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Der Faris.

Kasside, zu Ehren des Emir Tadsch-Ul-Fechr, Johann Kozlow zum Andenken.

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Froh, wie das Schiff, wenn es das Land verlassen,
Und wieder auf Krystall-Flut kommt gezogen,
Des Meeres Brust mit Rudern vor Wonne möcht' umfassen,
Den Schwanenhals sanft wiegen auf den Wogen,
Arabiens Sohn, von den felsigen Stufen
Mein Roß in die Steppen ich lenke:
Leis zischt es im Sand von den tauchenden Hufen,
Wie wenn in Wasserströme der Stahl sich glühend senke.
Schon schwimmt mein Roß im Sandmeer, schon theilt, den Blick voll Gluten,
Die Brust des Delphinen feinkörnige Fluten:

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Schneller immer, wie im Fluge,
Scheint es auf dem Kies zu schweben;
Immer höher, bis zum Buge
Sich aus Wolken Staub's zu heben.
Mein Rappe gleicht den Wolken, die dunkel dort sich thürmen,
An seiner Stirn die Blässe an Pracht dem Morgensterne,
Gibt preis die Straußenmähne er willig allen Stürmen,
Und wirft mit weißen Hufen den Blitz er in die Ferne.
Weißhuf, trage kühn den Reiter
Ueber Berg' und Wälder weiter!

Palme lockt mit Frucht und Blüte
Mich umsonst in ihren Schatten –
Tief verbirgt die Schamesglühte
Sich auf der Oase Matten:
Weiter! Und wie höhnisch Lachen,
Läßt ihrer Blätter Rauschen sie meinem Stolz erschallen.

Den Saum der Wüstengrenze rings Felsen überwachen,
Beschau'n mit wilden Blicken den kühnen Beduinen;
Nachäffen sie vom Huf' das letzte Widerhallen,
Drohen mir mit Schreckensmienen:

»Wohin jagt der Sinnberaubte!
Schlummer nicht in Zeltes Schooße,
Palmen nicht mit grünen Haaren,
Schutz dort bieten seinem Haupte
Vor des Sonnenspeers Gefahren –
Nur das Himmelszelt, das große,
Wölbt sich, wo nur Felsen nächt'gen,
Nur die Sterne ziehn, die prächt'gen!«

Doppelt wird das Roß getrieben –
Ganz umsonst ist all' ihr Drohen;
Bis die Felsen all', die hohen,
Die im Rücken mir geblieben,
Fern, in Reihen, langgestreckten,
Bergend sich, einander deckten.
Ein Geier hört ihr Dräuen, und blind vertraut er ihnen,
Daß in der Wüste fangen er kann den Beduinen;
Nachstürmt er, mich verfolgend, wild schlägt er mit den Schwingen,
Und will mit schwarzem Kranze dreimal mein Haupt umschlingen.

»Leichen«, krächzt er, »spür' ich, Leichen!
Thoren seid ihr, sonder Gleichen!
Reiter, suchst im Sand du Spuren?
Weißhuf, suchst du Weidefluren?
Spart die Mühe, Roß und Reiter –
Kommt bis hieher und nicht weiter!
Jeder Pfad verweht im Sturme,
Und verwischt die eignen Spuren:
Nahrung bieten kaum dem Wurme,
Nicht dem Rosse diese Fluren,
Hier, wo nur die Leichen nächt'gen,
Nur die Geier ziehn, die mächt'gen!« –

So krächzt er, höhnisch streifend mich mit den scharfen Klauen,
Und dreimal Aug' in Auge wir starr einander schauen.
Wer bebt zuerst? – Der Geier; schon war er hoch entflogen,
Bevor ich, ihn zu strafen, noch spannte meinen Bogen.
Und als ich, mir im Rücken, nachspähend ihn entdeckte,
Hochschwebet in den Lüften – ein Punkt – der Graugefleckte;
Der Sperlings- – Falter- – Mücken-Gleiche
Schmilzt endlich ganz dahin im Aetherreiche –
Weißhuf, trage kühn den Reiter!
Fels und Geier ziehen weiter!

