Charlotte Niese
Kajus Rungholt
Charlotte Niese

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

VI.

Sieben Jahre waren verstrichen, seitdem der Freiherr von Rungholt seinen Gefangenen an den dänischen Hof brachte, und noch immer tobte der Krieg im deutschen Lande. Sein verheerender Pestodem flog über Holstein, und drohend streckte er die glühenden Arme nach der Zimbrischen Halbinsel aus, aber bis jetzt hatte er seinen Einzug noch nicht wieder gehalten, und während in Hannover und Mecklenburg die Dorfschaften in Rauch aufgingen, konnte der 75 schleswig-holsteinische Bauer sein Feld bestellen und das Haupt friedlich zum Schlafe niederlegen. Auch der Bürger, dem die Wallensteiner die Silbertaler nahmen, hatte schon wieder Freude am Sparen und betrachtete wohl in heimlicher Stunde einen kleinen Schatz, den er im verborgensten Winkel seines Hauses verwahrte. Handel und Gewerbe, die nach Wallensteins Einfall in Schleswig und Holstein gänzlich darnieder lagen, hatten sich etwas gekräftigt, und König Christian wie der Herzog Friedrich von Gottorp waren eifrig bestrebt, den gesunkenen Wohlstand ihrer Länder wieder zu heben. Die dänischen Inseln hatten lange keinen Krieg gesehen, sie waren unter Christians Regierung emporgeblüht, und auf ihnen lebte der zahlreiche dänische Adel, der stolz auftrat und mit vielem Aufwande den Königshof zierte. Eifersüchtig sah er auf die schleswigschen und holsteinischen Herren, von denen er fürchtete, daß diese ihn in der Gunst Christians verdrängen könnten, und diese Furcht war nicht unbegründet. Der König hielt große Stücke auf die edlen Geschlechter der Herzogtümer, deren Sprache er sich gern bediente, wie denn am Hofe fast ebensoviel Deutsch wie Dänisch gesprochen wurde. Aber häufig hielt sich der schleswigsche und holsteinische Adel fern vom König und kam nur, ihm seine Ehrerbietung zu beweisen, wenn er das Land besuchte. Gewöhnlich wollte der König dann Geld von den Ständen haben für seine starken Rüstungen, und meistens zeigten sich ihm die Deutschen willfähriger als sein dänischer Reichsrat, was Christian ihnen hoch anrechnete und durch Freundlichkeit zu vergelten suchte.

76 Christian des Vierten Hof war um diese Zeit ein glänzender, denn der König hatte es meisterhaft verstanden, sich mit klugen Männern zu umgeben. Bei seinem lebhaften Interesse für die Wissenschaften war es erklärlich, daß die bedeutendsten Gelehrten Dänemarks sich um ihn scharten, mit deren Hilfe er der Universität in Kopenhagen ein großes Ansehen verlieh und die Ritterakademie zu Sorö gründete und erhielt. Auch deutsche Professoren waren von ihm ins Land gerufen, und oft unterhielt der König sich mit seinen gelehrten Freunden in fließendem Latein, zum Staunen der fremden Gesandten, die nicht begreifen konnten, daß ein so lebhafter Herr wie Christian, der die See als sein Element betrachtete und in allen ritterlichen Künsten Meister war, noch immer Zeit für das Studium fremder Sprachen fand.

Gegen das Ende seiner Regierung war der König nicht ganz glücklich in seinen Unternehmungen, wie er denn überhaupt mit einem herrschsüchtigen Reichsrat und einem auf seine Vorrechte fußenden Adel zu kämpfen hatte, die manche seiner guten Absichten vereitelten. Auch der Herzog Friedrich von Gottorp, sein schleswigscher Vetter, suchte sich der dänischen Oberhoheit gänzlich zu entziehen und erbitterte den König dadurch; dazu kamen fortgesetzte kleine Streitigkeiten mit Schweden, das die Eroberungspolitik seines großen Königs fortsetzte, und so war es begreiflich, daß Christian und seine Staatsmänner ernsten Blickes der Zukunft entgegenschauten. –

Vor dem Schlosse zu Kronenburg, das, hart am dänischen Sunde, das Meer und die Küsten von 77 Seeland und Schonen zu beherrschen scheint, standen zwei Männer in halblautem Gespräch.

