gräfin Eleonore ein; niemals hatte er gemeint, daß eine Frau so reizend sein könnte, und wie schön und stolz war der Reichshofmeister! Müde sank sein Kopf zur Seite; er merkte es nicht, daß sein Vater ihn leise auf das Lager bettete, und bald träumte er von Holleby, Klemens, seiner Stiefmutter, die sich in eine Katze verwandelte, und von der Gräfin Eleonore. –

Der Reichshofmeister saß um diese Stunde in seinem Gemach, und vor ihm, sehr demütig, stand Zoppelow.

»Eure Gnaden mögen mich mit dem Schwerte 74 hinrichten lassen, wenn ich die Wahrheit nicht rede!« rief er, die Hand auf die Brust legend.

Der Graf achtete nicht auf ihn. Mit gespannten Blicken durchflog er einen Brief, den der Mecklenburger ihm gegeben hatte.

»Also dies schreibt Herr Oxenstirn mir heimlich, durch Euch?« fragte er dann scharf.

Zoppelow neigte sich zur Erde. »So ist es, gnädigster Herr!«

»Weshalb kamet Ihr denn nicht gleich zu mir und bezeigtet solche Furcht?«

»Glaubte ich nicht, daß Seine Majestät mich durchsuchen lassen würde?« erwiderte der andere kläglich, und Uhlfeld maß ihn mit seinen durchdringenden Augen.

»Vielleicht kann ich Euch später brauchen,« sagte er nachlässig; »fürs erste wird ein längerer Aufenthalt im Gefängnis Euch gut tun!«


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