Da seh' ich vor der Sonne sich eine Wolke thürmen,
Mir nach mit weißem Fittig sie durch die Bläue stürmen;
Sie will wol gar am Himmel als solch' ein Jäger gelten,
Wie icheinst in der Steppe Welten?
Ueber meinem Haupte schweifend,
Mich bedroht sie, also pfeifend:
»Wohin jagt der Sinnberaubte!
Dort wird Nichts den Durst ihm letzen,
Keine Wolke wird ihn netzen,
Staub ihm wirbeln über'm Haupte;
Dort auf Wüsten, unbebauten,
Rauscht kein Bach mit Silberlauten:
Thau, noch eh' er eingedrungen,
Hat der Wind ihn schon verschlungen!« –

Doch ich den Lauf verdopple – umsonst ist all' ihr Drohen:
Ermüdet ist die Wolke dem Himmelszelt entflohen;
Träge seh' ich sie sich dehnen,
Tief an Felsenklippen lehnen.
Als sich mein Blick noch einmal verächtlich zu ihr wendet,
Hat sie am ganzen Himmel schon ihren Lauf vollendet;
Ich sah aus ihren Zügen, was sie im Herzen drohte:
Zorn sie färbt, das gelblichrothe
Gallengift der Eifersuchten,
Bis schwarz, wie eine Leiche, sie barg sich in den Schluchten.
Weißhuf, trage kühn den Reiter!
Wolk' und Geier ziehen weiter!«

Jetzt mit Blicken, sonnenklaren,
Kann ich rings umher mich wenden;
Erd' und Himmel nimmer senden
Hinter mir Verfolgerschaaren;
Schläft Natur doch, traumbefangen,
In der Elemente Mitte;
Kennt noch nicht des Menschen Tritte,
Kennt noch, wie das Wild, nicht Bangen,
Dessen Rudel arglos stehen,
Wenn zuerst sie Menschen sehen.

Bei Gott! Ich bin der Erste doch nicht im sand'gen Meere:
Dort schimmern Zelte, gleich verschanztem Heere.
Ob sie verirrt sind, oder im Hinterhalte schleichen?
In Weiß so Roß, als Reiter, hu! grausige Gestalten!
Ich nah' – sie stehn; ich rufe – sie schweigen … das sind Leichen!
Aus dem Sand der Sturm – ich ahne –
Grub die alte Karavane:
Noch auf Kameel-Skeletten sich die der Reiter halten;
Aus der Kiefer losem Rande,
Aus der Augenhöhlen Grunde
Wälzt sich eine Flut von Sande,
Raunt mir zu die Schreckenskunde:
»Beduine! Eilst verwegen
Dem Huragan du entgegen?« –
– »Furcht nicht kenn' ich! Immer heiter!
Weißhuf, trage kühn den Reiter
Hin durch Leichen – Samum weiter!«

Huragan – will im Flugsand erst einsam sich ergehen,
Als Fürst der Wirbelwinde, dann – Afrika durchwehen, –
Da macht er Halt; von ferne erspäht er mich, und – staunend,
Sich wirbelt er im Kreise, zu sich die Worte raunend:
»Wer wagt es, von den Winden, den jüngern Brüdern, meinen,
Mit gar so niederm Fluge, mit der Gestalt, der kleinen,
Mein Erbland zu betreten mitten in meinem Reiche?« –
Laut brüllend kommt gezogen der Pyramidengleiche:
Dann, als er sieht den – Menschen, ohn' alle Furchtgeberde,
Stampft er mit dem Fuß die Erde,
Und zerwühlt Arabiens Auen,
Und – packt mich, wie ein Vöglein der Greif, mit seinen Klauen;
Sengt mich mit des Hauches Gluten,
Wälzt mich in des Staubes Fluten,
Zerrt mich auf, und stürzt mich nieder,
Schüttet Sand mir auf die Glieder –;
Spring' ich auf, und kämpf', und beiße;
Seine Glieder, seinen Rücken,
Seinen sand'gen Leib zerreiße
Wüthend ich zu tausend Stücken.

Wol will in einer Säule Huragan mir entfliehen,
Doch kann er kaum zur Hälfte sich meinem Arm entziehen,
Strömt herab in sand'gem Regen,
Muß wie ein Wall, ein Leichnam, sich mir zu Füßen legen.

Aufathm' ich! Stolzen Blickes, aufschau' ich zu den Sternen:
Mit goldnen Aeugelein aus weiten Fernen
Alle nur nach mir sie schauen,
Denn, außer mir, wer wandelt noch hier auf diesen Auen?

Aus voller Brust hier athmen! O, welche Seligkeiten!
Athmen aus der Brust, der breiten!
Kaum kann solchen Athemzügen
Ganz Arabiens Lust genügen!

Mit vollem Blick hier schauen! O, welche Seligkeiten!
O, wie glitt mein Blick so gerne
In die weite, weite Ferne!
Von der Welt er mehr erkannte,
Als der Horizont umspannte.

Ausbreiten hier die Arme! O, welche Seligkeiten!
Der ganzen Welt entgegen sie streckt' ich voll Verlangen,
Vom Auf- zum Niedergange sie glaubt' ich zu umfangen;
Stets tiefer mein Gedanke eindrang im Aetherraume,
Und höher, immer höher, bis zu des Himmels Saume, –
Ein Bienlein, das den Stachel verwirkt – mit ihm das Leben,
Ließ ich den Sinn gen Himmel – mit ihm die Seele – schweben!



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