Charlotte Niese
Kajus Rungholt
Charlotte Niese

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XII.

Als Kajus mit heißen Wangen und glückstrahlenden Augen die Mitteltreppe des königlichen Schlosses hinabstieg, sah er seinen Bruder Klemens in eifriger Unterhaltung mit einem Kavalier, den Kajus zuerst nicht erkannte. Als er jedoch in das Gesicht desselben sah, schoß ihm das Blut in die Stirn. Es war der holsteinische Junker von der Wisch, der einzige von allen Genossen, der ihm stets feindlich gesinnt war und mit dem er manchen Strauß ausgefochten hatte. Wie kam Klemens zu diesem? Mit seinem Bruder hatte er in den letzten Tagen, seitdem Zoppelow das Haus zu Holleby verließ, wenig Worte gewechselt; Klemens' bittere Reden waren ihm sehr nahe gegangen, und mühsam bekämpfte er sich, den aufkeimenden Groll zu ersticken, der anfing, in seinem Herzen die Bruderliebe zu verdrängen. Er war sich keines Unrechtes gegen den Bruder bewußt; daß er der Ältere und daher Erbe von Holleby 126 war, daß er Reichtum besaß, während der andere nichts hatte, konnte ihm doch nicht als Schuld angerechnet werden! Wenn er erst sein Vermögen in Händen hatte, wollte er mit Klemens teilen, das nahm er sich fest vor; und schon seit langem würde er ihm seine Absicht mitgeteilt haben, wenn er nicht stets mit Kälte bei jeder versuchten Annäherung zurückgewiesen worden wäre.

Auf dem Herritt war Klemens kühl und schweigsam wie immer gewesen; bei ihrer Ankunft im königlichen Schloß verhielt er sich gleichgültig gegen alles Neue seiner Umgebung; auch die Vorstellung beim Könige schien eindruckslos an ihm vorübergegangen zu sein; jetzt erst sah Kajus ihn lebendig und frisch auf den Junker von der Wisch einreden, und hell klang sein spöttisches Lachen über den weiten Flur.

Bei der Annäherung von Kajus schwieg er, und der holsteinische Junker warf aus kleinen, schiefgeschlitzten Augen einen tückischen Blick auf den älteren Rungholt. Geerd von der Wisch war ein langaufgeschossener, hagerer Mensch, mit Sommersprossen im blassen Gesicht und dünnen, rötlichblonden Haaren, die ihm struppig über die niedere Stirn hingen. Keiner seiner Landsleute verkehrte mit ihm, weil er beim Würfelspiel schon oft betrogen haben sollte und ein ausschweifendes Leben führte, so daß er sicher schon lange vom Hofe entfernt worden wäre, wenn nicht mächtige Verwandte ihn gehalten hätten. Ohne den Junker zu beachten, der spöttisch grinste, trat Kajus auf seinen Bruder zu.

»Der Vater wird uns erwarten, willst du nicht mit mir kommen?«

127 Klemens maß den Fragenden mit verdrossenem Blick.

»Geh du nur voran,« sagte er dann; »ich werde den Weg zum Vater allein finden können!«

»Ihr seht, daß der Junker Eures Gängelbandes nicht mehr bedarf!« lächelte von der Wisch spöttisch.

»Besser mein, als Euer Gängelband!« versetzte Kajus hochmütig und kehrte dem andern den Rücken.

»Oho!« rief dieser und faßte mit der Rechten den Degengriff, »wollt Ihr mich beleidigen, stolzer Junker? Ich möchte mit Euch streiten, wenn mir mein Degen für Euer Halbblut nicht zu schade wäre!«

Kajus wandte sich plötzlich um und stellte sich hart vor den Junker hin.

»Was sagtet Ihr da?« fragte er, gelassen an seinem breiten Kragen zupfend, mit gleichgültigem Gesicht. Geerd von der Wisch trat einen Schritt zurück.

»Nichts sagte ich!« murmelte er feige.

Kajus Rungholt hob seine derbe Faust und schlug dem Junker so ins Gesicht, daß er laut aufschrie.

»Himmel und Hölle! Junker Rungholt, Ihr mordet mich!« rief er wutbebend, ohne jedoch einen Arm zur Verteidigung zu erheben.

»Nichts tat ich!« versetzte Kajus, ließ mit kühlem Lächeln von dem feigen Kavalier ab und schritt aus der Tür, während Klemens ihm hastig folgte.

»Wage nicht noch einmal, meinen Freund zu schlagen,« rief er zornbebend, »oder ich vergesse, daß ich dein Bruder bin!«

Kajus, im Begriff, über den weiten viereckigen Hofplatz zu schreiten, blieb überrascht stehen.

128 »Deinen Freund?« wiederholte er. »Ist es dir gelungen, in einem Tage den widerwärtigsten Gesellen am dänischen Hofe zum Freunde zu bekommen?«

»Es kümmert mich wenig, wie du Geerd Wisch nennst!« versetzte Klemens heftig; »an deinem Beifall ist mir nichts gelegen! Er ist ein Junker von reinem Adel und guter Gesinnung.«

Kajus blickte den Bruder traurig an.