Der ältere, dessen verstaubte, wenn auch reiche Kleidung darauf deutete, daß er soeben von einer Reise kam, hatte die Arme über der Brust verschränkt und sah nachdenklich in das freundliche Gesicht seines Gefährten, der sich an eine niedrige Brüstung lehnte und die dunklen Augen auf das glitzernde Wasser richtete. Es war ein junger Mann mit scharfgeschnittenem, nicht schönem Gesichte, dem ein ruhig freundlicher Zug etwas Angenehmes verlieh. Er trug die reichgestickte Kleidung eines königlichen Kavaliers, und das feurige Rot seines enganschließenden Rockes stand gut zu dem gebräunten Gesicht.

»Dann werde ich Seine Majestät heute wohl nicht sprechen können?« fragte jetzt der Ältere, seinen mächtigen Schnurrbart durch die Finger gleiten lassend.

»Schwerlich, Herr Vater!« entgegnete der Gefragte, seine schlanke Figur aufrichtend. »Er hat das Zipperlein, und nur Frau Eleonore darf sich ihm nahen!«

»Er sollte sich die Weiber vom Halse halten!« murmelte der andere. »Sie haben glatte Zungen; aber meistens vergrößern sie alles Leiden durch ihr Geschwätz und ihre Unruhe!«

Der Kavalier warf einen raschen Blick um sich.

»Sprecht nicht so laut, Herr Vater!« sagte er dann lächelnd. »Eure Worte könnten belauscht und Frau Eleonore überbracht werden. Sie hat ein gutes Gedächtnis für jedes harte Urteil und weiß es einem immer zu entgelten.«

78 »Mag sie es hören!« rief der Freiherr von Rungholt unmutig. »Ich bin nicht gewohnt, leiser zu sprechen!«

»Sie ist aber sehr holdselig und ein schönes und gelehrtes Weib, vor dem sich alles mit Freuden beugt!« besänftigte Kajus den Vater.

»Und Herr Korfiz Uhlfeld? Liebt er seine Gemahlin noch ebenso zärtlich wie damals, als er sie heimführen durfte?«

»Er liebt sie mehr!« versicherte Kajus eifrig. »Habt Ihr nicht gehört, daß beide ihr Blut miteinander mischten? Nun sind sie unauflöslich verbunden, und stirbt der eine, muß der andere an demselben Tage gleichfalls abscheiden. Frau Hellwig, Ebbe Uhlfelds Gemahlin, erzählte es mir; auch, daß sie dem Beispiel ihrer Schwester nicht folgen will, weil sie geträumt hat, daß Ebbe nach zwei Jahren sterben würde.«

»Wohl, wohl!« nickte der Freiherr. »In Gottorp bei Tafel erzählte Seine Hoheit der Herzog von diesen Possen, und er wußte fein darüber zu spotten, wie er überhaupt auf artige Weise böse Dinge sagen kann.«

»Ihr seid lange in Schleswig gewesen, Herr Vater! Habt Ihr auch nach Holstein den Fuß gesetzt?«

Der Freiherr schüttelte den Kopf. »In Flensburg, Schleswig und Rendsburg bin ich lange im allerhöchsten Auftrage gewesen und mußte dann eilends nach Jütland, daß ich keine Zeit fand, zum Herzog Joachim Ernst nach Plön zu gehen, der mich freundlich zur Jagd einlud.«

»Nach Plön?« wiederholte Kajus. »Ei, das wäre mir lieb gewesen, Euch dort zu wissen, da ich mancherlei vom Städtlein erfahren habe!«

79 Er war beim Sprechen rot geworden, während der Vater leicht lächelte.

»Ich ritt eine Weile in Fünen mit Henning Brockdorff, der mir auch erzählte, daß du plötzlich anfingst, Holstein zu lieben!« sagte er freundlich. »Wie heißt das Jungfräulein denn, das du dir auserwählt hast?«

»Gude von Thienen, aus dem Wittmolder Hause,« versetzte Kajus etwas verlegen.

»Ein guter Name!« sagte der Freiherr wohlgefällig. »Wittmold liegt bei Plön, an einem der vielen Gewässer, und das Fräulein wird dir gewiß mancherlei erzählt haben von der Schönheit Holsteins. Davon reden die holsteinischen Frauen am liebsten. Ich weiß es von meiner ersten Gemahlin, die nie wissen wollte, daß Seeland schöner wäre als Holstein. Nun, ich freue mich, daß du dir bald ein Weib nehmen willst! Möge es besser sein als das meine, das sich in stetem Ärger verzehrt! Du könntest ja später nach Holleby ziehen und nach dem Rechten sehen!«

»Ihr macht weite Pläne, Herr Vater!« erwiderte Kajus mit schwachem Lächeln. »Aber so vorgeschritten bin ich noch nicht mit meiner Werbung, daß ich meiner Sache bei dem edlen Fräulein sicher wäre. Weiß ich doch nicht, ob sie mich erhören wird, da ich mit keinem Worte ihr von Liebe sprach und erst Eure Zustimmung abwarten wollte.«

Der Freiherr faltete die Stirn.

