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Der Zauberspiegel.

Ballade.

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(Aus »Dziady« I. Theil, Seite 7.)

Thor und Thüren sprengt im Schlosse
Twardowski, und irrt durch die Hallen,
Läuft vom Thurm zum Erdgeschosse –
Welch' Spuk hat ihn dort überfallen!

Moderdüft' im Keller wehen –
Welch Wunder! Wer büßt an den Stätten?
Ewig muß am Spiegel stehen
Ein Mensch dort, geschmiedet in Ketten:

Menschenähnlich zwar gestaltet,
Doch Mensch nur noch ist er zum Scheine:
Theil für Theil – ein Zauber waltet –
Wird mälig verwandelt zum Steine.

Stein ist bis zur Brust er worden,
Doch noch auf den Wangen ihm glühen
Mannesmuth und Lust am Morden;
Im Aug' ihm Gefühle noch sprühen.

»Wer bist du, Beklagenswerther,
Der wagte zu nahen den Thoren,
Da zerschellt so viele Schwerter,
Die Freiheit so Viele verloren?« –

– »Wer ich bin? Die Welt schon machten
Mein Schwert und mein Namen erzittern;
Groß an Macht, an Ruf zu achten,
Entstamm' aus Twardow' ich den Rittern

– »Aus Twardowo? … Meiner Zeiten
Nie hörte den Namen ich nennen,
Nicht in Schlachten noch in Streiten,
Bei Ritterturnieren und Rennen.

»Weiß nicht, meine Haft, wie lange
Sie mag im Verließ hier schon währen;
Du sollst, der mit frischer Wange
Du kamst aus der Welt, mir's erklären:

»Sprich, ob Olgierd, wie vor Jahren,
Als Feldherr litthauischer Krieger,
Noch zersprengt der Deutschen Schaaren,
Die Steppen zerstampft noch als Sieger?« –

– »Olgierd? … Jahre schon zweihundert
Seit seinem Hinscheiden entschwanden;
Aus der Enkelschaar, bewundert
Als Held, ist Jagiello erstanden.« –

– »Wie? Was hör' ich? … Noch zwei Worte:
Du irrtest auf wechselnden Pfaden,
Hast, Twardowski, nicht die Orte
Besucht an des Switez Gestaden?

»Nicht gehört die Mähr ertönen
Von Poraj's gewaltigem Hiebe?
Von Maryla, seiner Schönen,
Die einst er vergöttert in Liebe?« –

– »Jüngling, Nein! Wohin ich schaute
Vom Niemen zum Dniepr-Gestade,
Poraj traf und seine Traute
Ich nirgend auf wechselndem Pfade.

»Zeitverlust ist all' dein Fragen:
Wenn ich dem Gestein dich entrissen,
Wirst du in die Welt dich wagen,
Bald selbst, was du fragtest mich, wissen.

»Kenn' ich doch des Spiegels Tücken:
Ein Sprüchlein nur brauch' ich zu lallen,
Nur den Spiegel zu zerstücken,
So wird dir die Maske entfallen!« –

Spricht es, zielt, mit jähem Hiebe
Den Spiegel zu schlagen in Splitter;
Ruft der Jüngling: »Mir zu Liebe,
Halt ein! Ich beschwöre dich, Ritter!«

»Von der Wand den Spiegel hänge,
Und gib ihn mir selbst in die Hände,
Daß ich meine Fesseln sprenge,
Und selber die Qualen mir ende!« –

Nimmt er, was er längst erharret –
Noch ist's, als ob Thränen er weine –
Küßt den Spiegel … und … erstarret,
Bis ganz er verwandelt zum – Steine.



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