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Biographisches Vorwort.

Adam Mickiewicz, geboren 1798 zu Nowogrodek (Neuenburg) in Litthauen, besuchte, als der Sohn armer adeliger Eltern, das Gymnasium zu Minsk, bezog bereits im 16. Lebensjahre, als Regierungs-Stipendiat die Universität Wilna, um Mathematik und Physik, später Philosophie, Geschichte und Literatur zu studiren, und wirkte 1820 bis 1822 als Lehrer der lateinischen und polnischen Sprache zu Kowno. In dieser Zeit dichtete er die in einer neuen deutschen metrischen Uebertragung hier vorliegenden » Ballady i Romanse«, und gab die erste Sammlung derselben, sowie sein erstes Epos » Grazyna« nebst dem II. und IV. Theile seiner » Dziady«, als die ersten siegverkündenden Heroldsrufe des Kampfes der Romantiker mit den Klassikern in Polen, im Jahre 1823 in Wilna heraus, wohin er zurückgekehrt war, um unter Lelewel seine wissenschaftliche Ausbildung zu vollenden.

Nachdem der Dichter, als Mitglied der bei der Regierung mißliebigen Verbindungen der »Philareten« und der »Strahlenden,« in Wilna längere Zeit festgehalten, und später in das Innere Rußlands verwiesen worden war, machte er in der Verbannung eine Reise nach Odessa, und dichtete hier seine » Sonette aus der Krim« (Deutsch von Gustav Schwab im »deutschen Musenalmanach« 1833, und von Peter Cornelius in der »Universal-Bibliothek« No.76, Leipzig, Philipp Reclam jun.). Diese Gedichte verschafften ihm eine Stelle im Gefolge des Gouverneurs Fürsten Galizin, welcher ihn mit sich nach Moskau nahm, woselbst die Sonette 1826 erschienen. Sie wurden in fast alle Sprachen Europa's übersetzt und erregten unter seinen Landsleuten eine wahre Begeisterung für den jungen Dichter.

Im Jahre 1828 gab er in St. Petersburg eine geschichtliche Erzählung aus Litthauens und Preußens Vorzeit heraus, deren Schauplatz die alte Kreuzherren-Veste Marienburg abgibt. Es ist dies sein berühmtes Epos » Konrad Wallenrod« (Deutsch von K. L. Kannegießer, Leipzig 1834. F. A. Brockhaus, ferner von Werner – Nabieluk, von Otto Koniecki, und endlich von Dr. Albert Weiß. Bremen. 1871, F. Kühtmann, »Miniaturbibliothek«.) Im Jahre 1829 bereiste Mickiewicz Deutschland, wo er Goethe's Bekanntschaft machte, und die Schweiz, wo er mit dem Lyriker Sigismund Krasinski, seinem berühmten Landsmanne, zusammentraf. 1830 lebte er in Rom und schrieb daselbst seine » Ode an die Jugend.« (Deutsch von Carl von Blankensee, in »Ad. Mick. sämmtlichen Werken,« im ersten (und einzig erschienenen) Theile: »Gedichte,« unter denen sich auch die »Balladen und Romanzen« befinden. – Berlin 1836, Nauck'sche Buchhandlung.) In Rom ergab sich der Dichter leider, unter dem Einflusse Montalemberts, dem Mystizismus.

Nach dem Aufstande von 1831 ging er nach Dresden, und 1832 nach Paris, wo er den 4. Theil seiner Dichtungen herausgab, deren 3 erste Theile hier bereits 1828 erschienen waren. Hier heirathete er 1833 Celina Szymanowska, deren Mutter den Altmeister Goethe durch Schönheit und Anmuth, wie durch Gesang und Spiel in Karlsbad entzückte, und deren Schwester, bedeutender als Celina, durch ihr Talent als Malerin Theophil Lenartowicz' Muse ward, jenes berühmten Bildhauers in Florenz, welcher seiner ihm leider durch die neidischen Götter nur allzufrüh entrissenen Gattin nicht nur die poetische Anregung, sondern auch die praktische Unterweisung in der bildenden Kunst verdankte, während Celina die Muse Mickiewicz' nur zu bald verstummen machte. Nachdem er in den Jahren 1832 bis 1834 den dritten Theil der » Dziady«, die » Bücher der polnischen Pilgerfahrt«, den » Giaur«, und endlich sein Meisterwerk, das Epos » Pan Tadeusz« (Deutsch von Spazier, Leipzig 1836) geschaffen, hatte er den Zenith seiner Größe erreicht. Seine späteren Dichtungen sind nur noch ein schwacher Abglanz der früheren. Er glänzte zwar noch durch seine Beredtsamkeit, vertiefte sich aber mehr und mehr in mystische Grübeleien, und wurde in den letzten Jahren seines Lebens zu allen geistigen Arbeiten untauglich.

1839 wurde er Professor der lateinischen Literatur zu Lausanne, 1840 Professor der slavischen Sprachen zu Paris. 1838 gab er daselbst die erste Gesammtausgabe seiner Werke in 8 Bänden, 1845 die zweite, inclusive der Vorlesungen über slavische Literatur ( Cours de la litérature slave 1840-1844. Deutsch, 4 Bände, Leipzig 1843-1849) in 12 Bänden heraus. 1848 ging er wieder nach Italien und Rom, um dort polnische Legionen zu organisiren. 1852 wurde er von Napoleon III. zum Bibliothekar am Arsenal ernannt. 1855 trat er in türkische Kriegsdienste und starb in Constantinopel am 28. November desselben Jahres. Seine letzte Ruhestätte aber fand er, wie seine berühmten Landsleute Niemcewicz und Kniaziewicz, auf dem Friedhofe von Montmoreney.

Eine deutsche Gesammtausgabe der Werke von Adam Mickiewicz existirt bisher nicht. Die im Jahre 1836 von Carl von Blankensee begonnene ist, wie bereits bemerkt, nicht über den ersten Theil hinausgekommen. Man kann zwar schon jetzt – m. A. der noch niemals vollständig erschienen Dziady – sämmtliche Werke des Dichters in zum Theil recht guten Uebersetzungen zusammenstellen, aber dergleichen Einzelübertragungen verzetteln sich nur zu leicht, und die bisher erschienenen haben es nie zu einer zweiten Auflage gebracht. Trotz der Berühmtheit des Namens Mickiewicz hat das deutsche Publicum eine allgemeine Theilnahme für denselben bisher nicht kundgegeben. Und doch kann nur eine Gesammtausgabe seiner Werke den Genius eines Dichters zum klaren Verständnisse und zur vollen Würdigung bringen.

Möchte eine solche, wie er sie im höchsten Grade verdient, dem polnischen Dichterfürsten, welcher sich der lebhaftesten Anerkennung eines Goethe und eines Alexander von Humboldt zu erfreuen hatte, recht bald beschieden, und – möchte es vorliegendem schlichten Bausteine eines bescheidenen Mitarbeiters am Bau einer Weltliteratur im Sinne des deutschen Großmeisters, hierbei mitzuwirken vergönnt sein.

Gumbinnen, am 5. Januar 1874.
Dr. Albert Weiß.


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