»Also du hast noch nicht mit ihr gesprochen?« sagte er etwas enttäuscht. »Heutzutage geht ihr Herrlein so behutsam an eure Auserwählte, daß diese euch manchmal unter den Händen entschlüpft und einen minder vorsichtigen Kavalier vorzieht. Ich hätte 80 dir's nicht verargt, wenn du sie eher fragtest als mich! Doch,« setzte er freundlicher hinzu, »die Versäumnis ist noch nicht groß, und wenn das Fräulein an den Hof kommt, kannst du flugs alles in Ordnung bringen. Auch ist es wohl besser, ich spreche mit ihrem Vater ein Wörtlein –«

»Er ist in Holstein,« schaltete Kajus ein; »Fräulein Gude ist Kammerfräulein am Hofe und der Gräfin Eleonore zugewiesen. Auch glaube ich –«

»Daß du deine Sache besser allein führst?« lachte der Freiherr. »Nun gut, tu wie du willst; nur schaffe mir bald eine Schwiegertochter aus edlem Blute ins Haus! Und nun berichte mir, ob du von Holleby hörtest!«

»Gar nichts, Herr Vater! Seit einem Jahre vernahm ich nichts von dort und konnte auch nicht Zeit finden, hinzureiten, da Prinz Christian mich eine Zeitlang in seinen Hofdienst nahm und in Nyköping festhielt. Nur Herr von Zoppelow hat mir erzählt, daß alles dort gut stände.«

»Herr von Zoppelow?« wiederholte Freiherr von Rungholt erstaunt. »Habe ich den nicht verlassen, wie er als Gefangener im Turm saß?«

Kajus nickte. »Zwei Jahre lang saß er, dann kam heraus, daß man ihm nichts beweisen konnte, und er durfte gehen, wohin es ihm beliebte. Da ist er wieder in Deutschland bei dem schwedischen Heer gewesen, aber vor vier Wochen kam er urplötzlich nach Kopenhagen und ist auch artig von dem Reichshofmeister aufgenommen worden. Als Uhlfeld ihn fragte, wo er sich zuletzt aufgehalten, nannte er Holleby, und weil ich bei dieser Frage zugegen war, habe ich 81 mich nach der Frau Mutter und nach Klemens erkundigt, aber nicht viel erfahren. Der Mecklenburger hegt einen tiefen Groll auf mich und täte mir gern ein Leids an.«

Während Junker Kajus sprach, war der Freiherr ernst geworden.

»Wenn ich morgen bei Seiner Majestät Bericht über meine Reise erstattet habe, wollen wir heimwärts reiten, mein Kai!« sagte er plötzlich. »Es ist nicht recht von mir gewesen, lange Jahre mich fernzuhalten von meinem Eigentum, und nun überkommt mich die Sorge –.« Er hielt inne, denn eine klare Frauenstimme sagte hinter ihm:

»Da steht der ernsthafte Freiherr im Reisehabit und hat weder Blick noch Lächeln für alte Freunde. Ist er fremd geworden am dänischen Hofe, weil er so lange in der Ferne weilte?«

Der Freiherr verbeugte sich tief vor der königlichen Erscheinung der Gräfin Eleonore, die jetzt vor ihn trat und ihm freundlich die Hand entgegenstreckte.

»Ich sah Euch hier mit dem Junker stehen, und da mußte ich Euch schelten, daß Ihr noch keine Zeit gefunden habt, zu mir zu kommen!« fügte sie lächelnd hinzu. »Wie geht es in Schleswig? Was macht unser Vetter Friedrich? Ist er noch immer falsch und ränkesüchtig wie ehedem?«

»Seine Durchlaucht waren sehr gnädig gegen mich!« versetzte Freiherr von Rungholt, im stillen denkend, daß Herzog Friedrich nicht sehr erbaut sein würde, von Frau Eleonore ›Vetter‹ genannt zu werden.

Diese machte eine ungeduldige Bewegung, daß die Goldketten an ihrem Gelenk klirrten.