»Du sprichst wie ein Kind!« sagte er und legte freundlich den Arm auf des Bruders Schulter. »Glaube doch nicht immer, daß ich dir schlechten Rat gebe, und laß uns dem Hofe zeigen, daß wir uns wie Brüder lieben! Was werden die Leute denken, wenn sie bemerken, daß wir uns ausweichen und finstere Blicke wechseln. Spott und Verachtung werden uns nicht fehlen.«

Die eindringlichen Worte des Bruders schienen nicht ohne Wirkung auf Klemens zu sein.

»Ich glaube auch nicht alles Üble von dir,« begann er stockend; »wenn du mir nur das Gut lassen wolltest –«

»Wer sagt dir Übles von mir?« fragte Kajus. »Wenn jemand es wagen sollte, in meiner Gegenwart dich zu verunglimpfen, ich traktierte ihn nicht besser, sondern schlechter als den von der Wisch!«

Klemens wurde dunkelrot.

»Mit der Faust bin ich nicht so rasch bei der Hand wie du –« sagte er grollend. »Auch läßt sich nicht jeder behandeln wie der Holsteiner!«

»Leute, die hinter dem Rücken anderer Schlechtes von ihnen sagen und äußerlich dann freundlich tun, sind allemal feig!« rief Kajus mit Bestimmtheit.

129 »Er war aber niemals freundlich gegen dich!« erklärte Klemens erleichterten Tones.

»Wer?«

»Nun, Zoppelow!«

Unentschlossen blieb er stehen und richtete die schönen, unsteten Augen auf Kajus' gutes Gesicht, als wäre er nicht abgeneigt, die dargebotene Hand zu ergreifen.

Der Name kam nur zögernd von den Lippen des Jünglings, denn drüben an der Schloßmauer stand, in seinen dicken Mantel gehüllt, der Mecklenburger und machte mit dem Arm allerlei Zeichen gegen Klemens.

Beide Brüder sahen ihn gleichzeitig, und während über Kajus' Gesicht ein Zug äußerster Verachtung ging, stampfte der andere ungeduldig mit dem Fuße.

»Er folgt mir überall!« murmelte er, doch so, daß es Kajus nicht hörte.

»Also der redet Böses von mir?« lachte dieser spöttisch. »Nun, wenn du dem vertrunkenen, lügenhaften alten Gesellen mehr traust als mir, dann ist dir nicht zu helfen!«

Er wandte sich kurz ab. Wieder überkam ihn das Gefühl der Bitterkeit, das ihn schon auf Holleby erfaßt hatte, und während Klemens noch unschlüssig stand, war sein Bruder schon im Schloß verschwunden. –

Zoppelow kam langsam näher und sah sich vorsichtig um. Bei Klemens angelangt, öffnete er seinen Mantel und zeigte sich in einem neuen blauen Tuchwams, dunklen, mit Spitzen besetzten Beinkleidern und niedrigen, hellgelben Stulpstiefeln.

130 »Was sagst du nun?« fragte er vergnügt. »Glaubst du nun nicht selbst, daß ich gut mit den großen Herren stehe? Alles dies hat mir Uhlfeld gegeben und noch zwei Goldkronen dazu, so daß ich als Kavalier auftreten kann und sich niemand meiner zu schämen braucht! Herr Uhlfeld ist voll Zorn auf deinen Vater, der mich so schmählich behandelte, und der Junker Kajus wird im Treffen gegen den Feind schon ein warmes Plätzchen finden, von dem er nur weggetragen werden kann! Von selbst wird er nicht mehr gehen können!«

»Du bist betrunken!« rief Klemens zornig, während er sich ängstlich umsah, ob auch kein Lauscher in der Nähe wäre.

Zoppelow wischte sich die Augen. »Mag sein!« sagte er kläglich. »Nicht alle Tage ward es mir so gut wie heute, und ein alter Reitersmann wie ich sucht dann in edlem Wein Beruhigung. Mißgönne mir den Trunk nicht, Knabe! Jetzt, mit dem Kriege, fängt unser gutes Leben an, und wenn wieder Frieden ist, sitzen wir beide am Kaminfeuer in Holleby!«

Klemens sah wohl ein, daß mit dem Mecklenburger heute nichts anzufangen wäre; mit einer unterdrückten Verwünschung faßte er ihn am Arm und führte ihn in ein Zimmer des Schlosses, das ihm selbst zur Wohnung angewiesen war.

»Uhlfeld hat mir versprochen, deinen vortrefflichen Bruder mit dem Obersten Buchwald zu schicken, und auch Frau Eleonore durfte ich sehen. Sie ist zwar sehr stolz, aber als ich ihr sagte, daß du ein treuer Diener und sehr nützlich werden könntest, da hat sie aufgehorcht, und dem Kajus schwur sie Rache. Das 131 beste wird nun sein, du sagst ihr, daß du etwas von den Schweden wüßtest, und daß du schweigen könntest; auch mußt du schmeicheln, dann –«

Leise hatte Zoppelow diese Worte mit Aufgebot seiner letzten Kräfte gesprochen. Jetzt schwankte er einem Stuhl zu, und nachdem er vergebens versucht, den Satz seiner Rede zu vollenden, legte er seinen Kopf auf den Tisch und schnarchte nach wenigen Minuten.


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