82 »Ihr müßt Euch diese diplomatischen Antworten mir gegenüber abgewöhnen, Freiherr!« sagte sie stolz. »Ich bin kein Kind mehr, und mein königlicher Vater wie mein Gemahl wissen, daß jedes Staatsgeheimnis bei mir wohlverwahrt ist. Also redet! Habt Ihr mit Eurer langwierigen Mission Gutes erreicht? Ich werde Seiner Majestät heute abend noch Bericht erstatten!«

Eleonore Uhlfeld war damals im Vollbesitz ihrer Macht und ihrer Schönheit, und wie sie jetzt vor dem Freiherrn stand, die eine Hand befehlend erhoben, die andere auf die Steinbrüstung der Schloßmauer gelegt, mußte er sich gestehen, daß er noch niemals ein fürstlicheres Weib sah. Der Herbstwind, der von der See herüberkam, lockerte ihr goldbraunes Haar, daß es auf ihr schwarzes Samtkleid niederfiel, während die dunklen Augen gebieterisch blitzten.

»Ihr zögert?« fragte sie jetzt, und ihre Stimme nahm einen tiefen Ton an.

Dem Freiherrn war es in der Seele zuwider, Politik mit Frauen zu besprechen, und besonders eine Botschaft, die nur an den König ging, seiner Tochter zu bestellen. Aber er sah ein, daß er im Falle der Weigerung in Eleonore eine gefährliche Feindin haben dürfte, und er war erfahren genug im dänischen Hofleben, um zu wissen, daß er dann in seiner Existenz bedroht wäre. So lenkte er also ein.

»Verzeiht, Frau Gräfin, wenn ich Euch nicht sofort antwortete, aber da ich Euch zuletzt vor vier Jahren sah, müßt Ihr mir nicht verargen, daß mich Euer Anblick bestürzte. Ihr seid so wunderschön geworden und Eurem Herrn Vater so ähnlich, daß ich 83 mich erst fassen muß, ehe ich Euch von trockenen Staatsgeschäften rede.«

Die schöne Frau lächelte.

»Ihr seid ein Schmeichler, Freiherr; aber weil Ihr Eure Worte gut zu setzen wißt, will ich Euch verzeihen, wenn Ihr mir nun rasch Auskunft auf meine Frage gebt!«

»In Schleswig sagten sie, daß Korfiz Uhlfeld der glücklichste Mann unter der Sonne wäre!« berichtete der Freiherr.

Ein Ausdruck strahlender Freude ging über Eleonorens Gesicht.

»Sagten sie das?« rief sie fast triumphierend mit einer Stimme, aus der jeglicher Unmut verschwunden war. »O Freiherr, sagtet Ihr den Leuten dort nicht, daß ich das seligste Weib sei, das der Allmächtige schuf? Sagtet Ihr ihnen nicht, daß Korfiz mein Leben, mein Stern, mein alles ist, daß ich mich nur des Daseins freue, weil er es mit mir teilt? O, geht hin und sagt es ihnen! Sagt ihnen, daß Korfiz wohl glücklich wäre, daß er mich aber tausend- und abertausendmal glücklicher machte, als ich verdiene!«

Die Gräfin sprach mit Inbrunst und Innigkeit. Über ihre stolzen Züge legte sich der Schmelz holder Weiblichkeit, und der Freiherr betrachtete sie mit Teilnahme. Er selbst hatte kein Verständnis für diese heiße Liebe, wenn er auch seiner ersten Frau mit Wärme gedachte; aber sie rührte ihn, obgleich er sich vornahm, die weiche Stimmung Eleonorens für sich zu benutzen.

»Gott verleihe meinem Kajus ein ähnliches Eheglück wie Euer Gnaden!« sagte er warm. »Ach, gnädige 84 Frau, könntet Ihr ihm nicht dazu verhelfen? Ich hörte Gutes reden von dem Fräulein Thienen –«

Frau Uhlfeld unterbrach ihn, indem sie lächelnd mit der Hand seitwärts wies. Dort stand der Junker Kajus, stützte sich auf seinen langen Hofdegen und redete eifrig und ernsthaft mit einem zarten blonden Mädchen, das, vom Freiherrn unbemerkt, Eleonore gefolgt war. Sie trug ein dunkelblaues Oberkleid über einem tiefroten Rock, dazu breite Spitzen an Hals und Armen, und der reiche Anzug stand dem feinen Wuchs und der zarten Hautfarbe des Fräuleins gut. Mit großen blauen Augen sah sie den Junker so freundlich an, daß der Vater befriedigt nickte.

»Ein artig und liebes Geschöpfchen!« flüsterte er der Gräfin zu. »Glaubt Ihr, daß sie meinem Kajus gut ist?«

»So will mich's bedünken!« versetzte diese. »Doch Euer Sohn ist schüchtern den Damen gegenüber, und Gude Thienen hat ein ruhig Gemüt, das geduldig warten kann!«

Der Freiherr hörte nicht die leise Schärfe in ihrer Stimme und ward noch zufriedener.

»Ein ruhig, verträglich Gemüt ist die Hauptsache in der Ehe, holde Frau, und kommt noch Leibesschönheit dazu, wie bei Eurem Fräulein, so sollte ich meinen. daß nichts mehr zu wünschen übrig wäre!«

»Ihr habt recht,« erwiderte Eleonore lächelnd, »und ich will Eurem Sohn wünschen, daß er bald eine fröhliche Hochzeit feiern möge! Gebt mir Euren Arm, ich kann Euch noch etwas Genaueres über mein liebes Fräulein berichten!«

Langsam schritten beide an der einen Seite des 85 Schlosses entlang, und während die schöne Frau eifrig von den holsteinischen Adelsfamilien erzählte, mit denen das Fräulein Thienen verwandt wäre, dachte der Freiherr triumphierend, daß der Mann, der sagte, jegliches Weib könnte man von jedem andern Gedanken abbringen, wenn man mit ihm über Liebe und Heiraten spräche, ein wahres Wort gesprochen hätte.

Unterdessen stand Kajus vor dem lieblichen Fräulein Thienen, erzählte ihr, daß er mit seinem Vater zu verreisen gedenke, und spürte eine große Freude, als er den erschreckten Ausdruck im Antlitz der Geliebten wahrnahm.

»Bleibt Ihr lange fort, Herr Junker?« fragte sie und richtete ihre Augen voll gespannter Erwartung auf ihn, so daß dem Junker ein übermütiger Gedanke kam.

»Ich weiß nicht, was mein Vater über mich bestimmt!« sagte er mit angenommenem Ernste. »Denkt Euch, edle Jungfrau, er will mich verheiraten, und zwar flugs. Was meint Ihr dazu?«

Gude von Thienen errötete.

»Darüber kann ich nichts sagen,« entgegnete sie, die Augen niederschlagend und mit ihrer Halskette spielend. »Wenn Ihr treu und wahrhaftig liebt, auch Eure Liebe in Versen ausdrücken könnt, dann –«

»Verse!« unterbrach sie Kajus erschreckt. »Ist das zu der Liebe notwendig?«

»So sagt der Hofprediger Wind, der so schöne Carmina dichtet!« erwiderte Gude ganz erstaunt. »Es ist leicht!« setzte sie tröstend hinzu, als sie die Betroffenheit ihres Verehrers sah. »Man braucht 86 ein altes Liedlein nur ein wenig umzugestalten, dann paßt es meistens.«

Aber der Junker war verstimmt.

»Ich danke Gott, wenn ich ein leidlich Brieflein verfassen kann,« meinte er trübselig, »und das Dichten ist ein üble Sache!«

»Und doch dichten fast alle Junker des Hofes!« rief Gude etwas spitzig. »Henning Brockdorff, Gosche Krogh, Benedikt Wedel, ja selbst der dicke Buchwald, alle diese Herren und manche mehr wissen zierliche Verse zu drechseln, und ihre auserkorenen Jungfrauen haben mich viel lesen lassen, was mir das Herz rührte.«

Kajus seufzte tief.

»Ich will mir Mühe geben, ein Poem zu finden, das ich auf die Dame meines Herzens anwenden kann!« sagte er kummervoll. »Vielleicht finde ich eins in Holleby!«

Gude sah ihn schelmisch an und lachte.

»Sucht nur eifrig, edler Junker, da kann Euch doch ein glücklicher Fund nicht fehlen!«

Sie sah reizend aus in diesem Augenblick, so daß sich der Junker ernsthaft versucht fühlte, sie kräftig zu umarmen, aber der Gedanke an das verlangte Liebesgedicht hielt ihn zurück.

»Ihr seid grausam, holde Jungfrau,« begann er; aber da winkte Frau Eleonore ihrem Kammerfräulein, und das junge Mädchen wandte sich eilig zum Gehen.

Lachend grüßte sie den armen Kajus und eilte leichten Schrittes davon. Aber ihr Anbeter stieß einen sehr wenig dichterischen Fluch aus, so daß sein Vater ihn erstaunt ansah.


 << zurück weiter >>